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Dr. Dina Barbian 28. Juni 2022

Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit

Bereits in den 1950er-Jahren versuchte man, Computer menschenähnlich zu machen bzw. ihnen eine "künstliche" Intelligenz zuzuerkennen. Seitdem gab es vier Wellen der Künstlichen Intelligenz (KI). Die Möglichkeiten der Ausgestaltung von KI sind mit der Leistungs- und Speicherfähigkeit von Rechnern gewachsen. Die KI kann jedoch nur so gut sein, wie ausreichend Daten aus der Vergangenheit in guter Qualität vorhanden sind, denn nur dann kann die KI "lernen".

An dieser Stelle kommt die Nachhaltigkeit ins Spiel, denn wo Daten gespeichert und/oder gesendet werden, fließt auch Strom. Die Energie dafür wird zumeist fossil generiert und dies führt zu klimarelevanten CO2-Emissionen. Nachhaltigkeit kann daher nur gelingen, wenn der Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammt. Mittlerweile macht der CO2-Ausstoß des globalen Datenverkehrs laut The Shift Project 4 Prozent aus [1].

Die IKT-Branche gehört aber nicht zu den größten Verursachern, allerdings hat sie den derzeit stärksten Anstieg, daher ist davon auszugehen, dass wir nun (2022) bereits bei etwa 4,5 oder sogar schon bei 5 Prozent liegen. Das ist mehr als die gesamten CO2-Emissionen des globalen zivilen Flugverkehrs pro Jahr. Hinzu kommt, dass die KI zur gezielten Überwachung und Manipulation eingesetzt wird, was ethische Fragestellungen aufwirft. Dabei könnte die KI einige Umweltprobleme lösen, sogar den CO2-Ausstoß senken und somit zum Nutzen der Menschen und zur Verbesserung der Lebensgrundlagen beitragen. Anhand von Beispielen wird dies am Ende dieses Artikels erläutert.

Schnittstelle zwischen "Künstlicher Intelligenz" und "Nachhaltigkeit"

"Künstliche Intelligenz" (KI) bedeutet, einen Computer dazu zu bringen, menschliches Verhalten zu imitieren. Damit ist die "Fähigkeit" des Rechners gemeint, menschliche Aktionen nachzuahmen, wie z. B. aus Beispielen und Erfahrungen zu lernen, Objekte zu erkennen, Sprache zu verstehen und darauf zu reagieren, Entscheidungen zu treffen und Probleme zu lösen. KI ist ein sehr komplexes und umfangreiches Teilgebiet der Informatik. Wer sich mit ihr beschäftigt, trifft auf Begriffe wie Maschinelles Lernen, Künstliche Neuronale Netze und Deep Learning. Viele dieser Begriffe sind gar nicht so eindeutig und lassen sich nur schwer voneinander abgrenzen. Bisher geht man von vier KI-Wellen aus. Die letzte, in der wir uns gerade befinden, gilt als sehr vielversprechend.

Nachhaltigkeit bedeutet laut Definition der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (WCED, 1987), die Bedürfnisse eines Menschen zu befriedigen, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Eine nachhaltige Entwicklung beruht auf drei Säulen (sozial, wirtschaftlich, ökologisch) und stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Der Mensch kann jedoch ohne intakte natürliche Grundlagen nicht überleben, daher gehört der Umweltschutz zum Konzept der Nachhaltigkeit. Auch eine inter- und intragenerationelle Gerechtigkeit mit einem fairen Zugang zu den natürlichen Ressourcen, vor allem zu sauberem Wasser, ist wichtig (s. Abb. 1).

In diesem Beitrag geht es um die Fragestellung, wo die KI zu mehr Nachhaltigkeit führen kann. Das Trainieren von KI-Modellen und speziell die Algorithmen für maschinelles Lernen verbrauchen Energie und verursachen Treibhausgasemissionen. Auch die für die KI benötigte Infrastruktur wie digitale Endgeräte, Server, Rechenzentren, Übertragungstechnik etc. verbraucht Strom.

