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Christa Weidner 11. Oktober 2016

Wenn Selbständige in die Zeitarbeit gedrängt werden

Für Matthias Z. (Name geändert) ist es bereits Realität. Er wurde vor die Entscheidung gestellt: Auftragsende oder Zeitarbeit. Die fehlende Rechtssicherheit sorgt für Verunsicherung bei den Auftraggebern. Sie drängen Selbständige in die Zeitarbeit. Es handelt sich hierbei um eine Geschichte, die tatsächlich so geschehen ist – vor wenigen Wochen in unserem Land.

So schnell wird Matthias diesen Freitag im August wohl nicht mehr vergessen. Er geht, wie so oft, zum Kunden. Diesen unterstützt er bereits seit drei Jahren, wie einige andere Kunden auch, im Bereich der Softwareentwicklung. Sein Auftrag endet in knapp drei Wochen. Es ist klar, dass die Zusammenarbeit weiterlaufen wird, da Matthias der einzige ist, der das erforderliche Wissen hat. Es handelt sich um einen produktions-relevanten Bereich.

Kurzfristig wird er zu einer Besprechung eingeladen. Während der Besprechung wird ihm eröffnet, dass sein Auftrag innerhalb einer Stunde endet, wenn er nicht bereit ist, den ihm vorgelegten Vertrag zur Arbeitnehmerüberlassung zu unterschreiben. Sofort. So wie ihm geht es allen anderen selbständigen IT-Beratern in diesem Unternehmen. Wer im Urlaub ist, wird per Telefon kontaktiert und muss sich vom Urlaub aus entscheiden. Die Geschäftsleitung hatte vor zwei Tagen beschlossen, dass man mit sofortiger Wirkung auf die Unterstützung selbständiger IT-Berater verzichtet.

Vollständiger Verzicht auf Selbständige

Matthias wird ein Zeitarbeitsvertrag bis Ende Dezember angeboten. Dabei ist das Bruttogehalt, das man ihm anbietet, etwa so hoch, wie sein durchschnittliches Monats-Honorar. Ein ungewöhnlich großzügiges Angebot, mit dem Matthias der Wechsel in die Zeitarbeit versüßt werden soll. Ihm wird keine Zeit gelassen, um sich dieses Angebot durch den Kopf gehen zu lassen. Jetzt unterschreiben oder die Zusammenarbeit endet mit sofortiger Wirkung. Damit hat er, genauso wenig wie alle anderen Selbständigen, gerechnet. Er wird überrumpelt und unterschreibt den Vertrag widerwillig. Was sollte er auch sonst tun? Schließlich handelt es sich um seinen Hauptkunden, mit dem er circa 80 Prozent seines Umsatzes erzielt.

Verursacht wird die Situation durch fehlende Rechtssicherheit beim Thema Scheinselbständigkeit.

Sofort fängt er an, sich auf die Suche nach einem neuen Auftrag zu machen und bewirbt sich auf diverse Projekte, auf die sein Profil passt. Doch alle Aufträge, die ihm angeboten werden, sind Arbeitnehmerüberlassungen. Ihm wird klar, dass er so schnell keinen passenden Auftrag als Selbständiger bekommt.

"Heute, vier Wochen später, stehe ich noch immer unter Schock", beschreibt Matthias seinen Zustand. Er fühlt sich in seiner Entscheidungsfreiheit beschnitten und sieht seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Das gewählte Vorgehen gleicht einer Erpressung. Der Auftraggeber hatte plötzlich die Gefahren möglicher Scheinselbständigkeiten realisiert. Zeitarbeit ist die einzige Antwort, die ihm und seinen Beratern dazu einfällt. Durchgesetzt in einer Art und Weise, die unakzeptabel ist.

Verursacht wird diese Situation durch die fehlende Rechtssicherheit beim Thema Scheinselbständigkeit. Danach trifft die Geschäftsleitung des Kunden die durchaus nachvollziehbare Entscheidung, die Zusammenarbeit mit den Selbständigen zu verändern. Bei der Umsetzung steht der Vermittler unter dem Zwang, dass die Selbständigen benötigt werden, jedoch auf einer rechtssicheren Basis. Wohl basierend auf der Vermutung, dass kein Selbständiger freiwillig in die Zeitarbeit wechselt, wählt man den Weg, der einer Erpressung gleicht.

Matthias beschreibt seinen Zustand als demotiviert und ist enttäuscht von dem Kunden. Er bemängelt, dass keine Einzelfallbetrachtung durchgeführt wurde. Er kritisiert auch, dass kein Versuch unternommen wurde, mögliche Argumente für Scheinselbständigkeit zu beseitigen.

Der Entscheidungsfreiheit beraubt

Die Tatsache, dass er jetzt angestellt ist, raubt ihm einen großen Teil seiner Entscheidungsfreiheit und hat auch Auswirkungen auf das Familienleben. Als Selbständiger konnte er einfach, wenn seine Frau beruflich unterwegs war, im Homeoffice arbeiten. Bisher konnte er selbst entscheiden, wie er seine verschiedenen Aufträge kombiniert und genoss das nach 14 Jahren Selbständigkeit. Hatte ein Kunde kurzfristig ein Problem, konnte er entscheiden, wie und wann er dieses löst. Heute hat er feste Arbeitszeiten, muss Urlaub nehmen, um flexibel zu sein. Und ist deshalb auch kaum in der Lage, andere kleine Aufträge anzunehmen. Er weiß nicht, wie er das mit seinem Arbeitsvertrag in Einklang bringen kann.

