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Laura Pallasch 09. März 2021

Mitarbeiter-Empowerment in der virtuellen Arbeitswelt

Die Zusammenarbeit in vielen mittelständischen Unternehmen hat sich im Jahr 2020 stark gewandelt. Die Mitarbeiter von zuhause aus oder in verteilten, virtuellen Teams arbeiten zu lassen, musste in kurzer Zeit umfassend realisiert werden. Diese Form der Zusammenarbeit stellt viele Unternehmen vor Herausforderungen. Nicht nur das Organisieren des Arbeitsalltags wird zu einer neuen Aufgabe, auch die Zusammenarbeit an Projekten, die Weiterbildung, die Kommunikationswege und Plattformen verändern sich, wenn man sich nicht täglich physisch an einem Ort treffen kann.

Aber auch das Teamgefühl der Mitarbeiter (Führungskräfte sind übrigens auch Mitarbeiter) und die Firmenbindung werden durch die neue Umgebung und den veränderten Alltag beeinflusst. Zudem gibt es einen gefühlten Kontrollverlust auf Seiten mancher Führungskräfte, denn viele wichtige Begegnungen, die Teams und Abteilungen zusammenhalten, fallen weg. Kurze Gespräche in der Kaffeeküche, gemeinsames Mittagessen, ein Feierabendbier trinken – auf all das muss verzichtet werden oder es muss irgendwie virtuell ersetzt werden.

Umso wichtiger wurden Selbstorganisation und Selbstbestimmung im Arbeitsalltag. Die Mitarbeiter müssen sich im Homeoffice selbst über den Tag strukturieren und organisieren, da vorgegebene Strukturen von außen, wie der gemeinsame Kantinengang, wegfallen. Diese Strukturen des Zusammengehörigkeitsgefühls kann man jedoch auch in der virtuellen Arbeitswelt schaffen und einen neuen Rahmen geben, der Orientierung bietet und die Bindung an das Team und die Firma wieder stärkt. Gleichzeitig werden die Mitarbeiter befähigt, sich selbst besser zu managen und eigenmächtig Entscheidungen zu treffen – mit den folgenden Tipps für mehr Mitarbeiter-Empowerment und erfolgreiche Zusammenarbeit ganz ohne Kontrolle.

1. Vertrauen reduziert Komplexität

Der erste Tipp mag vielleicht trivial vorkommen, ist aber von entscheidender Bedeutung für das Empowerment von Mitarbeitern.

Ein kleines Gedankenspiel: Stellen Sie sich vor, Sie sind Führungskraft (oder vielleicht sind Sie es ja wirklich). Wie denken Sie wirklich über Ihre Mitarbeitenden? Vertrauen Sie darauf, dass sie im Homeoffice ihre Arbeit erledigen und auch ohne Ihre Kontrolle zuverlässige Ergebnisse abliefern? Wenn Sie denken, dass Ihre Mitarbeiter:innen sich nicht wie gute, selbstorganisierte Mitarbeitende im Homeoffice verhalten, werden Sie als Führungskraft sich auch so verhalten, wie es Ihrem Denken entspricht. Demnach werden Sie wahrscheinlich mehr kontrollierende Anrufe tätigen, nachfragen und vielleicht sogar das Erscheinen im Büro an ein paar Tagen in der Woche verlangen.

Und höchstwahrscheinlich werden ihre Mitarbeitenden, wenn man sie fragt, sagen: ich werde ständig kontrolliert, mir wird nicht vertraut – dann entscheide ich auch nichts allein und warte lieber auf Anweisungen von oben. Was bei Ihnen als Chef wiederum als Initiativlosigkeit gedeutet wird – eine "selbsterfüllende Prophezeiung".

Wir denken, dies beeinflusst unser Handeln, dies beeinflusst das Denken anderer über uns, dann wieder ihre Handlungen uns Gegenüber und – unser Denken. Um dieses System zu durchbrechen, braucht es immer einen, der aus dem System aussteigt. Darum: ändern Sie Ihr Denken über Ihre Kollegen. Vertrauen Sie darauf, dass sie verantwortungsbewusste, produktive und selbstorganisierte Menschen sein wollen (unabhängig davon, ob sie es im Moment aus Ihrer Sicht sind). Vertrauen reduziert Komplexität – und zwar die Komplexität, die ein Unternehmen ausmacht und die durch Mikromanagement und Kontrolle nicht beherrschbar ist. Das hat für alle Seiten Vorteile: Sie können sich auf wichtigere Themen konzentrieren, als die Mitarbeitenden zu kontrollieren, und Ihre Kollegen können lernen, dass ihnen vertraut wird, selbst wenn sie unbeobachtet sind. Ein Gewinn für alle, den die meisten Mitarbeitenden zu schätzen wissen. Vertrauen unterstützt ein System wie ein Unternehmen dabei, selbstbestimmter und selbstorganisierter zu werden. Zwei Dinge, die wir in der modernen Arbeitswelt dringend benötigen.

