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Persönlichkeiten der Informatik 16. Juli 2019

Prof. Heinz Zemanek

Österreichischer Computerpionier – baute den ersten volltransistorisierten Computer auf dem europäischen Festland

"Ich nahm mir einfach die Freiheit, einen Computer zu bauen und es hat mich niemand aufgehalten", schilderte Heinz Zemanek (1. Januar 1920 – 16. Juli 2014) einmal. Es sei ein halb illegales Unterfangen eines kleinen Hochschulassistenten gewesen, das er ohne offizielle Genehmigung und somit auch ohne finanzielle Unterstützung der Universität mit einer Gruppe von Studenten realisierte. Die Arbeit war mühsam, alles wurde von Hand gelötet. "Es gab ja noch keine Computerzeitschriften und nur ganz wenige Bücher über Computer, man musste sich die Information also einzeln zusammenholen, damit man genügend weiß, um einen Computer zu bauen." berichtete Heinz Zemanek später. Aus 3000 Transistoren und 5000 Dioden entwickelte er den vollständig transistorisierten Computer "Mailüfterl". Er ist inzwischen im Technischen Museum Wien zu bewundern.  

Der Rechner hatte allerdings nicht viel mit heutigen Computern gemeinsam: Ohne Bildschirm und Tastatur wurde er mit Lochstreifen programmiert. Die Größe war mit einer Breite von 4 Metern, einer Höhe von 2,5 Metern und einer Tiefe von 50 Zentimetern gegenüber den damaligen Röhrenrechnern vergleichsweise klein.

Seinen Spitznamen erhielt das Gerät aufgrund der eher langsamen Transistoren, die zur Verfügung standen: Mit ihnen konnte man keinen Wirbelwind wie den Rechner "Whirlwind"des MIT, sondern eben nur ein kleines "Mailüfterl", einen leichten Mai-Wind bauen. Der korrekte - übrigens auch am Computer angebrachte - Name lautete Binär dezimaler Volltransistor-Rechenautomat.

Ich hatte eine seltsame Chance - ich hatte keinen Chef. Ich nahm mir einfach die Freiheit, einen Computer zu bauen.
- Heinz Zemanek


Nach dem Bau der Hardware ging das Team von 1958 bis 1961 an die Programmierung. Am 27. Mai 1958 bestimmte das "Mailüfterl" in 66 Minuten die Primzahl 5073548261. 1959 wurde für den Zwölfton-Komponisten Hanns Jelinek ein musiktheoretisches Programm entwickelt und die Aufgabe in 60 Stunden gelöst. Um für diese langen Rechenzeiten nicht ständig am Institut sein zu müssen, hatten die Techniker den Hauptakkumulator des "Mailüfterls" an das Telefon gekoppelt. Sie konnten dadurch von zu Hause anrufen und anhand der hörbaren "Melodie" feststellen, ob das Programm läuft. 

Wie alles begann ...

Österreich im Umbruch - Nachdem im Herbst 1918 die Monarchie des Hauses Habsburg, die viele hundert Jahre lange gewährt hatte, zusammengebrochen war, wurde etwas Neues geschaffen. Die Republik Österreich wurde noch im selben Jahr gegründet, die Verfassung 1920 markierte endgültig den Beginn der Ersten Republik Österreich. In diesem Jahr, das von Neuordnung und politischer Umschichtung stark geprägt war, kam der spätere Computerpionier Heinz Zemanek in Wien zur Welt. 

Als Sohn eines Musikers und Buchhalters und einer Angestellten wuchs Zemanek in Wien auf. Nachdem er seine Matura im Jahr 1937 bestanden hatte, studierte er Nachrichtentechnik an der TU Wien, das er 1944 mit seiner Diplomarbeit "Über die Erzeugung von kurzen Impulsen aus einer Sinusschwingung" als Diplom-Ingenieur abschließen konnte.

