Teamresilienz – das eigentliche Fundament agiler Entwicklung
Manche Menschen kommen mit schwierigen Situationen und Druck besser klar als andere. Das lässt sich auch auf Teams übertragen: Es gibt Arbeitsgruppen, die durch kritische Projektsituationen kaum in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt werden.
Resilienz basiert auf der Grundidee, dass nicht die Schwierigkeiten, denen wir gegenüberstehen, problematisch sind, sondern mehr die Art und Weise, wie wir mit Ihnen umgehen. Der Begriff Resilienz stammt aus der Physik und hat sich mittlerweile in mehreren wissenschaftlichen Gebieten etabliert. Er beschreibt das Phänomen, großen Druck oder Stress ohne Schaden auszuhalten und schnell wieder zur ursprünglichen Form zurückzufinden. Ein anschauliches Beispiel dafür ist ein Schwamm, der zusammengedrückt wird und danach rasch wieder seine alte Form annimmt. Es geht dabei also um die Fähigkeit, in Drucksituationen fokussiert zu bleiben, nach Rückschlägen weiterzumachen, in schwierigen Situationen einen Sinn zu finden und optimistisch in die Zukunft zu blicken.
Sieben Faktoren der Resilienz
Was unterscheidet resilientere Menschen von anderen? Es wurde seit der Mitte des letzten Jahrhunderts viel dazu geforscht. Vor allem eine Langzeitstudie in Hawaii untersuchte über einen Zeitraum von 40 Jahren, wie Kinder, die unter den gleichen, sehr schwierigen Umständen aufwuchsen, sich entwickelten und welche Eigenschaften jene aufwiesen, die es dennoch schafften, ein erfolgreiches Leben zu führen – im Gegensatz zu jenen, denen das nicht gelang.
Diese und andere Studien ergaben: Menschen mit hohen Resilienzwerten empfinden die gleichen negativen Gefühle wie andere, aber sie gehen anders damit um. Es gelingt ihnen, in schwierigen Phasen auf persönliche Ressourcen und vermittelte Kompetenzen zurückzugreifen. Widerstandsfähige Menschen können starke Gefühle und Impulse steuern. Sie bleiben in Stresssituationen gelassen, lassen sich nicht von ihren Gefühlen überwältigen, machen realistische Pläne und führen sie Schritt für Schritt aus. Sie haben ein positives Bild von sich und vertrauen auf ihre eigenen Fähigkeiten.
Man stellte fest, dass Resilienz keine Eigenschaft ist, die man eben hat oder nicht hat, sondern eine, die sehr stark durch unser Denken und Handeln beeinflusst werden kann. Das bedeutet, dass jeder Mensch diese Form der Widerstandsfähigkeit stärken kann: Resilienz ist trainierbar! Meist wird sie auf sieben gut erforschte Faktoren [1] heruntergebrochen:
- Emotionssteuerung – Ich kann alle Gefühle (negative wie positive) wahrnehmen und selbst entscheiden, wie sie mich beeinflussen. Zum Beispiel Ärger so abfließen zu lassen, dass er mich nicht beeinträchtigt.
- Impulskontrolle – Ich muss nicht meinen ersten Impulsen folgen.
- Kausalanalyse – Ich kann die tieferen Gründe für die Situation und meinen eigenen Zustand erkennen und bin dabei ehrlich mit mir selbst.
- Optimismus – Ich habe die innere Überzeugung, dass sich Dinge zum Besseren wenden können.
- Selbstwirksamkeitsüberzeugung – Ich weiß, dass ich durch mein Handeln dazu beitragen kann, die Dinge zum Besseren zu wenden.
- Zielorientierung – Ich habe ein klares, realistisches Bild von meinen Zielen und arbeite darauf zu, passe sie an und lasse mich nicht von Rückschlägen entmutigen.
- Empathie – Ich kann die Perspektive wechseln und mich in andere hineinversetzen.
Jeder Mensch hat unterschiedliche Schwachstellen in seiner Belastbarkeit und wird in einigen Bereichen sehr gut abschneiden, in anderen dafür weniger gut, die dann gezielt trainiert werden können. Mit kleinen, individuellen Trainingseinheiten im Arbeitsalltag lässt sich so die mentale Widerstandsfähigkeit steigern.
Agile Moves – Schritt für Schritt trainieren
Nachhaltige Veränderungen, die substantielle Fortschritte von Mitarbeitern und Teams ermöglichen, lassen sich am effizientesten in kleinen, kontinuierlichen Schritten on-the-job trainieren. Wir haben aus dieser Erfahrung heraus das Framework „Agile Moves“ entwickelt, in dem in kleinen Lerneinheiten (Moves) Kompetenzen wie Agilität, die Zusammenarbeit im Team (Teamspiel) und Resilienz verbessert werden können. Moves sind abgegrenzte Übungseinheiten, die auf unterschiedliche Facetten der Zusammenarbeit und individuelle Fähigkeiten abzielen.
