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Andreas Slogar 17. Januar 2017

Wie agile Unternehmen agile Kennzahlenmodelle nutzen

Unternehmen treffen immer öfter die Entscheidung, sich von der klassisch hierarchischen Organisationsform zu trennen. Darin sehen sie die Antwort auf immer weiter ansteigende Komplexität im Wirtschaftsumfeld. Das agile Arbeiten und selbstorganisierende Teams sollen die Wettbewerbsfähigkeit und damit das Überleben des Unternehmens sichern. Um die Entwicklung des Unternehmens und seinen Leistungszustand zu steuern, benötigen auch agile Unternehmen Kennzahlen, die als unmittelbare Entscheidungsgrundlage genutzt werden. Ein agiles Modell für ein dynamisches Performance-Management aus der Welt der Systemanalyse und der mathematischen Biophysik kann hier helfen.

Ja, es ist richtig! Das Image von Kennzahlen und Kennzahlenmodellen könnte kaum schlechter sein. Nur wenigen Zeitgenossen zaubern diese Worte ein Lächeln ins Gesicht. Die Ursachen sind vielschichtig. Der Hauptgrund liegt aus meiner Erfahrung darin, dass Kennzahlen für ein Unternehmen zwar von elementarer Bedeutung sind; die Einführung und Nutzung dieser allerdings derart viele Fallstricke aufweist, dass man mit ihnen mehr Frustration als Nutzen stiften kann.

Wie elementar und sogar existenziell Kennzahlen sind, weiß jeder, der einmal seinen Hausarzt besucht hat und bei dem eine Analyse der Blutwerte zur Gesundheitsvorsorge veranlasst wurde. Ohne Blutwerte – faktisch eine Teilmenge diverser medizinischer Kennzahlen – die den Vitalzustand des menschlichen Organismus beschreiben, sind fundierte Aussagen der wissenschaftlichen Medizin zum Gesundheitszustand so gut wie ausgeschlossen. Wenn wir diese Aussage als Analogie nutzen und auf ein Unternehmen übertragen, so können wir einen Manager oder das Managementteam als Ärzte verstehen und das Unternehmen als Organismus.

Wie will ein Manager den Vitalzustand des Unternehmens – hier als komplexer Organismus betrachtet – feststellen können, wenn er keine, falsche oder veraltete Kennzahlen nutzt? In der Medizin sind die zu erwartenden Auswirkungen leicht vorstellbar und niemand würde unzuverlässige Kennzahlen als Grundlage einer Diagnose tolerieren.

In der Wirtschaft werden Notwendigkeit und Relevanz von Kennzahlen und Kennzahlensystemen dennoch kontrovers diskutiert. Der Grund hierfür ist oft, dass die allgemein verbreiteten Vorgehensweisen und Methoden zur Ermittlung von Kennzahlen, ihr Aufbau und ihre Anwendung ausgesprochen aufwändig sind. Ein Abschaffen von Kennzahlenmodellen ist jedoch keine Alternative. Derartige Empfehlungen oder Überlegungen sind ausgesprochen riskant.

Wie soll ein Manager beispielsweise feststellen können, wie es um die finanzielle Situation des Unternehmens steht, wenn nicht über Kennzahlen? Der Kontostand bei der Hausbank ist als simple und nützliche Kennzahl sicher unstrittig.

Gerade im Zuge der sich immer weiter durchsetzenden "Agilisierung" aller Wirtschaftszweige und der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle werden Kennzahlen in ihrer Bedeutung als Werkzeug zur Unternehmenssteuerung noch relevanter.

Spezielle agile Methoden, wie beispielsweise Scrum, arbeiten mit sogenannten Burndown Charts. Diese geben täglich Auskunft über den Arbeitsfortschritt und Fertigstellungsgrad eines Sprint-Teams. Die Nutzung von Kennzahlen ist hier integrierter Bestandteil agiler Arbeitsorganisation. Darüber behalten die Mitarbeiter eines Sprint -Teams den Überblick über ihre eigene Produktivität und können damit jederzeit selbständig feststellen, ob sie den geplanten Leistungsumfang erreichen.

