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Prof. Dr. Jutta Stender-Vorwachs 20. März 2018

Die grundrechtlichen Aspekte Autonomen Fahrens

Die Zukunft des Verkehrs aus rechtlicher Sicht

Obwohl das Thema Autonomes Fahren immer mehr in das Interesse von Politik und medialer Öffentlichkeit rückt, für die zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft steht und gleichzeitig Synonym für die fortschreitende technische Entwicklung ist, bestehen rechtliche Probleme nicht nur in den Bereichen des einfachen Rechts, sondern auch des Verfassungsrechts. Diese betreffen insbesondere die Grundrechte, und zwar nicht nur in ihrer klassischen Rolle als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Es geht auch um deren Wirkung zwischen Bürgern [1]. Zudem gilt es, einige Grundlagenprobleme zu lösen, welche das Recht vor neue Herausforderungen stellt.

Dürfen autonome Fahrzeuge aus verfassungsrechtlicher Sicht zugelassen werden?

Damit die Entwicklung von autonomen Fahrzeugen – dies meint im Folgenden Fahrzeuge, die vollautomatisiert und ohne Eingriff durch die Insassen fahren – vorangetrieben werden kann und damit diese auch zugelassen werden können, müssen die Zulassung und Benutzung von autonomen Fahrzeugen mit der Verfassung im Einklang stehen. Die Grundrechte und das Grundgesetz bilden eine objektive Wertordnung. Die Verfassung und die Grundrechte sind grundsätzlich technologieoffen. So ist die Erforschung neuer Technologien wie beispielsweise autonomer Fahrzeuge durch Art. 5 Abs. 3 GG gedeckt.

Stellen autonome Fahrzeuge eine erhöhte Gefahr dar oder wird der Verkehr eher sicherer?

Gegen die Zulassung von autonomen Fahrzeugen könnten jedoch mehrere Aspekte sprechen, die sich aus dem Schutzgedanken und den Schutzpflichten des Staates ergeben. Der Staat ist insbesondere dazu verpflichtet, das Leben und die körperliche Unversehrtheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu schützen [2]. Ein entscheidender Aspekt wird daher sein, ob autonome Fahrzeuge eine erhöhte Gefahr für die anderen Verkehrsteilnehmer darstellen oder ob hierdurch der Verkehr eher sicherer wird.

Obwohl das Grundgesetz technologieoffen ist, erwähnt die Verfassung die Wörter Technik, technischer Fortschritt, technische Entwicklung oder dergleichen nicht [3]. In Artikel 13 GG ist jedoch von technischen Mitteln die Rede, welche zur Überwachung der Wohnung genutzt werden können. Artikel 91 c GG erwähnt zudem informationstechnische Systeme. Zum Umgang mit der Technik und ob oder inwieweit das Recht die Technik kontrollieren sollte, findet sich in den Artikeln des Grundgesetzes nichts. Dies lässt jedoch keinen Rückschluss darauf zu, dass das Grundgesetz nicht technologieoffen oder eine Technikkontrolle nicht zulässig sei.

Verstoß gegen die Menschenwürde?

Diskutiert wird insbesondere, ob autonomes Fahren gegen die von Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Menschenwürde verstößt [4]. Anders als beim Einsatz von Fahrassistenzsystemen oder bei Fahrzeugen unterschiedlicher Automatisierungsstufe gibt der (ehemalige) Fahrer bei autonomen Fahrzeugen seine Entscheidungen und gleichsam sein Leben in die Hände einer Maschine. In diesem Fall hat der Insasse auch keinerlei Möglichkeiten eines Eingriffs in die Vorgänge.

Es stellt sich also die grundsätzliche Frage, ob ein Mensch seine gesamte Entscheidungsfreiheit und sein Leben an ein autonomes Fahrzeug abgeben kann. Muss der Bürger als Grundrechtsträger nicht über seine Menschenwürde allein entscheiden können? Die Menschenwürde hat zwei Funktionen, eine Abwehrfunktion (zu achten) und eine Schutzfunktion (zu schützen). Der Staat ist verpflichtet, alle Menschenwürdeverletzungen durch Private zu untersagen und zu ahnden. Die Mittel dazu kann er weitgehend frei wählen.

Problematisch sind diejenigen Fälle, in denen der Mensch selbst in ein in die Menschenwürde eingreifendes Handeln einwilligt. Es geht um den "Schutz des Menschen gegen sich selbst" [5]. Darf der Einzelne seinen Würdeschutz jederzeit selbst definieren?

Zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hat das Bundesverfassungsgericht diese Interpretation bejaht. Nur der Einzelne selbst solle "befinden, wie er sich gegenüber Dritten und der Öffentlichkeit darstellen will, was seinen sozialen Geltungsanspruch ausmachen soll und ob oder in wieweit Dritte über seine Persönlichkeit verfügen können, in dem sie diese zum Gegenstand öffentlicher Erörterung machen [6]."

Gehört es nicht zum Selbstbestimmungsrecht eines jeden Bürgers, sich technischen Neuerungen anzupassen und anzuvertrauen?

Das genannte Selbstbestimmungsrecht geht nun aber von einer "autonomen Verfügbarkeit" des Menschen über sich selbst aus [7]. Beim vollautonomen Fahrzeug kann der Mensch, nachdem er sich in das automatisierte Fahrzeug gesetzt hat, nicht mehr über sich verfügen. Zu bedenken gilt einerseits, dass er sich in vollem Bewusstsein dem Fahrzeug anvertraut. Andererseits setzt er sich einer Maschine aus, nicht anderen Menschen, wie in den bisher beurteilten Fällen wie Peep-Shows, Zwergenweitwurf, Laserspiele, Telefonsex, Prostitution und auch Big Brother.

Da die Fehlerhaftigkeit des Systems nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, muss der Insasse eines autonomen Fahrzeugs stets mit einem Unfall rechnen. Eine solche Gefährdung kann aber auch bestehen, wenn der Menschenwürdeträger sich menschlichem Handeln aussetzt. Und: Gehört es nicht zum Selbstbestimmungsrecht eines jeden Bürgers, sich technischen Neuerungen anzupassen und anzuvertrauen? Die technischen Entwicklungen nehmen auf die Werte der Gesellschaft Einfluss.

Wenn auch die Rechtswissenschaft hier noch am Anfang steht, so ist doch aus der bisherigen Rechtsprechung ein gewisses Schutzniveau zu entnehmen. Eine Selbstentwürdigung bzw. Selbstgefährdung findet demgemäß ihre Grenzen an Rechten Dritter und den Belangen der Allgemeinheit [8]. So steht zum Beispiel einer Einwilligung in das sogenannte „Autosurfen“ das sozialethische Unwerturteil der Sittenwidrigkeit entgegen [9]. Die Grenze zur Sittenwidrigkeit ist dann überschritten, wenn bei vorausschauender objektiver Betrachtung aller maßgeblichen Umstände der Einwilligende durch die Körperverletzungshandlung in konkrete Todesgefahr gebracht wird. Eine Selbstgefährdung durch autonome Fahrzeuge lässt sich also erst dann rechtfertigen, wenn die Technik soweit fortgeschritten ist, dass

  • die gesetzlich angepassten Sicherheitsanforderungen erfüllt werden können und
  • nach dem Stand der Technik eine konkrete Todesgefahr ausgeschlossen werden kann.

Verpflichtung des Staates zur Förderung autonomer Fahrzeuge?

Der Einsatz autonomer Fahrzeuge bietet zahlreiche Chancen. Ist der Staat vielleicht zur Förderung autonomer Fahrzeuge verpflichtet?

Autonome Fahrzeuge bieten eine große Chance für körperlich beeinträchtigte und ältere Menschen, um stärker an der Gesellschaft und deren Mobilität teilzuhaben. Geschwindigkeitsüberschreitungen sind nicht mehr möglich, und es kann auch zu keinen Unfällen kommen, bei denen der Fahrer durch die Benutzung eines Mobiltelefons abgelenkt war. Sowohl Alkoholfahrten als auch Straftaten, in denen mit dem Auto vorsätzlich ein Unfall herbeigeführt wird, sind nicht mehr möglich. Diejenigen Unfälle, welche es geben wird, werden durch technisches Versagen bedingt sein. Mit dieser unbekannten Größe muss gesellschaftlich umgegangen werden.

Auch wenn eine gesellschaftliche Teilhabe für körperlich beeinträchtigte Menschen beispielsweise aus Art. 3 GG resultiert, bedürfte es für eine Verpflichtung zur Förderung durch den Staat eines Leistungsrechts, das aus den oben exemplarisch genannten Vorteilen resultiert. Einen ausdrücklichen Anspruch hierauf räumen die Artikel des Grundgesetzes nicht ein. Vielmehr besteht die klassische Rolle der Freiheitsgrundrechte in der Gewährung von Abwehrrechten des Bürgers gegenüber dem Staat. Dagegen gewährt Art. 3 Abs. 1 GG Teilhaberechte an staatlichen Leistungen. Solche Ansprüche beziehen sich darauf, dass der Staat niemanden ohne sachlichen Grund und unverhältnismäßig von staatlichen Leistungen ausschließen darf. Jede entsprechende Ungleichbehandlung bedarf der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.

