Der Cloud-Dschungel im Überblick – Warum die S/4HANA-Cloud gar nicht so kompliziert ist!

Die digitale Transformation ist in vollem Gange – und ruft in Wirtschaft und Gesellschaft hohe Erwartungen, aber auch Unsicherheiten hervor. Cloud-Computing hat Einfluss auf alle Arten von Geschäftsprozessen und kann dynamische und komplexe Anforderungen erfüllen. Begriffe wie Public Cloud, Private Cloud und Software-as-a-Service sind gerade im SAP-Umfeld sehr prägnant.
Allerdings sind die Vorbehalte deutscher Unternehmen und staatlicher Organisationen gegenüber Cloud-Services vor allem im Umfeld S/4HANA nach wie vor groß. Die Vorbehalte reichen von zu viel Abhängigkeit über zu wenig Datensicherheit bis hin zu starren Prozessen ohne Flexibilität. Dabei ist die SAP Cloud schon weiter verbreitet als man denkt und es gibt auch einige Vorteile, die für den Einsatz sprechen.
Doch was ist überhaupt eine Cloud?
Prinzipiell ist eine Cloud nur ein Server, der nicht in der eigenen Firma betrieben wird. Die Cloud ist somit keine physische Größe, sondern beschreibt ein riesiges Netzwerk aus Remoteservern, die über die ganze Welt verteilt sein können, aber miteinander verbunden sind. Die Server sind darauf ausgelegt, Daten zu speichern oder zu verwalten, Anwendungen auszuführen oder Inhalte und Dienste wie das Streamen von Videos, Web-Mail, Software für die Büroproduktivität oder soziale Medien zu liefern. Statt Daten auf einem lokalen oder persönlichen Computer zu speichern und abzurufen, können sie von jedem internetfähigen Gerät online – und somit immer und überall – erreicht werden.
Im Grunde nutzt diese Auslagerung bereits jeder! Angefangen bei der Auslagerung eines E-Mail-Postfaches an einen externen Anbieter, die vermutlich jede Privatperson nutzt, über die Auslagerung von Hardware oder Infrastruktur von Firmen bis hin zur Auslagerung von kompletter Software – genannt Software-as-a-Service. Diese Auslagerung hat beispielsweise den Vorteil, gebündeltes Expertenwissen an einem Ort zu nutzen und nicht für jedes Thema einen eigenen Experten im Haus haben zu müssen. Die Cloud ermöglicht eine Skalierbarkeit und gemeinsame Nutzung von Ressourcen, die für eine einzelne Organisation andernfalls nicht zu bewältigen wäre.
Die bekannten Schlagworte, wie Software-as-a-Service, Platform-as-a-Service und Infrastructure-as-a-Service bedeuten hingegen nur, wie viele Tätigkeiten bei einer anderen Firma als Cloud-Service eingekauft werden.
SAP S/4HANA Cloud
Übertragen auf SAP S/4HANA ist die Cloud also ein System, welches nicht im eigenen Rechenzentrum betrieben wird. Dies kann ein klassisches S/4HANA als ERP-System oder eine komplette Systemlandschaft mit Schnittstellen zu weiteren Systemen sein. Im Folgenden sprechen wir zunächst vom zentralen S/4HANA-System.
SAP S/4HANA kann klassisch – "On Premise" – in einem eigenen Serverraum betrieben werden. Ein solches On-Premise-System zeichnet insbesondere aus, dass das Unternehmen für diese Variante eigene Hardware nutzt, ein eigenes Netzwerk etabliert hat und eigene Mitarbeiter dieses System warten und betreuen. Das System gehört dem Unternehmen und kann beliebig durch Customizing angepasst, erweitert oder modifiziert werden.
Wer sein SAP-System nicht im eigenen Rechenzentrum betreiben kann oder will, beansprucht einen externen Dienstleister dafür und nutzt somit die S/4HANA Private Cloud. Diese Hosting-Lösung war bereits bei SAP ERP weit verbreitet und wird bereits von vielen Unternehmen genutzt. Welche Serviceleistungen dabei in den Händen des Dienstleisters liegen, können individuell vereinbart werden.
