Working Out Loud und Agil – Mehr als nur Buzzwords!
Wie Working Out Loud und Agilität unsere Arbeit bereichern können
Heute soll es um zwei Konzepte gehen, die oft als Buzzwords auftauchen, und die wir deshalb in diesem Artikel näher betrachten wollen: Agilität und Working Out Loud – kurz WOL. Vielleicht hat der eine oder die andere schon einmal von dem Begriff WOL gehört, kann sich aber noch nicht so richtig etwas darunter vorstellen, außer "Lautes Arbeiten". Dass es eben nicht wörtlich gemeint, sondern eher in einem übertragenen Sinne zu sehen ist, werde ich in diesem Artikel zeigen, und ebenso, wie eng WOL auch in Verbindung zu agilen Praktiken steht.
Wofür Agilität?
Das Agile Manifest feiert in diesem Jahr 20-jähriges Jubiläum und was gibt es für einen passenderen Anlass, um noch einmal die Frage aufzuwerfen, wofür Agilität eigentlich gut sein soll? Gerade in den letzten Jahren verändern sich die Rahmenbedingungen, unter denen wir arbeiten, rapide. Dafür gibt es auch einen Begriff und zwar das Akronym "VUKA" (im englischen Original "VUCA"). Die einzelnen Buchstaben stehen für die Begriffe Volatility (Unbeständigkeit), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit) und beschreiben damit eben genau das Umfeld, in dem wir uns heutzutage mit unserer Arbeit bewegen. Wir können nicht mehr alles hundertprozentig im Voraus planen, weil Veränderungen manchmal unvorhersehbar und schnell passieren, und weil sich manche Situationen als zu komplex und mehrdeutig erweisen, als dass wir sie überblicken könnten. Um unter solchen Bedingungen handlungsfähig zu bleiben, müssen wir schnell und flexibel auf Veränderungen reagieren können – wir müssen agil denken und handeln.
Und es geht auch nicht nur darum, einfach passiv zu reagieren, sondern aktiv und vorausschauend zu agieren. Deshalb bedeutet "agil" auch nicht gleich "planlos", wie viele fälschlicherweise annehmen, sondern flexibel zu sein, aber trotzdem einen guten Überblick zu haben. Da eignen sich agile Frameworks mit ihren schnellen Feedbackzyklen und Iterationen, um früh erste Ergebnisse zu sehen und zu erkennen, in welche Richtung es geht, damit man gegebenenfalls nachjustieren kann.
Für die meisten Menschen, die in der IT arbeiten, sind diese Ansätze, Arbeitsweisen und Frameworks nicht unbekannt. Trotzdem haben viele Schwierigkeiten damit, Agilität wirklich umzusetzen und zu leben. Eine Möglichkeit, agiles Denken und Handeln zu fördern, kann Working Out Loud sein. Aber was ist das eigentlich, dieses WOL?
Woher kommt Working Out Loud?
Ein Name, der unweigerlich mit Working Out Loud verknüpft ist, ist John Stepper. Er entwickelte das Konzept über mehrere Jahre hinweg, nachdem er selbst es anhand seiner eigenen Erfahrungen erprobt und verfeinert hatte. Der Anlass war kein schöner: Stepper arbeitete als Manager in einer Bank und war aufgrund von Umstrukturierungen gezwungen, für sich innerhalb des Unternehmens eine neue Rolle zu finden. Wer schon einmal eine Agile Transformation miterlebt hat, kann sicherlich nachvollziehen, wie es ihm dabei ging. Er hatte das Gefühl, dass er die Kontrolle verloren hatte, was ihm im ersten Moment Angst machte. Doch er ließ sich davon nicht lange blockieren und wurde aktiv, genau wie 2001 die Gruppe der Programmierer, als sie das Agile Manifest formulierten, weil sie nicht mehr passiv den Umständen ausgeliefert sein wollten. Stepper begann zu bloggen und seine Arbeit sichtbar zu machen. Zusätzlich besuchte er einen Kurs zum Thema "Netzwerken", durch den er dazu inspiriert wurde, sich mit Menschen aus seinem Umfeld zu vernetzen, denen es ähnlich ging, und sich über ihre Erfahrungen auszutauschen. So baute er in kurzer Zeit ein stabiles und nachhaltiges Netzwerk auf, das ihn dann auffing, als er schließlich gekündigt wurde.
