Hedy Lamarr
Dass es heute selbstverständlich ist, mal eben auf dem Smartphone den Wetterbericht für die nächsten Tage zu checken oder sich zum nächsten Ort navigieren zu lassen, haben wir unter anderem einer weiblichen Hollywood-Ikone zu verdanken. Die Schauspielerin und Erfinderin Hedy Lamarr wäre heute 106 Jahre alt geworden, ihr Vermächtnis lebt weiter.
Hedy Lamarr wurde als Hedwig Eva Maria Kiesler in eine jüdische Wiener Großbürgerfamilie geboren. Ihr Vater war Bankdirektor, ihre Mutter Konzertpianistin. Schon früh nahm Lamarr Schauspielunterricht und ergatterte mit gerade mal 17 Jahren eine Rolle in "Man braucht kein Geld" (1931) neben Heinz Rühmann. Der internationale Durchbruch ließ ebenfalls nicht lange auf sich warten: Der tschechische Filmemacher Gustav Machatý schenkte ihr die Hauptrolle im Film "Symphonie für die Liebe" (in Deutschland bekannt als "Ekstase"). Der Film behandelt – für damalige Verhältnisse skandalöse – Themen wie Ehebruch und Nacktheit und erntet prompt weltweite Erfolge. Lamarrs minutenlange Nacktszenen und den ersten Filmorgasmus in einem nichtpornografischen Film brachte nicht nur die Filmindustrie in Aufruhr. Im nationalsozialistischen Deutschland wurde der Film zunächst verboten, 1935 gekürzt und anschließend nur noch in wenigen deutschen Kinos gezeigt. Natürlich mit der Warnung: "Dieser Film ist jugendverderbend."
Danach blieben neue Rollenangebote aus, doch Hedy Lamarr war in der Szene bekannt. 1933, Lamarr war zu dem Zeitpunkt gerade einmal 19 Jahre alt, wurde einer der größten Waffenfabrikanten Fritz Mandl auf sie aufmerksam. Gedrängt durch ihre Eltern heiratet sie den "Patronenkönig" Mandl noch im gleichen Jahr. Für den 14 Jahre älteren Mandl war Lamarr vor allem eins: Eine vorzeigbare Trophäe. Später erinnert sich Lamarr, dass er herrschsüchtig und ihre Beziehung von ständiger Eifersucht geprägt war. Als hübsches Beiwerk musste sie stundenlange Gespräche mit Geschäftskunden über sich ergehen lassen. Lamarr schnappte jedoch viel Wissen über Geld, Waffen oder technische Details wie die Störanfälligkeit der Funkfernsteuerung von Torpedos auf. Dieses Wissen machte sie sich später zueignen. 1937 folgte die Scheidung und sie floh zuerst nach Paris, dann nach London.
A star is born
In London ist sie frei. Noch im selben Jahr trifft Lamarr auf Louis B. Mayer, der ihr bei Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) einen Zehnjahres-Vertrag anbietet. Sie legt den Namen Hedwig Kiesler ab, nimmt den von Mayer vorgeschlagenen Künstlernamen Hedy Lamarr (in Erinnerung an den Stummfilmstar Barbara LaMarr) an und zieht nach Los Angeles. Ihre Schönheit macht sie zu einer der gefragtesten Hollywood-Stars und MGM vermarktet sie als "schönste Frau der Welt". Doch Lamarr fühlte sich oft missverstanden und spielte meist eindimensionale weibliche Charaktere, die nur als dekoratives Anhängsel dienten. In einem Forbes-Interview mit dem Journalisten Fleming Meeks aus dem Jahr 1990 äußerte sich Lamarr erstmals zu ihrem damaligen Gefühlszustand: "The brains of the people are more interesting than the looks, I think. Then, people have the idea that I’m sort of a stupid thing."
Die Erfinderin und der Komponist
Auf einer Party in Hollywood sollte sich ihr Leben verändern. 1940 lernte Lamarr den Komponisten Georg Antheil kennen. Durch die Affinität zur Musik, geprägt durch ihre Mutter, freundeten sich beide schnell an. Antheil, der wie Lamarr vor Hitler aus Europa in die USA geflohen war, wollte etwas gegen den Nationalsozialismus tun. Zu dieser Zeit waren die Alliierten geschwächt durch mehrere U-Boot-Angriffe der Nazis. Die Kriegsmarine der deutschen Wehrmacht störte oft den Funk der Alliierten und konnten somit häufig den feindlichen Torpedos ausweichen.
Lamarr weihte Antheil in ihr Wissen über Funkfernsteuerung ein, welches sie sich in ihrer Ehe mit Mandl angeeignet hatte. Antheil, der über technische Kenntnisse verfügte, war sich schnell bewusst, dass hinter der schönen Fassade Lamarrs eine geniale Erfinderin steckte. 1941 entwarf Lamarr die Idee eines Radiosignals zwischen U-Booten und Torpedos, welches schwer anzupeilen und weitgehend störungssicher war. Anstatt, wie sonst üblich, Funkverkehr auf nur einer Frequenz zu senden, kam Lamaar auf die Idee, das Signal von Frequenz zu Frequenz springen zu lassen, auch "Frequenzsprungverfahren" genannt. 1942, mit Unterstützung eines Professors für Elektrotechnik am California Institute of Technology, bereiteten Antheil und Lamarr das Patent zur Anmeldung ihrer Erfindung vor und setzten es noch im selben Jahr vor dem Patentamt durch.
Anschließend stellen sie ihr Patent kostenlos der U.S. Marine zur Verfügung. Doch die lehnten ab. Ihnen kam die Idee zu verrückt vor, da beim Bau der Erfindung alte Klavierelemente verwendet wurden. Als Hollywood-Produzenten mitbekamen, dass Lamarr neben ihren Filmen immer häufiger an Erfindungen tüftelte, verwarnten sie Lamarr und verboten ihr über ihre Erfindungen zu sprechen. Eine Erfinderin passte nicht in das Bild einer glamourösen Hollywoodschönheit.
Sechs geschiedene Ehen, drei Kinder und viele Filmrollen später, verwickelt sich Lamarr immer häufiger in Skandale. Nach Vertragsende bei MGM, Ende der 50er Jahre, zieht sie sich zurück aus der Traumfabrik.
Späte Anerkennung
Erst 1962, während der Kuba-Krise, verwendeten einige Schiffe der U.S. Marine eine weiterentwickelte Version der Technologie. Das Patent ist da bereits abgelaufen – beide verdienen keinen Cent an ihrer Erfindung oder werden für eine Zusammenarbeit angefragt. Ihre Arbeit wird erst in den 80er-Jahren anerkannt, doch zu der Zeit hat Lamarr sich bereits so sehr zurückgezogen und lebt allein in ihrem Haus in Florida.
Der gleichzeitige Frequenzwechsel wird in der heutigen Kommunikationstechnik zum Beispiel bei Bluetooth verwendet. Alle heutigen Laptops, Smartphones oder Navigationssysteme operieren auf der Erfindung Lamarrs.
1997 erhielt Lamarr für ihre Erfindung den Electronic Frontier Foundation Pioneer Award. 14 Jahre nach ihrem Tod im Jahr 2000 wird Lamarr posthum in die National Inventors Hall of Fame aufgenommen. Eine Berliner Initiative rief sogar den 9. November als "Tag der Erfinder" aus. Seit 2006 werden in diesem Rahmen die innovativsten Erfinder geehrt. Auch die Stadt Wien würdigte Lamarr seit 2018 mit dem Hedy-Lamarr-Preis, der jährlich an österreichische Wissenschaftlerinnen für innovative Leistungen in der IT vergeben wird.