Fördert der Staat daher die Entwicklung und den Bau autonomer Fahrzeuge zu bestimmten Zwecken, etwa zum Behindertentransport oder zur Unfallverhütung, dann besteht in diesem Rahmen der Förderung ein Recht auf Teilhabe an der Förderung. Denn der Staat muss unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes Höhe, Umfang und Qualität der Förderungsleistung im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten erbringen und anpassen.

Wie kann ein Fahrzeug verfassungsmäßig programmiert werden?

Bei autonomen Fahrzeugen ist fraglich, wie der Gesetzgeber einen Rahmen vorgeben kann, um Unfallabläufe bei einem nicht zu verhindernden Unfall rechtssicher zu programmieren.

Von der notwendigen künstlichen Intelligenz ist zumindest das autonome Fahrzeug noch weit entfernt. Das Auto muss mithin für bestimmte Konstellationen so programmiert werden, wie es mit den eintretenden Situationen umgehen soll. Hierbei kommt vor allem der Situation eine verfassungsrechtliche Bedeutung zu, in der sich die Frage stellt, wer bei einem Unfall geschützt werden und wie das Auto programmiert werden soll, wenn es Leben gegen Leben abzuwägen gilt.

Die Frage stellt sich, ob dem Insassenschutz immer ein Vorzug zu geben ist. Oder: Wie soll die Software programmiert werden für den Fall, dass das Auto entweder die Möglichkeit hat, gegen eine Leitplanke oder einen Baum zu fahren oder gegen einen anderen Menschen oder eine Gruppe von Menschen. Diese Fragestellung ist nicht nur eine rein rechtliche Fragestellung, die mit der Verfassung und damit einhergehend mit der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG und der körperlichen Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1GG verknüpft ist, sondern es ist auch eine moralische Fragestellung. Soll das Auto vorzugsweise in eine Gruppe Jugendlicher fahren oder in eine Gruppe älterer Menschen? Zudem könnten die Hersteller ihre Algorithmen so programmieren, dass beispielsweise Manager, Minister oder Mitglieder der Bundesregierung primär geschützt werden sollen und das Fahrzeug zu ihren Gunsten entscheiden soll.

Gesetzliche Regulierung der Programmierung?

Verfassungsrechtlich stellt sich insbesondere die Frage nach einer gesetzlichen Regulierung der genannten Situationen. Kann der Gesetzgeber zur Lösung von Unfallgefahrensituationen mit autonomen Fahrzeugen die Routenwahl des Autos und damit dessen Programmierung vorgeben? Wie ist es verfassungsrechtlich zu beurteilen, wenn der Gesetzgeber eine Entscheidung regelt, die sich zugunsten des einen Lebens und zu Lasten des anderen auswirkt?

Im Gegensatz zu einem drohenden reinen Sachschaden, bei dem die Maxime gilt, dass das Auto stets zuerst versuchen sollte, einen Unfall zu vermeiden und, sofern dies aussichtslos ist, den kleineren Schaden zu wählen, verstößt eine (quantitative) Abwägung von einem Menschenleben gegenüber einem anderen oder einer Gruppe von Menschenleben gegen die Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG sowie gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

Insofern ist auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Nichtigkeit der Abschussermächtigung im Luftsicherheitsgesetz zu verweisen [10]. Da das Grundgesetz von der freien Selbstbestimmung und freien Entfaltung des Menschen ausgeht, verbietet sich jegliche Behandlung des Menschen durch den Staat, die diesen zum Objekt degradiert.

In seinem Urteil zur Abschussermächtigung des § 14 Abs. 3 Luftsicherheitsgesetz hat das Bundesverfassungsgericht der Ansicht widersprochen, mit dem Besteigen eines Flugzeuges willigten Passagiere und Besatzungsmitglieder mutmaßlich in ihre eigene Tötung ein. Diese Annahme sei eine "lebensfremde Fiktion".

