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Anna Löw 04. November 2014

Und wie war ich so? Die Krux mit dem Feedback!

„Feedback is the breakfast of champions.“ Zweifelsohne! Wer sich regelmäßig persönliche Rückmeldung zu Arbeitsleistung und Verhalten einholt, kann auf lange Sicht nur gewinnen, dazulernen und sich an wandelnde Gegebenheiten anpassen. Voraussetzung: Das richtige Feedback, zur richtigen Zeit, von den richtigen Leuten, zum richtigen Thema. Doch wie ist dieser Prozess zu gestalten? Welche Formen von Rückmeldung sind in unserer neuen Arbeitswelt Sinn stiftend und wie kann man sie ausgestalten? Kann Automatisierung eine Lösung darstellen? 

Aufgrund meiner HR-Tätigkeit, konnte ich Erfahrungen mit den diversen Feedbackprozessen sammeln, die im Folgenden zur Diskussion gestellt werden. Desweiten werde ich Erfahrungen aus einem kleinen Experiment zu „continous feedback“ schildern und mögliche Alternativen zu Etabliertem aufzeigen, die insbesondere für kleine Unternehmen, Teams im IT-Umfeld und auch zu remote arbeitenden Kollegen passen können. Als Grundprämisse gehe ich von einem humanistischen Menschenbild der Unternehmen aus, das davon ausgeht, dass Mitarbeiter sich stetig weiterentwickeln wollen und Feedback ein Instrument dazu sein kann. 

Die Eckpfeiler: „Lass mal Kaffee trinken“ vs. „Alle Jahre wieder“

Das Worst-Case-Szenario in einem Unternehmen ohne Feedbackprozess:

Mitarbeiter wünscht sich seit längerem Feedback. Er vereinbart dreimal einen Termin dazu und geht mit seinem Vorgesetzten dann schlussendlich einen Kaffee trinken. Mitarbeiter: Du, ich möchte mal Feedback haben“. Chef: „Wieso, ist doch alles gut.“ Im Folgenden reden alle über das Wetter.

Am anderen Ende der Skala sind die jährlichen Face-2-Face-Mitarbeitergespräche (oftmals in größeren Unternehmen). Hier sei angemerkt: Natürlich gibt es Ausnahmen! Oft spielt sich aber folgendes, zugegebenermaßen überspitztes, Szenario ab:

Führungskraft und Mitarbeiter werden von der Personalabteilung an den Termin erinnert. Beide haben eigentlich keine Lust auf diesen „Pflichttermin“, der nun „schon wieder stattfindet“. Man will ja eigentlich Arbeiten und die Führungskraft kennt den Mitarbeiter sowieso nicht so gut. Die Führungskraft füllt in aller Hektik den Bewertungsbogen (am besten noch mit einer finalen, schulnotenähnlichen Bewertung) aus und überlegt dann im Gespräch, was sie eigentlich sagen will. Entweder erinnert sich die Führungskraft an keine konkreten Beispiele und flüchtet sich in Generalisierungen (bspw. „Du musst noch etwas ordentlicher werden“) oder der Mitarbeiter bekommt die „geballte Ladung“ des Arbeitsjahres in 60 Minuten ab. Der Mitarbeiter, eigentlich nur die Frage nach Gehaltserhöhung und Beförderung im Kopf, konzentriert sich allerdings nicht auf das Gesagte, sondern nur auf die letzten fünf Minuten des Gespräches, in denen das Thema Geld angesprochen wird. Hier kann die  Führungskraft „erst mal nichts machen“ und das Gespräch ist beendet. Nicht ganz. Im Nachgang wird das Gespräch über drei Seiten dokumentiert, in ein System eingepflegt und wieder an HR übermittelt. HR konsolidiert die Ergebnisse und sorgt dafür, dass am Ende eine Gauß’sche Normalverteilung über die Bewertungsergebnisse der Mitarbeiter im Unternehmen vorliegt.“

Warum laufen diese Gespräche häufig so ab und werden ignoriert oder überbürokratisiert, obwohl Mitarbeiter und Vorgesetzter sich gegenseitig schätzen und sich (eigentlich) auch etwas zu sagen haben? Wie viel Prozess ist sinnvoll?