2. Schaffen Sie einen guten Rahmen für erfolgreiche virtuelle Zusammenarbeit mit den richtigen Werkzeugen.

Der moderne Führungsansatz des "Agile Leadership" versteht die Führungskraft (die nicht immer disziplinarisch sein muss) als Rahmengeber, um ihrem Team zu helfen, bestmöglich zu arbeiten – sei es in Bezug auf Effizienz, Effektivität oder auch Schnelligkeit. Diese drei Faktoren werden bei virtueller Zusammenarbeit maßgeblich von den Werkzeugen bestimmt, die zur Verfügung stehen. Sei es in Bezug auf Kommunikation, Visualisierung oder Transparenz der Ablagestruktur. Ein Beispiel: E-Mails sind für die tägliche Kommunikation von kurzen Fragestellungen innerhalb einer Gruppe sehr umständlich. Die Nachvollziehbarkeit der Konversationen ist im Posteingang sehr mühsam und schnell verliert man den Überblick. Eine gute Ergänzung als Kommunikationsplattform bieten Tools mit Chaträumen, die auch die Möglichkeit von strukturierter Kommunikation geben (wie etwa mit Themen-Threats). Als erfolgreiche Beispiele kann man hier Slack nennen, Microsoft Teams und Web Ex Teams, die auch eine Konferenzfunktion beinhalten. So gelingt Kommunikation wesentlich schneller, übersichtlicher und effizienter, insbesondere bei kurzen Entscheidungen, die eine ganze Gruppe betreffen. Um Mitarbeitende zu befähigen, diese Werkzeuge auch kompetent nutzen zu können (falls sie es intuitiv nicht schon können), kann man einen Experten im Team beauftragen, der die Kollegen unterstützt, kleine Workshops gibt und als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Ohnehin ist es eine gute Idee, jedem eine Rolle im Team zu geben, die die Weiterentwicklung des Teams vorantreibt.

In Bezug auf Visualisierung von Besprechungsergebnissen, Kreativworkshops oder auch Feedbackgesprächen (sowohl fachspezifisch als auch prozessual) sind virtuelle Kollaborationswerkzeuge sehr wertvoll. Sie ermöglichen allen Beteiligten, an einem Ort zu schreiben, zu malen, zu strukturieren und zu visualisieren. Dies macht es sowohl möglich, Meetings sehr fokussiert vorzubereiten und mit Agenda, Zeitmanagement und Ergebnisdokumentation zu arbeiten. Sehr empfehlenswerte Tools sind Miro und Mural, die auch nach kurzer Eingewöhnungsphase eine intuitive Handhabung bieten und nebenbei sogar viel Spaß machen können. Hilfreich für die Durchführung solcher Meetings sind Facilitatoren, also Moderator:innen die methodisch und kommunikativ unterstützen, indem sie moderieren, fokussieren, vor- und nachbereiten und auf das Zeitmanagement achten. So werden Mitarbeitende befähigt, ihre Arbeit effizient, effektiv und transparent zu gestalten.

3. Führen Sie virtuelle Entwicklungsgespräche

Mitarbeitergespräche kann man auch virtuell durchführen – wenn Sie wie oben erklärt gut vorbereitet sind und mit den richtigen virtuellen Tools unterstützt werden. Wir führen seit einiger Zeit in unserem Unternehmen Mitarbeiterentwicklungsgespräche durch, die der agilen Leadership-Philosophie entsprechen. Demnach agiert die Führungskraft hier nicht als Leistungsüberprüfer:in, sondern mehr als Sparringspartner:in und Wegbegleiter:in, der/die dem Mitarbeitenden mit verschiedenen modernen Coaching- und Visualisierungsmethoden hilft, ihre/seine eigenen Motivatoren, Stärken und Ziele zu erkennen und gewinnbringend für das Unternehmen einzubringen. Diese Gespräche kann man mit der richtigen virtuellen Vorlage auch sehr gut virtuell durchführen – natürlich kann ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht niemals ersetzt werden. Dennoch haben wir bisher immer sehr positive Rückmeldungen bekommen zu dieser Gesprächsform von den Mitarbeiter:innen. Sie fühlen sich geschätzt, können sich selbst reflektieren und lernen nebenbei auch noch den selbstverantwortlichen Umgang mit Methoden, die sie selbst auch in Teammeetings anwenden können. Diese Vorgehensweise ist eine starke Methode des Mitarbeiter-Empowerments.