Die Idee zum Namen "Working Out Loud" kam John Stepper durch einen Blogartikel von Bryce Williams aus dem Jahr 2010 mit dem Titel "When will we start to Work Out Loud? Soon!". Die Kernaussage des Artikels: "Mach deine Arbeit sichtbar, aber "erzähle" sie auch!" Ganz im Sinn vom aktuellen Trend "Storytelling" geht es darum, nicht nur wahllos alles rauszufeuern, sondern konstruktiv und gezielt sichtbar zu werden, indem man das Erzählte in einen sinnvollen Kontext setzt. Unser Gehirn liebt Geschichten und versucht immer bei Allem, was es an Input erhält, eine sinnvolle Geschichte daraus zu konstruieren.
Um Geschichten geht es auch in seinem Buch, das John Stepper 2015 herausbrachte und das 2020 in einer aktualisierten Neuauflage erschien [1]. Im Buch finden sich neben Steppers eigener Geschichte auch inspirierende Geschichten von anderen Menschen, die ihre Arbeit auf konstruktive Weise sichtbar gemacht haben und dadurch ihr Netzwerk auf nachhaltige Weise erweitert haben. Außerdem enthält jedes Kapitel konkrete Übungen, mit denen man selbst sichtbarer werden und sein Netzwerk ganz natürlich aufbauen kann. Diese Übungen hat John Stepper dann schließlich noch verfeinert, erweitert und daraus die WOL Circle Guides entwickelt, die ein wichtiger Bestandteil des WOL-Programms sind [2].
Seitdem setzt er sich dafür ein, die Methode Working Out Loud bekannt zu machen und in Unternehmen zu tragen, damit auch andere Menschen lernen können, sichtbar zu werden und nachhaltige Netzwerke aufzubauen. Inzwischen nutzen Menschen in über 60 Ländern und zahlreichen Unternehmen wie Daimler, Vodafone oder Bayer WOL. Als "Keimzelle" für Working Out Loud in Deutschland kann hier auch Bosch genannt werden, wo WOL anfangs durch Katharina Krentz als Graswurzelinitiative gestartet wurde und inzwischen im ganzen Unternehmen in vielen Bereichen genutzt und aktiv unterstützt wird. Aber nicht nur in Unternehmen, sondern auch privat sind viele Menschen in WOL Circles unterwegs, um gemeinsam ihre Ziele voranzutreiben.
Warum Working Out Loud?
Aber warum ist WOL eigentlich so beliebt, und warum sind so viele Menschen, darunter auch viele Personalverantwortliche in Unternehmen, davon überzeugt, dass es so gut ist? John Stepper und viele Menschen aus der WOL-Community beschreiben im Buch und in zahlreichen Blogs und Interviews, wie sich durch WOL ihr Mindset veränderte und sie lernten, aktiv statt passiv zu sein. Ganz im Sinne des Scrum-Wertes "Commitment" fingen sie an, Verantwortung zu übernehmen. Das wird bei WOL auch begünstigt dadurch, dass Hierarchien aufgebrochen werden. In den Circles und in der Community tauschen sich Menschen mit verschiedensten Hintergründen aus, vom Solo-Selbständigen bis hin zum CTO. Es herrscht eine Kultur der Wertschätzung, wie sie auch im Rahmen von Scrum kultiviert wird, wenn man den Scrum-Wert "Respekt" lebt. Das schafft Vertrauen und sorgt für eine lebendige Lernkultur, in der Fehler als Gelegenheit zum Lernen angesehen werden. Und Lernen und Wissensaustausch sind in dem VUKA-Umfeld, in dem wir uns bewegen, sehr wichtig, damit wir besser auf Veränderungen reagieren können. Auch ein nachhaltiges Netzwerk ist sehr hilfreich vor dem VUKA-Hintergrund, denn wir können nicht immer alles wissen, wenn es ständig Neuerungen und Unwägbarkeiten gibt.
WOL als Booster für unsere Soft Skills
Laut einer LinkedIn-Studie waren die gefragtesten Soft Skills im Jahr 2020 Kreativität, Überzeugungskraft, Kollaboration, Anpassungsfähigkeit und Emotionale Intelligenz. Alle diese Soft Skills können wir mithilfe von WOL üben und stärken.
