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Katharina Harms 28. Dezember 2021

Remote Leadership: Warum Mitarbeitermotivation ein Mythos ist

Wir alle können uns noch an den ersten Lockdown im März 2020 zu Beginn der Corona-Pandemie und an die damit verbundene surreale Situation erinnern. Plötzlich waren die Supermarktregale leergefegt und das Bedürfnis der Menschen hat sich buchstäblich hin zu Nudeln und Klopapier verschoben. Passend hierzu gab es im vergangenen Jahr einen Twitter-Post, der diese Situation ziemlich treffend veranschaulicht (s. Abb. 1). Die Auswirkungen des Lockdowns zeigen sich seitdem nicht nur im Einkaufsverhalten der Menschen und in deren Freizeit, sondern auch sehr deutlich im Arbeitsleben.

Es fand eine geographische Verschiebung des Arbeitsplatzes aus dem Büro und dem Kolleg:innenkreis ins heimische Arbeits-, Wohn- oder Schlafzimmer und den Familienkreis statt. Die Grenzen zwischen Privat- und Arbeitsleben verschwimmen und entsprechend verändert sich auch die eigene Wahrnehmung des beruflichen Alltags.

Dies bringt diverse neue Herausforderungen an die Infrastruktur in Unternehmen mit sich. Hierzu zählt nicht nur die Einrichtung einer entsprechenden IT-Infrastruktur. Es müssen zusätzlich entsprechende Bandbreiten für einen uneingeschränkten Arbeitsalltag und IT-Tools zur Verfügung gestellt und geschult werden, die remote Arbeit ermöglichen und vereinfachen.

Aber nicht nur die IT- und Serviceverantwortlichen, sondern auch Führungs- und Projektleitungsverantwortlichen werden vor neue Herausforderungen gestellt. Es gibt unzählige Artikel und Blogbeiträge, die sich mit "Mitarbeitermotivation in Remote-Teams" befassen. Der Inhalt dieser Beiträge ist oft ähnlich: Die aktuelle Situation erfordert diese und jene Soft-Skills von Führungskräften, damit Teams motiviert bleiben.

Es ist unstrittig, dass Führung vieler der sogenannten Soft-Skills bedarf. Insbesondere beim Thema Motivation gibt es viele Missverständnisse. Zwar bedeutet, Menschen zu aktivieren, dafür zu sorgen, dass diese die ihnen gestellten Aufgaben gerne erledigen. Zu oft steht aber die falsche Annahme im Raum, Motivation sei etwas Externes, das von der Führungskraft erst erzeugt wird und dann aktiv an Mitarbeiter:innen zu vermitteln ist.

Motivation kann jedoch nur von Mitarbeiter:innen selbst entwickelt werden. Es geht nicht darum, Mitarbeiter:innen und Teammitglieder zu motivieren; vielmehr führt eine angepasste Sichtweise auf deren Bedürfnisse dazu, Menschen zu aktivieren und zu ermutigen – und somit Demotivation zu verhindern.

Dieser Artikel wird das Thema Remote Leadership aus der Sicht von Projektleiter:innen behandeln und verdeutlichen, welche Werkzeuge genutzt werden können, um Demotivation zu vermeiden – vor allem in typischen Projektsituationen, in denen Projektleiter:innen in der Regel keine disziplinarische Weisungsbefugnis haben.

Um Motivation zu erklären, könnten wir sehr weit in der Geschichte der Menschheit zurückblicken und tief in die Psychologie und Motivationsforschung eintauchen. Seit Menschengedenken gibt es Versuche, unser Verhalten zu erklären oder zu begründen. Die Fachgebiete der Motivationsforschung und Psychologie haben dies sogar zur Wissenschaft gemacht.