Mit dem Agile Moves-Framework kann jeder maßgeschneiderte Schritte entwickeln, Trainingspläne zusammenstellen und immer wieder an neue Bedürfnisse anpassen. Einige Moves fokussieren auf individuelle Fertigkeiten, andere auf das Zusammenspiel im Team.
Wesentlicher Teil jedes Moves ist die Teamzertifizierung. Wenn ich mir einen Move vornehme, bespreche ich mit meinem Team oder meinen Trainingspartnern, was ich genau machen möchte. Jeder Move hat eine "Definition-of-Done". Meine Übungseinheiten dokumentiere ich zum Beispiel mit Post-Its an der Wand oder ich bespreche sie mit meinem Team, das auf diese Weise meinen Lernprozess verfolgen kann. Am Ende des Moves zertifiziert es meine Zielerreichung durch ihre Unterschriften. Diese Einbindung des Teams und die Transparenz meines persönlichen Trainings sind ein elementarer Teil des Prozesses.
Für einen Trainingsplan mit dem Ziel, die Faktoren Impulskontrolle, Selbstwirksamkeits-überzeugung und Zielorientierung zu trainieren, eignen sich Moves aus dem Tomaten-Cluster [2], die auf der Pomodorotechnik von Francesco Cirillo basieren. Ein erster möglicher Trainingsschritt besteht darin, einen Teil meiner Arbeit in festen Zeitabschnitten, genannt Tomaten, zu absolvieren. Häufig werden 25-Minuten-Einheiten verwendet. Für jede dieser Tomaten lege ich zuvor fest, was ich am Ende erreicht haben möchte.
Ich stelle mir eine Uhr und konzentriere mich in dieser Zeit voll auf diese eine Aufgabe. Nach der Tomate mache ich eine Pause und bewerte, wie sie gelaufen ist: Ziel erreicht? Wie gut konnte ich mich konzentrieren?
Wenn ich nach einer gewissen Zeit merke, dass ich die Kondition habe, konzentriert und fokussiert in Tomaten arbeiten zu können und ein Gefühl dafür entwickelt habe, welche Ziele ich in meiner Time Box realistisch erreichen kann, kann ich mir einen weiteren Move aus dem Tomatencluster als nächste Trainingseinheit vornehmen und beispielsweise den Fokus auf meine Störer und Ablenker legen: Ich führe während der Tomate eine Strichliste für Störungen von außen (z. B. Telefon) und Ablenker von innen (Impulse, z.B. die E-Mails checken zu müssen oder Kaffee zu holen).
Wie kann ich meine eigene Resilienz trainieren?
Resilienztraining lässt sich mit Ausdauertraining vergleichen. Selbst wenn ich mir vornehme, einen Marathon zu laufen, werde ich es nur schaffen, wenn ich in vielen kleinen Trainingseinheiten darauf hinarbeite. Resiliente Menschen zeichnen sich unter anderem durch Zielorientierung aus. Das gesamte Agile Moves-Training ist darauf ausgerichtet, sich Ziele zu setzen und diese Schritt für Schritt zu erreichen.
Wenn ich in Tomaten arbeite, hat jede dieser Zeiteinheiten ein bestimmtes Ziel, gegen das ich mich messe, was erfordert, dass ich mir konkrete erreichbare Ziele setze. Erfahrungsgemäß braucht es eine Weile, bis dabei ein gesunder Realismus einkehrt: Was ist in einer konzentrierten Zeiteinheit realistisch zu erreichen? Das Tomaten-Move-Cluster enthält weitere Trainingseinheiten, die die Trainingsleistung jeweils steigern – bis hin zu Tages- und Wochenplänen.
Resilienz bedeutet nicht, unempfindlich zu werden.
Ein weiterer Aspekt ist, dass ich beginne, mich in definierten Zeitfenstern auf eine bestimmte Aufgabe zu konzentrieren. Damit baue ich mir ein Gerüst zur Impulssteuerung, denn eine weitere Eigenschaft resilienter Menschen ist, ihre Impulse so steuern zu können, dass sie diese zwar wahrnehmen, aber ihnen nicht sofort nachgeben müssen – auch unter Stress und schwierigen Arbeitsbedingungen. Damit sind sie in der Lage, sehr fokussiert zu bleiben und konzentriert weiterzuarbeiten, auch wenn Telefon, E-Mail, Kollegen, eine lange To-do-Liste, eigene Ideen etc. um ihre Aufmerksamkeit konkurrieren.