- Kreativität: Phasen der Kreativität sind gerade in der Wissensarbeit wichtig, um neue Ideen und Lösungen zu entwickeln. Am besten können wir kreativ sein, wenn wir keine Angst vor Fehlern haben. In einem WOL-Circle können wir uns in kleinem und geschützten Rahmen ausprobieren und lernen, dass Fehler zum Kreativitäts- und Lernprozess dazugehören.
- Überzeugungskraft: Es geht bei Working Out Loud nicht darum, Überzeugung und Einfluss im Sinne von Macht zu haben, sondern Einfluss im positiven Sinne, eher wie ein Influencer. Wenn wir sichtbar sind und mit Menschen in einer stabilen und nachhaltigen Beziehung stehen, brauchen wir keine großen Überredungskünste, sondern die Zusammenarbeit geht ganz natürlich vonstatten. Wir können unsere Ideen und unsere Arbeit besser in die Welt tragen und sie finden besser Gehör, als wenn wir sie jemandem durch Überreden aufdrücken.
- Kollaboration: Gerade heutzutage, in Zeiten ständiger Veränderung, sind wir aufeinander angewiesen. Wir teilen unser Wissen und unsere Erfahrungen, und dadurch kommen wir am Ende gemeinsam voran. Genau das passiert auch im WOL-Programm. Dort können wir erst einmal in einem kleinen, geschützten Rahmen üben, unser Wissen zu teilen, und dann die erlernten Fähigkeiten auch nach außen tragen und im Team und anderswo nutzen.
- Anpassungsfähigkeit: Dieser Soft Skill hängt eng mit den anderen Punkten und mit dem VUKA-Prinzip zusammen, denn alle anderen genannten Soft Skills tragen dazu bei, dass wir anpassungsfähig sind und besser auf Veränderungen reagieren – sprich: agil handeln – können.
- Emotionale Intelligenz: Gerade in unserer heutigen, vernetzten Welt ist emotionale Intelligenz unabdingbar. Die strikte Arbeitsteilung der Industrialisierung ist stark zurückgegangen. Besonders in der Wissensarbeit arbeiten wir viel und eng mit anderen zusammen, gerade auch in agilen Settings. Im WOL-Programm bekommen wir die Gelegenheit, in kleinem Kreis durch den Austausch mit anderen unsere emotionale Intelligenz zu entwickeln und zu erproben.
Was ist Working Out Loud? Die 5 Elemente von WOL
Im Zentrum von Working Out Loud stehen 5 Elemente, die in dieser Sketchnote vom Community-Mitglied Tanmay Vora illustriert sind (s. Abb. 1).
Beziehungen (Relationships): Echte und nachhaltige Beziehungen sind das Herzstück von Working Out Loud. Statt oberflächlichem Business-Smalltalk haben wir Beziehungen, die auf Wertschätzung basieren. Hier findet sich der Scrum-Wert "Respekt" wieder, der alle Beziehungen im Rahmen von Working Out Loud prägt. Und auch der Bezug zum Agilen Manifest wird deutlich, wenn wir uns das Wertepaar "Individuen & Interaktionen mehr als Prozesse & Werkzeuge" anschauen: Der Prozess spielt bei WOL zwar auch eine Rolle, aber noch wichtiger sind die nachhaltigen und konstruktiven Beziehungen, die wir selbst aufbauen.