Die Darstellung der bisherigen Erkenntnisse über Motivation geht an dieser Stelle zu weit. Es gibt jedoch einige wichtige Erkenntnisse, die im Folgenden aufgezeigt werden. Um den richtigen Kontext zu schaffen, betrachten wir zunächst die Grundlagen von Motivation und Demotivation im beruflichen Kontext und die damit zusammenhängende Führungsverantwortung – vor dem Hintergrund der Pandemiesituation.

Was ist Motivation? JA ICH WILL!

Motivation ist der "Zustand einer Person, der sie dazu veranlasst, eine bestimmte Handlungsalternative auszuwählen, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen und der dafür sorgt, dass diese Person ihr Verhalten hinsichtlich Richtung und Intensität beibehält." [1] Motivation ist sehr individuell und kann nicht von außen vorgegeben werden, sondern wird immer von einer Person selbst entwickelt. Sie kann nicht erzwungen werden. Demotivation hingegen bedeutet, einer Person die Energiequelle zu nehmen, das vorhandene Ziel oder den angestrebten Zustand erreichen zu wollen, z. B. durch die Verdeutlichung, dass die gewünschten Ziele unrealistisch sind [2].

Man kann nicht motivieren, man sollte lieber aufhören zu demotivieren!

Wenn ein:e Mitarbeiter:in beispielsweise das Ziel hat, Abteilungsleiter:in zu werden, wird Verhalten und Arbeitsleistung entsprechend angepasst und verstärkt. Wird nun von einer höheren Hierarchieebene verdeutlicht, dass dieses Ziel völlig unrealistisch ist, wird der:die Mitarbeiter:in vermutlich nach und nach sämtliche Bemühungen einstellen – die Demotivation ist da.

Motivation lässt sich in Leistungsbereitschaft (das Wollen), in Leistungsfähigkeit (das Können) und Leistungsmöglichkeit (das Dürfen) einteilen. Sofern diese drei Faktoren im Einklang miteinander stehen, wird Demotivation höchstwahrscheinlich vermieden. Es ist also Aufgabe der Führungskraft zu verstehen, welche Beweggründe und welche Leistungsbereitschaft, Leistungsfähigkeit und Leistungsmöglichkeit ein:e Mitarbeiter:in hat. Es muss ein Raum geschaffen werden, in dem eben dies entfaltet und gefördert werden kann. Wir haben bereits gelernt, dass man nicht motivieren kann, wir sollten lieber aufhören zu demotivieren!

Was bedeutet dies für den beruflichen Kontext?

Statistisch gesehen ist der/die unmittelbare Chef:in meist der Hauptgrund für Demotivation. Menschen kommen in Unternehmen, aber verlassen häufig Vorgesetzte. Doch woran liegt das?
Die Schlagworte sind hier eindeutig Beziehungsarbeit, Vertrauen und Autonomie. Eine der Hauptaufgaben einer Führungskraft ist die Beziehungsarbeit zu und mit Teammitgliedern, um so Vertrauen zu schaffen und dafür zu sorgen, dass autonomes Arbeiten ermöglicht werden kann. Ein Mensch bleibt nämlich in der Regel nur dort, wo er oder sie gesehen und wertgeschätzt wird.

Die Beziehungsarbeit wird in der aktuellen, coronabedingten Remote-Situation umso herausfordernder, weil der persönliche Austausch sehr eingeschränkt ist. Betrachten wir das Ganze nun aus der Sicht eines:einer Projektleiters:in, der:die diese Aufgabe in einem temporär zusammengesetzten Projektteam ohne disziplinarische Weisungsbefugnis bewerkstelligen muss, steigt der Schwierigkeitsgrad weiter an.

Die Frage ist also, wie eine (Projekt-)Führungskraft remote Beziehungen innerhalb und mit dem Team aufbauen kann, um Nähe und Vertrauen zu schaffen. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Projekt erfolgreich abläuft, obwohl es keine disziplinarische Weisungsbefugnis gibt.

