New Work – Wie ändern sich Werte und Vorstellungen?
New Work ist in der Arbeitswelt längst kein unbekannter Begriff mehr, doch setzen viele Unternehmen das Konzept noch immer völlig falsch um und viele wissen nicht, was darunter überhaupt zu verstehen ist. Dabei tun sich Unternehmen auch schwer, weil ihnen bewusst ist, dass mit dem New-Work-Ansatz alte und neue Welten aufeinander prallen.
Längst sind die Zeiten vorbei, in denen Arbeitgeber bei der Suche und Einstellung qualifizierter Fachkräfte aus einer Vielzahl aussuchen konnten und sich nicht um Bewerber bemühen mussten. Heutzutage sieht das ganz anders aus. Der Fachkräftemangel zwingt Arbeitgeber schon seit Jahren dazu, umzudenken. Dazu gehört auch, die alten Arbeitsstrukturen und ‑vorstellungen abzulegen. Dies ist vor allem wichtig, da Experten aus den Fachrichtungen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, also den sogenannten MINT-Bereichen, hoch gefragt sind und es hier zu wenige Fachkräfte gibt. Sie stellen ein großes Potenzial dar, denn sie helfen dabei, die digitale Transformation von der Vision in die Realität umzusetzen.
Altes Arbeitsverständnis ist überholt
Doch nicht nur digitale Professionals, sondern auch alle anderen Fachkräfte gehören immer mehr der Generation Y an. Hier sind andere Werte wichtig, als es noch vor 20 oder 30 Jahren der Fall war. Es findet ein Wandel in der Arbeitswelt statt, bei dem langjährige Arbeits- und Führungskräfte zwar wissen, dass sie umdenken und den neuen Möglichkeiten folgen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Allerdings können sie allzu oft die Hürde nicht überwinden, sowohl in Bezug auf neue Technologien und Arbeitsstrukturen als auch bei der Übergabe der Verantwortung und dem Vertrauen in die jungen Fachkräfte. Noch vor 20 Jahren war die Arbeitswelt stark geprägt von klaren und starren Hierarchien, die von jüngeren Mitarbeitern nicht infrage gestellt wurden. Es galt: Jung lernt von Alt und untersteht der älteren Generation – immer. Der Arbeitsplatz war klar definiert und die Arbeitszeit als altbekannter Nine-to-five-Job wie ein großer massiver Block festgelegt.
Arbeitsverständnis der Generation Y
Fleißig, ehrgeizig, ambitioniert mit Visionen, die durch die globale Vernetzung und technischen Fortschritt leichter zu verwirklichen sind, als es noch vor 30 oder 40 Jahren der Fall war – das zeichnet die junge Generation an Professionals aus und das bringen sie auch direkt in die Arbeitswelt mit ein. Neben Hard Skills treten immer stärker Soft Skills als wichtige Kriterien für diese Generation in den Fokus. Hierzu gehören Werte wie Selbstbewusstsein und -vertrauen, Einfühlungsvermögen, der Umgang miteinander, Teamfähigkeit und methodische Kompetenzen bei Problemlösungen und neuen Medien. Wünsche nach Flexibilität, Unabhängigkeit, Teamwork und danach, in der Welt etwas zu verändern, sind im Bewusstsein verankert und müssen sich somit auch in der Berufswelt widerspiegeln; einfache Routineaufgaben erledigen für diese Generation Computer. Die neue Generation möchte mehr leisten. Kreativität, Eigensinn, Out-of-the-box-Denken sind gefragt, denn das können Maschinen bisher nicht leisten. Hier verbinden die jungen Professionals das Gespür für Mensch und Maschine.
Erfolg definiert die Generation Y nicht nur über ein hohes Gehalt oder eine hohe Position.