Um das im Arbeitsalltag zu trainieren, muss ich eine Wahrnehmung für innere und äußere „Ablenker“ entwickeln, um dann gezielt damit umgehen zu lernen. Eine realistische Wahrnehmung für sich und die Arbeitssituation zu entwickeln, ist Grundlage jeder nachhaltigen Veränderung. Wie agiere ich selbst bei schwierigen Bedingungen im Arbeitsalltag und im Projektverlauf? Wann springen Verhaltensmuster an, die es mir schwer machen, konstruktiv mit der Situation umzugehen?
Resilienz bedeutet nicht, unempfindlich zu werden gegen schwierige Bedingungen und Krisen, sondern konstruktiv damit umzugehen und sich von ihnen nicht aus der Bahn werfen zu lassen. Das gilt nicht nur für Einzelpersonen, sondern auch für ganze Teams.
Was ist Teamresilienz?
Teamresilienz bezeichnet die Fähigkeit eines Teams, seine Leistungsfähigkeit unter schwierigen Rahmenbedingungen (Krisen, Druck, hohes Risiko, Wettbewerb, Veränderungen, Rückschläge) zu erhalten und belastende Situationen gemeinsam gut und ohne Beeinträchtigung zu bewältigen. Trotz Stressbedingungen bleibt ein resilientes Team produktiv und eignet sich weitere Kompetenzen an, um mit den Belastungsfaktoren immer besser umgehen zu können.
Unserer Meinung nach ist Teamresilienz auch mehr als der Durchschnitt der einzelnen Resilienzwerte der Teammitglieder, denn einzelne Teammitglieder mit hohen Resilienzwerten können im Krisenfall ein nicht-resilientes Team nicht über einen längeren Zeitraum stützen.
Was macht resiliente Teams aus?
- Das Team weiß, dass seine Arbeit sinnvoll und wertvoll ist.
- Es setzt und verfolgt gemeinsam ein Ziel und jeder im Team weiß, wie er zur Zielerreichung beitragen kann.
- Das Team unterstützt sich gegenseitig. Je selbstorganisierter das Team arbeiten kann, desto besser kann das gelingen.
- Die Abläufe im Team sind geklärt und die Strukturen und Prozesse sind effizient organisiert.
- Das Team kennt seinen Handlungsspielraum. Die Rahmenbedingungen werden optimiert und wenn sie nicht zu ändern sind, akzeptiert.
- Das Team glaubt an sich und seine Fähigkeit, schwierige Situationen bewältigen zu können.
- Das Team eignet sich beständig neue Kompetenzen an und sucht nach neuen Ideen und Lösungswegen.
Ein besonders wichtiger Aspekt ist neben der Selbstorganisation die Zusammenarbeit, sprich: das Teamspiel der Mannschaft. Jede Fußball-Bundesliga-Mannschaft verfügt über ein Team von hervorragenden Profis mit exzellenten individuellen Fähigkeiten. Wenn diese Spieler gemeinsam gewinnen wollen, brauchen sie zusätzlich sehr gute Teamspiel-Fähigkeiten. In der Softwareentwicklung arbeiten Menschen im Team, aber das Zusammenspiel ihrer individuellen Fähigkeiten mit anderen ist kein Fokus ihrer Ausbildung. Ebenso wenig wie die Verbesserung ihrer Möglichkeiten, als Teil eines Teams zu denken und zu handeln. Teamspiel ist eine Fähigkeit und keine Begabung und in gewisser Weise eine Voraussetzung, um Teamresilienz aufzubauen. In der Praxis sind diese Prozesse jedoch kaum voneinander zu trennen und so trainieren viele der Agile Moves beides – Teamspiel und Resilienz –, immer in kleinen Schritten und angepasst an reale Arbeitssituationen.
Beispiele für Teamresilienz
Der Klassiker unter den Beispielen für die Widerstandskraft eines Teams unter schwierigen Bedingungen ist der Gewinn der Fussballweltmeisterschaft 1954. Während der WM hatte die deutsche Nationalmannschaft in ihrem Trainingslager in Spiez in der Schweiz einen Teamgeist entwickelt, der als der "Geist von Spiez" in die Geschichte einging. Neben dem Training stand die Förderung der Gemeinschaft im Vordergrund und daraus erwuchs der Glaube, es gemeinsam schaffen zu können. Diesem Geist wird ein bedeutender Anteil am späteren Sieg gegen das spielerisch überlegene Ungarn und am Gewinn des Weltmeister-Titels zugeschrieben.