Eine mögliche Argumentation, dass der Insasse eines autonomen Fahrzeugs sich bewusst für die Gefahr entscheidet und die Gefahr eines Unfalls geschaffen hat, indem er sich eines risikoreichen Fortbewegungsmittels bedient, erscheint insofern unrealistisch. Eine gesetzliche Regelung, die vorschreibt, den Algorithmus so zu programmieren, dass das Leben des Insassen eines autonomen Autos gegenüber anderen Fahrzeuginsassen oder Fußgängern oder Radfahrern zurücktritt, widerspricht der Menschenwürdegarantie.

Nun könnte man argumentieren, der Staat habe auch eine Schutzpflicht gegenüber den Menschen, die durch diese Tötung ihr Leben behalten. Grundsätzlich kommt den staatlichen Organen bei der Erfüllung ihrer Schutzpflichten ein Ermessenspielraum zu [11]. Das gewählte Mittel zum Schutz menschlichen Lebens muss aber stets mit der Verfassung vereinbar sein. Führt es wie im Fall des § 14 Abs. 3 Luftsicherheitsgesetz zu einer Missachtung der Subjektstellung des Menschen und damit zu einem Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG, so kann der Schutz des Lebens anderer Menschen diesen Verstoß nicht rechtfertigen.

Dass eine solche Abwägung von Leben gegen Leben – egal in welchem Verhältnis sich die Personenanzahl gegenübersteht – einen eindeutigen Verfassungsverstoß darstellt, hat das Bundesverfassungsgericht damit eindeutig klargestellt und dies wird auch in der Literatur vertreten [12, 13].

Aus verfassungsrechtlicher Sicht abzulehnen ist deshalb die Ansicht, welche die Abwägung und Tötung von einer Person anstelle von zehn Personen im Ergebnis für rechtswidrig erachtet, jedoch letztendlich zu dem Ergebnis kommt, dass es bei einem quantitativen Vergleich der Anzahl von Personen zu einer "Abstufung im Unrecht" kommt und die Zahl der Toten zu minimieren sei [14]. Auch wenn diese These aus moralisch-ethischen Gründen nachvollziehbar ist, führt sie dazu, dass das menschliche Leben und damit einhergehend die Menschenwürde nicht mehr einen Höchstwert darstellt. Dieses rechtliche Dilemma lässt sich nicht durch einfache, pragmatische Überlegungen lösen, auch wenn die Versuchung nahe zu liegen scheint.

Rückgriff des Gesetzgebers auf einen Zufallsgenerator?

Eine andere Möglichkeit als die Vorgabe festgelegter und bestimmter Fälle durch den Gesetzgeber wäre der Rückgriff auf einen Zufallsgenerator. Das Auto würde also situationsunabhängig entscheiden und auf keine vorgegebenen Werte und Algorithmen zurückgreifen. Diese Variante lässt jedoch nicht nur die Frage der Abwägung von Leben gegen Leben außer Acht, sondern einen weiteren Aspekt: Wie sollen solche Konstellationen für Gefahrlastgüter vorgegeben werden, bei deren Unfall ein Austritt von Stoffen sowie weitreichende Umweltschäden möglich sind? Auch erscheint nicht jede Lösung gleich geeignet. Bei zunehmendem Einsatz von Elektrofahrzeugen gilt es gleichsam zu berücksichtigen, dass die hierbei verwendeten Lithium-Ionen-Batterien bei einem Unfall leicht entflammbar sind, ausgasen können oder es aufgrund eines thermal runaway zu einer Explosion kommt.

Ein Rückgriff auf einen Zufallsgenerator ist nicht mit dem Grundgesetz und der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG vereinbar. Die Benutzung eines Zufallsgenerators würde die am Straßenverkehr beteiligten Personen zu einem bloßen Objekt degradieren. Das menschliche Leben und die Würde werden dadurch nur noch zu einer beliebigen Variablen in einer Wahrscheinlichkeitsrechnung.

Welche datenschutzrechtlichen Probleme stellen sich?

Im Zusammenhang mit der notwendigen Digitalisierung autonomer Fahrzeuge und der einhergehenden Vernetzung kommt es zu einem größeren Datenaufkommen. Es lassen sich grundsätzlich zwei Konstellationen unterscheiden: Zum einen Daten, die den Eigentümer des Fahrzeugs sowie die Insassen betreffen, und andererseits Daten, welche Dritte betreffen.

