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Dieter Rösner 05. Juli 2016

Die vier "Spielfelder" der Teamkommunikation

"Am Anfang war das Wort" – oder besser gesagt die Kommunikation. Die Geschichte ist voll von bedeutenden "Meetings" oder "Workshops". Ob die Things der alten Germanen, die Dialoge und Diskurse der Griechen, das heilige Abendmahl im Christentum oder die Dreimächte-Konferenz in Potsdam 1945 – überall wurden Informationen und Argumente ausgetauscht, Lösungen gesucht und wesentliche Entscheidungen getroffen. Kollektive Kommunikation ist somit das zentrale Element sozialer Systeme und ihrer Selbstorganisation. Obwohl die Bedeutung von Kommunikation hinlänglich bekannt ist, verleiht das Phänomen "Agilität" als aktuelles Thema in Unternehmen und Organisationen, dem Thema Kommunikation – vor allem in strukturierter Form, sprich Meetings und Workshops – eine neue Bedeutung und Dynamik.

Agile Teams organisieren ihre Strukturen, Produktivität und Performance über und mittels Kommunikation. Für die Führung agiler Teams, ob disziplinarisch oder lateral, gehört das Wahrnehmen, Initiieren und Gestalten von fachlichem, organisatorischem, aber auch sozialem Austausch zu den zentralen Aufgaben. Da Rollen wie Scrum Master, Product Owner, Teamleiter etc. selbst Teil der Teamkommunikation sind, bewegen sie sich permanent in einem Spannungsfeld von "drinnen und draußen". Teamkommunikation findet jeweils auf zwei Ebenen statt: Zum einen auf der sachlich-inhaltlichen und zum anderen auf der emotional-sozialen Ebene. Beide Ebenen können unabhängig voneinander betrachtet werden, sie wirken jedoch in der Praxis permanent aufeinander ein. Es zeigt sich in den Teamprozessen, dass im Alltag situativ unterschiedliche Schwerpunkte zu erkennen sind, wie und worüber kommuniziert wird. Diese Schwerpunkte bezeichne ich als "vier Spielfelder" der Kommunikation. Diese Spielfelder haben hohen Einfluss auf Produktivität, Klima, Performance eines Teams, und können durchaus unterschiedlich gut oder schlecht "funktionieren". Folgendes Modell kann für Teamentwickler eine Folie zur Analyse und Intervention, bezogen auf die komplexe Teamkommunikation, sein.

Im Folgenden beschreibe ich kurz die spezifischen Kommunikationsprozesse je Feld und schlage anschließend analytische Fragen zur Einschätzung der Kommunikationsdynamik vor. Die jeweiligen Antworten auf diese Fragen geben für den Beobachter einen Einblick, wie funktional oder dysfunktional die Kommunikation im Team gehandhabt wird. Kann die Kommunikation in allen vier Feldern gut balanciert gehandhabt werden, spricht das für hohe Performance. Dominieren ein oder zwei Spielfeder überproportional, kann man von Problemen im Team und seiner Produktivität ausgehen.

Spielfeld Fach-/Sachinformation

(Sach-/Fachebene hoch – Emotionsebene niedrig)

Im Mittelpunkt von selbstorganisierter Teamarbeit in Unternehmen steht naturgemäß das Feld Sach- und Fachinformation (worunter ich Organisation wie z. B. Plannings, Dailys etc. verstehe) im Sinne von Austausch, Absprachen, gegenseitigem Lernen. Kommunikation in diesem Feld entscheidet wesentlich über die Performance des Teams. Probleme können dann entstehen, wenn es im Team Wissensmonopole gibt, wenn nicht genügend Zeit für den Austausch zur Verfügung steht oder sich genommen wird, unklare Botschaften gesendet werden, z. B. zu viel Mail statt direkter Austausch, etc. Zuviel Sache und zu wenig Emotionalität kann jedoch auch die Kommunikation und Produktivität negativ beeinflussen.

