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Anke Röber 24. Januar 2023

Mach es möglich! Mentalstrategie im Projektmanagement

Ist es wirklich so, dass Spitzenleistung nur über harte Arbeit erreicht werden kann? Mit diesem Mythos räumt der Artikel auf und liefert konkrete Anregung, wie im Projekt mehr und gezielter die Ergebnisse erreicht werden können, ohne dabei sich oder das Projektteam auszulaugen. Durch Mentaltraining, das sind Bewegungsübungen der besonderen Art, kann das Gehirn gezielt aktiviert und das Gehirnpotenzial verbessert werden. Und durch Mentalstrategie, also den strategischen Aufbau von mentaler Stärke, können neue Lösungswege gefunden werden.

Geht es in Projekten nur darum, die Kund:innen zufrieden zu stellen, Meilensteine zu erreichen und den Gewinn zu optimieren, dann wirkt sich das womöglich negativ auf die Gesundheit und die Motivation des Teams aus. Passen wir nicht auf, dann arbeitet das Projektteam eventuell über seine Kraft und Ausdauer. Die Leistungsfähigkeit und Motivation kann dann phasenweise sinken und spätestens zum Projektende wäre beides "im Keller". Doch nach dem Projekt ist vor dem Projekt! Eine hohe Anzahl von Krankheitstagen, vermehrter Wechsel von Mitarbeiter:innen oder verminderte Einsatzfreude und -bereitschaft sind Symptome dafür.

Wie können wir also Ergebnisse im Projekt fördern und das Projektteam motivieren? Wie können wir Ideen und Innovationen umsetzen, um das Projekt strategisch auszurichten und es trotz Zeitdrucks und hoher Kundenanforderungen auf der Zielgerade zu halten? Oder braucht es regelmäßige Team-Events wie Drachenbootfahren, gemeinsam in eine Höhle steigen oder eine Übernachtung im Iglu, um zusätzlich einen nachhaltigen Schritt in Richtung Teamzusammenhalt und Motivation zu erreichen?

Zugegeben, der Einsatz von Mentalstrategie und -training in Unternehmen und im Projektmanagement ist ein recht neuer Ansatz. Einige Firmen im Silicon Valley setzen das bereits erfolgreich ein. Durch die Anwendung von Mentalstrategie sind auch Sie, liebe:r Leser:in, gut aufgestellt für das neue Jahr und vor allem für neue Herausforderungen. Doch wie geht das konkret? Und wie können wir das im Projektalltag umsetzen?

Dazu gibt es hier drei umsetzbare Lösungsansätze:

Erster Lösungsansatz: Mentaltraining

Das Gehirn wird oft als ein "Haufen grauer Zellen" abgetan. Dabei versteckt sich hier ein unendliches Potenzial, welches aufgeweckt, trainiert und abgerufen werden kann. Die Neurowissenschaft hat inzwischen nachgewiesen, dass sich unser Gehirn stetig und ständig erneuern kann. Es gibt dafür keine Altersgrenze! Allerdings sollten wir unser Gehirn bewusst trainieren, zum Beispiel mit Mentaltraining.

Mentaltraining ist nicht zu verwechseln mit Gehirnjogging. Zu letzterem zählt zum Beispiel Kreuzworträtseln oder eine fremde Sprache sprechen. Hier wird vorhandenes Wissen immer wieder abgefragt.

Das Ziel beim Mentaltraining ist, zusätzliche und neue neuronale Verknüpfungen zu erzeugen. Dazu werden neue Koordinationsübungen und Bewegungsmuster gemacht. Da das Gehirn diese Übungen und Muster noch nicht kennt, muss es neue Wege finden, sich neu strukturieren. Dadurch entstehen zusätzliche neuronale Verknüpfungen. Das Gehirn versucht die Übungen und Muster zu lösen, indem neue Denkwege ausprobiert werden. Dadurch kann die "lange Leitung" durch schnelle Denkprozesse ersetzt werden.

Machen die Übungen und Muster Spaß, dann werden zusätzlich Neurotransmitter wie Dopamin, Serotonin oder Oxytocin ausgeschüttet. Und das fühlt sich nach Glück an, das "Belohnungszentrum" des Gehirns wird befriedigt und die Arbeit fällt leichter. Den Zustand des Glücks wollen wir dann möglichst wieder und wieder erreichen. So werden wir bereit, Höchstleistung zu erbringen.

