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Steffen Hahn & Christopher Helm 24. Mai 2022

Automatisierung des Kreditgeschäfts mit KI

Kaum eine Technologie bietet Banken aktuell so viele Möglichkeiten wie die künstliche Intelligenz (KI). KI definiert die Befähigung von Maschinen zum menschenähnlichen Denken, Handeln und Entscheiden. Damit bietet der Einsatz von KI den Banken zahlreiche vielversprechende Möglichkeiten, um menschliche Fertigkeiten im Front-, Middle- und Backoffice zu skalieren, die Prozessautomatisierung voranzutreiben und Marktdurchdringung zu sichern. Doch was ist beim Einsatz von KI bei Banken und Finanzdienstleistern in der Praxis zu beachten?

Auf dem Weg zu digitalen Banken und Finanzdienstleistern gewinnen datengetriebene Prozesse und der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) immer mehr an Bedeutung. Eine konsequente Entwicklung: Verfügen Banken doch über eine Vielzahl an Daten, mit denen von der Prüfung der Kreditwürdigkeit und Kreditfähigkeit natürlicher oder juristischer Personen innerhalb der Kreditprozesse, über den Know-Your-Customer-Prozess (KYC) bis hin zu Fraud Detection bei Verwendungsnachweisen oder der Kundenkommunikation viele Bereiche transformiert werden können.

Welches Verständnis von KI haben die Vorreiter der Führungskräfte in Banken?

Für KI in Banken braucht es nicht nur Algorithmen, sondern auch die Kompetenz der Mitarbeitenden, die KI zu befähigen. Vereinfacht dargestellt muss die Befähigung von Maschinen zwei Elemente umfassen: einerseits grundsätzlich die Fähigkeit von Algorithmen, Menschen zu imitieren und andererseits den Lernprozess, konkrete Fertigkeiten von Menschen zu erwerben. Gerade durch die jüngste Forschung im Bereich Deep Learning sind Algorithmen fähig, das menschliche Sehen, Hören oder Sprechen zu imitieren. Im Praxiseinsatz bei Banken benötigt KI jedoch spezialisierte Fertigkeiten. Eine Fertigkeit bezeichnet bei Menschen einen erlernten oder erworbenen Anteil des Verhaltens. Übertragen auf die KI bedeutet dies, dass die KI spezialisierte Fertigkeiten erlernt und so z. B. Aufgaben bei der Bilanzanalyse übernehmen kann, bei denen diese Fertigkeiten benötigt werden.

Anders als bei Auszubildenden, die sich Fertigkeiten zum Beispiel durch die Einweisung ihrer Vorgesetzten aneignen, benötigt die KI Daten, um Fertigkeiten zu erlernen. Was oft vergessen wird: Damit die KI Daten nutzen kann, um Fertigkeiten zu erlernen, müssen diese Daten durch Mitarbeiter zunächst aufbereitet werden. Die Phase der Datenaufbereitung wird häufig als das "Annotieren" der Daten bezeichnet. Das dann folgende überwachte Lernen stellt das eigentliche "Training" der KI dar.

Die Analyse von Bilanzen als ein Anwendungsbereich für KI in Banken

Bevor KI eigenständig über Annahme oder Ablehnung einer Kreditanfrage entscheiden kann, sammeln Bankmitarbeiter zuerst Daten in Form von Bilanzen oder Gewinn- und Verlustrechnungen ein. Die Dokumente stehen häufig durch Exporte von Steuerberatern, Downloads aus dem Bundesanzeiger, Scans oder auch im XBRL-Format zur Verfügung. Die elektronische Übermittlung von Daten mit Hilfe von standardisierten Schnittstellen-Formaten existiert in der Regel nicht oder nur sehr eingeschränkt. Für Bilanz-Analyse-Systeme in den Kreditinstituten müssen häufig Bilanzdaten oder Risikomerkmale manuell erfasst werden.

Sobald jedoch digitale Dokumente zur Verfügung stehen, kann eine KI notwendige Daten auch aus der Bilanz, der GuV, dem Kontennachweis oder Anhangs-Texten auslesen.

Um die KI zu trainieren, werden diese Daten in Bilanzen unterschiedlichster Struktur zunächst von den Fachexperten analysiert, markiert und fachlich gruppiert. Diese fachliche Zuordnung der Daten in den Dokumenten – die Annotationen – bilden die Basis für das Training der KI. Nur durch sie kann die KI lernen, Beträge in neu eingehenden Dokumenten automatisch zu suchen, zu markieren und fachlich einzuordnen, um am Ende – sofern gewünscht – sogar die Entscheidung über Annahme oder Ablehnung eines Kreditantrages zu treffen.

KI zur Analyse von Energieausweisen als Vorbereitung für "Grüne Anleihe"-Emissionen in Banken

Allein im Jahr 2020 wurden weltweit 224 Milliarden Euro "Green Bonds" emittiert. Aber die Nachfrage übersteigt bei weitem das Angebot. In diesem Zusammenhang wird auch häufig über "Nachhaltigkeitsrisiken", "ESG-Kriterien" sowie deren Verankerung in Geschäftsstrategien, Governance und Risikomanagement diskutiert.

Dabei sind bereits die in den letzten Jahren kontinuierlich weiterentwickelten regulatorischen Vorgaben verschiedener Standardsetter zu berücksichtigen. Als wesentliche Regularien sind an dieser Stelle zu nennen:

  • BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken ergänzt durch den
  • EZB-Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken,
  • EU-Aktionsplan "Financing Sustainable Growth" und EU Sustainable Finance Strategy mit der EU-Taxonomie-Verordnung, dem Europäischen Green-Bond-Standard (EU-GBS) sowie der EU-Offenlegungsverordnung und das
  • Diskussionspapier der EBA zu Management und Beaufsichtigung von ESG-Risiken in Finanzinstituten und Investmentfirmen.