Bei der Analyse von KI und Nachhaltigkeit geht es zum einen um KI für mehr Nachhaltigkeit und zum anderen geht es um die Nachhaltigkeit für die KI bzw. um eine "nachhaltige KI". Amy van Wynsberghe hat in ihrem Artikel aus dem Jahr 2021 "nachhaltige KI" (Sustainable Artificial Intelligence (AI)) beschrieben als "a movement to foster change in the entire lifecycle of AI products (i.e. idea generation, training, re-tuning, implementation, governance) towards greater ecological integrity and social justice. Sustainable AI is about how to develop AI that is compatible with sustaining environmental resources for current and future generations. Sustainable AI means reduction of carbon emissions and computing power." [2] Sie spricht sowohl die Umweltverträglichkeit als auch die Ethik von KI an. In erster Linie sollen Energieverbrauch und CO2-Emissionen gesenkt werden.

Die vier Wellen der Künstlichen Intelligenz

Bisher kann man in der historischen Entwicklung vier wellenförmige Phasen der KI unterscheiden (s. Abb. 2). Eine ausführlichere Erläuterung dieser Wellen ist in Mertens, Barbian und Baier (2017) zu finden.

In der ersten Phase glaubte man, dass man in Zukunft das menschliche Gehirn – speziell seine Neuronen und neuronalen Netze – durch Schaltungen im Computer nachahmen können würde. Damit sollte der Computer "allgemeine" Problemlösungsfähigkeiten erhalten. Von daher stammt der Begriff "General Problem Solver" (GPS). Man gelangte damit jedoch rasch an Grenzen, daher erfolgte nach der ersten Welle ein Paradigmenwechsel und man setzte sich in Phase II das Ziel, "lediglich" menschliche Expert:innen auf ihrem Spezialgebiet zu unterstützen ("Expertensysteme" (XPS)), denn es war einfacher, das menschliche Gedächtnis im Speicher eines Computers in Form von "Wissensbasierten Systemen" (WBS) nachzubilden, als die logische Fähigkeit des menschlichen Hirns. Mittels der XPS konnte verfolgt werden, wie die Algorithmen ihren Weg durch die Regelwerke nahmen. Damit konnten Empfehlungen an den Menschen gegeben oder automatisch Entscheidungen getroffen werden. Die dritte Phase war kurz und betraf semantische Netze. Damit wurden Beziehungen zwischen Begriffen modelliert, zum Beispiel die Beziehung eines Unternehmens zu seinen Stakeholdern, zur Gesetzgebung und Kultur des Landes, zur allgemeinen wirtschaftlichen Lage des Bundeslandes etc. Dadurch konnte mit Assoziationen gearbeitet werden. Ein weiteres Beispiel dieser Phase ist auch die Auswertung von Daten, die beim Besuch von Webseiten entstehen, um mehr über Kund:innen und deren Präferenzen zu erfahren. Beispielsweise wurden Zusammenhänge zwischen der Folge von Klicks und Bestellungen über das Internet analysiert. Aber auch die dritte KI-Welle erfüllte nicht die Erwartungen der Expert:innen und wurde daher gegen Ende der 1990er Jahre nicht weiter verfolgt. Derzeit erleben wir die vierte Welle, die auch als "Renaissance" der künstlichen neuronalen Netze (KNN) interpretiert wird. Leider wird daher der Begriff KI oft mit KNN gleichgesetzt, was aber falsch ist. Laut Matzka funktionieren KNN "nach dem Prinzip biologischer Nervenzellen (Neuronen), welche durch elektrische Impulse von verknüpften Neuronen aktiviert werden und diesen Aktivierungszustand an weitere Neuronen weiterleiten können" [3]. Diese Neuronen befinden sich in sogenannten Layers (Schichten). Die eingegangenen Daten bzw. Informationen werden von der Eingangsschicht aufgenommen und nach der Verarbeitung an Zwischenschichten weitergeleitet. Abschließend werden die Zwischenergebnisse an die Ausgabeschicht gesendet und ein endgültiges Ergebnis erzeugt. Deep Learning ist eine Variante der Neuronalen Netze. Der ausschlaggebende Punkt ist die Anzahl der oben erwähnten Zwischenschichten. Die vielen Zwischenschichten sorgen für ein besseres Ergebnis. Grundlegend kann gesagt werden, dass durch Deep Learning gute bis sehr gute Ergebnisse erzielt werden, aber auch eine große Menge an Daten benötigt werden. Sehr oft können die Ergebnisse nicht erklärt werden und es lässt sich keine Nachverfolgbarkeit der erfolgten Gewichtungen der Zwischenschichten erzielen, sodass man sich hier nach wie vor in einer Blackbox befindet.