Aus den vielen Übungen des Mentaltrainings möchte ich hier zwei vorstellen:

  • Im Raum eine gedachte liegende Acht laufen und dabei immer aus dem gleichen Fenster schauen. Der Körper bewegt sich ungewohnt, weil wir die liegende Acht nur laufen können, indem wir rückwärts und seitwärts gehen. Die Augen sehen durch das Fenster unterschiedliche Bilder. Beides wird im Gehirn verarbeitet und so entstehen zusätzliche neuronale Verbindungen. Diese Übung kann gesteigert werden, indem jemand von außen Aufgaben des kleinen Einmaleins zuruft. Das Gehirn muss also zusätzlich auch noch Rechenleistung erbringen.
  • Das Gehirn können wir durch die folgenden Sätze herausfordern: Afugrnud enier Sduite an enier Elingshcen Unvirestiät ist es eagl, in wlehcer Rienhnelfoge die Bcuhtsbaen in eniem Wrot sethen, das eniizg wcihitge dbaei ist, dsas der estre und lzete Bcuhtsbae am rcihgiten Paltz snid. Der Rset knan ttolaer Bölsdinn sien und du knasnt es torztedm onhe Porbelme lseen. Das ghet dseahlb, wiel wir nchit Bcuhtsbae für Bcuhtsbae enizlen lseen, snodren Wröetr als Gnaezs. Anfangs erscheinen diese Sätze uns zu überfordern. Doch nach einer kurzen Zeit sind sie problemlos lesbar. Das Gehirn hat neue Wege gefunden und wir als Mensch freuen uns über unsere neu entdeckte Fähigkeit.

Durch Mentaltraining kann die Gehirnleistung gesteigert werden. Hierzu werden motorische und visuelle Übungen gemacht, die die beiden Gehirnhälften synchronisieren. Das heißt, dass beide Seiten des Gehirns gefordert werden und somit in den Gleichtakt kommen und synchron schwingen. Das erzeugt positive Botenstoffe wie Dopamin. Wir erreichen dadurch einen optimierten und gesünderen "Denkmuskel".

Durch Mentaltraining werden neue Denkmuster erzeugt, die wir auch bei der Lösungsfindung im Projekt gut gebrauchen können.

Zweiter Lösungsansatz: Intrinsische Motivation wecken

Um Krankheitstage zu reduzieren, Fachkräfte an das Unternehmen zu binden und Low-Performance zu vermeiden, ist es gut, die intrinsische Motivation der Mitarbeiter:innen zu aktivieren. Intrinsisch motiviert zu sein, heißt, dass der persönliche Antrieb von innen heraus entsteht. Die Aufgaben werden aus Leidenschaft ausgeführt, weil es Freude macht oder weil es sinngebend ist. Es gibt Studien, die zeigen, dass eine extrinsische Motivation, also einen Anreiz von außen gebend – etwa ein hohes Gehalt oder Provisionen – eher den gegenteiligen Effekt hat. Extrinsische Motivation führt sogar eher zu Unzufriedenheit, weil durch äußere Reize Handlungen oder Vorgehensweisen belohnt werden, die die Mitarbeiter:innen so nicht getan hätten.

Welche Möglichkeiten bietet nun die Mentalstrategie, um das Projektteam intrinsisch, durch inneren Antrieb, zu motivieren?

Auch hier möchte ich auf zwei Möglichkeiten detaillierter eingehen:

  • Gute Projektmanager haben mit ihrem Team eine Projektvision erarbeitet. Diese trägt das Projektteam durch stressige Zeiten – meint man im Allgemeinen. Oft ist das auch so. Meist wurde die Projektvision jedoch durch logisches Denken, also rein im Tagesbewusstsein und mit der linken Gehirnhälfte erarbeitet.
    Doch wollen wir wirklich herausfinden, welche Bedürfnisse und Ziele der:die Projektmitarbeiter:in über die Projektvision hinaus hat, so müssen wir das Unterbewusstsein aktivieren und ansprechen. Es braucht also einen zusätzlichen "Wow-Effekt", um intrinsisch motiviert zu sein und die eigenen Ziele zu erreichen. Dieser "Wow-Effekt" ist individuell und persönlich und eben nicht teamübergreifend.
  • Und wie sieht es mit den Werten der Zusammenarbeit aus? Meiner Erfahrung nach sind typische Werte im Projektmanagement Respekt, Wertschätzung und Offenheit. Doch was heißt Offenheit genau? Was bedeutet es für jede:n einzelne:n aus dem Team? Sind die Werte als Leitprinzipien im Team geklärt, definiert und anerkannt, dann helfen sie, uns angemessen zu verhalten, uns zu reflektieren und persönlich zu wachsen. Hier folgt das Handeln dann dem Denken.

Ist die persönliche Vision, der "Wow-Effekt", gefunden und sind die Werte geklärt, kann dies ein Booster für die intrinsische Motivation und Teamarbeit sein. Probleme, Herausforderungen und Aufgaben können schneller oder kreativer gelöst werden.

Wir haben die kristallklare Absicht, etwas zu erreichen und innere Kräfte werden mobilisiert.

Dritter Lösungsansatz: Das Growth Mindset fördern

Denkmuster wie "Das kann ich nicht", "Das ist zu kompliziert für mich" oder übernommene Glaubenssätze wie "Schuster bleib bei Deinen Leisten" oder "Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm" kennen wir alle. Denkmuster sind einfach da. Oft hinterfragen wir sie nicht. Hier schlummert Potenzial. Ein Verharren bei diesen Denkmustern oder Glaubenssätzen begrenzt uns – wir bearbeiten die gleichen "Leisten" seit Jahren oder denken, da wo wir angekommen sind (wo der Apfel liegt), kommen wir eh nicht weg. Können wir diese Grenzen sanft überwinden, über unseren Horizont schauen, schaffen wir es, über unsere eigenen Fähigkeiten hinaus zu wachsen und mit Scheitern anders umgehen. Ein Scheitern empfinden wir dann nicht als schlimm, schlecht oder peinlich, sondern als Etwas, aus dem wir gelernt haben.

