Das DASA DevOps-Prinzip 1: Customer-Centric Action
Leider hört man auch heute immer noch von den unterschiedlichsten Situationen, in denen Kunden ihren Unmut und ihre Enttäuschung über eine erbrachte Serviceleistung Luft machen und von der "Servicewüste Deutschland" sprechen. Auch wenn diese Aussage – nach eigenem Empfinden – nicht mehr so häufig laut ausgesprochen wird, ist sie doch in den Köpfen vieler Menschen fest verankert. Doch warum ist das so?
Im Prinzip ist jedes Unternehmen von seinen Kunden abhängig, denn nur durch die Unterstützung ihrer Zielgruppe können diese erfolgreich sein. Wieso gilt es dann als Besonderheit, wenn die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen? Und was hat das mit einer IT-Organisation zu tun?
Mit dem hier beschriebenen Prinzip wird die notwendige Kundenorientierung in der IT hervorgehoben. Die IT stellt in Unternehmen mittlerweile keine Abteilung, sondern eine eigene Disziplin dar, die nicht mehr nur die internen Prozesse unterstützt, sondern zunehmend für die Entwicklung und den Betrieb von wettbewerbskritischen Anwendungen verantwortlich ist. Damit nehmen der Kunde und die Kundenorientierung eine zentrale Rolle in ihrer täglichen Arbeit ein. In der Denkweise von DevOps hat sich dieser Gedanke gefestigt und drängt sich zurück in das tägliche Bewusstsein und in die gelebte Kultur von Organisationen und deren Akteuren.
Das DASA DevOps-Prinzip 1: Customer-Centric Action
It is imperative nowadays to have short feedback loops with real customers and end-users, and that all activity in building IT products and services centers around these clients. To be able to meet these customers’ requirements, DevOps organizations require the guts to act as lean startups that innovate continuously, pivot when an individual strategy is not (or no longer) working, and constantly invests in products and services that will receive a maximum level of customer delight. [1]
Organisatorische Entwicklung
Um zu verstehen, wieso diese Entwicklung zurück zur Kundenorientierung so besonders ist, ist es hilfreich, einen Schritt zurück zu gehen. Im Bereich der Softwareentwicklung wurde jahrelang nach klassischem Vorgehen gehandelt. Eine Einschätzung, ob "klassisch" oder "agil" die richtige Vorgehensweise ist, fällt vielen Unternehmen immer noch schwer. Etwas überspitzt kann ein klassisches Vorgehen aus der alten Welt der Softwareentwicklung wie folgt beschrieben werden: Zuerst erfolgt die Aufnahme von Kundenanforderungen. Anschließend wird diskutiert, ein Anforderungskatalog erstellt, abgestimmt und mit der Entwicklung gestartet. Nach Fertigstellung des Produktes, welches auf Basis dieses Anforderungskataloges entwickelt wurde, geht es an den Kunden. Und nun? Nun ist es im schlimmsten Fall zu einigen Missverständnissen und/oder im Laufe der Zeit zu Änderungen der Anforderungen gekommen. Das Produkt ist fertig – aber was soll damit passieren, wenn es nicht (mehr) zu den eigentlichen Bedürfnissen passt?
Um unter anderem genau diese Problematik in den Griff zu bekommen, werden seit Jahren verstärkt agile Softwareentwicklungsmethoden angewendet. Eine schrittweise und kontinuierliche Produktentwicklung unter Einbezug von Kundenfeedback wirkt Missverständnissen entgegen und hilft, die genauen Anforderungen zu treffen. Anstatt eines Endproduktes erhält der Kunde im Idealfall schrittweise kleinere Komponenten, die individuell abgenommen werden können und frühzeitig Fehlentwicklungen aufzeigen. Sobald sich Anforderungen ändern oder Umsetzungen nicht den Vorstellungen entsprechen, ist es möglich, frühzeitig zu intervenieren und ohne großen zeitlichen und finanziellen Verlust die richtigen Anpassungen vorzunehmen.