Wird die komplette Lösung als Software-as-a-Service direkt von der SAP bezogen, nutzt ein Unternehmen die S/4HANA Public Cloud. Charakteristisch für dieses Modell ist die Tatsache, dass die Aufgaben noch weitreichender an den Cloud-Anbieter abgegeben werden als bei den meisten privaten Clouds. Die Software wird tatsächlich "as-a-Service" als weitestgehend betriebsfertiges und vorkonfiguriertes SAP-System zur Verfügung gestellt. Bei dieser Lösung werden alle Daten auf SAP-Servern gespeichert und der Zugriff auf das System erfolgt nur über einen Browser mit dem SAP Fiori Launchpad und nur über Fiori Apps. Doch die S/4HANA Public Cloud kann noch mehr, denn durch diese vorkonfigurierte Lösung wird eine Standardisierung der Geschäftsprozesse erreicht. Als Vorteil ergibt sich daraus ein geringerer Aufwand beispielsweise für einen Roll-out, welcher besonders schnell umgesetzt werden kann. Des Weiteren kommen mit dieser Variante geringere und besser kalkulierbare Kosten als bei anderen Betriebsformen auf Sie zu. Eine Übersicht über die genannten Lösungen für S/4HANA zeigt die nachfolgende Abbildung:
SAP S/4HANA Public Cloud
Die Vorurteile gegenüber der Public Cloud halten sich hartnäckig: wenig Flexibilität, nur standardisierte Prozesse und alle drei Monate ein zwangsläufiges Update. Diese etwas eingeschränkte Flexibilität bei kundeneigenen Anpassungen geht einher mit der Standardisierung und Simplifizierung der Geschäftsprozesse – kann aber auch als Vorteil gesehen werden: Durch die hohe Standardisierung sind die Prozesse sehr übersichtlich und das Upgrade-Management sehr einfach, auch der Roll-out der standardisierten Prozesse in weitere Gesellschaften ist schneller umsetzbar.
Zum besseren Verständnis hier ein Beispiel: Ein Kunde mit mehr als 15 Tochterfirmen hat sich für die S/4HANA Public Cloud entschieden. Die verschiedenen Tochterfirmen und Gesellschaften hatten vorher mit unterschiedlichen ERP-Systemen gearbeitet – die Systeme waren auf einem unterschiedlichen Release-Stand und die Prozesse in den einzelnen Systemen unterschiedlich stark angepasst. Kurz gesagt: Die Systemlandschaft war Chaos und an ein zügiges Upgrade der gesamten Landschaft auf S/4HANA nicht zu denken.
Durch die Einführung von standardisierten Prozessen mit der Public Cloud wurde eine zukunftssichere Lösung und Verschlankung der Prozesse erreicht. Nach und nach wird die Systemlandschaft auf dieses eine ERP-System vereinheitlicht und die Prozesse in die weiteren Gesellschaften ausgerollt. Somit werden in Zukunft europaweit dieselben Prozesse verwendet und für die Zukunft weniger Aufwand für Maintenance erreicht.
So wie bei anderen Software-as-a-Service-Produkten sorgt ein schneller und verpflichtender vierteljährlicher Updatezyklus für neue SAP-Releases dafür, dass das Unternehmen dauerhaft alle Neuerungen als erstes bekommt und somit dauerhaft technologisch vorne mit dabei ist. Die "technologische Schuld", die sich in den letzten Jahren bei vielen Unternehmen durch nicht rechtzeitig durchgeführte Updates aufgestaut hat, wird somit vermieden.
Des Weiteren hält sich das hartnäckige Vorurteil, dass das Public-Cloud-System nicht an die unternehmenseigenen Bedürfnisse angepasst werden kann. Im SAP ERP sowie in der On-Premise-Version gab und gibt es viele Erweiterungskonzepte von SAP, die alle rückwärtskompatibel mitgenommen wurden, angefangen bei Customizing über Extensions bis zu User-Exits. In der Public Cloud werden nun zwar nicht mehr alle Erweiterungskonzepte rückwärtskompatibel unterstützt, aber eine gewisse Anpassung der Prozesse ist weiterhin möglich. Für Erweiterungen unterscheidet SAP zwischen "In-App Extensibility" und "Side-by-side Extensibility". Zur In-App-Extensibility können Business Add-Ins (BAdIs) verwendet werden. Diese BAdIs sind das neueste, aber auch sicherste Konzept für Erweiterungen, da Daten sauber gekapselt sind und nur dafür verwendet werden können, wofür sie gedacht sind. Des Weiteren gibt es die Möglichkeit, Zusatzfelder einzubauen, welche dann beispielsweise durch BAdIs mit Logik versehen werden. Über Side-by-side Extensibility können eigene Programme zum Beispiel in Form von Fiori Apps in der generellen SAP Cloud gehostet und durch eine von SAP zur Verfügung gestellte, umfangreiche Sammlung an Application Programming Interfaces (APIs) an die S/4HANA Public Cloud angebunden werden und somit auf die Daten zugreifen.