Daten sind die Grundlage für das Trainieren von Machine-Learning-Modellen. Nachdem heutzutage nicht nur über Plattformen, sondern auch in Unternehmen, große Mengen an Daten gesammelt werden, ist die Grundlage für einen Einsatz von Methoden der KI gegeben. Doch der Einsatz von KI und das Trainieren von ML-Modellen verursachen einen steigenden Energie- und Ressourcenverbrauch und haben damit einen zunehmenden Einfluss auf unser Klima und das Erreichen der Klimaziele nach dem Pariser Klimaschutzabkommen. Diesem zufolge sollte die Erderwärmung auf möglichst 2 Grad (besser 1,5 Grad) begrenzt werden.

Klimarelevanz von KI

KI hat bereits heute einen bedeutenden CO2-Fußabdruck und wenn sich die Trends in der Branche fortsetzen, wird dieser bald noch viel größer werden. KI könnte damit das Erreichen der Klimaziele gefährden. Die Abb. 3 zeigt einen Vergleich von CO2-Fußabdrücken verschiedener Aktivitäten. Das Trainieren eines KI-Modells verursacht den höchsten CO2-Verbrauch.

KI-basierte Systeme sind sehr rechenintensiv. Sie müssen eine große Menge an Daten verarbeiten, was den Bedarf an Servern und die Abhängigkeit von Energie zur Kühlung von Rechenzentren erhöht. Laut Abb. 3 kann das Training von KI-Modellen den fünffachen CO2-Ausstoß der Lebenszeitemissionen eines amerikanischen Autos oder das Äquivalent von 300 Hin- und Rückflügen zwischen San Francisco und New York erzeugen. Man muss allerdings bei dem Schaubild beachten, dass in der Studie nur eine bestimmte Art von KI betrachtet wurde, nämlich das Trainieren eines künstlichen neuronalen Netzes, welches unter allen KI-Methoden sehr energieintensiv ist. Weniger energieintensiv sind zum Beispiel: Bayesian Algorithm, K-Nearest-Neighbor, Random Forest Algorithms, Decision Tree, Logistic Regression.

Es gibt leider nach wie vor wenige Studien, die Unternehmen unterstützen, die Auswirkungen von KI auf den eigenen CO2-Ausstoß zu berechnen. Wichtig ist hier, zunächst eine umfassende Datengrundlage zu den erhobenen Daten und zur eingesetzten KI-Methode zu sammeln. Die in Abb. 4 dargestellte Herangehensweise könnte eine Grundlage dafür sein.

Zu Beginn sollte die Problemformulierung stehen. Es geht hier um folgende Fragestellungen: Welche Art von Daten (Planungsdaten, Produktionsdaten, Produktdaten, Lagerdaten, Qualitätsdaten, Personendaten, Betriebsdaten, Maschinendaten, Umweltdaten) soll erhoben werden? Wie viele Datensätze werden gebraucht? Welcher Machine-Learning-Ansatz soll zum Einsatz kommen (Datenbasis, Datenaufbereitung/fehlende Werte, Modellierung, Auswertung)? An dieser Stelle sollte bekannt sein, ob es sich bei der bevorstehenden Berechnung um eine Vorhersage, Klassifizierung oder bspw. Mustererkennung handelt. Hiervon ist der Einsatz eines geeigneten Algorithmus abhängig.

Die Beantwortung dieser Fragen hängt von mehreren Faktoren ab, darunter: (1) Umfang, Qualität und Art der Daten; (2) die verfügbare Rechenzeit; (3) die Dringlichkeit der Aufgabe und (4) was man mit den Daten machen will.

Ohne Daten über die potenziellen Umweltauswirkungen von KI-Projekten können Investitionen für mehr Klimafreundlichkeit nicht vollständig bewertet werden.

