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Albrecht Günther & Alessia Leischik 19. April 2016

Teamerfolg durch eine gelebte Feedbackkultur

Spätestens mit Beginn dieses Jahrhundert sind mehr und mehr Lebensbereiche geprägt durch hohe Volatilität und stetige Veränderung. Dies stellt nicht nur uns als soziale Individuen vor neue Herausforderungen. Besonders Unternehmen müssen sich mehr denn je mit neuen Märkten, Wettbewerbern und Kundenanforderungen auseinandersetzen.

Erfolge erzielen Unternehmen daher in hochdynamischen Märkten kaum noch mit sorgfältig durchdachten Strategien und detaillierten Prozessbeschreibungen. Als Höchstleister zeichnen sich vielmehr jene Unternehmen aus, die die Fähigkeit besitzen, sich den ständig neuen Anforderungen des Marktes anzupassen und wandelbar sind [1]. Den Ursprung organisatorischen Wandels finden wir in individuellen und kollektiven Veränderungen, die durch Lernen angestoßen werden [2].

Feedback liefert uns einen hilfreichen Schlüssel für kontinuierliches Lernen. Es bedeutet, anderen eine Rückmeldung über meine Beobachtungen und Interpretationen zu geben, um ihnen eine Erkenntnis zu ermöglichen. Ich teile meinem Gegenüber mit, wie ich ihn oder sie sehe – oder ich erhalte Feedback von meiner Umwelt. Feedback besteht daher aus zwei Komponenten, nämlich dem Feedback-Geben und dem Feedback-Nehmen.

Feedback – kein Hexenwerk

Warum wissen wir so viel über Feedback und praktizieren es doch so wenig? Wahrscheinlich, weil es sich bei dieser Form der Rückmeldung um einen sensiblen Bereich der Kommunikation handelt. Denn Rückmeldungen beziehen sich nicht nur auf positive und erfolgreiche Verhaltensweisen. Es kann auch negative oder störende Verhaltensweisen adressieren. Für viele ist es weder leicht noch angenehm, Feedback zu geben oder zu nehmen. Da niemand gern in seinem Selbstbild korrigiert oder mit unangenehmen Wahrheiten konfrontiert wird, ist die Vermeidung von Feedback naheliegend. Man scheut den Konflikt, der sich ergeben könnte, wenn man seinem Gegenüber Ansichten mitteilt, die dieser nicht hören möchte.

Aber auch den Konflikt mit sich selbst, der entsteht, wenn andere uns mit Verhaltensweisen konfrontieren, deren Existenz wir lieber verleugnen. Der ehrliche und offene Umgang mit Gefühlen, der im wirksamen Feedback erforderlich ist, kann schmerzlich und peinlich sein, Abwehr und Ärgernis auslösen. Zu selten trauen wir uns und unserem Gegenüber den professionellen Umgang mit unseren Aussagen zu. Und verkennen, welch positive Folgen der ehrliche und offene Austausch untereinander haben kann.

Maßgeblich für die Bereitschaft, Rückmeldungen offen zu empfangen ist das Vertrauenslevel zwischen den beiden Beteiligten sowie das Bewusstsein, sich selbst für "ok" zu halten und eventuell kritische Hinweise nicht persönlich zu nehmen.

Die Motivation für Feedback

Konstruktives Feedback kann uns auf unbewusste Verhaltensweisen aufmerksam machen und damit Hilfe und Unterstützung bieten, um neue Verhaltensweisen kennenzulernen und ist somit eine hervorragende Möglichkeit, miteinander zu lernen. Durch die Spiegelung der Wirkung, Folgen und Konsequenzen des eigenen Handelns können wir unser Selbstbild mit jenem abgleichen, das andere von uns haben. Ein hilfreicher Schritt, um Verhaltensweisen zu reflektieren, zu korrigieren und zu verändern.

Jenseits der individuellen Ebene kann Feedback eine Gruppe deutlich voran bringen. Der regelmäßige Austausch im Team ermöglicht es, nutzlose oder schädliche Verhaltensweisen zeitnah anzupassen, um bessere Ergebnis zu erzielen. Wenn alle Gruppenmitglieder zunehmend bereit sind, sich gegenseitig solche Rückmeldungen zu geben, wachsen nicht nur die Möglichkeiten des voneinander Lernens. Auch das gegenseitige Vertrauen wächst in erheblichem Maße.

Was ich Dir sage, sagt etwas über mich.

Jeder Feedbackgeber sagt mit seiner Botschaft gleichzeitig viel über sich selbst aus. Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle werden offenbart, wodurch Verständnis und Erkenntnis für und untereinander wachsen kann.