Sind die Begrenzungen erkannt, kann Unmögliches möglich werden.

Growth Mindset ist ein Wachstumsdenken – weg vom statischen Selbstbild (Fixed Mindset) hin zu einem dynamischen, sich ändernden Selbstbild. Täglich Neues ausprobieren, täglich mutig einen anderen Weg wählen, täglich eine ungewohnte Vorgehensweise ausprobieren. Die Zähne mal mit der anderen Hand putzen, im Büro neben einem anderen Kollegen sitzen oder schon zum Frühstück ein Eis essen. Das fördert das Wachstumsdenken, erhöht die Anzahl der Synapsen und zeigt neue Möglichkeiten auf. Das fühlt sich anfangs ungewohnt und nicht erfolgversprechend an, doch die Summe der Erfahrungen, die wir dabei sammeln, ergibt neue Möglichkeiten und hebt das Potenzial der Lösungsfindung.

Auch hier beschreibe ich aus der Vielzahl der Möglichkeiten zwei Ansätze für das Projektmanagement:

  • Wir können von anderen Disziplinen lernen. Sportler:innen zum Beispiel verwenden Schlüsselworte für mehr Leistung. Wird ein Schlüsselwort oder Schlüsselsatz mit einer intensiven positiven Emotion verknüpft und immer wieder eingeübt, so kann es zu Leistungssteigerung führen [1]. Spitzensportler üben Sätze wie "Ich darf mit Leichtigkeit erfolgreich sein" bereits beim Weg in die Halle oder an der Startlinie. Wir sehen sie dann vor sich hin murmeln. Im Projektteam können wir ebenfalls Slogans einführen, die uns emotional triggern und das Unterbewusstsein zu mehr Erfolg animieren. So war ich Teil eines Projekts, in dem sich das Wort #grüneampel etablierte. Wir wollten zum Monatsende stets eine grüne Ampel im Statusbericht erreichen. Wir haben ihn in E-Mails und auf Whiteboards als Schlüsselwort verwendet. Dieser Satz ist anfangs unbewusst entstanden, zog sich dann durch die gesamte Projektlaufzeit und hielt sich dann bis zum erfolgreichen Ende. Es hat das Projektteam motiviert und das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt.
  • Um Glaubenssätze zu transformieren und ihre Macht der inneren Begrenzungen zu eliminieren, müssen wir sie zunächst identifizieren. Das geht, indem wir die eigenen Gedanken beobachten und wahrnehmen. Etwa durch die Praxis der offenen Aufmerksamkeit [2]. Hierzu nehmen wir uns einige Minuten Zeit und meditieren mit offenen Gedanken – Was erlebe ich gerade? Was denke ich gerade? Was sagt meine innere Stimme dazu gerade?
    Finden wir wiederkehrende begrenzende Glaubenssätze, können wir diese transformieren. Ein einfacher Weg ist es, die Glaubenssätze in eine positive Version zu überführen. Also aus "Das kann ich nicht" wird "Das kann ich versuchen", "Das kann ich noch nicht" oder aus "Das ist zu kompliziert für mich" wird "Alles ist möglich – ich muss nur wissen, wie".

Begrenzungen sind oft unbemerkt und hindern uns an Erfolg. Sind die Begrenzungen jedoch erkannt, kann Unmögliches möglich werden. Wir müssen nur wissen, wie.

Fazit

Im Projektmanagement zählt längst nicht mehr nur, die Projekte "in time, in budget and in quality" zu beenden, sondern am Ende brauchen wir auch ein Team, welches motiviert und performant das nächste Projekt angeht.

Um dafür gut aufgestellt zu sein, ist das Wissen und die Umsetzung von Mentalstrategie für das Projekt und Mentaltraining für das Team sicherlich einer der besten und modernsten Ansätze. So kommt das Projekt weg von Feuerwehreinsätzen und Heldentum einzelner, hin zu Performance, echter Teamarbeit und einzigartigen Erfolgen. Durch Mentalstrategie und Aktiveren des Gehirnpotenzials kann Unmögliches möglich gemacht werden. Dadurch kann die "graue Substanz" zu einem glücklichen Gehirn werden, welches stressresistenter, gesünder und leistungsfähiger ist.

Quellen
  1. A. Röber (2021): Was Sie vom Spitzensport lernen können. Projektmagazin.de, Taufkirchen
  2. C.-M. Tan (2015): Search Inside Yourself, Goldmann Verlag, München.

Weitere Informationen:

Autorin

Anke Röber

Anke Röber ist Diplom-Physikerin, PMP, Motivations- und Mentaltrainerin. Seit 2013 ist sie als freiberufliche Beraterin für Projektmanagement und als Mental- und Motivationstrainerin tätig.
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