Ein weiteres Beispiel dafür ist die Leistung der südafrikanischen Rugby-Nationalmannschaft, die 1995 überraschend die Rugby-Union-Weltmeisterschaft im eigenen Land gewann. Während des Apartheidsregimes, das bis 1992 die Macht innehatte, war Rugby der Sport der Weißen und wurde von der schwarzen Bevölkerung wenig unterstützt. Durch den jahrelangen internationalen Boykott hatten die Südafrikaner kaum internationale Spielpraxis, ihre Teamfarben wurden als Symbol der Unterdrückung abgelehnt. Nelson Mandela vermittelte dem Team – allen voran dem Kapitän der Mannschaft Francois Pienaar – dass diese Weltmeisterschaft zur Annäherung der schwarzen und weißen Bevölkerung beitragen könnte und gab der Mannschaft damit ein großes gemeinsames Ziel, das eine einzigartige Teamleistung zur Folge hatte [3]. Die Spieler begannen während ihres harten Vorbereitungstrainings, auf Reisen durch das Land, den Kontakt mit der Bevölkerung zu suchen. Mandela trat bei den WM-Spielen in den Teamfarben in der Öffentlichkeit auf. Die Mannschaft gewann völlig überraschend die WM, was quer durch alle Bevölkerungsschichten als ein Sieg Südafrikas gefeiert wurde. Betrachtet man dieses Ereignis durch die Resilienz-Brille, ging es hier nicht nur darum, nach einem belastenden Ereignis wieder in die alte Form zurückzufinden, sondern unter hohem Druck nicht einzuknicken und über sich selbst hinauszuwachsen. Ein wesentlicher Faktor ist dabei die klare Zielorientierung, wobei das Ziel ein deutlich höheres war, als der Gewinn der WM. Es ging darum, dem innerlich gespaltenen Land zu helfen, eine Identität zu entwickeln und die Spieler begannen zu glauben, durch ihr Handeln dazu beitragen zu können (Selbstwirksamkeitsüberzeugung). Sie verstanden, warum die Mehrheit der Bevölkerung sie ablehnte (Kausalanalyse) und entwickelten Maßnahmen, wie die Besuche in den Townships, um dies zu ändern. Natürlich trug auch der ansteckende Optimismus von Nelson Mandela und sein fester Glaube, dass die Dinge sich zum Besseren wenden werden, viel dazu bei.
Teamresilienz trainieren mit den Agile Moves
Die kontinuierliche Verbesserung und das Setzen von immer neuen Zielen ("reaching out") ist ein wichtiger Punkt bei der Entwicklung von Teamresilienz. Wenn ein Team im "Erhaltungsmodus" operiert, tritt die innovative Suche nach Lösungsalternativen in den Hintergrund. Die Strategien folgen dann dem Muster "more of the same", was weiteren Schutz vor Veränderungen bietet – und in der Regel die Krise verschlimmert.
Ein Team, das stets nach neuen Ideen und Lösungen strebt und neue Ziele im Blick hat, läuft nicht Gefahr, zu verkrusten und seine Widerstandsfähigkeit einzubüßen. Das innovative Potenzial eines Teams in Zusammenhang mit seiner inneren Effizienz wirkt sich unserer Erfahrung nach unmittelbar auf seine Resilienz aus. Das Ideen-Move Cluster [4] ist hervorragend geeignet, um im Team einen kontinuierlichen Fluss von Ideen in Schwung zu bringen.
Ein erster Move dazu ist, alle Ideen, die ich im Laufe eines Arbeitstages habe, konsequent aufzuschreiben. Unzensiert alle, egal ob technisch, fachlich oder organisatorisch. Es ist dabei völlig egal, ob ich sie in ein Ideen-Buch, auf Post-its oder per Computer notiere. Zum Einen bringt das meinen eigenen Ideen-Fluss in Schwung, zum anderen liefert mir der Move jede Menge Material, das ich mit meinen Kollegen diskutieren kann, z. B. in einer Retro [5].
Ein weiterer Move könnte sein, alle Ideen in ein Team-Blog zu schreiben und damit allen in meinem Team die Möglichkeit zu geben, meine Ideen zu kommentieren und die Ideen mit ein bis fünf Sternen zu bewerten, sich inspirieren zu lassen und eigene Ideen zu entwickeln und zu notieren.
