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Frank Pientka 09. Januar 2024

Die Cloud als Transformationsmotor

Was bedeutet Cloud-Transformation für die IT-Organisation?

Bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle spielt die Cloud eine herausragende Rolle. Geringe Investitionskosten und elastische Betriebskosten erleichtern es, klein anzufangen, weiter zu lernen und dann weltweit zu wachsen. As-a-Service-Dienste, die auch für die DevSecOps-Schritte verfügbar sind, ermöglichen schnell und nachhaltig zu liefern, ohne sich zu sehr mit der Infrastruktur beschäftigen zu müssen. Das schafft Raum für Innovationen. Damit später nicht das böse Erwachen bei den Kosten kommt, sollte man sich frühzeitig Regeln für die "passende" Cloud-Nutzung zu seiner Wachstumsstrategie aufstellen und überprüfen.

Welche Wachstumsstrategie ein Unternehmen fährt, lässt sich grob mit dem McKinsey-Horizonte-Modell darstellen [1]. Dieses dient als Orientierung, in welchem Horizontbereich sich Projekte gerade befinden. Je nach Bereich (Abb. 1) wird man auch unterschiedliche Methoden einsetzen, um sich kontinuierlich zu verbessern, sein Geschäft zu erweitern oder zu neuen Märkten aufzubrechen. Mit diesem Dreistufenmodell kann man die Transformation visualisieren und besser steuern, um so eine gute Balance zwischen dem traditionellen Kerngeschäft und zukünftigen neuen Geschäftschancen zu finden. Auf der Produkt- und Systemebene kann man diese Darstellung gut mit Wardley-Maps ergänzen [2].

Bei den neuen Geschäftsmodellen kann man zwischen dem roten und dem blauen Meer unterscheiden. Je nachdem, in welchem Meer man fischt, hat das Auswirkungen auf die mögliche Strategie. Im roten Meer fischt man mit anderen in einem nur langsam wachsenden Markt (einer Art Haifischbecken). Man kann nur wachsen, indem man anderen Anteile abjagt und schneller als diese ist. Im blauen Meer hat man die Möglichkeit des endlosen Wachstums, da der Markt sich erst noch entwickeln muss und es dort noch wenige weitere Akteure gibt. Da sich dieser Markt dramatisch schnell verändern kann, sind Reaktionsfähigkeit und Experimentierrisiko notwendig. Mit wachsendem Markt sollte man auf neue Konkurrenten und einen ruppigen Umgang untereinander eingestellt sein. Letzteres trifft vor allem dann ein, wenn der Markt eine entsprechende Reife entwickelt hat und sich das Wachstum allmählich abschwächt. Das kann man aktuell bereits im Cloud-Anbietermarkt beobachten.

Wie Abb. 2 zusammenfasst, müssen für eine erfolgreiche Cloud-Transformation Strategie und Management zusammen mit grundlegenden Cloud-Fähigkeiten vorhanden sein. Nur wenn diese gut aufeinander abgestimmt sind, können neue Geschäftsfelder damit schneller und mit weniger Risiko entwickelt werden. Um Innovationen nachhaltig weiterzuentwickeln, kann das Schwungradmodell der Boston Consulting Group hilfreich sein, um kontinuierlich neue Erkenntnisse durch Experimente zu generieren [3].

Viele marktfremde Unternehmen nutzen Cloud-Technologien, um im Horizont 3 ihre disruptiven Ideen zu erproben und in relativ kurzer Zeit weltweit auszurollen [5]. Der ursprüngliche Zeithorizont dieses Modells hat sich durch den Einsatz von Cloud-Technologien dramatisch verkürzt. Bis sich neue Geschäftsmodelle durchsetzten, hat Anfang des Jahrtausends viele Jahre gedauert. Die ersten Social-Media-Plattformen benötigten weniger als zwei Jahre, um über eine Million Nutzer zu erreichen. Bei ChatGPT hat sich das auf wenige Tage, bei Threads auf wenige Stunden reduziert. Wie das Beispiel ChatGPT zeigt, sind hohe Chancen oft mit hohen Risiken und Investitionen verbunden. Meist ist der Weg von der Idee zur digitalen Umsetzung und Nutzung jedoch immer kürzer und günstiger geworden. Dabei sind nicht die Ersten und Schnellen die Gewinner, sondern die, die ihr Geschäft dauerhaft an die wachsenden Herausforderungen anpassen, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Hier spielt die Plattformökonomie eine immer größere Rolle [6].

McKinsey schätzt das gesamte Geschäftspotential für cloud-basierte Dienste bei den Fortune-500-Unternehmen auf über eine Billion Dollar Gewinn ein [7]. Der größte Anteil daran wird mit neuen Geschäftsmodellen erzielt.

Raus aus dem Infrastrukturkeller!