Es gibt einige wenige Organisationen, die – oftmals frei verfügbare – Werkzeuge zur Verfügung stellen, um annähernd die Umweltauswirkungen von KI zu ermitteln:

  • Dazu gehören das Montreal Institute for Learning Algorithms (Mila) mit dem Tool ML CO2 Impact [4], womit sich abschätzen lässt, wie viel CO2 beim Training von Modellen für maschinelles Lernen erzeugt wird.
    Die Forscher:innen des Mila haben im Jahr 2019 ihre Ergebnisse in einem Aufsatz festgehalten, worin sie versuchen, den Einfluss von Machine Learning auf den CO2-Ausstoß zu quantifizieren [5]. Trotz allem ist es nach wie vor schwierig, den genauen Einfluss von KI bzw. Machine-Learning-Algorithmen auf das Klima zu ermitteln. Es gibt bisher nur Annäherungswerte, die von folgenden Faktoren bzw. Entscheidungen abhängig sind, die sich auf die Gesamtmenge der Emissionen auswirken:
      1. Art der verwendeten Energie
      2. Computing-Infrastruktur und Schulungszeit
      3. Cloud-Anbieter (Google Cloud Platform, Amazon Web Services, Microsoft Azure, private Infrastruktur)
      4. Region (Energiemix - erneuerbar und nicht-erneuerbar)
  • Eine weitere Plattform ist CodeCarbon. Hier wird versucht, auf den CO2-Ausstoß von KI aufmerksam zu machen [6]. Die Plattform wurde von vier Partnerorganisationen entwickelt und ist ebenfalls frei verfügbar.
  • Eine dritte Plattform ist Climate Change AI, eine globale Initiative, die die Arbeit an der Schnittstelle zwischen Klimawandel und maschinellem Lernen vorantreiben will [7].

Insgesamt wächst das Bewusstsein, mit Energie und Rohstoffen bewusster umzugehen. Bei der Ermittlung der Klimarelevanz von KI stehen wir allerdings noch ganz am Anfang. Mit zunehmendem Sammeln und Speichern von Daten und vor allem personenbezogenen Daten stellt sich auch die Frage nach der Ethik von KI.

Ethische Relevanz von KI

Wenn mit Daten gearbeitet wird, ist Datenschutz und Sicherheit ein sehr umstrittenes Thema. Daten sind jedoch die Grundlage für das Trainieren von KI-Modellen. Neben der Quantität spielt aber auch die Qualität eine sehr große Rolle. Es muss gewährleistet sein, dass die Daten nicht mangelhaft sind. Konsequenzen könnten fehlerhafte Auswertungen bzw. Entscheidungen sein. Mit besonders sensiblen Daten sollte vorsichtig umgegangen werden [8]. Gerade mit KI-Algorithmen lassen sich im Online-Kauf sehr schnell Daten über das Kaufverhalten sammeln und auswerten. Das Auswerten der Daten führt zu einer Klassifizierung der Konsumenten mit dem Ziel, diesen personalisierte Angebote zu präsentieren, um sie zu mehr Käufen zu animieren. Bereits 2016 wurde in einer globalen Studie zum Online-Kaufverhalten gezeigt, dass 87 Prozent der Online-Shopper mehr kaufen, wenn sie individualisierte Angebote erhalten [9]. Damit bekommt der Einsatz von KI eine neue Dimension und die Ethik spielt zunehmend eine große Rolle. Spiekermann hat diese Problematik 2019 in ihrem Buch über "Digitale Ethik" thematisiert [10].

Der Einsatz von KI kann zu einer algorithmischen Lenkung durch einige wenige Tech-Unternehmen führen.

Das Sammeln von Daten erfolgt auch über sogenannte Tracking-Dienste. Diese laufen im jeweiligen Tool (z. B. Amazon, Google) ab und dabei werden Daten – z. B. Standort, eingegebene Suchwörter oder verwendete Internet-Browser – gesammelt, mit dem Ziel, ein besseres Online-Marketing zu betreiben. Auch Prognosen können so über das zukünftige Kaufverhalten durchgeführt werden [11]. Risiken sind bspw. eine zunehmende Cyber-Kriminalität, Angriffe auf Unternehmen und Staaten, Schwierigkeiten bei der Normung, aber auch Haftungsfragen bei Fehlern und Unfällen, die durch die KI verursacht wurden.

