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Thomas Klein 23. Februar 2016

Neubau eines schlüsselfertigen Rechenzentrums

Ein Groß-Projekt wie der Neubau eines schlüsselfertigen Rechenzentrums wird meistens durch einen bzw. mehrere kleine Steine ins Rollen gebracht: Sei es, dass die Stromversorgung in den bisherigen Technikräumen für eine neue Anwendung mit neuen Server-Systemen nicht ausgelegt ist oder ein neues Verwaltungsgebäude am Standort des zweiten Rechenzentrums geplant wird, in welches das primäre Rechenzentrum nicht mit umziehen kann, da beide Rechenzentren so nicht mehr als 5 km entfernt wären.

Eine ganzheitliche Betrachtung der Anforderungen an ein neues Rechenzentrum ermöglicht es, alle Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren rechtzeitig zu berücksichtigen. So kann die zukünftige IT-Strategie, wie zum Beispiel der Einsatz von konvergenten IT-Systemen oder Virtualisierungen und Standardisierung der IT-Systeme Einfluss auf die Leistung und die Dimensionierung des Rechenzentrums haben. Sofern die Rahmenbedingungen es erfordern, gehört es dazu, die Alternativen zu einem Neubau – wie das Erweitern und Ertüchtigen von Bestandsräumen zu RZ-Räumen, das Outsourcing, das Outhousing – zu diskutieren und abzuwägen. Eine ganzheitliche Betrachtung darf jedoch nicht zu einer Verzögerung eines notwendigen Projektes zur Sicherstellung eines reibungslosen IT-Betriebes führen. Es müssen die Anforderungen der IT-Strategie durch Planung von Reserven, Erweiterungen oder modular erweiterbare Lösungsansätze berücksichtigt werden. Der Rahmen von definierten Budgets und zukünftigen Reinvestitionen und Wartungskosten sind bei der Planung zu beachten.

Bei der Planung müssen auch viele verschiedene organisatorische Aspekte des Betriebs eines Rechenzentrums berücksichtigt werden: Der IT-Leiter kann sich nicht leisten, nichts zu tun -  aber alles zur Sicherheit redundant auszulegen, übersteigt meist das Budget. So muss der IT-Leiter immer einen Kompromiss zwischen den maximalen Anforderungen der Anwender und dem verfügbaren Budget finden.

Planung eines Rechenzentrums: Festlegen der IT-Services

Die Grundlage eines jeden IT-Projektes ist die klare Definition der benötigten IT-Services in Qualität, Quantität und Kosten. Das ist einfacher gesagt als getan, da die Anforderungen der Bereiche so vielfältig und unterschiedlich sind, wie es Aufgaben in einem Unternehmen gibt.

Von seinem Rechenzentrum erwartet ein Benutzer eigentlich immer, dass es 24*7*365 Tage im Jahr unterbrechungsfrei zur Verfügung steht: sowohl konstant performante Anwendungen als auch konstant, sicher, unverfälscht und gesichert zur Verfügung stehende Daten.

Die Relevanz der IT für den Erfolg und Kontinuität eines Unternehmens wird immer größer, so dass es notwendig ist, mit der Durchführung einer Business Impact Analyse (BIA) und Schutzbedarfsanalyse gemeinsam mit dem Anwender zu beginnen. Die Kunst besteht auch darin, die Anforderungen in einem Service-Katalog für den Anwender und den RZ-Betreiber gleichermaßen verständlich zu beschreiben und zu vereinbaren. So schaffen Sie es, einen an die Anforderungen angepassten und gemeinsam verabschiedeten Service-Level abzuleiten und auf ein sinnvolles und notwendiges Maß festzuschreiben. Dabei ist es wichtig, die Auswirkung eines Ausfalls sowie die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Fehlern und möglichen geplanten und ungeplanten Ausfällen zwischen der IT und dem Anwender offen zu diskutieren und darzulegen. So wird ein gemeinsames Verständnis für die Bedeutung der IT-Schnittstellen in der Wertschöpfungskette eines Unternehmens und die Voraussetzung für das Verständnis der Aufgaben und Ziele beider Bereiche im Unternehmen geschaffen. Diese Transparenz dient auch der Begründung und erhöht das Verständnis für notwendige Investitionen und Anpassungen.