Durch die niedrigen Geburtenraten profitiert die junge Arbeitsgeneration von guten Bedingungen bei der Jobsuche – und das ist den Fachkräften der Generation Y auch bewusst. Sie wissen, dass sie gute Leistungen erbringen und durch ihr technologisches Verständnis unverzichtbar sind, doch diese Kompetenzen stellen sie Unternehmen nicht um jeden Preis zu Verfügung. Statt sich unterzuordnen, ist es der Generation Y wichtig, im Berufsleben auf Augenhöhe zu arbeiten und den Arbeitsalltag und die -aufgaben aktiv mitzugestalten. Hier zeigt diese Generation ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein und Engagement, was für Arbeitgeber positiv ist. Erfolg definieren diese Geburtsjahrgänge nicht mehr nur reinweg über ein hohes Gehalt oder eine hohe Position in einem Unternehmen. Vielmehr sehen sie Erfolg in einer produktiven Tätigkeit im Arbeitsleben sowie einem erfüllten Privatleben. Unabhängigkeit ist hier ein wichtiger Faktor, wie das Zukunftsinstitut in der Umfrage "Generation Y – Das Selbstverständnis der Manager von morgen" im Jahr 2013 ermittelte [1]. Ganze 89 Prozent gaben dies an, auf Platz zwei und drei folgten in dieser Umfrage als wichtige Aspekte "das Leben genießen zu können" und "einen sinnvollen Job auszuüben".
Was genau bedeutet dieses New Work?
Noch immer stellt sich vielen Führungskräften und Arbeitgebern die Frage, was das New-Work-Konzept in der praktischen Umsetzung genau bedeutet. Das liegt in vieler Hinsicht an der gänzlich unterschiedlichen Auffassung der Arbeitswelt, wie zuvor erläutert. Hinzu kommt, dass diesem Begriff keine fest definierten Arbeitsmodelle oder Organisationsstrukturen folgen. Das Konzept des New-Work-Ansatzes geht auf den Sozialphilosophen Frithjof Bergmann zurück [2]. Dieser beschäftigte sich thematisch mit der Freiheit des Menschen und war in diesem Zusammenhang der Ansicht, dass der Mensch durch Arbeit seiner Freiheit beraubt wird. Bereits in den 1970er Jahren stellte er ein Konzept mit den drei Säulen Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft auf. Es ging ihm dabei um ein grundlegend anderes Verständnis des Systems "Arbeit".
Ganz so neu, wie es den Anschein hat, ist der New-Work-Ansatz folglich nicht. Doch wird er vielerorts leider völlig falsch verstanden – und damit auch die Bedürfnisse der Generation Y an die Arbeitswelt. Denn Bergmanns Fokus bei seinem Konzept sieht vor, dass Mitarbeiter etwas machen, was sie wirklich wollen. Etwas, das sie mit großer Leidenschaft tun und das dann sowohl das persönliche Wohl als auch das Unternehmen und letztendlich auch die Gesellschaft positiv beeinflusst. Dieser Ansatz des New Work verdeutlicht, dass es nicht ausreicht, Mitarbeiter lediglich mit innovativem Equipment auszustatten oder Obst bereitzustellen. Stattdessen bedeutet New Work, moderne Arbeitsweisen zu installieren und eine Unternehmenshaltung und -kultur hinsichtlich der Gestaltung des gemeinsamen Arbeitens einzunehmen beziehungsweise zu etablieren, die sich von den starren Strukturen der Vergangenheit löst.
Schritt für Schritt in die neue Arbeitswelt
Mit dem Verständnis von New Work geht idealerweise eine Fragmentierung der Arbeitsaufgaben einher, die sich immer wieder neu an den Bedürfnissen des Unternehmens orientieren. Das bedeutet, dass Mitarbeiter nicht mehr unbedingt jeden Tag die gleichen Aufgaben abarbeiten, sondern dass sich die Zusammenstellung eines Teams interdisziplinär und abhängig von der Art des Projektes ergibt. Hierbei stehen nicht nur die fachliche Kompetenz, sondern auch die Soft Skills, die jedes Teammitglied einbringt, im Fokus. Teams werden also bei dieser Arbeitsweise nicht mehr nach Abteilungen oder Standorten gewählt, sondern nach ihren Kompetenzen. Dieses Vorgehen bündelt Wissen, Ehrgeiz, Engagement, schafft Synergien und bietet Chancen durch stetig neue Sichtweisen und Einflüsse in hohem Ausmaß.