Je mehr Daten bei einigen wenigen Anbietern konzentriert sind, umso größer ist außerdem die Gefahr der Zentralisierung von Daten, Kapital und Macht. Der Einsatz von KI-Methoden kann damit zu einer algorithmischen Lenkung und einer Kontrolle durch einige wenige große Tech-Unternehmen führen. Diese haben so noch stärker die Möglichkeit, den Markt zu beherrschen und nicht-kommerzielle (oftmals kleinere) Unternehmen zu verdrängen. Zuboff hat diese Entwicklung in ihrem Buch "Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus" thematisiert [12]. Die Autorin geht auf die Methoden der Verhaltensauswertung und -manipulation sowie auf deren sozialen, politischen, ökonomischen und technologischen Folgen ein.

Es gibt aber auch Plattformen, die dieser Entwicklung entgegenwirken [13].

Bezug der KI zu den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen

KI spielt eine wichtige Rolle bei der Verwirklichung nicht nur der Umweltziele, sondern auch aller anderen Ziele für nachhaltige Entwicklung (s. Abb. 5) – von der Beseitigung von Hunger und Armut über nachhaltige Energie und die Gleichstellung der Geschlechter bis hin zum Schutz und Erhalt der biologischen Vielfalt [14]. KI hat das Potenzial, die globalen Bemühungen zum Schutz der Umwelt und zur Erhaltung der Ressourcen zu beschleunigen, indem sie Potenziale zur Verringerung von Energieemissionen oder CO2-Abbau erkennt, bei der Entwicklung umweltfreundlicherer Verkehrsnetze hilft, die Abholzung überwacht und extreme Wetterbedingungen vorhersagt.

Die Studie "The role of artificial intelligence in achieving the Sustainable Development Goals" untersucht den potenziellen Einfluss von KI auf die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen [15]. Es wurden die drei Bereiche des 3-Säulen-Modells (Ökologie, Ökonomie, Soziales) sowie die 169 Unterziele betrachtet (s. Abb. 6). Kennzahlen waren unter anderem die Anzahl und die Aussagekraft der Belege. Bei den positiven Auswirkungen von KI auf die Nachhaltigkeitsziele spiegelt die äußere hellgrüne Fläche im Inneren des Kreises die Menge dar, während die innere dunkelgrüne Fläche die Gewichtung bzw. die Stärke der Belege widerspiegelt. Laut der Studie könnten 134 der 169 Unterziele (79%) von der KI profitieren. Auf der anderen Seite gibt es aber auch einen negativen Einfluss der KI auf die Nachhaltigkeit, denn 59 der 169 Unterziele (35%) werden durch KI verschlechtert.

Demnach hat KI auf der einen Seite das Potenzial, beträchtliche und folgenreiche negative Umweltwirkungen zu erzeugen. Auf der anderen Seite hat KI aber auch das Potenzial, Emissionen auszugleichen oder zu reduzieren.

Positive Einflüsse der KI auf Nachhaltigkeit

KI kann in vielen Bereichen und Branchen einen positiven Nettobeitrag zur Nachhaltigkeit leisten. KI könnte ein Schlüsselfaktor für eine nachhaltigere und widerstandsfähigere Produktion sein. KI hat auch das Potenzial zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks eines Unternehmens. Dazu sollten Unternehmen ebenfalls zu Cloud-Anbietern wechseln, die sich verpflichten, ihren CO2-Fußabdruck zu verringern. Zum Beispiel konnte die DeepMind-Abteilung von Google eine KI entwickeln, die sich selbst beibringt, den Energieverbrauch für die Kühlung von Rechenzentren zu minimieren. Dadurch konnte Google den Energiebedarf seiner Rechenzentren um 35 Prozent senken.

Im Verkehrssektor könnte KI dazu beitragen, Verkehrsstaus zu verringern und den Transport von Gütern (Lieferkettenlogistik) zu verbessern. KI wird schließlich bei dem Problem der "letzten Meile" helfen und den Bedarf an Lieferfahrzeugen verringern. KI kann Unternehmen bei der Nachfragevorhersage helfen und so den Transportbedarf senken.