Sichtbare Arbeit (Visible Work): Working Out Loud bedeutet nicht einfach nur "Laut Arbeiten", sondern der Name bezieht sich einerseits darauf, nach außen zu gehen anstatt alles allein im stillen Kämmerlein zu machen und zu hoffen, dass es durch Zufall entdeckt wird (oder eben nicht, weil man in Ruhe gelassen werden möchte), und andererseits geht es darum, nicht gießkannenartig alles herauszuposaunen, sondern die eigene Arbeit konstruktiv in einen Kontext zu setzen und sich Gedanken zu machen zu der Frage: "Warum und mit wem teile ich das jetzt?". Das Nach-Außen-Gehen erfordert Mut und kostet Überwindung. Erst recht, wenn es um Unfertiges und Unperfektes geht. Aber gerade das kann am Ende interessant sein und sowohl die Teilenden als auch das Publikum können gemeinsam davon lernen. Durch das Teilen unserer Arbeit im Rahmen von WOL können wir auf niedrigschwellige Weise das üben, was in agilen Kontexten verlangt wird: Unsere Arbeit transparent machen und früh erste Ergebnisse zeigen, auch wenn sie noch nicht perfekt sind, sodass wir früh Feedback bekommen können. Der regelmäßige Austausch in den Circles und auch in der Community, wenn man aus dem Circle nach außen geht, hat Ähnlichkeit mit agilen Reviews, in denen wir auch unsere ersten Ergebnisse zeigen und Feedback bekommen. Schauen wir in die Agilen Prinzipien, ist von "Früher und kontinuierlicher Auslieferung wertvoller Software" die Rede. Was bei Scrum die wertvolle Software ist, können bei WOL die eigenen, wertvollen Beiträge sein, die wir leisten, um zu unserem Ziel beizutragen.
Großzügigkeit: Dieser Punkt berührt gleich mehrere der Scrum-Werte. Im Rahmen von Offenheit geht es darum, dass wir unser Wissen nicht horten, sondern es freigiebig teilen – ohne Hintergedanken, sondern weil wir zum gemeinsamen großen Ganzen beitragen wollen. Der Organisationspsychologe Adam Grant nutzt in seinem Buch "Give and Take" die Metapher eines Kuchens [3]: Stellen wir uns vor, auf einem Tisch steht ein Kuchen. Die "Taker", die Nehmer, nehmen sich vom Kuchen, geben aber nichts zurück. Schließlich ist der Kuchen irgendwann alle. Dann gibt es noch die "Matcher", die auf Ausgleich bedacht sind. Wenn sie sich ein Stück vom Kuchen nehmen, geben sie später ein gleich großes Stück zurück. So bleibt der Kuchen immer gleich groß. Die "Giver", also die Geber, hingegen geben immer größere Stücke zum Kuchen dazu als sie nehmen, sodass der Kuchen stetig wächst und so am Ende alle mehr haben. Wenn wir das jetzt auf das Teilen von Wissen beziehen, bedeutet das, dass wir nicht verlieren, wenn wir es teilen, sondern es am Ende uns alle weiterbringt.
Zielgerichtetes Entdecken: Beim zielgerichteten Entdecken geht es darum, den Fokus im Blick zu behalten. Wir setzen uns ein Ziel und überlegen, welche Beiträge wir leisten können, um unserem Ziel näherzukommen. Daraus ergibt sich auch ganz automatisch ein gewisses Commitment, weil wir zielorientiert und fokussiert auf unser Ziel hinarbeiten – so, wie es eigentlich auch bei agilen Ansätzen gedacht ist. Wir lassen uns auf den Prozess ein und sprechen dabei offen über unsere Ziele und über die Herausforderungen, die wir auf dem Weg dorthin haben. Das ist durchaus vergleichbar mit Daily Stand-ups, in denen wir uns ebenfalls über den aktuellen Stand und die aktuellen Herausforderungen austauschen.
Growth Mindset: In ihrem Buch "Mindset" beschreibt die Psychologin Carol Dweck zwei Arten, wie wir über uns und unsere Fähigkeiten denken [4]: Auf der einen Seite das statische Mindset, das der Spruch "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.", treffend charakterisiert. Wir glauben, dass wir irgendwann "fertig" sind und nichts mehr dazulernen können und müssen. Bei Niederlagen stempeln wir uns und andere ab, Demotivation macht sich breit. Deshalb vermeiden wir es oft, über Niederlagen zu sprechen und kaschieren diese lieber, anstatt sie zuzugeben. Beim dynamischen Mindset gehen wir hingegen davon aus, dass wir ein Leben lang lernen können. Wir lassen uns von Misserfolgen nicht entmutigen, sondern sehen sie als Ansporn und als Katalysator für unsere Weiterentwicklung. Dieses dynamische Mindset ist gemeint, wenn von Growth Mindset die Rede ist. Wir sind offen für Neues und für Weiterentwicklung. Vor Allem in agilen Settings kann uns dieses Mindset zugutekommen, um besser mit Veränderungen rund um unsere Arbeitsprozesse klarzukommen und uns Unsicherheiten und Ängste zu nehmen. Und es ist sehr wichtig, dass wir eine Lernkultur leben, in der wir offen mit Scheitern umgehen können. Was nützt ein Review oder eine Retrospektive, wenn man nicht daraus lernt und das weitere Vorgehen anpasst? Richtig, dann verkommen diese agilen Events zur Farce. Natürlich passiert die Entwicklung eines Growth Mindset nicht von heute auf morgen. Studien zeigen, dass psychologische Sicherheit einer der wichtigsten Faktoren ist, damit wir den Mut entwickeln, offen und ehrlich mit Herausforderungen und Misserfolgen umzugehen, um daraus zu lernen. Working Out Loud kann uns dabei helfen, indem es uns dafür Zeit und einen geschützten Rahmen gibt.
