Künstliche Intelligenz und der Freizeit-Rebound-Effekt
Die KI als einer der aktuell wichtigsten Treiber des technologischen Fortschritts beschert uns heute und in Zukunft viele neue Produkte und Dienstleistungen, wie etwa Serviceroboter, die uns mehr Effizienz, Komfort und Bequemlichkeit bieten. Gleichzeitig aber führt KI durch den Rebound-Effekt [1] zu mehr Ressourcenverbrauch, Umweltzerstörung und eventuell negativen Wirkungen auf Lebensstil und Gesellschaft [2]. Der Gewinn an neuer Freizeit durch die KI über den Freizeit-Rebound-Effekt stellt den größten Anteil am Rebound-Effekt dar. Die Schäden durch die neuen Produkte entstehen also weniger durch deren Nutzung sondern mehr dadurch, dass der Nutzer in der gewonnenen Freizeit Umwelt und Gemeinwohl mehr schädigt als zuvor bei manueller Arbeit im Haushalt oder am Arbeitsplatz.
Die Rebound-Effekte können zum Beispiel durch eine CO2-Steuer verhindert werden. Jedoch führt diese zu sozialen Verwerfungen und Ungerechtigkeiten, denn reiche Menschen würden durch die Steuern viel weniger belastet als arme. Globale Klimagerechtigkeit könnte erreicht werden durch ein CO2-Budget statt einer Steuer.
Einführung
Autonomes Fahren, Serviceroboter, Smart Homes und viele andere intelligente Dienste werden uns in den nächsten Jahren das Leben weiter vereinfachen. Dies stellt einen weiteren Schritt in der technologischen Entwicklung seit dem Beginn der industriellen Revolution Ende des achtzehnten Jahrhunderts dar. Bis etwa in die 1980er Jahre wurden Maschinen im Wesentlichen für mechanische Arbeiten eingesetzt um Menschen (teilweise schwere) körperliche Arbeiten abzunehmen. Mit KI-Methoden nehmen Computer und Roboter heute auch intellektuell anspruchsvolle Aufgaben wie etwa das Finden einer optimalen Route im Straßenverkehr oder Krebsdiagnose anhand von MRT-Aufnahmen wahr.
Solange der Mensch die Arbeit selbst macht, kommt er nicht auf "dumme Gedanken".
Den vielen Vorteilen dieser technischen Helfer stehen aber auch einige Probleme gegenüber. Unter anderem führen diverse Rebound-Effekte zu ansteigendem Ressourcenverbrauch und nicht, wie erwartet zu Effizienzgewinnen. Wir zeigen am Beispiel von Servicerobotern (Roboter, die zum Beispiel im Haushalt helfen können) auf, wie die Rebound-Effekte sich konkret auswirken können. Für einfache Szenarien kann die Größenordnung der Effekte grob abgeschätzt werden. Der größte negative Beitrag entsteht durch den sogenannten Freizeit-Rebound-Effekt [3], also dadurch, dass die Nutzer eines solchen Roboters im Haushalt viel zusätzliche Freizeit gewinnen. Solange der Mensch die Hausarbeit selbst macht, ist er beschäftigt und kommt nicht auf "dumme Gedanken". Wenn jedoch der Roboter die Arbeit macht, dann kann der Mensch, zusätzlich zum Ressourcenverbrauch durch den Roboter, anderen Tätigkeiten, wie zum Beispiel Konsumieren, Reisen, Sport etc. nachgehen, was der Umwelt doppelt schadet. Dieser Effekt ist nicht neu. Seit dem Beginn der Industrialisierung tritt er bei den meisten technischen Neuerungen auf. Neu ist jedoch, dass sich in Zeiten von Klimawandel, Artensterben, Überbevölkerung und Umweltzerstörung unser Ressourcenverbrauch nicht mehr erhöhen darf! Ganz im Gegenteil, er muss schnell reduziert werden. Wir Deutschen müssen unseren ökologischen Fußabdruck um den Faktor drei verringern [4]. Den CO2-Ausstoß müssen wir sogar um etwa den Faktor zehn reduzieren.