Wie können Unternehmen den Vitalzustand bzw. die Produktivität ihres Unternehmens ebenso unmittelbar und auch zuverlässig an Kennzahlen erkennen und Entscheidungen fällen, wenn alle bisher gemachten Erfahrungen mit Kennzahlen das genaue Gegenteil von agil oder lean zu sein scheinen?

Wer jetzt damit beginnt, Kennzahlen aufzulisten, die ihm noch aus dem Studium einfallen und die allgemein als notwendig erachtet werden, dem droht schon der erste Fehler. Denn Kennzahlen wie Liquidität, Fluktuationsrate, Altersdurchschnitt der Mitarbeiter, Umsatz je Produkt oder Produktkategorie u. ä. isoliert zu sammeln und regelmäßig zu veröffentlichen schafft Datengräber ohne jeden Erkenntnisgewinn.

Der erste und kritischste Schritt liegt darin, genau diejenigen Fragestellungen zu identifizieren, die für das jeweilige/eigene Unternehmen, sein Überleben und seine Fortentwicklung relevant sind. Kennzahlen stellen die Antworten auf die Fragen der Unternehmenssteuerung dar. Auch wenn diese Herangehensweise trivial erscheint, steckt hierin tatsächlich ein Kernproblem, das dazu führt, dass Kennzahlen ein so tristes und bedauernswertes Dasein fristen.

Gerade für agil arbeitende Unternehmen sind – nach Patrick Hoverstadt [1] und Stafford Beer [2] – die folgenden Themenbereiche, zu denen Kennzahlen benötigt werden, ausgesprochen kritisch aber auch besonders wertvoll:

  • der Vitalitätsstand des Unternehmens (Actuality – Capability – Potentiality), die Effizienz des Unternehmens (Operational Performance),
  • die Effizienz des Unternehmens (Operational Performance),
  • das Entwicklungspotential und die Innovationskraft im Vergleich zur Marktentwicklung (Latent Performance) und
  • die Wirksamkeit des eigenen Managements (Organisational Performance)

Diese Themengebiete beinhalten alle Detailaussagen die notwendig sind, um das Fortbestehen und die Zukunftssicherheit des Unternehmens einschätzen und unmittelbar und agil steuern zu können. Wie sehen diese Details aus? Welche Schlüsse lassen sich aus ihnen ziehen?

Beginnen wir mit der Vitalität des Unternehmens und hierbei dem ersten Element, dem Grad und der Qualität der Produktivität (Actuality). Dieser Bereich ist auch direkt mit dem vorgenannten Anwendungsproblem verbunden und verdeutlicht die verbreiteten Fehler im Umgang mit Kennzahlen. Denn es geht darum, festzustellen, wie die gegenwärtige Leistungsfähigkeit des Unternehmens und das seiner Organisationseinheiten und Teams im Vergleich zu den dynamischen Anforderungen der (wirtschaftlichen) Umwelt, z. B. der Kunden und Auftraggeber, entwickelt ist und ob sie sich auf dem vereinbarten oder erwarteten Niveau bewegt.

Aussagekräftige Werte sind hier u. a. Liefer- und Produktionszeiten im Vergleich zu getroffenen Leistungszusagen oder Qualitätsmängel pro tausend produzierte Einheiten, Kundenbeschwerden im zeitlichen Verlauf ihrer Bearbeitung, Reaktionszeiten von Service-Teams im Vergleich zu den vereinbarten Services und Ähnliches. Dabei ist nicht das Erreichen vorgegebener Zielwerte primär relevant, sondern die emergente Erfassung der Werte und die Betrachtung der aufgetretenen Bandbereiten und Abweichungen (Min-Max-Durchschnitt).