Eigentümer, Besitzer und Insassen eines autonomen Fahrzeugs

Durch die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung werden durch die Autos schon jetzt immer mehr Daten gesammelt und gespeichert [15]. Bei den so generierten Daten, die übermittelt oder gespeichert werden, wird eine Vielzahl von Grundrechten tangiert [16]. Genannt seien das Fernmeldegeheimnis nach Art. 10 Abs. 1 GG, die informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG [17] sowie die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG (PC- Grundrecht) [18].

Informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG
Auch im Hinblick auf die Nutzung von Fahrzeugen – gleich ob teilautomatisiert oder vollautomatisiert – gilt im Hinblick auf die informationelle Selbstbestimmung das Grundprinzip, dass die Insassen die Kontrolle über ihre eigenen Daten einerseits behalten und so andererseits selbst über die Preisgabe und entsprechende Verwendung dieser entscheiden können [19]. So sind Kraftfahrzeugdaten leicht für die unerwünschte Erstellung von Profilen oder aber auch für nicht erwünschte Werbung oder Marktforschung nutzbar. Zudem können sie dem Staat wertvolle Informationen übermitteln, wie im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung (§ 100a TKG) oder Vorratsdatenspeicherung (§§ 113a – 113g TKG) [20]. Deren gesetzliche Voraussetzungen müssen sich auch im Falle autonomer Fahrzeuge an die deutsche und europäische Rechtsprechung halten. Zudem ist das Konzept der Einwilligung zu verbessern [21]. Der Einsatz der Telematik muss dem Betroffenen klar sein. Schon heute besteht insofern "erheblicher Verbesserungsbedarf" [22].

Hinzu kommt der Grundsatz der Datensparsamkeit [23]. Erzeugte Daten müssen dem konkreten Zweck dienlich sein. Im Falle einer Staumeldung durch ein Fahrzeug an weitere Autos ist hierfür eine Weitergabe weiterer, personenbezogener Daten nicht notwendig und auch nicht zulässig. Es reicht aus, wenn das Kraftfahrzeug den Standort des Staus übermittelt und so weitere Fahrzeuge warnt. Müsste mit der Aufzeichnung und Auswertung der Strecken und weiterer Einzelheiten gerechnet werden, wäre die freie Bewegung unzulässig eingeschränkt [24].

Fernmeldegeheimnis, Art. 10 Abs.1 GG
Artikel 10 Abs. 1 GG schützt in seiner dritten Alternative neben dem Brief- und Postgeheimnis das Fernmeldegeheimnis. So wird die durch unkörperliche Signale transportierte räumlich distanzierte individuelle Kommunikation geschützt. Erzeugte Verkehrs- und Inhaltsdaten werden somit von Art. 10 Abs. 1 GG umfasst. Hierzu zählt nicht nur die Kommunikation mittels Handy oder Telefon, sondern auch beispielsweise per E-Mail.
Zu den Verkehrsdaten zählen Ort der Verbindung, Zeit, die genutzte Art der Kommunikation, die Dauer der Kommunikation und die jeweiligen Nummern der Gesprächsteilnehmer oder E-Mail-Adressen [25]. Dass die Erfassung – besonders der Verkehrsdaten – problematisch ist, zeigt nicht nur das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung nach § 113 a TKG a.F [26]. Durch Innehaben dieser Daten lassen sich von den Insassen der Fahrzeuge genaue Bewegungsprofile erstellen. Diese Ansammlung und Generierung einer Vielzahl verschiedener Daten ist für den Einzelnen in diesem Umfang nicht mehr kontrollierbar. Neben der Erstellung von Bewegungsprofilen lassen sich auch umfangreiche Persönlichkeitsprofile erstellen, vor denen das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung warnt [27].

Der von Art. 10 Abs. 1 GG gewährte Schutz wirkt durch seine mittelbare Drittwirkung auch auf das Verhältnis zwischen Bürger und Bürger, indem bei der entsprechenden Anwendung zivilrechtlicher Normen Art. 10 Abs. 1 GG bei der Auslegung zu berücksichtigen ist.

Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG
Dem Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG15 – auch als Computergrundrecht oder IT-Grundrecht bekannt – kommt neben dem Fernmeldegeheimnis und der informationellen Selbstbestimmung gerade auch in Kraftfahrzeugen eine besondere Bedeutung zu [28]. Es greift  genau dann, wenn nicht etwa die Datenübertragung betroffen ist – wie dies beim Fernmeldegeheimnis der Fall ist -, sondern wenn sich die entsprechenden Daten auf einer Festplatte oder einem anderen Speichermedium befinden [29].