Schon 1865 beobachtete der britische Ökonom W.S. Jevons, dass technologische Innovationen, welche die Effizienz von mit Kohle angetriebenen Maschinen verbesserten, in vielen Bereichen zu höherem Kohleverbrauch führten. Obwohl die Maschinen für die gleiche Arbeit weniger Kohle verbrauchten, sank der gesamte Verbrauch von Kohle nicht, sondern er stieg. Dieser Effekt wurde als Jevons Paradox bezeichnet [5]. Wenn eine Effizienzverbesserung zu höherem Verbrauch einer Ressource führt, statt zu weniger Verbrauch, wird dies heute als Rebound-Effekt bezeichnet.
Ein gutes Beispiel für den Rebound-Effekt ist die Nutzung von Privat-KFZ. Die Energieeffizienz der Autos verbessert sich kontinuierlich, was bei einem gleich großen Auto mit gleicher Kilometerleistung zu sinkendem Treibstoffverbrauch und sinkenden Kosten führen müsste. Aufgrund der gesunkenen Kosten pro gefahrenem Kilometer fahren viele Menschen nun aber mehr Kilometer oder schneller oder sie kaufen sich ein größeres Auto, das pro Kilometer etwa gleich viel Abgase ausstößt oder sie kombinieren alles, was zu höherem Verbrauch führt. Dies wäre nach [1] ein direkter finanzieller Rebound-Effekt. Meist bezieht sich der Rebound-Effekt auf eine Verbesserung der Energieeffizienz und deren Konsequenzen und seit dem Beginn der Industrialisierung im achtzehnten Jahrhundert gibt es viele Beispiele hierfür. Der Rebound-Effekt wird quantifiziert als das Verhältnis der durch den Rebound-Effekt zusätzlich verbrauchten Energie zur Einsparung durch die Effizienzsteigerung. Wenn also ein effizienteres Auto nun statt 5 Litern nur noch 4 Liter Benzin auf 100 km verbraucht, dann liegt eine Effizienzsteigerung von 20% vor. Fährt nun der Besitzer mit dem neuen Auto 10% mehr als vorher, so ergibt sich ein Rebound-Effekt von 10%/20% = 0,5 = 50%. Der Rebound-Effekt kann auch größer als 100% sein. In diesem Fall spricht man von Backfire.
Durch den Einsatz von Maschinen, Automatisierung oder Künstlicher Intelligenz wird oft keine Energie eingespart, sondern durch den Einsatz von Energie wird menschliche (Arbeits-)Zeit gespart. Hier wird eine Produktivitätssteigerung beim Faktor Arbeit durch erhöhte Energienachfrage erreicht und man spricht von einem materiellen Cross-Factor-Rebound-Effekt[1]. Ein Beispiel ist der Einsatz eines Akkuschraubers statt eines normalen Schraubenziehers, der menschliche Arbeitszeit durch den Verbrauch an Ressourcen für die Herstellung der Maschine, Stromverbrauch für den Betrieb und Ressourcen für Entsorgung/Recycling ersetzt. Dieser Rebound-Effekt wird umso größer, je teurer menschliche Arbeit im Vergleich zu Energie ist.
Servicerobotik als Beispiel einer neuen KI-Anwendung
Als prototypisches Beispiel für Rebound-Effekte durch KI-Anwendungen sollen die Serviceroboter dienen. Serviceroboter sollen zum Beispiel in Wohnungen für typische Haushaltsarbeiten, wie zum Beispiel Hol- und Bringaufgaben, Wohnung aufräumen, Staub saugen, Fenster putzen, Spül- und Waschmaschine ein- und ausräumen, Wäsche bügeln und vieles mehr eingesetzt werden. Wenn in etwa fünf bis zehn Jahren solche intelligenten, lernfähigen Roboter im Elektronikfachmarkt für vermutlich unter 10.000 Euro in den Regalen stehen, dann werden sich viele Menschen solch einen Helfer zulegen, denn er macht das Leben deutlich bequemer und erhöht die Arbeitsproduktivität, was zu mehr Freizeit der Roboterbesitzer führt. Diese fleißigen Helfer werden für viele Haushalte insbesondere in den reichen Ländern dieser Welt sehr attraktiv sein.
Die Erhöhung der Arbeitsproduktivität ist ein klassischer Effekt bei vielen technologischen Innovationen. Daher ist die Servicerobotik ein gutes Beispiel für eine typische neue Technologie und es ist unerheblich, ob sich die Roboter am Ende wirklich flächendeckend verbreiten werden. Im folgenden sollen zwei an diesem Beispiel auftretende Rebound-Effekte diskutiert werden.