Im Umgang und der Einordnung der Werte liegt ein wesentliches Merkmal erfolgreicher, agiler Anwendung und Nutzung von Kennzahlen: Eine Organisation, die sich darauf konzentriert, vorgegebene Zielwerte der definierten Kennzahlen zu erreichen, wird sich exakt auf die Erreichung dieser Vorgaben fixieren. Nicht selten sind variable Gehaltsbestandteile von derartigen Vorgaben abhängig. Es ist leicht absehbar, in welche Richtung die Energie, die Aufmerksamkeit, die Kreativität und der Ehrgeiz der Mitarbeiter investiert wird. Was letztlich einer der Gründe ist, warum Kennzahlenmessungen sehr häufig so angepasst werden, dass die Ergebnisse den Vorgaben entsprechen.

Da Managern diese Wechselwirkung bewusst ist, trauen sie den vorgelegten Zahlen oftmals nicht. Sie wissen, dass die Kennzahlen nicht Abbild der tatsächlichen Unternehmensrealität sind. Warum werden derartige Zahlen dann überhaupt erhoben und diese Vorgaben mit ihnen verbunden? Tradition? Gedankenlosigkeit oder schlichte Ratlosigkeit?

In einem auf kontinuierliches Lernen und Verbessern ausgerichteten Unternehmen sollte gerade der Nutzen zur Unternehmenssteuerung durch Kennzahlenvergleiche betrachtet werden. Hierfür sind aus Kennzahlen gebildete Indexe wertvoll. Erst die Analyse einer Abweichung vom Normwert enthält wertvolle Informationen für die Definition wirksamer Maßnahmen und das Treffen notwendiger Entscheidungen.

Schließlich bestätigt der Normwert lediglich, dass die Leistungsfähigkeit der Organisation und des von ihr angewendeten Prozesses den Anforderungen entspricht. Die Abweichungen aber geben Aufschluss darüber, was nicht dem entsprechend durchgeführt werden konnte und was zur Verbesserung hier potentiell getan werden kann. Der Schatz, der in den Abweichungen zu finden ist, kann damit gehoben und genutzt werden.

Abweichungen ermöglichen es überhaupt erst, nach Ursachen zu suchen. Wohlgemerkt nach Ursachen, die wertvolle Erkenntnisse liefern, nicht nach Schuldigen! Dieses Denkmodell lässt sich auf alle Bereiche eines Unternehmens übertragen. Auf das Controlling ebenso wie auf den Bereich des Personalmanagements, des Produktmanagements und sogar auf die eigene IT.

Das zweite Element befasst sich mit der möglichen Leistungsfähigkeit und bestehenden Kompetenz (Capability) des Unternehmens. Hierbei geht es darum, zu verfolgen, inwiefern die bestehenden Kapazitäten und Ressourcen in bestmöglicher Weise den  Organisationseinheiten zur Verfügung gestellt und von diesen genutzt werden. Je besser es den Teams in der Organisation und ihren Managementfunktionen gelingt, den Einsatz der Mitarbeiter, der verfügbaren Ressourcen und die daraus entstehenden Kosten im Überblick zu behalten, Verschwendung zu vermeiden, Engpässe aufzulösen oder diese vorausschauend zu verhindern, konkurrierende Anforderungen unterschiedlicher Organisationseinheiten auszugleichen und den Nutzungsgrad der verfügbaren Kapazitäten optimal auszuschöpfen, umso höher wird der entsprechende Wert für die Leistungsfähigkeit (Capability) ausfallen.

Dementsprechend lässt sich hieraus die Güte des Zusammenspiels zwischen operativen Einheiten, unterstützenden Funktionen und operativem Management ablesen. Abweichungen geben Aufschluss darüber, was die Organisation theoretisch zu leisten im Stande sein müsste und was sie tatsächlich an Leistungsfähigkeit nutzen kann (Actuality <> Capability).