Entertainmentsysteme in Kraftfahrzeugen dienen schon lange nicht mehr nur dazu, das Navigationssystem zu bedienen und die Route anzuzeigen oder den Radiosender einzustellen. So lässt sich mit ihnen im Internet "surfen", es lassen sich Bilder und Videos anzeigen und abspielen und sie lassen sich etwa mit einem MP3-Player zur Wiedergabe von Musik oder mit einem Handy verbinden. Durch die Verbindung mit einem Handy können so nicht nur SMS und E-Mails angezeigt werden, sondern der gesamte Verlauf im Posteingang und -ausgang wird gleichsam abgespeichert. So befinden sich auf dem elektronischen Speicher der Fahrzeuge nicht nur Informationen über Anrufe und dergleichen, sondern auch SMS und E-Mails.

Bei einem Zugriff auf diese Speicher greift der Schutzbereich des Grundrechts auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme ein. Besonders heikel sind diese Daten vor allem, da die Grenzen zwischen Sozial-, Privat- und Intimsphäre fließend sind. Um bei dem Beispiel einer E-Mail zu bleiben. Zudem gilt es hierbei verstärkt zu berücksichtigen, dass sich das Verhalten und die Tätigkeit während der Fahrt in einem autonomen Fahrzeug verändern werden. So ist es nicht abwegig, dass ein Großteil der Zeit zur Produktivität genutzt wird und sich somit in dem Auto und durch eine entsprechende Vernetzung beispielsweise mit einem Notebook oder anderen Endgeräten auch auf dem elektronischen Speicher des Autos eine nicht unerhebliche Menge von Daten befindet. Die Auswirkungen eines solchen Zugriffs auf ein umfangreiches Datensystem und die weitreichenden Einblicke hat bereits das Bundesverfassungsgericht betont [30].

Dass auch der Staat ein großes Interesse an Daten hat, hat sich in einigen Urteilen wie denen zu der Kennzeichenerfassung, der Vorratsdatenspeicherung oder der Online-Durchsuchung gezeigt [31].

Andere Verkehrsteilnehmer, Fußgänger etc.

Wie bereits erwähnt, sind bei den generierten Daten nicht nur der Eigentümer des Fahrzeugs oder die Insassen betroffen. Autonome Fahrzeuge nutzen verschiedene Systeme zur Umfelderkennung; genannt seien visuelle Kameras, Laser, Infrarot und Ultraschall sowie der Einsatz von Radar. Durch die Videoerfassung der Kameras ergibt sich eine zu den Dashcams gleichgelagerte Problematik. Entscheidend ist, wer generiert und speichert welche Daten in welchem Umfang? Werden Passanten und andere Autofahrer gefilmt, sind Rechte Dritter betroffen. Zunächst allen voran das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung besteht auch dann, wenn sich Autofahrer, Fußgänger oder Radfahrer in der Öffentlichkeit bewegen, und schützt vor einer Datensammlung, -erfassung und der damit einhergehenden Möglichkeit zur Datennutzung.

Hierbei müssen die Grundrechte der Insassen und der Betroffenen schonend in Einklang gebracht werden. Werden die generierten Daten durch Dritte genutzt, also geht die Nutzung über den Zweck hinaus, der erforderlich ist, um das autonome Auto sicher zu betreiben, beispielsweise seitens des Staates wie bereits erwähnt, so ergeben sich weitere Grundrechte, welche tangiert werden. So zum Beispiel das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Die oben genannten Gefahrenpotentiale bei der Sammlung von Daten gelten auch für die nun geltenden Konstellationen. Durch die visuelle Erfassung von Personen, deren Gesichter oder deren Fahrzeuge oder Teilstrecken ihrer Routen lassen sich ebenfalls bestimmte Persönlichkeits- oder Bewegungsprofile erstellen. Werden diese Daten mit anderen Daten kombiniert, so schränkt dies die persönliche Verhaltensfreiheit ein. Ein wesentlicher Unterschied zu einer einfachen Fotografie liegt in der durch visuelle Kameras erzeugten Datenmenge. Kameras in einem autonomen Auto filmen die gesamte Fahrt über, damit das System richtig funktioniert. Bei der Datenspeicherung liegt die Weichenstellung in der Frage, ob das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einschlägig und der Schutzbereich betroffen ist oder nicht. So stellt es keinen Eingriff dar, wenn die aufgenommenen Sequenzen nicht weiterverarbeitet werden und anonymisiert bleiben und unmittelbar nach der Aufzeichnung gelöscht werden.