Damit sich Teams unterschiedlicher Abteilungen, Standorte und sogar weltweit produktiv vernetzen können, gilt es entsprechende Kommunikationsmittel zu nutzen, vor allem da man bedenken muss, dass sich schon bei unterschiedlichen Standorten oder Positionen die Arbeitszeiten mitunter stark unterscheiden können. Somit muss eine Vernetzung ortsunabhängig und so flexibel wie möglich erfolgen können. Das spiegelt auch gleichzeitig die Arbeitsvorstellung der Generation Y wider, die nicht mehr orts- und zeitgebunden sowie statisch arbeiten möchte, sondern sich im Arbeitsleben ein größtmögliches Maß an Flexibilität und Freiheit wünscht. Die Lösung sind hier Collaboration-Tools – sehr flexible, skalierbare und nach Bedarf wählbare Softwarelösungen. Es gibt eine Vielzahl von Collaboration-Tools, abhängig vom Bedarf des Unternehmens. Angefangen von Kommunikationssoftware über Projektmanagementsoftware bis hin zu multifunktionalen Softwarelösungen bieten Collaboration-Tools eine Fülle von Möglichkeiten zum standortunabhängigen Arbeiten. Bevor man solch ein Tool im Unternehmen implementiert, ist daher die Anforderungsaufnahme unabdingbar. Des Weiteren ist das Change-Management diesbezüglich von größter Relevanz. Das beste Collaboration-Tool bringt keinen Mehrwert, wenn es die Mitarbeiter nicht nutzen. Das Management muss diesen Mehrwert aufzeigen, damit die Akzeptanz der Belegschaft für solch ein Tool geschaffen wird.
Weg vom Schreibtisch
Auch in Bezug auf das örtliche Arbeiten bedeutet New Work wesentlich mehr Flexibilität. Allem voran ist hier natürlich das Homeoffice zu nennen, dass sich mehr und mehr in der Arbeitswelt etabliert. Die Vereinbarung von Familie und Beruf sowie die örtlich ungebundene Möglichkeit, Arbeiten flexibel zu erledigen, gehören zu den Aspekten, die der Generation Y wichtig sind. Doch auch in Unternehmen bedeutet die neue Arbeitswelt mehr Unabhängigkeit. Der fest an seinem Platz stehende Schreibtisch weicht und an seine Stelle treten beispielsweise Shared Desks. Bei diesen Arbeitsplätzen fällt die Anzahl der Plätze geringer aus als die Anzahl der Arbeitnehmer. Es gibt unterschiedliche Bereiche, die entweder ruhig oder kommunikativ sein können, zum Schreiben geeignet sind oder mit Screens und Boards für Brainstormings und Gruppenarbeiten geeignet sind. Bei diesem Konzept räumen die Mitarbeiter die Arbeitsplätze auf, wenn sie fertig sind, sodass Kollegen diesen Platz anschließend nutzen können. Davon profitieren nicht nur Angestellte, sondern auch Unternehmen unmittelbar. Einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation zufolge stärkt eine flexible Bürostruktur die Produktivität der Mitarbeiter, da sie den Ort ihrer jeweiligen tagesaktuellen Arbeit entsprechend wählen – abhängig davon, ob sie Ruhe benötigen oder einen Ort, der zur Kreativität und Kommunikation anregt.