Wenn die Erhebung von Kennzahlen viel Zeit in Anspruch nimmt, dann sind sie wertlos, sobald sie vorliegen.

Wichtig an dieser Stelle ist, dass es nicht darum gehen darf, einen Index von 100 Prozent, beispielsweise bei der Auslastung der Produktionskapazitäten, zu erreichen. Denn dies würde bedeuten, dass die Auslastung ungesund hoch ist und früher oder später zum Zusammenbruch oder zum Ausfall von Mitarbeitern und Infrastruktur führen wird. Ein sinnvolles Gleichgewicht und eine gewissenhafte Berechnung oder zumindest wiederholte Schätzung der erwarteten oder notwendigen Leistungsfähigkeit ist hier entscheidend. Mögliche Abweichungen zwischen der theoretisch möglichen und der tatsächlich erbrachten Leistungsfähigkeit können beispielsweise in der mangelhaften Kommunikation zwischen unterschiedlichen Teams und Organisationseinheiten zu finden sein. Oder die Personalplanung der Personalabteilung war in ihrer Abstimmung mit den produzierenden Organisationseinheiten fehlerhaft oder sie wurde von diesen unzureichend umgesetzt.

Wesentlich ist, dass diese Kennzahlen und Vergleichswerte so einfach erfasst und erhoben werden, dass sie, wenn nötig, täglich ausgewertet werden können. Wenn die Erhebung von Kennzahlen mehrere Tage oder Wochen in Anspruch nimmt, dann sind die Zahlen wertlos, sobald sie vorliegen. Eine Momentaufnahme eines längst veralteten Zustandes ist überflüssig.

Das letzte Element in diesem Dreiklang beschreibt das zukünftig notwendige, aber noch zu entwickelnde Leistungspotential des Unternehmens (Potentiality). Dabei geht es um Verbesserungsmöglichkeiten der bestehenden Arbeitsweisen, die die Effizienz weiter steigern könnten, aber auch um die aktuell noch fehlenden und völlig neu aufzubauenden Fähigkeiten für die Sicherstellung der zukünftigen Leistungsfähigkeit.

Zusammengefasst beschreiben die drei Werte also

  • wie leistungsfähig das Unternehmen aktuell ist (Actuality),
  • in welchem Umfang und wie professionell und wohlkoordiniert diese Leistungsfähigkeit genutzt wird (Capability)
  • welches noch ungenutzte Leistungspotential durch Verbesserungen erschlossen werden könnte oder durch Weiterentwicklungen und Veränderungen zukünftig benötigt wird (Potentiality).

Die bisher beschriebenen Themenbereiche konzentrieren sich auf den aktuell zu beobachtenden und zukünftig benötigten Leistungszustand des Unternehmens. Nennen wir diese Perspektiven "Intern & Gegenwart" ("Insight & Now") und "Extern & Zukunft" ("Outside & Future") [2].

Die Entwicklungspotentiale der Zukunft oder auch Entwicklungsmöglichkeiten und Innovationskraft (Latent Performance) werden mit der Marktentwicklung verglichen und ebenso konsequent ermittelt, wie die vorangegangenen Themenbereiche. Es geht hier also darum, festzustellen, in wie weit der bestehende Entwicklungsstand des Unternehmens von dem zukünftig am Markt benötigten abweicht. Das Entwicklungspotential beschreibt also, wie gut das gesamte Unternehmen in der Lage ist, auf auftretende (Markt-)Risiken und Einflüsse zu reagieren, oder schlicht seine Zukunft aktiv und agil zu gestalten. Hier ist als Funktion vor allem das Business Development Management (BDM) gefordert, Marktentwicklungen zu analysieren, neue Märkte und Kundenbedürfnisse zu antizipieren, zu wecken oder zu entwickeln.