Entscheidend ist, dass aufgrund der Löschung kein Personenbezug möglich ist [32]. Ansonsten liegt ein Eingriff vor. Eine solche sofortige Löschung wäre zwar technisch möglich, jedoch nicht sinnvoll. Zur Beweissicherung oder einer möglichen Rekonstruktion eines Unfalles oder Ähnlichem sollten die jeweiligen erfassten Sequenzen gespeichert und erst innerhalb eines bestimmten Intervalls gelöscht werden. Nehmen die Kameras bei Minute 0 auf und kam es bis zur Minute 15 zu keinem Unfall, sind die Sequenzen zu löschen. Im Falle eines Unfalls können die Daten auf einer Blackbox innerhalb des Fahrzeugs gespeichert werden. Dies stellt einen schonenden Ausgleich der geschützten Interessen dar.

Die Speicherung muss jedoch mehr umfassen als die Umfelderkennung durch die Kameras des Autos. Gesichert werden müssen auch Daten aus dem Innenraum und bei teilautonomen Fahrzeugen der jeweilige Grad der Automatisierung in dem maßgeblichen Zeitpunkt sowie sämtliche Ausführungen des Systems. Zudem muss gespeichert werden, ob der Fahrer in das System eingegriffen und dieses überstimmt hat, also für die konkrete Handlung verantwortlich war. Solch eine Speicherung ist auch notwendig, denn die Insassen autonomer Fahrzeuge werden anderweitigen Tätigkeiten nachkommen und zu einer Unfallursache nichts mehr sagen können.

Resümee

Die Vernetzung von Fahrzeugen untereinander und mit der Außenwelt, die mit deren Automatisierung verknüpft ist, wirft zahlreiche juristische Probleme auf, nicht nur des einfachen Rechts, sondern insbesondere auch des Verfassungsrechts. Fragen zu Schutzpflichten des Staates, zur verfassungsgemäßen Programmierung, zur sogenannten Dilemmasituation sowie zum Datenschutz unterschiedlich betroffener Personen bedürfen noch der Beantwortung, bevor der Einsatz vollautomatisierter Fahrzeuge innerhalb des notwendigen gesetzlichen Regelungsrahmens erfolgen kann. Die Entwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen ist daher als eine den bundesdeutschen Gesetzgeber herausfordernde Aufgabe der nächsten Jahre anzusehen, um den technischen Entwicklungen den Weg zur tatsächlichen Anwendbarkeit zu ermöglichen.