Der materielle Cross-Factor-Rebound-Effekt
Der materielle Cross-Factor-Rebound-Effekt führt unter anderem zu höherem Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung bei Herstellung und Recycling der Roboter. Mangels verfügbarer Ökobilanzen von Servicerobotern ist hierfür keine quantitative Abschätzung möglich. Wir vernachlässigen diesen Anteil am Rebound-Effekt daher im Folgenden. Im täglichen Betrieb verbraucht der Roboter dauerhaft 24 Stunden am Tag etwa 100 Watt Strom. Angenommen, die Roboter werden sich innerhalb weniger Jahre stark verbreiten, so könnten bei einer Weltbevölkerung von 8 Milliarden Menschen etwa eine Milliarde Serviceroboter im Betrieb sein. Bei einer Leistung von 100 Watt pro Roboter würde dies zu einer summierten weltweiten Leistung von 100 Gigawatt führen. Bei der Leistung eines mittelgroßen Kernkraftwerks von etwa einem Gigawatt würden für den Betrieb aller Roboter etwa 100 zusätzliche Kernkraftwerke benötigt. Alternativ könnten 33.300 moderne Groß-Windkraftanlagen mit je 3 Megawatt Leistung und 200 Meter Gesamthöhe eingesetzt werden. Oder eine Photovoltaikanlage mit einer Fläche von etwa 5.000 km2, was in etwa der doppelten Fläche des Saarlands entspricht.
Der Gewinn an Bequemlichkeit, den die Menschheit in absehbarer Zeit durch die vielen universellen Maschinenhelfer erfahren kann, wird also durch einen sehr hohen Einsatz an Energie und Ressourcen erkauft. Auf ein Jahr hochgerechnet würde solch ein Roboter 876 kWh Strom verbrauchen. Das sind 22 Prozent des durchschnittlichen Stromverbrauchs eines deutschen Vierpersonenhaushalts (Man beachte, dass Herstellung und Recycling hier noch nicht berücksichtigt sind). Um den Rebound-Effekt zu quantifizieren, muss noch die Effizienzsteigerung durch den Robotereinsatz ermittelt werden. Da es sich hier um eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität handelt, und nicht (direkt) um eine Energieeffizienzmaßnahme, kann man nicht einfach den Quotienten aus Arbeitsproduktivitätssteigerung und Effizienzsteigerung berechnen. Als Ausweg versuchen wir, die Arbeitsproduktivitätssteigerung in eingesparte Energie des jeweiligen Menschen umzurechnen. Dazu nehmen wir an, dass der Serviceroboter in einem Vier-Personen-Haushalt tätig ist und jedem Bewohner pro Tag eine Stunde Arbeit abnimmt. Ein Mensch kann eine mittlere Dauerleistung von etwa 60 Watt aufbringen [7] (Die Leistung von 60 Watt ist die mechanische Leistung (sog. Leistungsumsatz), die ein Mensch bringt, zusätzlich zum Grundumsatz des Körpers von etwa 80 Watt für alle Körperfunktionen wie etwa Stoffwechsel und Gehirnaktivität). Pro Tag werden also vier Personenstunden an Arbeit eingespart, was etwa 240 Wattstunden entspricht. Der Wirkungsgrad der menschlichen Muskulatur liegt bei etwa 30 Prozent [8]. Das heißt, es müssen etwa 800 Wattstunden an Energie über Nahrung zugeführt werden. Der Roboter verbraucht pro Tag 2400 Wattstunden elektrischen Strom. Also ergibt sich
Unter den getroffenen Annahmen verbraucht der Roboter also für die gleiche Arbeit etwa drei mal so viel Energie wie ein Mensch. Diese Art von Rebound-Effekt ist altbekannt seit der Erfindung der Dampfmaschine. Immer bessere Methoden wurden erfunden, die es uns ermöglichen, menschliche Arbeitskraft durch Energieeinsatz zu ersetzen. Die Arbeit wird dadurch kostengünstiger und Menschen werden entlastet. Insbesondere bei schweren Arbeiten wie etwa dem Ausheben einer Baugrube durch einen Bagger ist das ein großer Gewinn an Komfort und Gesundheit für die Arbeiter. Meist tritt aber auch der Rebound-Effekt ein und sehr oft liegt der Wert deutlich über 1 – mit der Konsequenz von Umweltschäden.