Auch die herkömmliche Organisation in Abteilungen gilt als überholt. Noch ein wenig offener und gleichzeitig gemeinschaftlicher arbeiten Professionals an Coworkingspaces. Vor allem Freiberufler, Start-ups und Kleinstunternehmen können hier von den vielseitigen Einflüssen profitieren, denn Coworkingspaces sind Arbeitsstätten, die Equipment und Räume zeitlich befristet zur Verfügung stellen. Es gibt beispielsweise Büroräume zum Arbeiten, Besprechungsräume für Meetings, Computer, Drucker, Scanner oder Beamer. Statt einer homogenen Bürogemeinschaft arbeiten hier Menschen mit verschiedenen Berufen und Spezialisierungen, wodurch eine sich gegenseitig ergänzende Community entsteht.
Coachen statt führen
Auch die Zusammenarbeit ändert sich mit dem Umsetzen des New-Work-Ansatzes. Statt einer hierarchischen Aufteilung, bei der Mitarbeiter mitunter Untergebene sind und kaum Einfluss auf Prozesse, Arbeitsweisen oder den Unternehmenskurs haben, wandelt sich das Zusammenarbeiten zwischen Führungspersonen und ihren Mitarbeitern mehr und mehr zu einem Arbeiten auf Augenhöhe. Durch eigenverantwortliches Arbeiten steigt die Motivation vor allem bei hochqualifizierten Mitarbeitern. Führungskräfte nehmen dabei nicht mehr die leitende Funktion ein, sondern eher die Position eines Mentors. Stetiges Feedback auf einer ehrlichen Basis lässt Mitarbeiter wachsen, sowohl fachlich als auch in Bezug auf die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten. Führungskräften kann es mitunter schwerfallen, die Zügel aus der Hand zu geben und ihren Mitarbeitern den entsprechenden Freiraum und besonders das Vertrauen entgegenzubringen. Aber auch alteingesessenen Mitarbeitern können Veränderungen schwerfallen. Je nach Voraussetzungen kann es daher ratsam sein, das New-Work-Konzept schrittweise umzusetzen.
Offene Worte helfen, die eigene Leistung einschätzen zu können – dies gilt auch für die Vorgesetzten.
Insbesondere hinsichtlich des Mitarbeiter-Feedbacks erzielen zum Beispiel bereits kleinste Veränderungen eine große Wirkung. Anstatt während der notwendigen Gespräche nur eine Checkliste abzuarbeiten und dabei einen Monolog zu führen, können Führungskräfte ihren Mitarbeitern das gesamte Jahr über ehrliches und konstruktives Feedback geben. Nur Mithilfe ehrlicher Einschätzungen der Leistung können Mitarbeiter wachsen und sich weiterentwickeln. Außerdem helfen offene Worte dabei, die eigene Leistung besser einschätzen zu können – dies gilt auch für die Vorgesetzten. Aus diesem Grund sollten auch die Angestellten die Möglichkeit bekommen, ihren Chefs mitzuteilen, was sie sich wünschen, welche Ideen sie haben und welche Potenziale sie eventuell für Verbesserungen sehen.
Eins ist ganz wichtig – Zeit
Eine neue Arbeitswelt aufzubauen, ist kaum an einem Tag möglich – das sollte auch die Generation Y einsehen. Strukturen und Unternehmensprozesse, die sich über mehr als ein Jahrzehnt aufgebaut haben, können nicht innerhalb von zwei Jahren völlig niedergerissen werden. Aber schrittweise ist es möglich – und hier gilt es besser heute als morgen die ersten Schritte zu gehen, denn wer sich als Unternehmen zu lange gegen neue Arbeitswelten und die Digitalisierung wehrt, verliert nicht nur den Anschluss, sondern hindert auch alteingesessene Mitarbeiter daran, umzudenken und sich langsam an neue Technik, Kommunikationsmittel und Arbeitsweisen zu gewöhnen.
- Zukunftsinstitut: Generation Y: Das Selbstverständnis der Manager von morgen
- Wikipedia: Frithjof Bergmann