In den agilen Werten und Prinzipien aus dem agilen Manifest sind genau diese Punkte niedergeschrieben und verdeutlichen damit die Wichtigkeit in der agilen Denkweise. Der dritte Grundwert im Manifest lautet "Die Zusammenarbeit mit dem Kunden wird höher als Vertragsverhandlungen bewertet". Dadurch wird vor allem der Stellenwert des Kunden deutlich. Es geht nicht darum, sich lange mit Diskussionen und Vertragsthematiken auseinanderzusetzen, es geht darum, dem Kunden zuzuhören und mit ihm gemeinsam an einem optimalen Ergebnis zu arbeiten.
Auch in den Prinzipien wird dies noch einmal unterstrichen und verdeutlicht. Nach dem ersten agilen Prinzip hat die "Kundenzufriedenheit durch kontinuierliche Softwareentwicklung die höchste Priorität". Dieses Prinzip spiegelt den oben beschriebenen Mehrwert der agilen und schrittweisen Entwicklung wider. Zusätzlich wird, anders als vermutet, nicht der höchste Fokus auf das Produkt oder Ergebnis gelegt, sondern auf die Zufriedenheit des Kunden. Die erwähnten agilen Werte und Prinzipien gelten jedoch nicht nur für den Bereich der Entwicklung. DevOps als Philosophie trägt der notwendigen durchgängigen Kundenfokussierung Rechnung und umfasst die enge Verzahnung zwischen Entwicklung und Betrieb. Denn zu einem erfolgreichen digitalen Produkt gehört neben der Entwicklung auch ein reibungsloser Betrieb. Ein Anwender erwartet nicht nur die agile (schnelle) Entwicklung von Features, sondern auch die schnelle (stabile) Produktivsetzung. Aus diesem Grund trägt der Betrieb ebenfalls die Verantwortung für das Gesamtergebnis und muss sich folgerichtig selbst kundenorientiert ausrichten.
Aufgrund der erhöhten Komplexität durch immer neue Technologien, Tools und Anforderungen hat sich der Fokus verschoben. Traditionelle Unternehmen werden durch neue, innovative Konkurrenten und Start-ups immer wieder neu herausgefordert. Um in diesem disruptiven Wettbewerb mithalten zu können, müssen fortschrittliche und hochwertige Produkte und Lösungen entstehen. Aufgrund des hohen Drucks steht das Endergebnis ganz oben auf der Prioritätenliste. Doch hat eigentlich in diesem Drang nach Innovation und neuer Technologie jemand den Kunden gefragt, ob seine individuellen Anforderungen dazu passen? Um eine Antwort darauf zu erhalten, müssen die eigenen und potentielle Kunden befragt und deren Wünsche gehört werden. DevOps versucht diese – im Prinzip banale – Forderung aufzunehmen und in diesem ersten Prinzip zu formulieren.
Kundenorientierung und Zusammenarbeit
Zufriedene Kunden sind langfristige Kunden. Neue Kunden kosten Geld – Kunden zurück zu gewinnen noch viel mehr. Wie beschrieben soll nach dem Agilen Manifest der Kunde im Mittelpunkt stehen. Auch die DASA hat die Wichtigkeit dieses Themas erkannt und daraus ihr erstes Prinzip gebildet: Kundenorientierte Handlungen bzw. Ausrichtung.
Wer kennt nicht diesen einen Kunden, der nicht einmal selbst weiß, was er möchte?
Dazu gehört, den Kunden zu verstehen und ihm zuzuhören. Zusätzlich wird der Gedanke aus dem agilen Vorgehen aufgegriffen und dem Kunden durch die kontinuierliche Entwicklung von Softwarekomponenten die Möglichkeit gegeben, frühzeitig Feedback zu geben. Natürlich müssen, bevor ein Entwicklungsprojekt gestartet werden kann, Anforderungen definiert werden. Diese können jedoch regelmäßig durch die Lieferung von Ergebnissen reflektiert werden. Änderungen der Anforderungen können frühzeitig erkannt und eingebunden werden – mit dem Ziel, die Kundenzufriedenheit zu erhöhen. Und dabei gilt: Erst produktiv verfügbare Features führen zu Akzeptanz und Zufriedenheit beim Kunden.