Der Freizeit-Rebound-Effekt
Was tun die Roboterbesitzer in der durch die Hilfe des Serviceroboters gewonnenen Freizeit? Sie könnten zum Beispiel die eingesparte Zeit zur Meditation (zu Hause) nutzen und würden neben dem Grundumsatz des Körpers keine weitere Energie oder andere Ressourcen verbrauchen. Die gesparte Zeit kann aber auch für Aktivitäten wie etwa Kultur, Sport, Reisen oder Konsum genutzt werden, die alle mit mehr oder weniger zusätzlichem Energie- und Ressourcenverbrauch verbunden sind. Betrachten wir folgende zwei Szenarien im Fall unserer vierköpfigen Familie mit Serviceroboter und nehmen, wie zuvor an, der Roboter nimmt jeder Person pro Tag eine Stunde Arbeit ab.
Meditation
Wenn die vier Personen jeden Tag in der gewonnenen halben Stunde meditieren statt im Haushalt zu arbeiten, tritt kein Freizeit-Rebound-Effekt auf, da keine zusätzliche Energie verbraucht wird (Implizit fällt noch der Energieverbrauch für öffentliche Infrastruktur, Ernährung, Heizung und Strom an, der aber beim folgenden Szenario etwa gleich hoch ist).
Wir berechnen also
Sicherlich ist dieses Szenario unrealistisch im Unterschied zum nun folgenden.
Business as Usual
Wir nehmen vereinfachend an, die Person verhält sich in der gewonnenen Freizeit ähnlich ihrem normalen Verhalten. Laut CO2-Rechner des Umweltbundesamts [9], teilen sich die CO2-Emissionen pro Person und Jahr in Deutschland in Höhe von 11,61 Tonnen auf in 4,87 Tonnen für öffentliche Infrastruktur, Ernährung, Heizung und Strom, die auch anfallen, wenn die Person nicht aktiv ist, sowie 6,74 Tonnen für Mobilität und sonstigen Konsum. Beim deutschen Strom-Mix von 2018 wurde pro kWh Strom etwa 1/2 kg CO2 emittiert [10]. Die 6,74 Tonnen CO2 entsprechen also einem Stromverbrauch von etwa 13.500 kWh pro Jahr, was einer Leistung 1,54 kW pro Person entspricht. Damit lässt sich nun der Freizeit-Rebound-Effekt des Vierpersonenhaushalts wie folgt abschätzen
In der Gesamtbilanz führt der Kauf des Serviceroboters für den Vierpersonenhaushalt damit zu einem Rebound-Effekt, der die Summe aus den beiden Effekten und damit einen Wert von etwa 11 darstellt. Das heißt, der zusätzlich durch den Roboter und die neuen Freizeitaktivitäten der Nutzer entstandene Energieverbrauch übersteigt den ursprünglich durch die Hausarbeit der Personen anfallenden Energieverbrauch um ein Vielfaches. Sicher ist der berechnete Faktor 11 mit viel Unsicherheit behaftet. Dies stört aber nicht sehr, denn hier geht es nur um die Größenordnungen. Interessant ist auch, dass der Freizeit-Rebound-Effekt etwa 2,5 mal so groß ist wie der materielle Cross-Factor-Rebound-Effekt.
Zu dem oben erwähnten Stromverbrauch von 100 Gigawatt für den Betrieb der eine Milliarde Roboter kommen also noch etwa 250 Gigawatt an zusätzlich konsumierter Leistung in unserer gewonnenen Freizeit hinzu, was 250 neuen Kernkraftwerken entspricht. In Zeiten einer drohenden Klimakatastrophe darf das nicht ignoriert werden.
Das persönliche CO2-Budget als Problemlösung
Wie bei fast allen technologischen Innovationen wird eine Regelung benötigt, die dafür sorgt, dass wir Anwender sparsam mit Energie umgehen. Ein probates Mittel, die Menschen zum Sparen zu bewegen, ist die Besteuerung solcher knappen oder kritischen Ressourcen. Die in Deutschland mittlerweile schon praktizierte CO2-Steuer ist ein Beispiel hierfür. Je höher die Steuer, desto eher werden die Nutzer einer Technik über Alternativen oder einen Verzicht nachdenken. Verallgemeinert man dieses Konzept der Besteuerung externer Umweltkosten auf andere Bereiche wie etwa Menschenwürde, Solidarität und Transparenz, so führt dies zum Beispiel zur Gemeinwohlökonomie [11].