Ebenso ist es vorteilhaft, die Kosten der IT transparent zu machen und/oder eine Kostenverrechnung der IT-Leistungen durchzuführen. Grundsätzlich gilt hier wie in vielen anderen Projekten, dass nur eine offene und gute Kommunikation aller Beteiligten die Schlüssel zum Erfolg eines Projektes sind.

Die eindeutige und schlüssige Definition der Anforderungen der von der IT bereitzustellenden IT-Services bildet die Grundlage für eine strukturierte und leistungsoptimierte Planung, Projektierung und Bau eines schlüsselfertigen Rechenzentrums.

Mithilfe des Kriterienkatalog zum Audit von Serverräumen und Rechenzentrums des TÜV-Rheinlands [1], der Leitfaden betriebssicheres Rechenzentrum der BITKOM in der Version von 2013 [2], des IT-Grundschutz des BSI [3] sowie der neuen DIN 50600 [4] wird der Planer von Rechenzentren und der IT-Betrieb eine Entscheidung für die Auslegung des neuen Rechenzentrums treffen können. Die neue DIN 50600 stellt erstmals eine gemeinsame Klassifizierung auf europäischer Ebene zur Verfügung.

Aus diesen Kriterien und Anforderungen werden dann die Anforderungen für die Definition einer Verfügbarkeitsklasse, der Schutzklasse des Rechenzentrums, die gebäudetechnischen Anforderungen sowie Anforderungen an die Regelung der Umgebungsbedingungen abgeleitet werden können. Damit hat das Projekt "Neues Rechenzentrum" die funktionalen und inhaltlichen Anforderungen sinnvoll festlegt.

Ein Rechenzentrum projektieren und planen

Eine gute Projektierung und strukturierte Projektplanung zeichnet sich dadurch aus, dass sie die funktionalen Aspekte in technische Anforderungen umsetzt. Dazu gehören ein tiefes und aktuelles technisches und kostenorientiertes Know-how sowie das Wissen um zukünftige Trends. Der Neubau eines Rechenzentrums gehört nicht zum Tagesgeschäft der meisten Unternehmen. Das dazu notwendige spezielle Wissen ist in den IT-Abteilungen in der Regel nicht mehr aktuell und es sich zu erarbeiten erfordert sehr viel Zeit und Kosten.

Verlassen Sie sich nicht blind auf den Rechenzentrums-Berater!

Haben Sie keine internen Kompetenzen für den Neubau eines Rechenzentrums zur Verfügung, so empfiehlt es sich, einen externen und erfahrenen Rechenzentrums-Berater bzw. -Planer hinzuzunehmen. So ermöglichen sie es, das Projekt gemeinsam in der notwendigen Qualität und termingerecht durchführen zu können. Dabei ist zu empfehlen, sich nicht blind auf den Berater zu verlassen und diesen "mal planen" zu lassen, sondern dass sich das Rechenzentrums-Projektteam mit dem Berater und Planer intensiv austauscht und kommuniziert, um so die optimale kostengerechte Lösung für die Anforderungen an den IT-Betrieb zu realisieren.

Je qualifizierter und anspruchsvoller die Service Level sind, desto höher sind die Anforderungen an die Verfügbarkeit und den Schutzbedarf des Rechenzentrums. Die daraus geforderte und abgeleitete Redundanz der RZ-Architektur bestimmt die Baukosten und die jährlichen Betriebskosten sowie die zukünftigen Reinvestitionen.