Darüber werden vor allem die Entwicklungsmöglichkeiten des Unternehmens gesteigert. Ist ein Unternehmen aktuell beispielsweise in der Lage, 100 Einheiten eines Produktes je Zeitintervall herzustellen und findet das BDM eine Lösung, diese Produktivität durch Prozessverbesserungen oder neue Technologien auf 120 Einheiten zu erhöhen, so wurde die Entwicklungsmöglichkeit des Unternehmens erst erhöht und anschließend genutzt. Ebenso kann der Aufbau einer neuen Geschäftseinheit oder die Entwicklung eines digitalen Geschäftsmodells einen neuen oder zusätzlichen Markt adressieren und damit Umsatzquellen erschließen, welche die vorhandenen erweitern oder absichern. Gerade die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle ist ein gutes Beispiel dafür, wie relevant es ist, aktuelle Kennzahlen zu nutzen, um wirksam und unmittelbar auf Marktentwicklungen reagieren zu können.

Erfahrungsgemäß werden in vielen Management-Diskussionen eher Überzeugungen debattiert als Fakten analysiert.

Wenn Entwicklungsmöglichkeiten identifiziert, aber nicht genutzt werden (können), so handelt es sich um die sogenannte Latent Performance, zu deutsch ungenutzte Leistungsfähigkeit. Diese stellt den Gegenpol zur vorher beschriebenen Operational Performance (und der darin enthaltenen Capability), d. h. der bestehenden Leitungsfähigkeit des Unternehmens, dar. Während Operational Performance, worunter die Effizienz des Unternehmens zu verstehen ist, die Lücke zwischen der theoretisch möglichen und der tatsächlichen Leistungsfähigkeit beschreibt, beschreibt Latent Performance die Lücke zwischen der heute bestehenden und der zukünftig möglichen oder notwendigen Leistungsfähigkeit des Unternehmens, die geschlossen werden muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben und zu überleben.

Aus dieser Spannung zwischen beiden ergibt sich der Index für die sogenannte strategische Lücke (Strategic Gap <link management-und-recht/projektmanagement/wie-agile-unternehmen-agile-kennzahlenmodelle-nutzen.html#c19589 - internal-link "Interner Link">[1]</link>) oder strategische Abweichung, auf die sich ein Unternehmen hinsichtlich seiner Entwicklung konzentrieren muss. Diese Lücke identifizieren und beschreiben zu können, ist deswegen so wichtig, weil die Entwicklung der Zukunft vorherzusagen ein sehr ungewisses Metier ist.

In (Management-)Diskussionen über die Zukunft eines Unternehmens und darüber, welche Richtung strategisch eingeschlagen werden muss, werden die meisten schöngeistigen, unkonkreten und zeitfressenden Aktionen in einem Unternehmen ausgelöst, die nur zu oft wertvollste Ressourcen ohne konkretes Ergebnis binden. Erfahrungsgemäß werden in diesen Diskussionen eher Überzeugungen debattiert als Fakten analysiert, die zu gemeinsamen und kooperativen strategischen Entscheidungen führen.

Wir befinden uns damit bereits mitten in dem Themenbereich, in dem die Leistungsfähigkeit und der Wertbeitrag des Unternehmensmanagements sichtbar und messbar werden. Im Verhältnis zwischen der Latent Performance und der Operational Performance, also im Verhältnis von aktuell ungenutzter und zukünftig notwendiger Leistungsfähigkeit zur gegenwärtigen Effizienz des Unternehmens, wird erkennbar, wie ausgeprägt die Fähigkeit der einzelnen Organisationseinheiten des Unternehmens ist, die strategische Lücke (Strategic Gap) zu schließen. So kann also mit dem erarbeiteten Index die Wirksamkeit des Managements (Organisational Performance) eines Unternehmens gemessen werden. Damit ist dieser letztlich der zentrale Gradmesser für die tatsächliche Agilität oder Anpassungsfähigkeit eines Unternehmens an die dynamischen Anforderungen der Umwelt.