Wo kann an dieser Stelle eine KI sinnvoll unterstützen?

Vielfach liegen den Instituten wichtige Informationen zu den relevanten Kreditengagements, die in eine "Grüne Anleihe" gebündelt werden können, bereits vor, können aber noch nicht schnell und effizient ausgewertet werden. Hier kann es sehr hilfreich sein, vorhandene Energieausweise mit Hilfe von KI auszulesen und die Ergebnisse in Hinblick auf die Energieeffizienz zu analysieren.

Wie hoch sind die Kosten für KI und wo entstehen diese?

In der Praxis wird häufig angenommen, dass KI beliebige Daten nutzen kann, um zu lernen. Unterschätzt werden die Kosten und Aufwände für die Aufbereitung der in Banken verfügbaren Daten für den Einsatz der KI. Die für die Aufbereitung der Daten benötigten Ressourcen sind ein Vielfaches höher als die des KI-Trainings. Neueste KI-Software bietet zwei Möglichkeiten, diesen Kostentreiber zu reduzieren.

Die verfügbaren Daten fachlich korrekt für die KI zu definieren ist häufig der wichtigste Schritt beim KI-Einsatz in der Praxis. Dabei fehlt Fachexperten häufig die Erfahrung, um die verfügbaren Daten für das Lernen der KI nutzbar zu machen.

Um die Qualität von Annotationen deutlich zu verbessern, können Software-Lösungen wie "Konfuzio" eingesetzt werden. Die intuitive Nutzeroberfläche unterstützt den Fachbereich beim Annotieren und dem Training der KI. Nutzer berichten, dass selbst ohne KI-Vorerfahrung bei Bankmitarbeitern Genauigkeiten und Automatisierungsquoten erzielt werden, die ohne die Software nur durch ein separates IT-Projektteam erreichbar wären.

Welche Faktoren sprechen für Eigenfertigung oder Fremdbezug von KI?

Wer KI nutzen möchte, hat grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Vergleichbar mit der "Make-or-Buy"-Entscheidung klassischer Software. Entweder trainiert man KI selbst oder kauft diese bereits trainiert von einem Anbieter ein.

Ein Vorteil der fertig-trainierten KI ist es, dass diese ad hoc genutzt werden kann. Zum Beispiel erkennt die bereits trainierte KI für Rechnungen sowohl Bankverbindungen und Einzelpositionen als auch Empfänger und viele weitere Informationen. An dieser Stelle ist der KI-Anbieter in Vorleistung gegangen und ermöglicht Nutzern, Dokumente direkt zu verarbeiten: Die KI ist fertig angelernt und automatisiert sofort die Informationsbeschaffung aus Rechnungen. Die Anwendungsfälle reichen von der Prüfung der Verwendungsnachweise für Fördermittel über die Legitimationsprüfung bis hin zur Automatisierung der Antragsstrecke der Baufinanzierung oder den jährlichen Prüfungsprozess von Kreditengagements.

Der Vorteil der vortrainierten KI kann jedoch zum Nachteil werden, wenn besondere Fertigkeiten benötigt werden. Bei komplexen Aufgaben ist das Training eigener KI meist sinnvoll. Um eigene KI besonders kostengünstig zu entwickeln, automatisiert gute KI-Software das Annotieren: Hier unterstützt die KI-Software dabei, täglich neu eingehende Dokumente fachlich zuzuordnen und das manuelle Annotieren durch den Fachbereich sukzessiv zu entkoppeln. Dies spart nicht nur Zeit, um selbst große Datenmengen für die KI aufzubereiten, sondern ermöglicht dem Fachbereich der KI laufend Feedback zu geben und so an neue Gegebenheiten anzupassen.

Blockiert der Datenschutz und die Regulatorik die Nutzung von KI?

Für Banken und Finanzdienstleister ergibt sich nicht nur aus der Datenschutzgrundverordnung ein noch strengerer Rechtsrahmen für die Nutzung von personenbezogenen Daten. Daneben regulieren auch § 203 StGB, § 12 GBO und § 26 KWG die Möglichkeiten, KI zu nutzen. Durch ausgefeilte Löschkonzepte, die – neben dem länderspezifischen Hosting – zu den Grundvoraussetzungen für KI-Partner von Banken und Finanzdienstleistern gehören sollten, ermöglichen einzelne KI-Anbieter den Betrieb auf der Private Cloud oder sogar On-Prem. Dies ist jedoch nur möglich, wenn der KI-Anbieter die gesamte KI-Software ohne externe Schnittstellen entwickelt hat. An dieser Stelle lohnt es sich, einen Spezialisten hinzuzuziehen, um die Software möglicher Zulieferer umfassend zu prüfen, bevor diese integriert wird.

Autoren

Steffen Hahn

Steffen Hahn ist Partner bei der Beratungsgesellschaft RFC Professionals GmbH. Seit über 20 Jahren ist er in Banken und Projekten mit Schwerpunkt Kreditgeschäft und Kreditprozessen tätig.
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Christopher Helm

Christopher Helm ist ein Digital Native der InsurTech- und FinTech-Szene. Durch diverse Software Produkte schafft die Helm & Nagel GmbH Synergien zwischen künstlicher und natürlicher Intelligenz.
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