Systemlandschaft in der Cloud
Bisher ging es rein um die Lösung "ERP in der Cloud" – doch die SAP Cloud geht noch weiter. Es können Cloud-Services betrieben, eigene Fiori-Apps gehostet und eigene Services, wie beispielsweise die Cloud Platform Integration als Middleware-Tool genutzt werden. Zusätzlich gibt es viele umfassende Zusatzprodukte, die bestimmte Business Areas um viel Funktionalität erweitern. Bekannte Produkte sind SAP Ariba, SAP Concur, SAP SuccessFactors und viele mehr – all diese sind bereits pure Cloud-Produkte und somit ein Beispiel dafür, wie weit die Cloud bereits verbreitet ist.
Somit kommen wir auch zur vierten Cloud-Variante: Hybrid Cloud. Bei der Hybrid Cloud handelt es sich nicht mehr um ein einzelnes System, sondern um eine komplette Systemlandschaft, bei der ein Teil in der Cloud und ein Teil On Premise betrieben wird. Viele Firmen nutzen damit bereits heute eine hybride Systemlandschaft – ob sie es wissen oder nicht. Die nachfolgende Abbildung zeigt nur einen Ausschnitt einer SAP-Systemlandschaft mit Möglichkeiten zur Cloud-Integration.
Cloud-Services
Doch das ist noch nicht alles, was die Cloud zu bieten hat. Wie in der Abbildung zu sehen, gibt es verschiedene Cloud-Services, welche regelmäßig veröffentlicht werden und einzelne Prozess-Schritte technologisch voranbringen. Diese Cloud-Services bieten ein großes Optimierungspotential. Beispiel hierfür wären:
- Künstliche Intelligenz im Finance. Beispiel: automatisierte Kontoauszugsverarbeitung
- Zentralisierte Cloud-Schnittstellen. Durch eine zentrale Cloud-Schnittstelle muss nur noch eine Schnittstelle (nämlich die zum Cloud-Anbieter) betrieben werden, alles andere ist organisatorisch und technisch ausgelagert. Solche Software-as-a-Service-Produkte werden zum Beispiel zur Verbindung mit Banken, Payment-Providern oder Kreditagenturen angeboten und werden im Moment sehr stark nachgefragt, damit nicht jede einzelne Gesellschaft eine eigene Schnittstelle dorthin aufbauen muss.
- Automatisierungstools. Low-Code- und No-Code-Lösungen zur Automatisierung; Müssen beispielsweise regelmäßig Inhalte aus Tabellen manuell in SAP eingetragen werden, kann ein Key User diese wiederkehrende Tätigkeit als Vorlage aufzeichnen. Die Mitarbeiter im Fachbereich können die Aufzeichnung dann abspielen, um diesen Prozess ohne Programmierung zu automatisieren. Die Aufzeichnung benötigt wenige bis gar keine Programmierkenntnisse und wird unterstützt durch Bild-, Muster- sowie Schrifterkennung.
Warum die S/4HANA Cloud gar nicht so kompliziert ist
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Cloud-Lösungen zu S/4HANA mit Sicherheit schon weiterverbreitet sind als ursprünglich gedacht. Die Cloud beschreibt dabei kein einzelnes Produkt, sondern verschiedene Lösungen, um die SAP-Landschaft zukunftssicher aufzubauen.
Wichtige Folgefragen und Planungen innerhalb des S/4HANA-Migrationsprojektes hängen von der Entscheidung über das Deployment der Systemlandschaft ab. Die Entscheidung darüber, wie Sie Ihr S/4HANA-System aufbauen, sollten Sie also nicht übers Knie brechen, sondern genau planen.