Schaffe geeignete Rahmenbedingungen

Es gibt in der Regel zwei unterschiedliche Typen in remote Arbeits- und Projektsituationen:

  • Typ "Freiraum": Die Menschen, die Freiraum wünschen und nur grobe Rahmenvorgaben für ihren Alltag benötigen. Sie können sich selbst gut strukturieren und liefern gute Ergebnisse, auch aus dem Home-office.
  • Typ "Struktur und Routinen": Der zweite Typ schätzt vorgegebene Strukturen und Routinen, sodass leicht der gewohnte Ablauf fehlt. Es fällt ihm schwer, sich zu fokussieren und ihm ist eine regelmäßige und intensive Abstimmung mit der Führungskraft wichtig.

Ein:e Projektleiter:in muss zu diesen Typen, die individuell unterschiedlich ausgeprägt sein können, einen entsprechenden Zugang finden. Es ist sinnvoll, zunächst entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Hierzu zählen u. a. klare Verantwortungsbereiche, Kommunikationsregeln und Meetingroutinen. Allen Teammitgliedern muss klar sein, wer welche Aufgabenschwerpunkte übernimmt und wer welche (Fach-)Bereiche verantwortet. Darüber hinaus müssen alle darüber aufgeklärt sein, was, wann, wie und an wen kommuniziert wird sowie welche Regeltermine für welche Art von Themen und Informationsflüsse gedacht sind. Der Typ "Freiraum" hat so grobe Vorgaben und kann ansonsten eigenständig arbeiten, während der Typ "Struktur und Routinen" Leitplanken hat, die bei Bedarf noch weiter ausgebaut werden können.

Hierfür können beispielsweise mit digitalen Tools der Wahl Übersichten und Kommunikationspläne erstellt werden, sodass die notwendigen Informationen stets transparent und allen Ansprechpartnern bekannt sind. Es gibt eine Vielzahl an möglichen digitalen Werkzeugen, welche die Teamarbeit und Transparenz unterstützen. Als mögliche Optionen lassen sich hier beispielsweise die Atlassian Suite (Confluence und Jira), Messenger mit erweiterten Funktionen wie Microsoft Teams oder Slack und Board-Anwendungen, etwa Miro oder Mural, nennen. Die Wahl ist immer von individuellen Bedürfnissen und Unternehmensrichtlinien abhängig. Bei der Gestaltung der Prozesse im Umgang mit dem Toolset sollte das Team unbedingt eingebunden werden, da die Bedürfnisse der Anwender:innen immer im Fokus stehen sollten.

Es ist sinnvoll, die angesprochenen Regeltermine etwas länger zu planen als notwendig, um beispielsweise die erste Viertelstunde für informellen Austausch nutzen zu können. Diese Art der Gespräche schaffen persönliche Bindungen und sind wichtig für die Zusammenarbeit im Team und für die Beziehung zur Führungskraft. Gerade für remote arbeitende Teams sind persönliche Bindungen besonders wichtig, um zu vermeiden, dass sie sich vergessen und verlassen fühlen. Darüber hinaus ist es wichtig, eindeutiges Erwartungsmanagement und smarte Ziele im Team zu implementieren. Die Frage nach dem Ziel des Projektes und nach der Art der Zusammenarbeit sollte von jedem Teammitglied eindeutig beantwortet werden können. Hilfreich können hier Workshops zu Beginn des Projektes sein, in denen das Team die Beantwortung dieser Fragen gemeinsam diskutieren und erarbeiten kann. Danach sollte in regelmäßigen, nicht zu langen Abständen überprüft werden, ob diese Maßnahmen Anwendung finden und zum Projektalltag passen oder ob nachjustiert werden muss. Im (agilen) Projektkontext können hierfür beispielsweise Retrospektiven genutzt werden.

Ein möglicher Output dieser Workshops könnte eine Teamlandkarte sein, in der die Zusammenarbeit und die Aufgaben auf zuvor festgelegten Fragen basierend visualisiert dargestellt werden [3].