4. Das Empowerment-Tool – Die virtuelle Delegations-Matrix

Um Entscheidungen selbstständig treffen zu können, brauchen Mitarbeitende zwei Säulen: Klarheit und Kompetenz. David Marquet, ein ehemaliger United States Navy Captain revolutionierte mit seinem Führungsstil das amerikanische Militär. Er machte das U-Boot USS Santa Fe zum erfolgreichsten der Geschichte, indem er einen Grundsatz einhielt: "Gib die Entscheidung dorthin ab, wo die Kompetenz ist" ("give the power to where the information is"). Nach diesem Prinzip funktioniert auch die Delegationsmatrix. Sie ist ein geeignetes Hilfsmittel, um Entscheidungen transparent zu machen und den Entscheidungsvorgang festzulegen – und vor allem, um sich systematisch in Richtung Entscheidungskompetenzaufbau des Mitarbeitenden zu bewegen. Denn diese braucht er, um eigenverantwortlich und eigenmächtig zu handeln und zu arbeiten.

Gib die Entscheidung dorthin ab, wo die Kompetenz ist!

Es gibt 7 Stufen der Delegation. Diese sind inspiriert durch das Delegation Poker vom "Management-3.0-Vater" Jurgen Appello – eine Sammlung agiler Führungsmethoden und Praktiken. Je höher die Zahl, desto mehr bewegt sich die Delegation in Richtung der Verantwortung des Mitarbeiters. Auf Stufe 1 entscheidet vollkommen die Führungskraft, auf Stufe 4 gibt es eine gemeinsame Einigung und auf Stufe 7 entscheidet der Mitarbeiter komplett autark.

Auf dieser Matrix ist das Beispiel "Büromaterial bestellen" als Beispiel angegeben. Zunächst bestimmen der Mitarbeitende und die Führungskraft den Ist-Zustand anhand der farbigen Punkte. Hier gibt es oft schon AHA-Momente, wie in diesem Beispiel – offensichtlich hatte der Mitarbeitende den Prozess anders wahrgenommen als die Führungskraft. Dieser Moment ist eine gute Chance, um Missverständnisse zu klären und vergangene Kommunikationsprobleme zu erkennen. Daraufhin bestimmen beide ihren Wunschzustand für die Zukunft. Nun können sie sich einigen, ob sie zum Beispiel den Wunschzustand für einige Zeit ausprobieren wollen und nach einiger Zeit gemeinsam reflektieren wollen – insbesondere für Führungskräfte, die schwer loslassen können, oder Mitarbeitende, die sich schwer tun mit der Übernahme von Verantwortung, ist dieses Vorgehen sehr hilfreich und nimmt der Entscheidung die Tragweite.

Dieses Tool kann auch virtuell (und in Verbindung mit einem virtuellen Mitarbeitergespräch) eingesetzt werden, indem man die Matrix zum Beispiel mithilfe eines virtuellen Kollaborationstools vorbereitet.

Die Zutaten für Mitarbeiter-Empowerment im Home-Office

Sie finden hier die wichtigsten Zutaten für eine erfolgreiche Zusammenarbeit in der virtuellen Arbeitswelt und von Zuhause:

  • Unterstellen Sie Ihren Mitarbeitenden, dass sie empowert werden wollen und mündig sind.
  • Meetingmoderator:innen und Facilitatoren einsetzen für virtuelle Meetings.
  • Eine:n Expert:in für jedes wichtige Zukunftsthema im Team (Tools, Prozesse…).
  • Einsetzen von Kollaborationstools, um Arbeitsergebnisse, Kreativitätsprozesse und Strukturen in Meetings zu verbessern.
  • Entscheidungskompetenz stärken durch die Delegation-Matrix.
  • Mitarbeitergespräche mit dem Fokus auf Stärken und Selbstverantwortung führen – unterstützt durch virtuelle Kollaborationstools.
Autorin

Laura Pallasch

Laura Pallasch ist seit 2012 bei der T-Systems onsite und hat seitdem in agilen Projekten als Coach, Facilitator und Scrum Master gearbeitet, agile Trainings für Kunden wie z. B. Volkswagen konzipiert und durchgeführt.
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