Der Vertrag enthält einen Passus, dass 25 Prozent des Bruttogehaltes jederzeit und ohne Begründung gestrichen werden kann. Matthias vermutet, dass dies spätestens im nächsten Jahr der Fall sein wird.

Als Angestellter ist Matthias nun sozialversicherungspflichtig und zahlt in die gesetzliche Rentenversicherung. Er sieht seine Lebensplanung durchkreuzt und weiß auch nicht, wie lange er die Doppelbelastung in Bezug auf seine Rente leisten kann. Schließlich hat er bereits eine eigene Vorsorgeplanung, die nun unerwartet und ungeplant durch die Zahlungen an die gesetzliche Rentenkasse ergänzt und belastet wird.

Anderen Selbständigen wird es genauso ergehen

Diese Entwicklung auf dem Markt der Selbständigen war vorhersehbar. Die Auftraggeber wollen beides: Rechtssicherheit und die Arbeitskraft bzw. das Know-how der Selbständigen. Das alles zu ihren Bedingungen. Als einzelnes Glied in der Kette werden die Selbständigen sich kaum wehren können, insbesondere bei der Überrumpelungs-Strategie, von der Matthias uns berichtet hat. Vergessen wird, dass der Selbständige eigene Vorstellungen davon hat, wie er seinen Lebensunterhalt verdienen möchte.

Lösungen für die fehlende Rechtssicherheit können nur gemeinsam gefunden und entwickelt werden. Viele Argumente lassen sich bereits beseitigen, indem Details der Zusammenarbeit verändert werden. Kunden und Auftraggeber geben sich einer Illusion hin, wenn Sie glauben, dass sie mithilfe vertraglicher Veränderungen das Problem lösen können.

Erste-Hilfe-Maßnahmen

Noch immer ist das Wissen um die Argumente für Scheinselbständigkeit im Alltag nicht angekommen. Noch immer gibt es viele Beteiligte, Auftraggeber genauso wie Selbständige, die nicht über die aktuelle Entscheidungspraxis der Deutschen Rentenversicherung informiert sind, sich in Sicherheit wiegen und dann überrascht werden. Wissen ist die Voraussetzung dafür, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können und die Weichen zu stellen.

Freelance IT bietet Auftraggebern und Selbständigen den kostenlosen Scheinselbständigkeit-Navigator an, mit dem die Aufträge daraufhin analysiert werden können, ob sie Argumente von Scheinselbständigkeit liefern [1]. Auf dieser Basis sollten Auftraggeber und Selbstständige gemeinsam darüber beraten, wie sie die Zusammenarbeit ändern können, um der Deutschen Rentenversicherung keine Angriffsflächen zu liefern.

Jedem Selbständigen ist zu raten, die finanziellen Reserven und Puffer aufzustocken, um unerwartete Auftragsausfälle, die drohen können, zu überstehen. Das, was Matthias passiert ist, kann jedem Selbständigen jederzeit passieren. Ist das der Fall, empfiehlt es sich – insbesondere wenn der Auftraggeber sich in einer gewissen Abhängigkeit befindet – die Verhandlung aufzunehmen. Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Vereinbaren Sie ein für Sie passendes Gehalt und die Flexibilität, die Sie benötigen. Lassen Sie sich nicht an die Kette legen. Im Zweifelsfalle sollten Sie einen Rechtsanwalt oder einen Verhandlungsvertreter einschalten, damit die Verhandlungen und dabei entstehende mögliche Emotionen nicht die Zusammenarbeit belasten.

Die Selbständigen sollten sich nicht in die Opferrolle drängen lassen.

Insbesondere sollte sich kein Selbständiger mehr auf einen einzelnen Auftraggeber einlassen. Verteilen Sie Ihr Risiko. Dass beide Aufträge gleichzeitig ausfallen, ist weniger wahrscheinlich. Sie sollten außerdem vermeiden, an dem Statusfeststellungsverfahren der Deutschen Rentenversicherung teilzunehmen. Mittlerweile raten alle Rechtsanwälte davon ab. Lässt sich das nicht vermeiden, dann empfiehlt es sich, unbedingt einen spezialisierten Anwalt hinzuzuziehen.

Die Selbständigen sollten sich nicht in die Opferrolle drängen lassen. Sie und ich, wir wissen, wie wichtig die Selbständigen für die deutsche Wirtschaft sind. Dieses Plus sollten wir uns nicht aus der Hand nehmen lassen.

Autor

Christa Weidner

Christa Weidner ist seit 1989 in unterschiedlichen Rollen und Positionen in der IT tätig. Das Ziel ihrer Arbeit ist es, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter mit einer neuen Software arbeiten können.
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