Wie funktioniert Working Out Loud?
12 Wochen – Das WOL-Programm dauert insgesamt 12 Wochen. John Stepper hat diese Länge bewusst gewählt: Es ist nicht zu lang, sodass man eher motiviert ist, durchzuhalten. Und es ist nicht zu kurz, sodass wir genügend Zeit haben, um neue Skills zu lernen und zu festigen. In diesen 12 Wochen arbeiten wir mit den Circle Guides, in denen sich verschiedene Übungen finden, die alle auf die 5 Elemente von WOL und letztendlich auf unser Ziel einzahlen. Wir geben ein Commitment ab, dass wir uns für 12 Wochen in unserem Circle einbringen und an unserem Ziel arbeiten. Es besteht zwar kein Zwang, die Teilnahme am Programm ist letztendlich freiwillig. Trotzdem schaut man sich am Anfang und auch immer wieder zwischendurch in die Augen und entscheidet, ob man weiter dran bleiben möchte. Wir übernehmen also selbst Verantwortung für uns, unser Ziel und unseren Circle und legen diese nicht in die Hände von anderen. Der Zeitrahmen von 12 Wochen lässt sich zwar nicht 1:1 auf einen Scrum-Sprint abbilden, der deutlich kürzer ist, aber auch hier geben wir uns einen fest definierten Zeitraum, innerhalb dessen wir fokussiert auf ein Ziel hinarbeiten.
1 Stunde pro Woche – Während der 12 Wochen trifft man sich immer für 60 Minuten pro Woche, um gemeinsam an den Übungen aus dem Circle Guide zu arbeiten und sich auszutauschen. Im Circle Guide gibt es Empfehlungen, wie lange sich die Gruppe für welchen Agendapunkt der jeweiligen Woche Zeit nehmen sollte, und insgesamt sind die Übungen immer auf 60 Minuten pro Woche ausgelegt. Wie lange die Gruppe dann tatsächlich an den einzelnen Übungen arbeitet und sich austauscht, bleibt ihr überlassen. Das Timeboxing soll lediglich bei der Fokussierung helfen, ähnlich wie bei Scrum. Außerdem sind wir eher bereit, uns die Zeit zu nehmen, wenn wir vorher wissen, dass es nicht länger als 60 Minuten dauert, als wenn wir vorher nie genau wissen, wie lange das Meeting hinterher überzogen wird. Die wöchentlichen Treffen haben eine feste Struktur inklusive Check-In- und Check-Out-Phasen sowie Reflexionsphasen, die uns wie bei agilen Frameworks dabei helfen, offen über unsere Arbeit am Ziel und unsere Herausforderungen zu sprechen.
Die Skills, die wir uns aneignen, kommen uns sowohl privat als auch beruflich zugute.
1 Ziel – Genau wie bei agilen Frameworks geht es bei Working Out Loud nicht darum, das Programm um des Programms willen zu machen, sondern aus der Motivation heraus, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Was für ein Ziel wir wählen, ist vollkommen freigestellt. Es kann sowohl ein berufliches als auch ein privates Ziel sein. Wichtig ist, dass es einem genug am Herzen liegt, damit man die Motivation hat, 12 Wochen dranzubleiben. Letzten Endes kommen uns die Skills, die wir uns in einem WOL-Circle aneignen, in allen Bereichen zugute, sowohl privat als auch beruflich. Im Circle nutzt man die Methode vielleicht erst einmal für ein persönliches Ziel, aber sobald man einen oder mehrere Circles durchlaufen hat, fällt es uns viel leichter, die Methode zum Beispiel auch für die Arbeit im Scrum-Team zu nutzen. Es fühlt sich für uns dann natürlicher an. Aus diesem Grund empfiehlt John Stepper unbedingt ein selbst gewähltes Ziel.