Sei ein kooperatives Vorbild

Eine Führungskraft, unabhängig von Linien- oder Projektorganisation, hat stets eine Vorbildfunktion, die authentisch und ehrlich ausgefüllt werden muss. Eine Studie des Tübinger Leibniz-Instituts hat gezeigt, dass auch Führungskräfte durch Distanz an Verantwortungsbewusstsein verlieren. "Virtuelle Zusammenarbeit könnte bewirken, dass andere Personen weiter entfernt erscheinen – und deshalb kurzfristig weniger der Eindruck entsteht, sich um diese Personen kümmern zu müssen" [4].

Man kann also von den Teammitgliedern kein Verantwortungsbewusstsein erwarten, wenn die Führungskraft es nicht selbst lebt und im Alltag vermittelt. Es geht bei kooperativer Führung nicht darum, als Mikromanager:in Aufgaben bis ins kleinste Detail vorzugeben und anschließend die Ergebnisse zu kontrollieren. Vielmehr meint diese Form der Führung, die Sinnhaftigkeit einer Aufgabe oder eines Projektes zu vermitteln, sodass den Teammitgliedern Gestaltungsraum geschaffen wird und sie Aufgaben autonom erledigen können, dürfen und wollen. Hierbei sollte man natürlich trotzdem auf die individuellen Bedürfnisse und die unterschiedlichen Home-office-Typen eingehen.

Eine Projektleitung muss sich der eigenen Verantwortung bewusst sein und durch regelmäßige Reflexion und Empathie einschätzen können, ob und inwieweit Entscheidungen und die Art der eigenen Kommunikation Teammitglieder betreffen und beeinflussen. Hierfür sollte sich die Projektleitung regelmäßig ausreichend Zeit einplanen und aktiv Feedback vom Team einholen oder beispielsweise in eine Supervision mit anderen Projektleitungen oder Führungskräften gehen, um einen anderen Blickwinkel auf Situationen zu bekommen.

Schaffe Integrität durch Entscheidungen

Die Studie hat darüber hinaus gezeigt, dass das Verantwortungsbewusstsein gesteigert wird, wenn Führungskräfte sich vor wichtigen Entscheidungen auf andere, also ihr Team, konzentrieren und nicht auf sich selbst und, wenn sie sich mit ihrem Team identifizieren können. Diese Tatsache sollte Projektleiter:innen bewusst sein. Sie lässt auch den Schluss zu, dass Integrität geschaffen wird, indem Entscheidungen nicht zum persönlichen Vorteil der Projektleitung, beispielsweise für den nächsten Karriereschritt, sondern immer zum Wohl des Teams und des Projekts getroffen werden.

Mitreißende Positivität

Beziehungsarbeit und das Schaffen von Nähe und Vertrauen ist darüber hinaus stark abhängig vom Mindset und der Einstellung der Projektleitung. Sie sollte stets dadurch überzeugen, positiv und optimistisch zu sein. So wird jederzeit ein Gefühl von Ruhe und Ausdauer vermittelt, welches auf die Teammitglieder übertragen werden kann. Die Remote-Situation erschwert dies natürlich. Es ist deshalb wichtig, gute Leistungen hervorzuheben und Erfolge zu teilen und zu kommunizieren – auch über Teamgrenzen hinaus. Dies gilt auch im Rahmen von Echtzeitfeedback, also beispielsweise im Anschluss an Termine, die gut gelaufen sind. Wenn außerhalb des Teams Feedback zu Arbeitsergebnissen gegeben wird, sollte dies 1:1 an das Team weitergegeben werden. Um positive Stimmung ins Team zu bringen, können auch Teambuilding-Maßnahmen oder Aktivierungsübungen (Checkin, Checkout, Energizer, etc.) zu Beginn oder zum Ende eines Termins unterstützen. Es gibt darüber hinaus eine Vielzahl an Teambuildingaktivitäten im virtuellen Rahmen, die individuell an unterschiedliche Teamkonstellationen angepasst werden können. Hierzu zählen Spiele oder gemeinsame Events.