Viele Unternehmen sind in die Cloud gestartet, um damit ihre Infrastrukturen zu modernisieren. Eine Lift-Shift-Migration möchte möglichst wenig ändern, um schnell migrieren zu können und später zu optimieren. Doch bei der Anwendungsmigration sind viele im Infrastrukturkeller stecken geblieben, statt die Chance zu nutzen, um auch ihre Prozesse und Anwendungen zu modernisieren. Dabei sollte es weniger um die Technologie, sondern vor allem um die Prozesse und Personen gehen. In vielen Unternehmen, die die Cloud intensiver nutzen, hat sich das Cloud Center Of Excellence (CCOE) inzwischen zu sogenannten Plattformteams weiterentwickelt. Nach dem anfänglichen Ziel, die Migration und den Wissensaufbau zu begleiten, geht es nun darum, die Cloud-Nutzung effizienter und sicherer zu gestalten. Flexibilität und Agilität sind hier angesagt. Um den Reifegrad seines Plattformteams einzuschätzen, kann das von der CNCF vorgeschlagene Stufen-Modell hilfreich sein [8]. Um über diesen Reifegrad hinaus den Status der eigenen Cloud-Transformation zu messen, ist das Reifegradmodell eine gute Ergänzung, welches in dem Buch "Cloud Native Transformation" (Abb. 2) vorgeschlagen wird [9]. Es hilft, den eigenen Zustand auf verschiedenen Ebenen abzuschätzen und geeignete Verbesserungsmaßnahmen abzuleiten. So kann man den Stand seiner Software-Entwicklung vom Wasserfallmodell hin zu einer agilen und cloud-nativen Entwicklung planen. Bei der konkreten Umsetzung der Maßnahmen können die in dem Buch vorgestellten "cloud-nativen Muster" nützlich sein.

Plattformdenken einüben

Immer mehr Unternehmen verabschieden sich vom bi-modalen IT-Entwicklungsmodell (das von Gartner propagiert wurde) und integrieren die traditionellen IT-Bereiche stärker in das neue Cloud-Modell [11]. Das hat Auswirkungen auf die IT- und Projektorganisation. Sichere Lieferketten spielen in der Software-Entwicklung eine immer größere Rolle. Neben cross-funktionalen Teams gibt es immer häufiger Plattformteams, die die DevSecOps-as-a-Service-Umgebungen als Dienst für die Projekte zur Verfügung stellen und mit zentralen Governance-Regeln versehen [12]. Gerade kleine oder experimentelle Projekte profitieren von den durch die Cloud angebotenen Diensten. Sie senken die Einstiegshürden und bieten entscheidende Geschwindigkeits- und Effizienzgewinne. Fertige Plattformumgebungen, gemanagte Dienste auf Knopfdruck und Infrastructure-as-Code-Blaupausen unterstützen Entwickler dabei, sich weniger mit der Pflege von Infrastrukturen beschäftigen zu müssen und sich stattdessen mehr um die Umsetzung von Lösungen kümmern zu können. Durchgängig automatisierte Lieferketten helfen, schnelleres Feedback zu erhalten und die angestrebten Produktziele zu erreichen. Eine hohe Automatisierung der DevSecOps-Schritte mit entsprechenden Quality-Gates ist dafür eine Voraussetzung, um permanent kleinere Änderungen schnell und mit wenig Aufwand in die Produktion zu bringen. Die verschiedenen DevSecOps-Deployment-Verfahren, wie Blue/Green, Rolling-Upgrades oder Kanarienvogel, minimieren Ausfallzeiten und reduzieren die Auswirkungen von Fehlern durch Änderungen. Gleichzeitig kann das Feedback vom Kunden ("fail fast") schneller in die Entwicklung einfließen. Die Überwachung kritischer Metriken ist dabei ein wichtiges Mittel, um Engpässe früher erkennen und darauf reagieren zu können. Gerade in der Software-Entwicklung können durch die Nutzung von Cloud-Diensten mit ihren Self-Service-Portalen und As-a-Service-Lösungen enorme Produktivitätssteigerungen erzielt werden (McKinsey spricht hier von 38 Prozent bei 29 Prozent weniger Infrastrukturkosten). Deswegen sind sie ein wichtiger Baustein einer nachhaltigen Cloud-Transformation.

Nur zusammen geht es weiter

Damit die Umstellung in der Zusammenarbeit funktioniert, müssen zunächst die Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden. So wichtig eine klar kommunizierte Geschäftsstrategie ist, sie muss auch in den Köpfen der Beteiligten ankommen, um in der täglichen Arbeit angewandt zu werden. Deswegen macht es Sinn, weniger in Projekten mit isolierten Diensten zu denken, als diese ganzheitlich als End-2-End-Produkte vom Nutzer her zu betrachten. Inzwischen hat sich das produktorientierte Denken von der Software auch auf den Umgang mit den Daten übertragen.