Während bei Scrum die Ziele gemeinsam erarbeitet werden von "eine(r) geschlossenen Einheit von Fachleuten, die sich auf ein Ziel konzentrieren, das Produkt-Ziel", bringt in einem WOL-Circle jede Person ihr eigenes Ziel mit, auf das er oder sie hinarbeitet. Je diverser die Ziele, desto interessanter! Das Ziel muss am Ende der 12 Wochen nicht zwingend erreicht sein, aber es sollte zumindest so sein, dass man dem Ziel ein Stück näher kommt. Das übergeordnete WOL-Ziel können wir hier mit dem Produktziel bei Scrum vergleichen, während wir in jeder Woche kontinuierlich mithilfe der Übungen auf unser Ziel hinarbeiten. Am Ende eines Circle-Treffens teilen wir im Check-Out mit den anderen aus unserer Gruppe, was wir bis zur kommenden Woche machen wollen. Und wenn sich während der 12 Wochen zeigt, dass das Ziel nicht mehr passt, kann man das Ziel auch anpassen. Deshalb trifft man sich jede Woche und schaut immer wieder, wie es einem mit dem Ziel ergeht. So wird auch bei WOL das Prinzip Inspect & Adapt gelebt. Es geht darum, dran zubleiben und die Arbeitsweise zu verinnerlichen: Wenn man dies tut, kann man sehr gut alle möglichen Ziele erreichen, ähnlich wie bei agilen Herangehensweisen. Es kann zwar auch manchmal anstrengend sein, und gerade am Anfang ist es eine Umstellung, wenn man es wirklich richtig leben möchte. Doch es lohnt sich!
4-5 Personen (Circles) – Ähnlich wie ein Scrum-Team sollte ein WOL-Circle nicht zu viele, aber auch nicht zu wenige Personen umfassen. Der Circle Guide empfiehlt eine Größe von 4-5 Personen, damit alle innerhalb der wöchentlichen Treffen genügend Redezeit im Austausch bekommen können, und damit es gleichzeitig genügend Diversität gibt. Wie bei den Zielen gilt auch beim Circle: "Je diverser, desto besser!". Wenn wir in unserem Circle von Personen aus dem gleichen Bereich und den gleichen Zielen umgeben sind, schmoren wir nur im eigenen Saft. Haben wir aber eine vielfältige Zusammensetzung der Gruppe, können wir neue Perspektiven auf unser Ziel und auf unsere Ideen bekommen, und das Gleiche gilt auch für die anderen in der Gruppe. Jemandem aus einem anderen Bereich können wir mit unserem Wissen und unseren Erfahrungen noch einmal ganz neue Impulse geben. Der gesamte Austausch im Circle basiert auf Wertschätzung und Respekt, was dazu beiträgt, dass wir uns in einem geschützten Raum bewegen können, in dem wir uns gegenseitig ehrliches Feedback geben. Working Out Loud ist kein Wettbewerb, sondern wir unterstützen einander und arbeiten zusammen.
Selbstorganisiert & selbstgesteuert – Während die Circle-Guides mit den Übungen und den vorgeschlagenen Agenden einen Rahmen zur Orientierung bieten, führen die Circle-Mitglieder ihre Treffen selbst durch. Es gibt niemanden, der die Treffen zentral überwacht oder steuert. Die Gruppe stimmt sich intern darüber ab, wie sie Timeboxing, Moderation und Organisation verteilt. Es gibt im Circle-Guide Empfehlungen, aber am Ende setzt der Circle alles so für sich um, wie es für die Gruppe am besten passt.
Wie und wo kann ich anfangen?
Und wer jetzt Lust bekommen hat, Working Out Loud selbst auszuprobieren, fragt sich bestimmt, wie und wo man loslegen kann. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, von denen ich hier einige vorstelle, die kostenlos sind.