Verdiene Dir Vertrauen

Durch Transparenz und offene, ehrliche Gespräche sowie das Einhalten von Absprachen und Zusicherungen, fühlen sich Teammitglieder integriert und entwickeln ein Empfinden von Verlässlichkeit. Gerade während solcher Gespräche sollte die Kamera eingeschaltet werden, um zumindest die Mimik des Gegenübers sehen zu können. Wenn man die Menschen, mit denen man spricht, regelmäßig sieht und ihnen in die Augen sehen kann, kann ein höheres Zugehörigkeitsgefühl vermittelt werden. Natürlich sollte die Projektleitung auf die Wünsche und Bedürfnisse des Teammitglieds eingehen und fragen, ob es Gespräche mit oder ohne Kamera präferiert und dies dann auch so umsetzen.

Inspiriere das Team und erlaube Fehler

Durch die Weitergabe von sämtlichen verfügbaren und relevanten Projektinformationen kann das Team direkt an möglichen Begleitumständen, Schwierigkeiten oder Chancen im Projekt teilhaben. Dieses Wissen und die Freiheit, eigene Ideen einbringen zu können fördert Kreativität und Zusammenhalt. Eine offene Fehler- und Feedback-Kultur verstärkt diesen Effekt. Es muss selbstverständlich sein, Fehler machen zu dürfen und niemand sollte ein schlechtes Gefühl haben, wenn eine Idee nicht so funktioniert oder umgesetzt werden kann, wie geplant. Die Fehler- und Feedback-Kultur kann verstärkt und authentifiziert werden, indem die Projektleitung selbst regelmäßig von eigenen Fehlern und deren Lösungen und Verbesserungen im Team berichtet. So wird zum einen vermittelt, dass Fehler erlaubt sind, um besser zu werden und zum anderen kann so die herrschende Hierarchie zwischen Leitung und Team relativiert werden. Teammitglieder fühlen sich eher zugehörig und sind womöglich mutiger, neue Ideen einzubringen und zu testen.

Sei wertschätzend durch persönliche Zeit

Neben den bereits beschriebenen Teammeetings sind regelmäßige 1:1-Gespräche mit jedem Teammitglied essenziell. Es geht hierbei nicht darum, nur positives oder konstruktives Feedback für geleistete Arbeitsergebnisse zu geben, sondern auch darum, Raum für sonstigen Austausch zu schaffen. Dieser kann sowohl privater Natur sein als auch Themen wie Entwicklungswünsche, Sorgen, Probleme oder Feedback behandeln. Feedback sollte hier jedoch nicht nur einseitig gegeben werden. Teammitgliedern steht es ebenso zu, der Projektleitung ehrliches Feedback geben zu können. Ein solches Feedback ist aber nur möglich, wenn ein ehrliches Vertrauensverhältnis zwischen Projektleitung und Teammitglied aufgebaut werden kann. Für eine solche Feedbackkultur, also Feedback in beide Richtungen, muss der richtige Grundstein gelegt werden. Dies geschieht durch die bereits beschriebenen 1:1-Gespräche. Hierbei gilt die Devise "Kenne deine Teammitglieder".

Was lernen wir daraus?

Motivation kann nicht extern entwickelt oder erzwungen werden. Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, dass eine grundlegende Motivation vorhanden ist, wenn jemand freiwillig in einer Position in seinem Unternehmen ist und bleibt. Aufgrund der fehlenden disziplinarischen Weisungsbefugnis eines:r Projektleiter:in sind die beschriebenen Aspekte umso wichtiger, weil ein:e Projektleiter:in ein Teammitglied nicht "zwingen" oder direkte Sanktionen androhen kann – wobei Sanktionen für eine:n Mitarbeiter:in sehr demotivierend wirken.