Die Besteuerung der CO2-Emissionen stellt allerdings keine wirklich nachhaltige Lösung dar, denn sie ist nicht gerecht. Während reiche Menschen problemlos auch eine hohe CO2-Steuer bezahlen können, kann diese für Ärmere ein existentielles Problem darstellen. Es hat wenig mit Klimagerechtigkeit zu tun, wenn Wohlhabende auf Kosten zukünftiger Generationen und armer Menschen Umweltschäden verursachen dürfen.
Ein konsequenter und global gerechter Ansatz zum Schutz von Klima und Umwelt ist die Budgetierung aller kritischer Ressourcen. Im Folgenden wollen wir uns hier auf die CO2-Emissionen beschränken. Die Wissenschaft geht davon aus, dass zur Vermeidung einer weltweiten Klimakatastrophe im Mittel pro Person und Jahr weniger als eine Tonne CO2 emittiert werden darf. Wenn also jeder Mensch zum Beispiel ein Budget von einer Tonne CO2 pro Jahr erhält, dann kann man das als Klimagerechtigkeit bezeichnen. Die praktische Umsetzung könnte sich zum Beispiel wie folgt gestalten: Jeder Mensch erhält (bei einer angenommenen Lebenserwartung von 90 Jahren) zur Geburt ein Lebensbudget von 90 Tonnen. Für jede Aktion – wie etwa dem Kauf eines Produktes, dem Tanken des PKW oder der Buchung einer Reise – wird vom Budget die durch diese Aktion emittierte CO2-Menge abgebucht. Wer über längere Zeit mehr als eine Tonne pro Jahr verbraucht, muss mit Sanktionen rechnen, im Extremfall mit Gefängnis bei veganer Ernährung (Vegane Ernährung ist hier nicht als Strafe gedacht. Ganz im Gegenteil, sie ist gesund und vor allem sehr klimaschonend!).
Wenn nun also unsere vierköpfige Familie einen Serviceroboter kauft und nutzt, führt dieser aufgrund des Rebound-Effekts von 3 zu einem Mehrverbrauch an Energie in Höhe von 100 Watt · 2/3 = 66,7 Watt (Bei einem Rebound-Effekt von 3 sind 2/3 der 100 Watt Verbrauch zusätzlich im Vergleich zum Ausgangszustand ohne Roboter).
Über ein Jahr summiert sich das zu 584 kWh was etwa 292 kg CO2 entspricht. Auf jede der vier Personen im Haushalt entfallen davon 73 kg. Durch die gewonnene Freizeit von einer Stunde pro Person und Tag werden in einem Jahr etwa 1540 W · 365h = 562,1kWh an Energie verbraucht. Das entspricht etwa 281 kg CO2. Wegen des Freizeit-Rebound-Effekts von 8 sind 7/8 davon – das heißt etwa 246 kg – zusätzlich. In Summe führt der Roboter also zu einem zusätzlichen CO2-Fußabdruck von 319 kg pro Person und Jahr. Damit ist fast ein Drittel des gesamten Jahresbudgets von einer Tonne pro Person aufgebraucht. Vermutlich würden die meisten Menschen unter diesen Bedingungen zugunsten anderer Annehmlichkeiten auf den Roboter verzichten.
Was passiert wenn der Serviceroboter in der Industrie arbeitet?
KI-Systeme werden in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren zu disruptiven Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt führen, denn sie werden insbesondere dafür entwickelt, uns Arbeit abzunehmen. Und sie sind mittlerweile in ganz vielen Bereichen dazu in der Lage. Der Einsatz eines Serviceroboters im Privathaushalt führt zum Freizeit-Rebound-Effekt. Wenn der Serviceroboter nun aber gewerblich genutzt wird, zum Beispiel in der Produktion oder bei einem Handwerksbetrieb, was passiert dann mit der durch den Roboter eingesparten menschlichen Arbeitszeit?