In der Fertigung kann KI dazu beitragen, Abfall und Energieverbrauch in Produktionsanlagen zu reduzieren und künstliche Bildverarbeitungssysteme ermöglichen die Erkennung von Fehlern in Montagelinien, die für das menschliche Auge unsichtbar sind. Künstliche Intelligenz ist daher ein Schlüsselelement bei der Vorhersage von Fehlern und der Minimierung von Problemen, die die nachhaltige Entwicklung beeinträchtigen können.

In der Materialwissenschaft kann KI den Forschern helfen, neue Materialien zu finden, die zum Beispiel rezyklierbar oder biologisch abbaubar sind.

Im Energiesektor kann KI die Effizienz verbessern, Kosten senken und die Erzeugung unnötiger CO2-Emissionen verhindern. Freigesetzte Energie wie z. B. die Wärme von Serverstationen kann genutzt werden, um zum Beispiel umliegende Gebäude zu heizen oder um Schwimmbäder und Gewächshäuser zu beheizen. KI kann auch dazu beitragen, die Effizienz erneuerbarer Energien zu verbessern, um die erforderliche Energieproduktion vorherzusagen und Ausfälle zu verhindern und zu diagnostizieren.

Die Medizin ist aktuell einer der erfolgversprechendsten Anwendungsbereiche, in denen KI eingesetzt wird. Einer dieser Bereiche ist die Diagnose von Krankheiten, insbesondere die Diagnose von Krebs. Eine Studie stellte eine Untersuchung vor, in der geprüft wurde, wie gut KI im Vergleich zu Ärzten Hautkrebs diagnostiziert [16]: Einem KI-Programm und 157 Ärzten wurden 100 Bilder gezeigt. 80 von ihnen zeigten gutartige Muttermale und 20 von ihnen schwarzen Hautkrebs (Melanom). Die Aufgabe war, zu unterscheiden, ob es sich um ein gewöhnliches Muttermal oder Hautkrebs handelt. Vor der Durchführung wurde das KI-Programm mit über 12.000 Bildern trainiert. Genutzt wurde die Deep-Learning-Methode, d. h. das Programm hat anhand der Pixel in den Bildern ein Muster identifiziert und dann entschieden, ob es ein Muttermal oder Krebs ist. Das Resultat war eindeutig. Das KI-Programm war treffsicherer als 136 Ärzte.

Neben der Diagnose (von Krebs) wird Künstliche Intelligenz im medizinischen Bereich auch für weitere Aufgaben eingesetzt. Dazu zählen unter anderem die personalisierte Behandlung von Patienten, Medikamentenentwicklung und Roboter-Assistenten im OP-Saal [16].

Weitere Beispiele sind die Fehlerreduzierung zum Beispiel bei von Menschen durchgeführten manuellen Aufgaben. Die Behebung dieser vermeidbaren Probleme hat einen höheren Energieverbrauch zur Folge. KI kann dazu beitragen, menschliche Fehler bei vielen Aufgaben zu reduzieren. Generell kann über Datenbrillen der Mensch bei vielen Tätigkeiten unterstützt werden.

Aber auch beim effizienten Einsatz von Rohstoffen könnte die KI eine Rolle spielen. Wenn sich KI auf die Überwachung des Rohstoffverbrauchs konzentriert, kann sie Möglichkeiten zur Senkung dessen schaffen. KI kann auch die Entwicklung von kohlenstoffarmen Materialien für Produkte vorantreiben. Aber auch eine schnelle und gezielte Nachverfolgung von Ressourcen und der gesamten Lieferkette mit einer Überwachung der Lieferkettenkosten ist möglich.

Bienen lassen sich ebenfalls gezielt schützen, weil die KI Krankheiten wie zum Beispiel die Varroa-Milbe viel besser und schneller erkennt als das menschliche Auge. Damit könnten viele Bienenleben gerettet werden. Die Rolle der Honigbienen für die Vielfalt unserer Lebensmittel ist unumstritten.