Ist dieser Move im Team angekommen und trifft auf Resonanz, könnte ein dritter Move sein, die Ideen aller Teammitglieder nach der kumulierten Anzahl der Sterne in einem Team-Ideen-Board zu priorisieren, in einem größeren Projekt mit mehreren Teams auch in einem Projekt-Ideen-Board. Eine wunderbare Methode der Projektsteuerung ist es, die Ideen mit den höchsten Bewertungen als erstes umzusetzen. In Resilienzfaktoren gedacht, hätte dies auch eine starke Wirkung auf Optimismus und Selbstwirksamkeitsüberzeugung.
Ausblick
Jede nachhaltige Veränderung entsteht nur in kleinen Schritten und mit kontinuierlichem Training im Alltag. Den Schalter, den man einfach nur umlegen muss und danach ist alles besser, gibt es nicht.
Das Tomatenmove-Cluster und das Ideen-Move-Cluster sind nur zwei Beipiele, wie sich im Arbeitsalltag Resilienz auf individueller und auf Team-Ebene trainieren lassen. Wir haben im Agile Moves-Framework diese kleinen Schritte für viele Aspekte und Arbeitssituationen entwickelt und mittlerweile entwickeln Teams, die damit arbeiten, selbst weitere Moves für sich, um kontinuierlich besser zu werden. Es gibt weitere Movegruppen wie das Scrum-Cluster, das Wahrnehmungs-Cluster oder das Meeting-Cluster. Viele dieser Moves fördern die verschiedenen Resilienzfaktoren.
Einer der wichtigsten Resilienzfaktoren ist die Emotionssteuerung, die ermöglicht, alle eigenen Gefühle, egal ob positiv oder negativ, wahrnehmen zu können. Erfahrungsgemäß befindet sich bei vielen Menschen ein Teil der Gefühle unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Das bedeutet, dass diese zwar einen starken Einfluss auf das Denken und Handeln haben, aber nicht bewusst sind. Um damit umzugehen und entscheiden zu können, wie meine Gefühle mich beeinflussen, muss ich als erstes eine Wahrnehmung dafür entwickeln. Gefühle sind Informationen, Indikatoren für die jeweilige Situation. Je früher ich mir dessen bewusst bin, desto weniger brauchen sie sich aufzustauen, bis sie irgendwann überlaufen. Es gibt einen guten Grund für diese Gefühle. Wenn ich sie kenne und ernst nehme, kann ich Lösungswege suchen, die mir und dem Team helfen, bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen.
Ein Move aus dem Wahrnehmungscluster, der auf einem agilen Projekt von Mark Rehberg entstanden ist, ist beispielsweise der "Shit-Move": Auf einem Board gibt es für jedes Teammitglied eine Spalte mit seinem Namen. Jedesmal, wenn ein Teammitglied denkt: "Was ist das für ein Mist?!" (die genaue Bezeichnung kann das Team für sich selbst finden, der Original-Name auf dem Projekt war: "Meine Fresse, ist das eine Scheiße!"), macht derjenige einen Strich in seiner Spalte. Diese Strichliste kann im Daily Meeting besprochen werden oder in der Retro am Ende eines Sprints. Die Menge der Striche kann auch über mehrere Sprints verglichen werden und als Indikator dafür dienen, wie sich die Situation verändert. Dieser Move erhöht die Transparenz, liefert zeitnah nützliche Informationen zur Situation im Team, ermöglicht frühzeitig, Probleme aufzuspüren und anzugehen und verhindert, dass Gefühle gären und irgendwann hochkochen.
Auch in unserem Team aus agilen Coaches arbeiten wir seit sieben Jahren selbst jeden Tag mit Moves zur Teamresilienz. Mit diesem Artikel wollten wir einen ersten Einblick geben, was Teamresilienz für uns bedeutet und wie man daran arbeiten kann. In unserem nächsten Artikel "Teamresilienz in der Praxis" wird es dann vor allen Dingen um die Anwendung dieser Grundlagen im Alltag gehen. Für uns sind diese Moves eine der wesentlichen Säulen, um in den agilen Teams, mit denen wir arbeiten, ein ehrliches und belastbares agiles Mind-Set auszubilden.
Quellen
[1] Reivich, K., Shatté, A. (2003): The Resilience Factor. Broadway Books, USA
[2] Informatik Aktuell – Mark Rehberg: Agile Moves: Mit kontinuierlichem Training zur Selbstorganisation in agilen Teams
[3] John Carlin (2008): Der Sieg des Nelson Mandela: Wie aus Feinden Freunde wurden. Herder, Freiburg
[4] Informatik Aktuell – Dr. Wolfgang Brandhuber: Agile Moves: Agilität trainieren
[5] Brandhuber, Wolfgang (2015): Mit welcher Geschwindigkeit wird ihr Management täglich agiler? in: SQ-Magazin, Ausgabe 35