Sind erst die Anforderungen an die zukünftige Leistungsentwicklung identifiziert, um die Zukunftssicherheit des Unternehmens zu gewährleisten, so ist es nun nötig, diese in erweiterte Leistungsfähigkeiten (Capabilities) zu überführen und zu realisieren. Nur so kann das aktuelle Leistungsniveau (Actuality) angehoben werden. Daran ist letztlich erkennbar, ob die strategische Lücke wirklich geschlossen wurde oder wie groß die Abweichung ist und wie lange diese Abweichung bestehen bleibt.

Managementteams, die mit großartigen Plänen und Vorhersagen auftreten und damit die strategische Lücke öffnen oder erweitern, steigern zunächst die Differenz zur Latent Performance. Das ist sicher notwendig und richtig. Die Leistungsfähigkeit des Managements ist aber daran zu erkennen, inwiefern es in der Lage ist, die Maßnahmen zur Steigerung und Weiterentwicklung der Leistungsfähigkeit des Unternehmens auch tatsächlich umzusetzen und damit die strategische Lücke wieder zu schließen. Nur so kann die gesamte Organisation auf ein höheres Leistungsniveau angehoben werden, um die bereits betonte Zukunfts- und Überlebensfähigkeit sicherzustellen.

Dieser Index versachlicht letztlich vielerlei schöngeistige Debatten darüber, ob und inwiefern ein Unternehmen schon oder immer noch agil oder lean ist oder doch nur schöne Pläne schmiedet und die Organisation letztlich damit permanent in einer kritischen Überlastsituation gehalten wird.

In derartigen Unternehmen werden traditionell bei Misslingen strategischer Projekte oder operativer Arbeiten, Schuldige auf dem weiten Feld der hierarchischen Organigramme gesucht oder ein weiteres gescheitertes Veränderungsprogramm (Change Management) verzeichnet, das am Widerstand der Mitarbeiter zerbrochen ist. Und eben bei diesem Phänomen kann das hier beschriebene Denkmodell einen weiteren wertvollen Beitrag leisten. Wenn all diese Werte den Mitarbeitern uneingeschränkt zur Verfügung gestellt werden, kann die Belegschaft selbst nachvollziehen, wo das Unternehmens steht, welche Entwicklung als Nächste notwendig ist, um im Wettbewerb zu bestehen und an welcher Stelle im Unternehmen diese Entwicklung ansetzen kann oder muss. 

Jeder Manager und jeder Mitarbeiter kann sich nunmehr als Arzt seines Unternehmens verstehen und kontinuierlich mit aktuellen und aussagekräftigen Kennzahlensystemen, agil, konsequent und verantwortungsbewusst auf die Gesundheit seines "Organisationsorganismus" achten. So können mit relevanten, aktuellen und korrekten Kennzahlen und den Abweichungen davon die richtigen Schlüsse über die notwendigen Maßnahmen zum Erhalt der bestehenden Agilität oder zur agilen Weiterentwicklung des Unternehmens gezogen werden. Und sogar einem möglichen Veränderungswiderstand unter den Mitarbeitern kann hierdurch vorgebeugt werden, da diese ehrlich und umfassend über den Gesundheitszustand ihres Unternehmens informiert sind.

Kennzahlen sind auch oder vor allem für agil tätige Unternehmen von außerordentlicher Bedeutung. Sie sind darauf angewiesen, Faktoren sofort zu erkennen, die eine Anpassung an externe oder interne Einflussfaktoren notwendig machen. Früher als der Wettbewerber dies kann. Dem Markt immer mindestens einen Schritt voraus zu sein, stellt die Stärke und den Überlebensvorteil eines agilen Unternehmens dar. Kennzahlen entsprechend in den agilen Arbeitsablauf zu integrieren, ist ein wesentlicher Faktor für den Erhalt des Unternehmens.

Quellen
  1. P. Hoverstadt, 2008: The Fractal Organisation, Wiley
  2. S. Beer, 1995: Diagnosing the System for Organizations (Classic Beer), Wiley

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