Die Artenvielfalt des Feedbacks

Jedes Feedback ist anders in Form und Inhalt, abhängig von der Situation und den Akteuren. Daher gibt es nicht die eine beste Art und Weise, Feedback zu geben. Vielmehr ist es von Vorteil, unterschiedliche Feedbackmethoden und -tools zu kennen und jene auszuwählen, die zur individuellen Feedbacksituation passt. Ein paar Methoden und Tools haben wir hier aufgezählt:

  • Spontanes Ad-hoc-Feedback
  • Mitarbeitergespräche
  • Retrospektiven, z. B. bei Scrum [3]
  • Reviews, z. B. Code-Reviews [4]
  • Kudos, Kudo-Box [5]
  • Indirektes Feedback
  • Noten, Ranglisten
  • Applaus, Blumen
  • Anonymes Feedback
  • Körpersprache
  • 360°-Feedback [6]
  • Umfragen
  • NPS [7]
  • 1:1 [8]

Damit Feedback gelingt – hilfreiche Tipps

Feedbacksituationen sind sowohl für den Feedbackgeber als auch -nehmer eine Herausforderung. Das Gelingen eines Feedbackgesprächs hängt maßgeblich von ein paar  Regeln ab, die man beachten sollte, damit persönliche Verletzung, Konflikte und Abwehrhaltung vermieden werden können. Was können wir beachten, damit Geben und Nehmen von Feedback gelingt?

Das Wort "Feedback" wird im deutschen Sprachraum häufig mit ausschließlich kritischen Wertungen assoziiert. Der Satz "Kann ich Dir Feedback geben?" löst somit oft eine plötzliche Blockade aus. Alternative Formulierungen sind: "Ich möchte Dir eine Beobachtung mitteilen" oder "Ich wünsche mir von Dir...". Letztere hat den Vorteil, dass das Feedback nicht als allgemeingültiges Urteil, sondern als subjektives Bedürfnis geäußert wird – und somit die Chancen auf Annahme deutlich höher sind [9].

Feedback geben

  • Mach ein Angebot
    Dein Gegenüber wird deutlich bereiter sein, Deine Rückmeldung aufzunehmen, wenn Du es als Angebot formulierst. Versichere Dich, dass Dein Gegenüber Dein Feedback überhaupt möchte. Somit stellst Du sicher, dass er/sie offen dafür ist. Gleichzeitig bereitest Du ihn darauf vor und gibst die Möglichkeit, seine Aufmerksamkeit auf Dich zu lenken.
  • Ort & Zeit: Schaffe einen Moment der Ruhe
    Mal eben auf dem Gang im Vorübergehen ist keine gute Idee, eine Anregung bei einem Kollegen anzubringen. Ein kurzer Moment des Innehaltens an einem Ort der Ruhe hilft sehr. Sollte das Feedback länger sein, könnte ein kurzer gemeinsamer Spaziergang oder ein Mittagessen eine gute Idee sein.
  • Gehe auf das Verhalten einer Person ein, nicht auf die Persönlichkeit
    Anstatt ein pauschales Urteil wie "Ich finde Dich stur" oder eine Unterstellung wie "Du hast doch eh nie Zeit" zu äußern, ist es besser, konkrete Verhaltensweisen anzusprechen und nicht vermutete Unzulänglichkeiten in der Persönlichkeit, auf die dein Gegenüber keinen Einfluss nehmen kann.
  • Spreche in ICH-Botschaften
    Schildere Deinem Gegenüber klar und deutlich wie DU die Situation und sein Verhalten wahrnimmst. Feedback besteht aus Deinen Beobachtungen.
  • Lege Auswirkungen und Handlungsalternativen offen
    Mache Dein Gegenüber auf die Auswirkungen seines Verhaltens aufmerksam und schlage ggf. sogar Verhaltensalternativen vor. Wenn er versteht, was sein Verhalten bei Dir auslöst und was Du Dir anstelle dessen von ihm wünschst, ist es einfacher Dein Feedback anzunehmen.
  • Körpersprache
    Gestik und Mimik machen 55% der Kommunikation aus, 26% entfallen auf die Stimme und nur 19% auf den fachlichen Inhalt. Wenn unsere Kommunikation zu 80% aus Körpersprache besteht, sollten wir uns dieser beim Feedbackgeben sehr bewusst sein.
  • Einladung zur Diskussion
    Feedback ist keine Einbahnstraße, sondern öffnet Raum zur Diskussion und Reaktion. Lasse Dein Gegenüber auf Dein Feedback reagieren und öffne den Raum für Rückmeldung in Deine Richtung.

Feedback annehmen

  • Bitte um Feedback
    Feedback ist dann am wirksamsten, wenn Du als Empfänger darum bittest. Dann kann der Feedbackgeber offen und ehrlich sein, weil er weiß, dass seine Rückmeldung von Dir gehört werden will.
  • Höre zu
    Lass Dein Gegenüber aussprechen und seine Beobachtungen schildern. Höre dabei gut zu, um wirklich zu verstehen, was er dir sagen möchte.
  • Verteidige dich nicht
    Mach Dir klar, dass der andere nie beschreiben kann, wie du bist, sondern immer nur, wie Du auf ihn wirkst und er Dich wahrnimmt. Diese Wahrnehmung ist durch keine Klarstellung revidierbar. Nimm die Meinung des anderen hin und falls Du magst, lerne daraus. Es ist lediglich wichtig zu verstehen, was der andere meint, man sollte sich also nicht scheuen, Verständnisfragen zu stellen.
  • Frage nach oder paraphrasiere
    Nachfragen oder paraphrasieren hilft Dir sicherzustellen, dass du deinen Feedbackgeber richtig verstehst. Daher zögere nicht zu fragen: "Verstehe ich Dich richtig, dass...?" oder "Meinst Du damit, dass...?"
  • Bedanke Dich
    Auch wenn das Feedback in Inhalt oder Form vielleicht nicht so gegeben wurde, wie Du es Dir gewünscht hättest: Feedback hilft, sich selbst und die Wirkung auf andere kennenzulernen und dadurch sicherer und kompetenter zu werden. Nimm es dankbar an.