Das Konstrukt um Vertrauen, Nähe und Vermeidung von Demotivation ist ein komplexes Gebilde.

Führen ist ein Mindset Game – vor allem oder gerade in ungewohnten und ungewissen Remote-Situationen. Empathie und das notwendige Feingefühl sind enorm wichtig. Das Konstrukt um Vertrauen und Nähe und die daraus resultierende Vermeidung von Demotivation ist ein komplexes Gebilde, das nicht erzwungen werden kann und auch nicht von heute auf morgen funktionieren wird.

Es ist also aus Sicht von Projektleiter:innen sehr wichtig, diesem Aspekt während der Projektarbeit von Anfang an eine große Bedeutung beizumessen. Ein hilfreiches Mittel kann die Analyse der Persönlichkeitstypen im Team sein [5]. Ein Persönlichkeitstyp kann viel über die Denk- und Arbeitsweise eines Menschen aussagen. Dieses Wissen kann genutzt werden, um Teammitglieder besser einschätzen zu können und die Strukturen und Routinen entsprechend anzupassen. Dennoch sollte diese Analyse nicht pauschalisiert werden. Jeder Mensch ist ein Individuum und das gilt es stets zu berücksichtigen.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass der Wunsch nach Autonomie und selbstständigem Arbeiten nicht in allen Kulturen gleichermaßen gelebt und gewollt wird. Gibt es Teammitglieder aus stark hierarchiegetriebenen Kulturen, muss dies natürlich beachtet werden. Sie können nicht einfach buchstäblich ins kalte Wasser geworfen werden. Man sollte sie an die Hand nehmen und gemeinsam mit ihnen das Schwimmen lernen. Um diese kulturellen Unterschiede und Bedürfnisse im beruflichen Kontext im internationalen Umfeld besser verstehen und einordnen zu können, können die Kulturdimensionen nach Hofstede und/oder die GLOBE-Study herangezogen werden [6,7].

Gerade in der die ganze Welt betreffende Pandemiesituation, ist jeder von uns ganz besonders auf das Vertrauen und den Zusammenhalt im Team und mit der Führungskraft angewiesen – vor allem in Projekten, in denen die Zusammenarbeit zeitlich begrenzt ist. Eine empathische und vertrauensvolle Projektleitung kann zu einer angenehmen Zusammenarbeit und zu guten Arbeitsergebnissen beitragen. Demotivation ist trotz Remote-Arbeit unter solchen Umständen sehr unwahrscheinlich.

Wenn Du Dich also entscheiden sollst, ob Du Anreize gibst, die aktiv motivieren sollen oder Maßnahmen implementieren, die Demotivation vermeiden, so wähle letzteres. Es ist die langfristig bessere Wahl – denn Mitarbeitermotivation ist ein Mythos!

Quellen
  1. Gabler Wirtschaftslexikon: Motivation
  2. Umsetzungsberatung: Demotivation: Reicht es wirklich, mit dem Demotivieren aufzuhören?
  3. Z. B. Team Charter Canveas
  4. Scholl, A., Sassenberg, K., Zapf, B., & Pummerer, L. (2020). Out of sight, out of mind: Power-holders feel responsible when anticipating face-to-face, but not digital contact with others. Computers in Human Behavior, 112, Article 106472.
  5. Z. B.: 16 Personalities
  6. Hofstede, G., & Hofstede, G. J.: Lokales Denken, globales Handeln: Interkulturelle Zusammenarbeit und globales Management
  7. Robert House, Paul J. Hanges, Mansour Javidan: Culture, Leadership, and Organizations: The GLOBE Study of 62 Societies

Autorin

Katharina Harms

Katharina Harms ist als Business Consultant bei der NOVEDAS Consulting GmbH tätig und zertifiziert im Projekt-Management.
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