Bei der Definition der Service Level spielen natürlich neben den Bereitstellungszeiten, Sicherheitsaspekten, Backup-Strategien und -fenster, auch die geforderten Verfügbarkeiten zu dem unterschiedlichen Tages- und Wochenzeiten, Reaktionszeiten und benötigten Wartungsfenster eine Rolle. Die Verfügbarkeit der RZ-Infrastruktur multipliziert sich zudem noch mit der Verfügbarkeit der anderen IT-Services, die zum Funktionieren der gesamten IT benötigt werden. Dazu gehören Redundanz eines Netzwerkes und deren Kabelwege, die Anbindung an das Internet und die (redundante) Anbindung von externen Bereichen an die zentrale IT. Dieses ist bei der Gesamtbetrachtung und der Dimensionierung zu berücksichtigen. Aus der Summe dessen lassen sich die Anforderungen und Rahmenbedingungen an eine neue bzw. angepasste Rechenzentrum-Infrastruktur und die Gebäudekonstruktion bzw. Ertüchtigung von Bestandsgebäuden realistisch ableiten.

Sehr viele Unternehmen sind heute stark von der IT und den Daten abhängig. Ist die IT oder sind die Daten nicht mehr verfügbar, so ist für viele Unternehmen der Service und das Unternehmen selbst für seine Kunden und Mitarbeiter nicht mehr erreichbar. Viele Unternehmen haben heute als Betreiber eines Rechenzentrums ein großes Interesse an der Nachhaltigkeit einer Lösung und der Verbesserung der Services zu einer ausgewogenen Kosten/Nutzen-Relation. Dabei sind nicht nur die Investitionen zu betrachten, sondern auch die jährlichen Betriebskosten und ökologische Aspekte. Auch Re-Investitionen sind in die Überlegungen einzubeziehen. Die eingesetzten Komponenten – wie zum Beispiel Batterien – haben nur begrenzte Lebensdauer.

Anforderungen an die Ausschreibung eines Rechenzentrums

Im Rahmen der Planung muss sich das Projektteam für einen Ausschreibungstyp entscheiden

  1. Funktionale Ausschreibung mit klar spezifizierten Anforderungen und Rahmenbedingungen
  2. Ausschreibung von in der Planung ausgearbeiteten Anbieterspezifischen Technologien
  3. Anfordern eines Angebotes von ausgesuchten Firmen

In meinem letzten Projekt in Düsseldorf haben wir eine funktionale Ausschreibung gewählt, nachdem wir die Fachkonzepte und technischen Lösungsansätze und Optionen detailliert ausgearbeitet und bewertet haben. Aus den Fachkonzepten mit der Auswahl von geeigneter Technologie und Lösungsansätzen erarbeiten wir dann die technischen und fachlichen Anforderungen an die geforderten Funktionalitäten. Aus diesem Konzept und den erarbeiteten Alternativen heraus konnten wir eine sehr realistische Kostenschätzung basierend auf aktuellen Preisanfragen erstellen.

Dieses Vorgehen hat aus unserer Sicht viele Vorteile:

  • Der Anbieter muss oder kann ein kostengünstiges Gesamtkonzept erarbeiten und anbieten, welches die Anforderungen erfüllt.
  • Es gibt dem Anbieter eine gewisse Freiheit zur Dimensionierung seiner Lösung in einem engen funktionalen Rahmen unter der möglichen Berücksichtigung des Einsatzes neuer Technologien.
  • Die vom Anbieter beschriebene Lösung hat eine definierte Qualität.
  • Der Auftraggeber trägt nicht die Verantwortung für die richtige technische Lösung.
  • Die Einhaltung des Kostenrahmens ist wesentlich einfacher.

Der gleichzeitige Nachteil und Vorteil ist, dass sich der Auftraggeber mit den Lösungsansätzen gut vertraut machen muss und die Angebote und Lösungsvorschläge intensiv prüfen und bewerten muss. Damit ist aber auch gleichzeitig sichergestellt, dass der Auftraggeber die technisch für ihn beste und kostengünstigste Lösung erhält. Aus der langjährigen Erfahrung ergibt sich, dass je konkreter und ausführlicher die Anforderungen in der funktionalen Ausschreibung formuliert werden, desto höher kann die Bewertung des Preises sein und die Varianz der einzusetzenden Technik ist geringer. Dieses reduziert die zu erwartenden Nachträge, die immer aus zu ungenauen oder fehlenden Anforderungen resultieren.