Der Roboter wird in der Firma nur dann eingesetzt, wenn er die Arbeitsproduktivität erhöht, das heißt wenn er bei gleichem Einsatz von Kapital mehr produziert, als die zuvor eingesetzten Menschen. Die Produktivität steigt also und menschliche Arbeitskraft wird freigesetzt. Im derzeitigen kapitalistischen Wirtschaftssystem wird wie folgt argumentiert und gehandelt: Um Arbeitslosigkeit zu verhindern muss die Wirtschaft wachsen. Es müssen neue Produkte zusammen mit neuen Märkten entstehen. Die freigesetzten Arbeiter werden an anderer Stelle eine andere Arbeit finden. Das wird als struktureller Wandel bezeichnet. Statt Freizeit-Rebound-Effekt führt die Arbeit der Roboter zu Wirtschaftswachstum. Das ist jedoch in Zeiten des Klimawandels nicht akzeptabel.
Durch das oben vorgeschlagene CO2-Budget würde dieses Problem gelöst, denn das Budget lässt kein Wachstum zu. Wenn die Roboter kostengünstiger arbeiten als Menschen und der Rebound-Effekt kleiner als eins ist, wird die Firma diese einsetzen und damit menschliche Arbeit ersetzen. Was passiert nun mit der nicht mehr benötigten menschlichen Arbeitskraft?
Arbeitslosigkeit für die entsprechenden Arbeiter kann nicht die Lösung sein. Hingegen sollten alle Menschen Schritt für Schritt ihre Arbeitszeit reduzieren oder einfach weniger produktiv sein während der Arbeit. Ein Strukturwandel in der Arbeitswelt weg von Stress und Leistungsdruck und hin zu mehr Kreativität, Freude an der Arbeit und Selbstverwirklichung ist unumgänglich [12]. Ähnlich wie beim Serviceroboter im Haushalt führt die durch den Roboter geleistete Arbeit zu mehr Freizeit bei allen Menschen. Beide oben beschriebenen Rebound-Effekte treten hier genauso auf. Die Berechnungen lassen sich also direkt übernehmen.
In der gewonnenen Freizeit werden wir aber aufgrund unseres CO2-Budgets von einer Tonne pro Jahr weder mehr einkaufen gehen als zuvor, noch werden wir mehr klimaschädliche Reisen unternehmen. Vielmehr sollten wir lernen, ein erfülltes Leben mit weniger Konsum (Suffizienz), mehr Zeit und einer erfüllenden nachhaltigen Kreislaufwirtschaft (Subsistenz) zu führen [12;13;14]. Die Politik ist gefordert, die Randbedingungen für eine derart klimagerechte Zukunft in Gesetzesform zu bringen. Das ist sicher nicht einfach, aber notwendig, denn es geht um das Überleben der Spezies Homo Sapiens.
- T. Santarius: Der Rebound-Effekt. Über die unerwünschten Folgen der erwünschten Energieeffizienz. Wuppertal Impulse zur WachstumsWende Nr. 5. Wuppertal, 2012.
- W. Ertel: Künstliche Intelligenz und die Wirtschaft der Zukunft. Informatik Aktuell, Oktober 2018.
- W. Ertel: Artificial intelligence, the spare time rebound effect and how the ecg would avoid it. In International Conference: Economy for the Common Good (ECGPW-2019), Bremen, 2019.
- D. Lin, L. Hanscom, A. Murthy, et al.: Ecological footprint accounting for countries: Updates and results of the national footprint accounts, 2012–2018. Resources, 7(3):58, 2018.
- B. Alcott, M. Giampietro, K. Mayumi and J. Polimeni: The Jevons paradox and the myth of resource efficiency improvements. Routledge, 2012.
Wikipedia: Jevons-Paradoxon - Wikipedia: Kernkraftwerk
- A. Dittmann: Energiewirtschaft. Springer-Verlag, 1998.
- D. Böning, N. Maassen and M. Steinach: The efficiency of muscular exercise. Deutsche Zeitung für Sportmedizin, 68(9):203–214, 2017.
- CO2-Rechner des Umweltbundesamts
- Umweltbundesamt: CO2-Emissionen pro Kilowattstunde Strom sinken weiter
- C. Felber: Die Gemeinwohl-Ökonomie. Deuticke Verlag, 2014.
- T. Jackson: Prosperity without Growth: Foundations for the Economy of Tomorrow. Routledge, 2016.
- N. Paech: Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstums-Ökonomie. Oekom Verlag, München, 2018.
- E. Fromm: Haben oder Sein: die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft. dtv Verlagsgesellschaft, 1979.