Kriterien, um KI und Nachhaltigkeit zu messen

Im Jahr 2021 haben Hailer und Litzel die folgenden fünf Kriterien für eine sichere KI ermittelt [17]:

  1. Alle Entscheidungen der Algorithmen müssen für den Menschen verständlich sein.
  2. Die Funktion der Algorithmen muss mit formalen Verifikationsmethoden überprüft werden, bevor sie eingesetzt werden.
  3. Wenn eine formale Verifikation für den spezifischen Anwendungsfall nicht gegeben ist, muss eine statistische Validierung anhand von Testläufen durchgeführt werden.
  4. Die Unsicherheiten, die den Entscheidungen des neuronalen Netzes zugrunde liegen, müssen bestimmt und quantifiziert werden.
  5. Verifikation im Betrieb: Dies kann mit Hilfe von Online-Monitoring und der gleichzeitigen Erfassung von Sensordaten erfolgen.

Fazit

Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, die Treibhausgasemissionen von Unternehmen zu reduzieren und Kosten zu senken, indem sie ihren CO2-Fußabdruck überwacht und dann durch Effizienzsteigerung reduziert.

Dennoch gibt es einige Herausforderungen – wie den hohen Energieverbrauch – beim Training von KI-Modellen. Da viele Daten gesammelt werden, ist die Frage nach der Ethik berechtigt, denn oftmals fehlt die mangelnde Transparenz. Weitere Hindernisse beim flächendeckenden Einsatz von KI in Unternehmen sind der Mangel an Fachleuten und die hohen Anfangsinvestitionskosten.

Die negativen Folgen von KI sollten gegen die positiven Möglichkeiten zur Erzielung der Nachhaltigkeits- und vor allem Klimaziele abgewogen werden. Bei einem überlegten Einsatz von KI ergeben sich positive Einflüsse auf die Nachhaltigkeit.

Quellen
  1. The Shift Project (2019): Lean IT
  2. van Wynsberghe, A. (2021): Sustainable AI: AI for sustainability and the sustainability of AI, AI and Ethics 1, S. 213-218
  3. Matzka, S. (2021): Künstliche Intelligenz in den Ingenieurwissenschaften, Wiesbaden
  4. ML CO2 Impact
  5. Lacoste, A. et al. (2019): Quantifying the Carbon Emissions of Machine Learning
  6. CodeCarbon
  7. Climate Change AI
  8. Cornelius, A. (2019): Künstliche Intelligenz – Entwicklungen, Erfolgsfaktoren und Einsatzmöglichkeiten, Freiburg
  9. DigitasLBI (2016): Connected Commerce 2016
  10. Spiekermann, S. (2019): Digitale Ethik: Ein Wertesystem für das 21. Jahrhundert
  11. Drösser, C. (2016): Total berechenbar? Wenn Algorithmen für uns entscheiden, München
  12. Zuboff, S. (2018): Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus
  13. Ethical.net: Ethical Alternatives & Resources
  14.  Bundesregierung: Globale Nachhaltigkeitsstrategie – Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt
  15. Vinuesa, R. et al. (2020): The role of artificial intelligence in achieving the Sustainable Development Goals. NATURE COMMUNICATIONS, S. 1-2
  16. Brinker, T., Hekler, A., Enk, L. (2019): Deep learning outperformed 136 of 157 dermatologists in a head-to-head dermoscopic melanoma image classification task, European Journal of Cancer 3, S. 47-54
  17. Hailer, A., Litzel, N. (2021): Fünf Kriterien für eine sichere KI

Weitere Informationen:

  • WCED (1987): Our Common Future
  • Barbian, D. (2001): Ökonomie und Sustainable Development - Entwicklung eines Ansatzes zur Umsetzung von Nachhaltigkeit
  • Vornholz, G. (1997): Zum Spannungsverhältnis von Ökonomie und Sustainable Development, in: Feser, H.-D./Hauff, M. v. (eds.): Neuere Entwicklungen in der Umweltökonomie und -politik, S. 39-56
  • Mertens, P., Barbian, D., Baier, S.(2017): Digitalisierung und Industrie 4.0 - Eine Relativierung
  • Gow, G. (2020): Environmental Sustainability and AI

Autorin

Dr. Dina Barbian

Dr. Dina Barbian leitet das Institut für Nachhaltigkeit (Institute for Sustainability) in Nürnberg und hält Vorlesungen an der Schnittstelle zu Digitalisierung & Nachhaltigkeit.
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