Quellen
  1. Zur mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht siehe: Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 3. Aufl. 2013, Band 1, Vorb. Rn. 96ff.
  2. Vgl. Hilgendorf, Automatisiertes Fahren und Recht, Deutscher Verkehrsgerichtstag (Hrsg.), 53. Deutscher Verkehrsgerichtstag 2015, S. 55 (60).
  3. So auch Hilgendorf, Teilautonome Fahrzeuge: Verfassungsrechtliche Vorgaben und rechtspolitische Herausforderungen, in: HilgendorfHötitzsch/Lutz (Hrsg.), Rechtliche Aspekte automatisierter Fahrzeuge, 1. Auflage 2015, S. 15 (18).
  4. Zur Definition: Lindner, Die Würde des Menschen und sein Leben, DÖV 2006, 577 (581 ff.); Beck/Zabel, Menschenrechte und Robotik, in: Demko/Brudermüller/Seelmann (Hrsg.), Menschenrechte: Begründung – Bedeutung – Durchsetzung, 2015, S. 197 (220).
  5. s. allgemein: Hillgruber, Der Schutz des Menschen vor sich selbst, 1992; Littwin, Grundrechtsschutz gegen sich selbst, 1993.
  6. BVerfGE 63, 131 (142).
  7. Höfling, Menschenwürde und gute Sitten, NJW 1983, 1582 (1584); Maihofer, Die Würde des Menschen, 1967, S. 15ff: „Verfügbarkeit über sich selbst“.
  8. Isensee, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, 2011, § 87, Würde des Menschen, Rn. 138.
  9. s.: LG Mönchengladbach, Urteil vom 20.09.1996 - 12 Ns 29/96 (6) (nicht rechtskräftig), BeckRS 9998, 24504; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.06.1997 - 2 Ss 147/97 - 49/97 II, NStZ-RR 1997, 325 (327): Verstoß der Einwilligung gegen die guten Sitten.
  10. BVerfG, Urteil vom 15. 2. 2006 - 1 BvR 357/05, NJW 2006, 751 ff.
  11. BVerfGE 96, 56 (64).
  12. BVerfG NJW 2006, 751 (759 f.).
  13. Weber, Dilemmasituationen beim autonomen Fahren, NZV 2016, 249 (253 m. Fn. 43, 254).
  14. Hilgendorf, Automatisiertes Fahren und Recht, Deutscher Verkehrsgerichtstag (Hrsg.), 53. Deutscher Verkehrsgerichtstag 2015, S. 55 (69).
  15. vgl. Johanning/Mildner, Car IT kompakt, Das Auto der Zukunft – Vernetzt und autonom fahren, 2015, S. 16.
  16. Zur rechtlichen Relevanz siehe: Roßnagel, Grundrechtsausgleich beim vernetzten Automobil, DUD 2015, 353 (355).
  17. BVerfG NJW 1984, 419 ff.
  18. BVerfG NJW 2008, 822 ff.
  19. BVerfGE 65, 1 (43); 78, 77 (84); 84, 192 (194); 96, 171 (181); 103, 21 (32 f.); 113, 29 (46); 118, 168 (184).
  20. Telekommunikationsüberwachung (§ 100a TKG): Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen: BVerfG NJW 2005, 2603.
    Vorratsdatenspeicherung (§§ 113a – 113g TKG): G. v.1.1.2008 (BGBl. I S. 3198), i.d.F.d.G.v. 19.12.2015 (BGBl. I S. 2210). Zu dieser Regelung im Einzelnen: Roßnagel, Die neue Vorratsdatenspeicherung. Der nächste Schritt im Ringen um Sicherheit und Grundrechtsschutz, NJW 2016, 533 ff.
  21. Roßnagel, Grundrechtsausgleich beim vernetzten Automobil, DUD 2015, 353 (358).
  22. So: Kinast/Kühnl, Telematik und Bordelektronik – Erhebung und Nutzung von Daten zum Fahrverhalten, NJW 2014, 3057 (3059).
  23. Datensparsamkeit: Dazu Roßnagel, Das Gebot der Datenvermeidung und -sparsamkeit als Ansatz wirksamen technikbasierten Persönlichkeitsschutzes? in: Eifert/Hoffmann-Riem (Hrsg.), Innovation, Recht und öffentliche Kommunikation, 2011, S. 41.
  24. Weichert, Datenschutz im Auto – Teil 1, SVR 2014, 201 (203) mit Verweis auf BVerfG NJW 1984, 422 in Fn. 13.
  25. BVerfGE 67, 157 (172); 85, 386 (396); 100, 313 (358); 124, 43 (54); Löwer, in: Münch/Kunig, Grundgesetz, Kommentar, 6. Auflage, 2012, Art. 10, Rn. 24. Auf diese Zweiteilung von Inhalt einerseits und Verkehrsdaten andererseits zielt auch § 88 Abs. 1 TKG ab („und ihre näheren Umstände“).
  26. BVerfGE 125, 260 ff.
  27. BVerfGE 125, 260 (318).
  28. BVerfG, NJW 2008, 822, Rn. 166.
    Zu dem möglichen Missverständnis durch diese beiden Formulierungen siehe nur BeckOK/Gersdorf, GG, Art. 2, Rn. 22.
  29. So auch Hirsch, Das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme – Zugleich Anmerkung zu BVerfG, NJW 2008, 822, NJOZ 2008, 1907 (1910).
  30. BVerfG, NJW 2008, 822, Rn. 178.
  31. Kennzeichenerfassung: BVerfG, NJW 2008, 1505 ff.
    Vorratsdatenspeicherung: BVerfGE 121, 1 ff.; 125, 260 ff.
    Online-Durchsuchung: BVerfGE 120, 274 ff.
  32. BVerfGE 120, 378 (400 f.); Buchner, Datenschutz im vernetzten Automobil, DuD 2015, 372 (374): Die erhobenen Daten sind unter datenschutzrechtlichen Aspekten nur dann irrelevant, wenn sie einerseits lediglich punktuell zum Betrieb der technischen Funktion entstehen und genutzt und anschließend sofort gelöscht werden und wenn kein späterer Personenbezug möglich ist.

Autorin

Prof. Dr. Jutta Stender-Vorwachs

Jutta Stender-Vorwachs ist als außerplanmäßige Professorin an der Leibniz Universität Hannover tätig.
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