Circlefinder: Auf der WOL-Website gibt es den Circlefinder, der von Leonid Lezner aus der Community für die Community programmiert wurde. Hier kann man entweder anhand von verschiedenen Kriterien nach Circles suchen oder selbst einen Circle starten. Auf der Seite wird dann angezeigt, wie viele freie Plätze es noch im Circle gibt. Mögliche Kriterien, nach denen man einen Circle auswählen kann, sind z. B. die Sprache, der Ort oder ob er virtuell oder face-to-face stattfinden soll [5].
Gruppen auf Social Media: Auf Facebook und LinkedIn gibt es große WOL-Gruppen, in denen sich viele erfahrene WOL-Practicioner und auch Neulinge tummeln. Die Gruppen sind vor allem empfehlenswert, um einen Einblick ins Thema und die Community zu bekommen. Für die Circlesuche wird meist eher der Circlefinder empfohlen.
Twitter: Wer auf Twitter unterwegs ist, kann hier schnell Mitstreiter und Mitstreiterinnen finden. Einfach einen entsprechenden Tweet absetzen, dass man einen Circle sucht und mit den passenden Hashtags versehen (#WOL, #WorkingOutLoud), und es dürfte nicht lange dauern, bis der Circle komplett ist. Alternativ ist das natürlich auch auf anderen Social-Media-Kanälen möglich, wie zum Beispiel LinkedIn, XING oder Facebook.
ESN / Intranet: Manchmal lohnt sich auch ein Aufruf im firmeneigenen ESN oder Intranet, um Kollegen oder Kolleginnen aus anderen Bereichen oder Abteilungen, oder auch aus anderen Standorten für einen Circle zu gewinnen.
WOL-Meetups: In vielen Städten gibt es inzwischen WOL-Meetups, die ehrenamtlich von Community-Mitgliedern organisiert werden. Hier kann man einerseits einen guten Einstieg ins Thema finden und gleichzeitig auch direkt mit erfahrenen WOL-Practicionern und anderen Interessierten in Kontakt kommen. Außerdem bieten sich die Meetups an, um direkt einen Circle zu bilden, was auch sehr häufig vorkommt [6].
Persönliche Ansprache: Warum in die Ferne schweifen? Vielleicht gibt es im eigenen Umfeld Menschen, mit denen ein WOL-Circle sicherlich eine interessante Erfahrung wäre: Freund:innen oder Bekannte aus anderen Unternehmen oder Branchen, die noch einmal andere Hintergründe und Perspektiven mitbringen. Auch auf anderen Meetups oder Usergroups kann man durchaus mögliche Kandidat:innen für einen Circle finden.
Wenn Ihr einen Circle gegründet oder gefunden habt, könnt Ihr Euch kostenlos auf der Website registrieren und bekommt dann jede Woche die passenden Übungen der Circle Guides per Mail zugeschickt [7].
Kostenpflichtige Angebote
Neben den kostenlosen Möglichkeiten, in das Thema Working Out Loud einzusteigen, gibt es auch noch kostenpflichtige Angebote, die hier der Vollständigkeit halber erwähnt werden:
Guided Experience: Wer während des Programms gerne eine intensive Begleitung durch John Stepper und zertifizierte WOL-Coaches erhalten möchte, kann sich auf der Website auch für eine Guided Experience anmelden, die immer an festen Terminen startet und einen dreistelligen Dollarbetrag kostet.
Offizielle WOL-Community: Es gibt eine offizielle WOL-Community, für die man sich auf der Website in Verbindung mit der Guided Experience registrieren kann.
Egal, für welche Variante ihr euch entscheidet: Working Out Loud kann eine sinnvolle Methode sein, um agile Arbeitsweisen und Prinzipien kennenzulernen und zu festigen.
Seit Ende Januar 2022 gibt es nur noch die Möglichkeit, die aktuellsten Working-Out-Loud-Materialien als Teil eines offiziell angebotenen Programms oder mit einer offiziellen Lizenz zu nutzen. Es gibt ab und zu aber auch kostenlose Angebote, wie z. B. WOL Frauenstärken oder Community-Programme.
(Quelle: https://www.workingoutloud.com/terms)
Julia
am 17.02.2021vielen Dank für den inspirierenden Artikel!
Die Kombination beider "Buzzwords" macht absolut Sinn.
Ich mach mich mal auf die Suche nach einem Circle...
Liebe Grüße
Julia