Entwicklungsfragen zu diesem Feld sind:

  • Wie wird mit Bring- und Holschuld von wichtigen Infos umgegangen?
  • Wie sind die fachlichen Informationen im Team verteilt?
  • Ist der Informationsfluss geregelt und gut strukturiert (z. B. Daily Scrum)?
  • Wie wird über die Strukturen, Prozesse und Artefakte, z. B. von Scrum, gesprochen?
  • Wird in Sachfragen eher die Debatte oder der Dialog gepflegt?
  • Bleibt der Austausch sachlich oder dominiert schnell Emotionalität?
  • Sprechen alle "dieselbe Sprache"?
  • Wie wird mit Feedback und Fehlerrückmeldung umgegangen?
  • Wie sind die Zugänge zu sachlichen Informationen für jeden gestaltet?
  • Wie funktioniert fachliche Kommunikation horizontal und vertikal?
  • Wird Lernunterstützung angeboten?
  • Werden visuelle Kommunikationsmittel angemessen eingesetzt?
  • Wie viel Geduld haben besondere Wissensträger mit anderen Teammitgliedern?

Spielfeld Auseinandersetzung

(Emotionsebene hoch, Sach- und Fachebene niedrig)

Das Feld ist gekennzeichnet von hoher, z. T. unkontrollierter Emotionalität. Es steht für in der Regel ungelöste, eskalierende Konflikte und deren Dominanz über die sachliche Kommunikation. Die eigentliche Arbeit wird partiell aus den Augen verloren. Es kommt zu Koalitionen die intensiv miteinander kommunizieren und dem sozialen und kommunikativen Ausschluss von einzelnen oder Teilgruppen.

Entwicklungsfragen zu diesem Feld:

  • Wie aggressiv, eskaliert ist die emotionale Kommunikation untereinander?
  • Wer kommuniziert wie, mit wem und worüber im Beziehungsbereich?
  • Gibt es kritische Kommunikationskoalitionen?
  • Wie wird mit starker Emotionalität umgegangen?
  • Wird offen über Unterscheide gesprochen oder dominiert Harmonisierung?
  • Werden einzelne Teammitglieder geschnitten, ausgeschlossen?
  • Spielen Schuldzuweisungen, z. B. bei Fehlern eine Rolle?
  • Wie wirkt sich Kritik und kritisches Feedback aus?
  • Werden konstruktive Lösungen angestrebt?
  • Wie stark ist die Leistung des Teams durch Konfliktgespräche betroffen, eingeschränkt?
  • Gibt es im Team "positive" und/oder "negative" Kommunikationstreiber?
  • Wie hoch ist die Gesprächsbereitschaft untereinander noch?
  • Wird eher das Trennende oder das Gemeinsame betont?
  • Welchen Anteil an der Kommunikation haben persönliche Befindlichkeiten?
  • Wird nur angegriffen oder werden auch gemeinsame Lösungen gesucht?
  • Gehen konflikthafte Kommunikationssequenzen schnell vorbei oder bleiben sie latent?

Spielfeld Small Talk

(Sowohl Sach-/Inhaltsebene als auch Emotionsebene eher niedrig)

Das Feld definiert die entspannte, beziehungsorientierte Kommunikation im Team. Hier wird über Privates und Alltägliches gesprochen und soziales Miteinander gepflegt. Small Talk ist wichtig für den Abbau von Stress und das persönliche Kennenlernen auf einer nicht leistungsbezogenen Ebene. Probleme können hier eigentlich kaum auftreten, höchstens, wenn zu viel Small Talk praktiziert wird. Small Talk ist für den Beziehungsaufbau im Team enorm wichtig (Kennenlernen, Verständnis füreinander) fördert den Teamgeist und bietet Entspannungsphasen. Es kann jedoch auch die Leistungserbringung verlangsamen oder stören.