Fakt ist, Feedback – egal in welcher Form – zu geben ist anstrengend. Die Auseinandersetzung mit anderen Menschen erfordert Zeit und die (angemessene) Vermittlung von dem was man sagen möchte, erhöht die Komplexität.

Zudem wird Feedback oft mit Bewertung gleichgesetzt. Je persönlicher die zu vermittelnde Botschaft ist, desto unangenehmer ist das dem Feedbackgeber. Durch die Konzeption eines Feedbackprozesses (Daten sammeln, Kriterien aufstellen etc.), wird versucht, persönliches Feedback zu versachlichen, auf psychologisch fundierte Füße zu stellen und messbar zu machen. Dies ist ein tautologischer Anspruch: Feedback ist immer relativ sowie situations- und personenabhängig. Und vielleicht sollte genau dem auch einmal Rechnung getragen werden. Als These sei in den Raum gestellt: „Vielleicht muss der überfrachtete Anspruch an ein FeedbackSYSTEM reduziert werden, damit gutes Feedback gegeben wird?“

Dies vor Augen, habe ich mit einem Kollegen und verschiedenen (kleinen) Unternehmen das Experiment Letting Knowgestartet.

Wir haben uns gelöst von:  

  • Dem Anspruch der Vergleichbarkeit der Mitarbeiter,
  • Der Idee, einmalig das „große“ Ganze zu betrachten,
  • Der absoluten Vollständigkeit der Bewertungskriterien,
  • Der Idee, das Feedback ausschließlich Chefsache ist,
  • Dem Postulat, dass nur wissenschaftlich evaluierte Fragen zielführend sind.

Unsere Ansprüche an einen Feedbackprozess:

  • Er soll Spaß machen und sich nicht sofort abnutzen,
  • Er soll Informationen zu Tage fördern, die den Mitarbeiter weiterbringen,
  • Er soll diejenigen miteinbeziehen, mit denen man wirklich zusammenarbeitet,
  • Er soll effizient sein und nicht allzu viel Zeit beanspruchen,
  • Er soll die Kommunikation von Wertschätzung und eben auch Kritik erleichtern,
  • Er soll ständig vor Augen führen, dass Feedback auch Aussagen über den Feedbackgeber beinhaltet.

Grundidee von Letting Know:

Jedes Teammitglied beantwortet an einem Tag eine Frage (zu einem bestimmten Themengebiet) über einen Kollegen und gibt diesem direktes, persönliches Feedback. Das Teammitglied erhält die Frage und den Namen des Kollegen von Letting Know per Email (aus Ressourcengründen haben wir keine App gebaut) und antwortet dem Kollegen namentlich direkt (kein Dritter sieht die Antworten). Am nächsten Tag gibt es eine neue Frage und einen neuen Kollegen, jeweils zufällig ausgewählt.

Die Fragen von Letting Know:

Auch im Rahmen von Letting Know soll umfassendes Feedback zu relevanten Themenbereichen ermöglicht werden. Welche das sind (Bsp: MVP, Kommunikation, Team, Fachkenntnisse etc.) kann gemeinsam mit dem Team entschieden werden. Der Aufbau der Fragen ist grundsätzlich gleich: Eine Skalenfrage ermöglicht eine kurze, prägnante Antwort. Eine, auf diese Skalenfrage aufbauende, Ergänzungsfrage (systemisch) ermöglicht Kommentare im Freitextformat, regt zum Nachdenken an und lenkt vom ewigen „was ist gut, was läuft schlecht“ weg.

Einige Beispiele:

Kategorie Skalenfrage Freitextfrage
Kommunikation X argumentiert und überzeugt (1-4). Beschreibe die Strategie, mit der X Inuits einen Kühlschrank verkauft.
Kollegialität X behandelt Kollegen auch in kritischen Situationen respektvoll (1-4). Was macht respektvolles Verhalten fu?r Dich aus?
Innovation X sucht und nutzt Möglichkeiten Neues auszuprobieren. (1-4) Wenn Du X einen Vorschlag machen könntest, was er / sie Neues ausprobieren könnte, was wäre das?
Spaß Welches Buch sollte X als nächstes Lesen? Warum?

Und was kam nun dabei raus? Wie ging es den Teilnehmern von Letting Know?