Die Wunderwirkung positiven Feedbacks

Unser Gehirn reagiert auf negative Signale heftiger als auf positive. Was in grauer Vorzeit als Anzeichen für mögliche Bedrohungen überlebensnotwendig war, kann uns heutzutage in unserer Handlungsfreiheit und Schaffenskraft deutlich schwächen. Wenn wir uns jedoch auf unsere Erfolge und guten Momente konzentrieren, können wir nicht nur glücklicher werden, sondern auch mehr zustande bringen.

Dazu gibt es seit ca. anderthalb Jahrzehnten einen eigenen Forschungszweig – die positive Psychologie. Man hat herausgefunden, dass Teams umso leistungsfähiger werden, wenn sie auf ihre Stärken anstatt auf Defizite zu schauen. Der Tipping Point liegt hier bei 6:1. Das bedeutet, dass Teams, die sechs Mal häufiger mit positiven Erfahrungen und positivem Feedback konfrontiert werden, ihre Leistungsfähigkeit immens steigern können.

David Rock [10] hat herausgefunden, dass die Beachtung bestimmter individueller Werte die Annahme von Feedback fördern. Beachtet der Feedbackgeber folgende Werte beim Feedbackgeben, kann er das Gelingen eines Feedbackgesprächs maßgeblich beeinflussen.

  • Status
  • Cretainty (Sicherheit, Gewissheit)
  • Autonomy (Selbstbestimmtheit)
  • Relatedness (Verbundenheit)
  • Fairness (Gerechtigkeit)

Ein Übergewicht auf positives Feedback, z. B. durch die Fokussierung auf Ressourcen, stärkt die Akzeptanz von Feedback und die Lernbereitschaft.

Jedoch Vorsicht: Wenn ein positives Feedback als Lob geäußert wird, kann der Schuss auch nach hinten losgehen. Sätze wie "Das hast du aber toll gemacht!" beinhalten eine versteckte Überordnung des Feedbackgebers über den Feedbacknehmer und können arrogant und jovial wirken.

Unser Fazit

... ist einfach: Übe Dich im Feedbackgeben und -nehmen! Eine offene und gelebte Feedbackkultur hat einen enormen Mehrwert. Wir lernen kontinuierlich dazu. Wir reflektieren unser Verhalten, unsere Entscheidungen und Blickwinkel, können diese anpassen und korrigieren. Wir lernen den offenen und ehrlichen Umgang mit unseren Mitmenschen und Kollegen, scheuen uns nicht vor Kritik sondern wachsen daran. Wir steigern unsere Leistungsfähigkeit als Team durch Vertrauen und den Fokus auf positives Feedback. Was wir dadurch schaffen, ist die Fähigkeit, zu lernen, sich anzupassen, wandelbar und flexibel zu sein. Und es sind genau diese Eigenschaften, die wir als Menschen und Organisationen in einer so dynamischen und komplexen Welt brauchen, um Höchstleistung erzielen zu können!

Quellen
  1. Institut für dynamikrobuste Höchstleistung (IdH) – Wohland, G.: Denkzettel 1-29 Abbildungen und Erläuterungen dynamikrobuster Höchstleister
  2. Senge, P. M., 2011: Die fünfte Disziplin-Kunst und Praxis der Lernenden Organisation. Stuttgart: Schäffel-Poeschel Verlag
  3. Wikipedia: Sprint Retrospektive
  4. Wikipedia: Code review
  5. Management 3.0: Kudo Box & Kudo Cards: How to nurture intrinsic motivation
  6. Wikipedia: 360°-Feedback
  7. Wikipedia: Net Promoter Score
  8. Rands in Repose: A distinct lack of drama – The Update, The Vent, and The Disaster
  9. Rosenberg, Marshall B., 2009: Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens. Junfermann, Paderborn
  10. Rock, David, 2012: Brain at Work: Intelligenter arbeiten, mehr erreichen, Campus Verlag

Autoren

Albrecht Günther

Albrecht Günther ist Geschäftsführer bei der Mayflower GmbH. In der 'old economy' aufgewachsen, ist für ihn das agile Mindset vor allem eine Herausforderung zur steten Auseinandersetzung mit klassischen Denkmustern und eigenen…
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Alessia Leischik

Als Personal- und Organisationsentwicklerin beschäftigt sich Alessia Leischik mit der zukunftsfähigen Gestaltung von Organisationen und Arbeitswelten in einem komplexen Umfeld.
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