Im Rahmen der ökologischen und monetären Betrachtung sind im letzten Projekt auch Lösungsansätze der freien Kühlung aus umwelttechnischen Gründen in Betracht gezogen worden. Diese Lösung ist in der Anschaffung etwas teurer, aber auch nachhaltiger und im Betrieb kostengünstiger. Auch andere klimatechnische Lösungsvorschläge sind im Projekt ausführlich diskutiert worden.,

Was nicht dokumentiert ist, kann nicht genutzt, gewartet, geprüft und abgenommen werden.

Auch sollten Sie aufgrund der Anforderungen der definierten IT-Services und aus Kostengründen bewusst die Chance nutzen, die Anforderungen für die gewählte Klassifizierung an ihre Rahmenbedingungen anzupassen und sich nicht stur an die reine Definition zu halten.

Ein besonderes Augenmerk liegt immer wieder auf der Dokumentation. Für ein solches Projekt stellt es sich recht einfach dar: Was nicht dokumentiert ist, kann nicht richtig genutzt, gewartet, geprüft und abgenommen werden. Sicherlich sind Dokumentation und Reflektion zum Ende eines Projektes immer ein ungeliebtes Kind, aber es macht ihren RZ-Betrieb einfacher und sicherer.

Für die Auswertung einer Ausschreibung sollten sehr detaillierte Bewertungskriterien erarbeitet und mit Punkten und einer Gewichtung versehen werden. Je detaillierter und konkreter die unternehmensspezifischen Anforderungen und Rahmenbedingungen festgelegt werden, desto mehr kann das Augenmerk auf den Preis gelegt werden. Das Budget und die Controller wird es freuen, wenn es keine oder nur geringe Nachträge gibt.

Die Vorteile eines schlüsselfertigen Rechenzentrums in dem Projekt in Düsseldorf waren:

  • Schnelle Realisierung und geringe Bauzeiten,
  • wenig Kompromisse im Vergleich zum Bauen im Bestand,
  • geringere Kosten als das Bauen im Bestand,
  • die Lösung war nachhaltiger und
  • die gewählte Lösung ermöglichte das Verwenden von modularen und erweiterbaren Lösungsansätzen.

Zu einer ganzheitlichen Lösung gehört es, dass das Betriebskonzept des neuen Rechenzentrums angepasst wird oder ein neues Betriebskonzept erstellt wird wenn noch keines vorhanden ist. So sind Sie als Betreiber des Rechenzentrums in der Lage, schnell und sicher auf jede Betriebsstörung zu reagieren, auch wenn dieses nicht zu ihrem tagtäglichen Aufgabengebiet gehört. Der Abschluss des Projektes wird durch die Erstellung eines Notfallkonzepts abgerundet. So ist der IT-Betrieb auf Notfälle, Krisen oder Katastrophen stets organisatorisch gut vorbereitet. Fehler können Sie nicht vermeiden, Krisen und Naturkatastrophen nicht verhindern. Aber die Konzepte versetzen den IT-Betreiber in die Lage, schnell, sicher und professionell auf viele Eventualitäten reagieren zu können.

Zusammenfassung

Erst mit der Umsetzung des schlüsselfertigen Rechenzentrumsprojektes konnte die IT-Infrastruktur-Technologie standardisiert und konsolidiert werden. Gleichzeitig konnte mit der kaufmännischen IT ein gemeinsames Betriebskonzept und Notfallkonzept etabliert werden. Mit dem Abschluss des Projektes können alle IT-Technologien unter gleichen Rahmenbedingungen sicher und kostengünstig betreiben werden.

Quellen
  1. TÜV Rheinland: Kriterienkatalog zum Audit von Serverräumen und Rechenzentren
  2. Bitkom: Betriebssicheres Rechenzentrum
  3. Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik: IT-Grundschutz-Kataloge
  4. TÜV Süd: Ein Rechenzentrum nach EN 50600 zertifizieren

Autor

Thomas Klein

Thomas Klein ist Geschäftsführer der VisIT Consulting IT-Beratungs GmbH, zu seinen Aufgaben zählt RZ-Planung, IT-Betriebsführungs- und IT-Notfallkonzepte, sowie IT-Sicherheit und BMS-Planung (seit 2015).
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