Kurz gefasst: Die Teilnehmer haben bei diesem einwöchigen, doch noch sehr rudimentären Experiment durchwegs gute Erfahrungen geschildert. Mit allen Teilnehmern wurde im Vorfeld gesprochen und es erfolgte eine eingehende Sensibilisierung und Erläuterung der Gründe. Im Ergebnis zusammengefasst:

Einheitliche Aussagen der insgesamt 20 Teilnehmer:

  • Es hat Spaß gemacht.
  • Niemand hat das Experiment abgebrochen.
  • Die Teilnehmer haben durchweg erst die Fragen beantwortet und dann das eigene Feedback gelesen.
  • Alle Teilnehmer fanden es gut, dass der Feedbackgeber bekannt ist.
  • Es ist gut, von verschiedenen Menschen Feedback zu erhalten. So bekommt man ein gesammeltes Bild.

Unterschiedliches Feedback zum Feedback gab es zu folgenden Bereichen:

  • Die Dauer der Beantwortung der Fragen hat unterschiedlich lange gedauert. Von fünf Minuten bis zu einer Stunde.
  • Die Textlänge variierte von einem Satz bis zu einer Länge von einer Seite.
  • Teilweise waren die Fragen zu kompliziert formuliert.
  • Verschiedene Meinungen darüber, ob nur der andere Kollege oder auch eine neutrale Instanz die Antworten lesen soll.

Für uns als Team ergaben sich u.a. folgende Learnings:

  • Feedback kann Spaß machen!
  • Es ist unerlässlich, dass Feedback nur um des Feedback Willens gegeben wird und nicht als Voraussetzung für Beförderungen etc. gesehen wird.
  • Es bleibt auch in diesem Rahmen anstrengend, aber der Kollege wertet es als „Geschenk“, wenn man sich über den anderen Gedanken macht.
  • Professionelles, nachhaltiges Feedback ist erklärungsbedürftig.
  • Alle müssen dem Prozess zustimmen und von Anfang an involviert sein.
  • Im Zuge der Wahrnehmung gilt ganz klar: Der Empfänger bestimmt, was gesagt wird.
  • Im nächsten Schritt muss eine gute technische Methode zur Umsetzung gefunden werden, auch inkl. Features wie z.B.
     - Wir müssen sofort sprechen,
     - Frage ablehnen,
     - Zeitliche Terminierung ermöglichen.

Fast alle Teilnehmer haben auf das Feedback, das sie erhalten haben, geantwortet. Sei es per Mail oder persönlich. Auch wenn dies eigentlich den „klassischen Feedbackregeln“ widerspricht, zeigt es doch, dass Feedback nie eine Einbahnstraße ist und gegebenes Feedback auch große Aussagen über den Feedbackgeber macht. Das soll der Empfänger immer wissen können. In fast jeder Arbeitsbeziehung gibt es ungesagte Wahrheiten. Wenn diese zu Konflikten führen, kann Feedback immer nur die Vorstufe zu einer persönlichen, konstruktiven Lösungsfindung sein. Wirklichen Konflikten kann sowieso nur auf letztere Art begegnet werden. Für die persönliche Weiterentwicklung kann die Meinung vieler und die Möglichkeit sich auszutauschen nur konstruktiv sein.

Sicher, wir haben das Experiment im Startup-Umfeld durchgeführt. Doch wir können uns gut vorstellen, die Methode auch für größere Unternehmen, auch als Angebot für die Vorgesetzen anzubieten. Sie erhalten die Fragen für die einzelnen Mitarbeiter häppchenweise und können so qualitativ hochwertigeres Feedback anbieten. 

Der oben beschriebene Sachverhalt der anstrengenden und vielleicht nicht mehr zeitgemäßen Feedbackprozesse hat einige Anbieter von Systemen dazu bewegt, kleine alternative Lösungen anzubieten. Exemplarisch sei hier Small Improvements [1] genannt.Der Trend zu kleinen, kontinuierlichen Feedbackzyklen ist definitiv abzusehen und ermöglicht es, diese letztendlich auch für Unternehmen, in denen bis dato kein Prozess existiert, einzuführen.

Quellen

[1] Small Improvements

Autorin

Anna Löw

Anna Löw arbeitet als Operations Manager bei Giant Swarm und beschäftigt sich mit modernen Arbeitsformen und Organisationsentwicklung. Zudem ist Sie als systemischer Coach und Mediator tätig.
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