Doch wie können Handlungen kundenorientierter durchgeführt werden? Wer kennt nicht diesen einen Kunden, der nicht einmal selbst weiß, was er möchte? Wie soll für diesen Kunden eine bedarfsgerechte Lösung entwickelt werden? Auch hier steht erneut der Austausch mit dem Kunden im Mittelpunkt. Durch den Austausch von Ideen, die Entwicklung von Prototypen und die Präsentation von Zwischenergebnissen wird der Kunde unterstützt, seine Ideen und Wünsche besser zu entwickeln, zu formulieren und zu festigen. Doch relevant bleibt die enge Zusammenarbeit mit dem Kunden. Nur durch den kontinuierlichen Einbezug und die Rückmeldung zu Ergebnissen kann der Mehrwert durch agiles Vorgehen erreicht werden. Auch auf Seite der Kunden muss daher ein Umdenken geschehen. Nicht mehr nur das beauftragte Unternehmen macht "die ganze Arbeit" – auch die Ansprechpartner auf der Kundenseite selbst müssen aktiv werden und eingefordertes Feedback geben. Die Entwicklung einer individuellen, auf alle Bedürfnisse abgestimmten Lösung wird damit in enger Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Kunden durchgeführt. Dieser Ansatz ist auch erneut im genannten Grundwert des Agilen Manifestes hinterlegt und wird durch das DASA Prinzip #1 übernommen.
Was hat sich also im Vergleich zum klassischen Vorgehen geändert? Zusammengefasst werden Anforderungen des Kunden in kürzeren Abständen umgesetzt und können anschließend bewertet werden. Durch den kontinuierlichen Austausch und die stark verkürzten Feedbackschleifen hat der Kunde zu jeder Zeit die Möglichkeit, einen transparenten Einblick in den Projektstatus zu erhalten und gleichzeitig Einfluss auf das Ergebnis zu nehmen. Wie bereits formuliert hat dies nicht nur Auswirkungen auf die Entwicklung, sondern auch auf den Betrieb, der diese Lösungen sowie die dazugehörigen Umgebungen nach der Produktivsetzung verantwortet und damit selbst in kürzeren Abständen mit Änderungen umgehen muss. Insofern ist das erste Prinzip der DASA eine konsequente Weiterentwicklung der agilen Werte und Prinzipien.
Veränderung in der Unternehmenskultur
Also führt eine agile Denkweise und somit die Denkweise von DevOps dazu, dass sich der Fokus aller Arbeit zurück auf den Kunden richtet. In einer DevOps-Kultur gibt es weniger Bürokratie und interne Organisationsgrenzen. Einzelne Mitarbeiter erhalten mehr Verantwortung und mehr Entscheidungsfreiheit. Das bedeutet auch, dass die in das Kundenprojekt involvierten Mitarbeiter selbständig und direkt mit dem Kunden sprechen. Im klassischen Vorgehen ist es meist üblich, dass der Projektleiter den Kontaktpunkt zum Kunden darstellt, entwickelte Ergebnisse präsentiert und entsprechendes Feedback an die Mitarbeiter zurückträgt. Nicht so in einer nach DevOps ausgerichteten Unternehmenskultur. Dort trägt jeder einzelne Mitarbeiter im DevOps-Team die volle Verantwortung für die Ergebnisse und erhält direkt vom Kunden Feedback und Rückmeldungen. Unnötiger Informationsaustausch über mehrere Anlaufstellen gehört damit der Vergangenheit an. Durch den direkten Austausch können die richtigen Fragen an den Kunden gestellt werden und auf detaillierter Ebene über die Lösung gesprochen werden. Alle Kundenanforderungen und Hinweise landen somit auf direktem Wege bei den richtigen Ansprechpartnern.
Durch die Übertragung von Verantwortung erfahren Mitarbeiter Wertschätzung und wichtige Motivation für Ihre Arbeit.