Mit SCRUM und Design Thinking haben Methoden, die stärker vom Nutzer her denken, im Projektalltag Einzug gehalten. Sie helfen dabei, einen Mehrwert mit dem Produkt für den Nutzer zu erzeugen. Bis dieses Denken in allen Unternehmensbereichen ankommt, ist es noch ein weiter Weg. Die Ursachen dafür sind meist in der bestehenden Unternehmenskultur zu finden. Start-ups tun sich hier leichter, da sich deren Kultur analog zum Produkt weiterentwickeln kann. Der Soziologe Ron Westrum hat Organisationen und deren Kultur in drei Bereiche klassifiziert (pathologisch, bürokratisch oder generativ). Je nachdem, in welchem Bereich sich die eigene Organisation befindet, hat das Auswirkungen auf die Art und Weise, wie Menschen auf Misserfolge, Änderungen und Neuerungen reagieren.

Im jährlich erscheinenden DevOps-Research-and-Assessment-Bericht werden bestimmte Fähigkeiten auf der technischen, prozessualen und organisatorischen Ebene gemessen, um eine verbesserte Leistungsfähigkeit bei der Softwarelieferung zu erreichen [13]. Dazu werden verschiedene Metriken und organisatorische Maßnahmen vorgeschlagen. Über die Zeit hat sich gezeigt, dass vor allem High-Performance-Teams dauerhaft erheblich besser werden, wenn sie diese Maßnahmen konsequent umsetzen, wohingegen sich Low-Performance-Teams hier wenig weiterentwickeln. Deswegen ist es wichtig, an den im DORA-Bericht genannten Faktoren zu arbeiten, um gemeinsam besser zu werden. Die Einführung von Cloud und DevSecOps stellt für jeden Einzelnen eine Veränderung dar, da sich sowohl Prozesse, aber auch Wissen und Herangehensweise ändern.

Damit der dadurch erzeugte Änderungsdruck und die kognitive Belastung nicht zu groß werden, sollten entsprechende Vorsorgemaßnahmen getroffen werden. Gerade Unternehmen, die durch eine Kombination aus Risikovermeidung und Kostensenkung geprägt sind, tun sich damit am schwersten. Deswegen ist es wichtig, die Interaktionen zwischen den Teams so effizient und reibungsfrei wie möglich zu gestalten. Unzureichende Teaminteraktion und unklare Zuständigkeiten sind oft die Ursache für unnötige Spannungen und Reibereien.

Die Team-Topologien-Methode teilt die Interaktion zwischen Teams in drei Arten ein (Abb. 4): Kollaboration, X-as-a-Service und Ermöglichung (Facilitation). Durch diese Einteilung ist es möglich, Austauschbeziehungen und Überschneidungen bei der Interaktion besser zu verstehen und anzupassen. So kann es sinnvoll sein, bisherige Infrastruktur-Teams zu Plattform-Teams umzuwandeln, um Verantwortungen und Skills neu zu verteilen und näher zusammenzubringen. Solche Änderungen unterstützen den Wandel hin zu einem Platform-as-a-Product-Denken. Es gibt vier Team-Topologien-Kategorien:

  • das Plattformteam,
  • das Team, welches sich um ein kompliziertes Subsystem kümmert,
  • das Unterstützerteam und
  • das stromförmige Team.

Bei einer Cloud-Transformation sollte man deswegen eine Anpassung der Interaktionsstrukturen an die neuen Gegebenheiten berücksichtigen. Nur so können Reibungsverluste und potenzielle Konflikte minimiert werden. Über eine Kultur der gegenseitigen Achtung hinaus ist hier eine ausgesprochene Lernkultur wünschenswert. Wie so eine Umorganisation der Zusammenarbeit aussehen kann, ist im folgenden Bild (Abb. 5) dargestellt.

Transformation braucht Organisation

Bei der weiteren Cloud-Nutzung spielen Plattformteams und ein produktorientiertes Denken eine immer größere Rolle. Die Veränderungen durch die fortschreitende Digitalisierung lassen sich kaum aufhalten. Als Unternehmen kann man von einer Cloud-Transformation nur profitieren, wenn man seine Strukturen und die Unternehmenskultur entsprechend anpasst. Das hat Auswirkungen auf den Einsatz neuer Methoden, das Denken und die Art der Zusammenarbeit. Damit wird es einfacher, innovativere Produkte nachhaltig zu entwickeln und damit Mehrwert zu generieren. Die Cloud wird dann nicht nur als neues Infrastrukturgerüst gesehen, sondern kann zum Motor für wichtige organisatorische Veränderungen werden.

Autor
Frank Pientka

Frank Pientka

Frank Pientka ist Gründungsmitglied der iSAQB und arbeitet als Multi Cloud Architect bei T-Systems. Er besitzt unterschiedliche AWS-, Google-Cloud- und Azure-Zertifizierungen.
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