Entwicklungsfragen zu diesem Feld sind:

  • Ist genügend Zeit für diese Art der Kommunikation?
  • Fördere oder behindere ich als Führung Small Talk?
  • Gibt unsere Unternehmenskultur dafür Räume, dürfen wir das?
  • Sind möglichst alle angemessen eingebunden?
  • Kommunizieren wir angemessen offen und ehrlich?
  • Gibt es im Small Talk Themenvielfalt?
  • Hat auch Privates seinen angemessenen Raum?
  • Werden auch fachliche Fragen erörtert (Open Space)?
  • Gibt es auch außerhalb des Unternehmens Räume für das zwischenmenschliche Gespräch und Aktionen?

Spielfeld Dialog und Kreativität

(Sach-/Fachebene und Emotionsebene hoch)

Hier kommuniziert das Team im kooperativen Dialog und bearbeitet gemeinsam vor allem komplexe fachliche Probleme und innovative Themen, die ein hohes Maß an Kreativität und agilem Denken zulassen. Hier zeigen sich spielerische Momente, Bereitschaft, um die Ecke zu denken und alle Ideen erst mal zuzulassen. Die Sache steht im Vordergrund, ohne motivierende Emotionen außen vor zu lassen. In diesem Feld entsteht häufig ein kreativer Flow in der Produktivität das Teams. Alle Meeting- und Workshopformate sollten Phasen ermöglichen, in den Teams in diesem Feld "spielen" können. Probleme können hier mangelnde Dialogbereitschaft, "Kopfmonopole", schlampige Meetings, zu wenig Beteiligung, fehlende Kommunikationsmethoden u. a. sein.

Entwicklungsfragen zu diesem Feld sind u. a.:

  • Sind alle im Team dialogfähig?
  • Wie leben wir tatsächlich unsere Meetingkultur als Kommunikationsform?
  • Haben wir Zeit für kreative Prozesse im intensiven Austausch?
  • Wird Heterogenität, Unterschiedlichkeit geschätzt und zugelassen?
  • Sind Meetingregeln und Strukturen vorhanden und werden effektiv genutzt?
  • Haben wir wirkungsvolle Methoden und Techniken, auch kreative?
  • Sind alle mit vollem Engagement und Herzblut dabei?
  • Wird anerkennendes Feedback gegeben?
  • Werden Unterschiede als Chance gesehen und positiv bewertet?
  • Haben wir Spaß und Freude an gemeinsamer, kreativer Problemlösung?
  • Wie treffen wir im Team Entscheidungen und wie ist deren Akzeptanz?
  • Wird gezielt etwas für den Teamgeist getan?
  • Werden Ergebnisse und Maßnahmen committet und umgesetzt?

Interventionsmöglichkeiten zur positiven Gestaltung und bei Problemen in den Spielfeldern der Teamkommunikation

Je nachdem, wie aus der Führungswahrnehmung die Lage eingeschätzt wird, ergeben sich
aus den jeweiligen Aktionsfeldern unterschiedliche Möglichkeiten zu intervenieren.

  • Kommunikationsstörungen in (allen) Meetings schnell ansprechen und klären
  • Kommunikationsprozesse gezielt in Retrospektiven thematisieren
  • Kurze Trainingssequenzen zum Thema Kommunikation anbieten
  • Dialogorientierte Kommunikationsregeln gemeinsam im Team vereinbaren
  • Regelmäßige Feedbackrunden "unsere Kommunikationspraxis" durchführen
  • Wechselnde "Dialogwächter" benennen
  • Gezielt Kommunikationsübungen für Erkenntnisgewinn und Reflexion einsetzen
  • Komplexere Teamentwicklungsworkshops anbieten
  • Im Konfliktfall externe Mediation einsetzen
  • Eigene Anteile an den Kommunikationsprozessen reflektieren
  • Gezielte Einzelgespräche mit konstruktivem Feedback führen

Autor

Dieter Rösner

Dieter Rösner ist freiberuflicher Berater, Trainer und Business Coach sowie Partner der VECTIS Consulting GmbH Nürnberg.
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