Die an den einzelnen Mitarbeiter übertragene Verantwortung stellt einen zusätzlichen Mehrwert für das Unternehmen und seine Kunden dar. In einer DevOps-Kultur werden flache Hierarchien angestrebt, in denen einzelne Mitarbeiter mehr Verantwortung übernehmen. Einzelne Projektentscheidungen sollen dabei beispielsweise nicht mehr auf Managementebene entschieden werden, sondern auf fachlicher Ebene. Dies hat den Vorteil, dass Entscheidungen von den Personengruppen getroffen werden, die diese am besten beurteilen können. In vielen Unternehmen werden bspw. Entscheidungen bezüglich Release-Terminen von Führungspersonen getroffen. Wenn diese jedoch hinzugezogen und Informationen über die genauen Hintergründe übertragen werden müssen, geht wertvolle Zeit verloren. Entscheidungen sollten daher sinnvollerweise auf Teams und einzelne Mitarbeiter, zum Beispiel innerhalb der Entwicklung oder des Betriebes, übertragen werden. Durch die Übertragung von Verantwortung erfahren Mitarbeiter Wertschätzung und wichtige Motivation für Ihre Arbeit. Eigene Verantwortung für ein Ergebnis bedeutet im Rückschluss auch, dass Mitarbeiter ihre gesamte Energie in ein positives Endergebnis investieren – und damit in die Zufriedenheit der Kunden. Verantwortung an Mitarbeiter abzugeben verlangt natürlich auch Umbrüche und Veränderungen auf anderen Ebenen einer Organisation – hierarchische Strukturen müssen aufgebrochen werden und eine neue Kultur hält Einzug. Wer aber tatsächlich seine Kunden und deren Bedürfnisse in den eigenen Fokus setzen möchte, der wird diese Art der Veränderung benötigen.
Wichtig zu verstehen ist, dass dieses Thema nicht nur Bestands- sondern auch Neukunden einschließt. Auch potentielle Kunden müssen befragt werden und deren Rückmeldung innerhalb der kurzen Feedbackschleifen für die Optimierung und Entwicklung von kundenrelevanten Lösungen genutzt werden. Kurze Entwicklungszyklen erlauben Organisationen zusätzlich, frühzeitig mit Ideen und Konzepten auf den Markt zu gehen. Dort erhalten sie direktes Kundenfeedback und können daran lernen, um ihre Lösungen zu optimieren und an die Anforderungen ihrer Kunden anzupassen.
Moderne Kundenorientierung
In der heutigen Zeit sind langfristige Standardlösungen selten geworden – Kunden wünschen sich individuell auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmte Lösungen. Um diesem Wunsch gerecht zu werden, benötigen Unternehmen und deren Mitarbeiter innovative und neue Denkweisen sowie schlanke Umsetzungsmöglichkeiten. Dies kann durch die Einführung von weniger bürokratischen Hürden, flachen Hierarchien und die Übertragung von mehr Verantwortung abgedeckt werden. Innovation kann nicht so einfach geplant und umgesetzt werden. Aber eine Organisation muss ihren Mitarbeitern Zeit dafür einräumen. Denn wer zu 90 Prozent in aktive Arbeit und Kundenprojekte vergraben ist, hat nicht nur keine Zeit für neue Umsetzungen, sondern erst recht nicht für neue und innovative Ideen. Mitarbeiter, die im direkten Austausch mit Kunden stehen, entwickeln ein ideales Verständnis von Kundenbedürfnissen. Durch zeitliche Freiräume und die Möglichkeit eines intensiven Austausches mit anderen Kollegen können neue und kundenorientierte Lösungswege entwickelt werden, die sich von denen der Konkurrenz abheben und damit langfristigen Mehrwert sichern.
Da sich auch Kundenanforderungen und Markttrends ändern werden, gilt es in dieser schnelllebigen Welt durch kontinuierliche Rückmeldungen der Kunden stets ein Augenmerk auf diese Veränderungen zu legen. Dadurch wird es nötig sein, sich selbst ständig zu reflektieren und sicherzustellen, dass dies stets die optimale Lösung für den Kunden darstellt. Der Kunde sollte zu jeder Zeit und bei allen Handlungen in Bezug auf die Endlösung im Fokus stehen.
Fazit
Ziel einer jeden Organisation sollte es sein, das Thema "Servicewüste Deutschland" aus den Köpfen der Menschen zu verbannen und jedem Kunden das individuelle Gefühl eines "Königs" oder einer "Königin" zu geben. Dazu gehört nicht nur eine Anpassung in der eigentlichen Umsetzung, sondern auch ein Umdenken in den Köpfen der Mitarbeiter und die Offenheit für neues Vorgehen. Die Kundenorientierung muss darüber hinaus auch mögliche organisatorische Veränderungen nach sich ziehen.
Publikationen
- IT-Service Management mit FitSM
- Perspektivwechsel im IT Service Management: Erfolgsgeschichten oder - Dierk Söllner, Peter Bergmann, itSMF