Nachdem er den Militärdienst als Nachrichtentechniker abgeleistet hatte, versuchte er sich nach Kriegsende mit Tätigkeiten, wie Elektrotechniker und Radiomechaniker, über den Hunger hinweg zu helfen. Seine Versuche, eine elektrotechnische Firma zu gründen oder ein Buch über Radartechnik zu schreiben, gab er auf und kehrt 1947 an die Technische Universität Wien zurück, wo er bis zur Emeritierung 1985 Vorlesungen hielt. Unterbrochen wurde diese Zeit nur für das Studienjahr 1948/49, da er für ein Stipendium der französischen Regierung an der Sorbonne wechselte. Ein Jahr später, im Jahr 1950, promovierte er mit dem Thema "Zeitteilverfahren in der Vielfachtelegraphie" und bekam die Lehrberechtigung für das Thema: "Störverminderung imperfekter Schaltnetzwerke".

Mailüfterl - Transistoren im Einsatz

Dass Österreich einen Platz in der frühen Geschichte der Computertechnik einnimmt, ist maßgeblich seiner Idee und dem daraus resultierendem Bau des ersten volltransistorisierten Computers "Mailüfterl" zu verdanken. Die Namensgebung war eine klare Bekennung zum Ursprungsland Österreich und eine scherzhafte Kampfansage im wirtschaftlichen Wettbewerb gegen den amerikanischen Konkurrenten "Whirlwind", welcher am Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelt wurde. Dabei war sein Bau des Computers "ein halb illegales Unterfangen eines kleinen Hochschulassistenten", erzählte Zemanek rückblickend. Unter seiner Führung leitet er die Entwicklung des Geräts an der TU Wien von Mai 1956 bis Mai 1958. Das Besondere: das "Mailüfterl" war einer der erste Computer auf europäischem Festland, das nicht mit Röhren, sondern ausschließlich mit Transistoren arbeiteten. Denn Röhren waren deutlich empfindlicher und brachten oftmals eine kurze Lebensdauer mit sich. Fiel etwa während eines Rechenvorgangs eine Röhre aus, muss der ganze Vorgang wiederholt werden. Das ändert sich mit dem aus Halbleitern aufgebauten Transistor, der betriebssicherer, kleiner und vor allem billiger herzustellen ist.

An einen kleinen, günstigen und leichten Rechner war jedoch noch lange nicht zu denken: Der Rechner, der heute noch im Technischen Museum in Wien zu begutachten ist, besteht aus 3.000 Transistoren, 5.000 Dioden, 1.000 Montageplättchen, 100.000 Lötstellen, 15.000 Widerständen, 5.000 Kondensatoren und 20.000 Metern Schaltdraht. Mit einem Gewicht von rund 500 Kilogramm sowie einer Breite von 4 Metern, einer Höhe von 2,5 Metern und einer Tiefe von 50 Zentimetern war die Anlage gegenüber den zeitgenössischen Röhrenrechnern vergleichsweise klein. Das "Mailüfterl" hatte eine damals beachtliche Taktfrequenz von 132 kHz.

Der Computer nimmt tausende Erscheinungsformen der Wirksamkeit an und verdeckt vor lauter Automatik jene Menschen, die alle Wirksamkeit vorausgedacht haben. Diese Verdeckung reicht bis zur Vorstellung, dass der Computer intelligent sei.
-Heinz Zemanek

Ohne offizielle Genehmigung der Technischen Universität Wien und somit auch ohne finanzielle Unterstützung seitens der Universität realisierte er mit einer Gruppe von Studierenden den Bau des Rechners. Allerdings wurde das Vorhaben freundlich geduldet und gebilligt, denn Interessenten und Geldgeber fanden sich ausreichend. Somit reiste er 1954 zum Unternehmen Philips in die Niederlande, um dort wegen einer Sachspende vorzusprechen. Philips sicherte dem angehenden Computerpionier 4.000 hochwertige Transistoren zu. Was Zemanek jedoch besonders am Herzen lag war die enge Zusammenarbeit mit den Computerentwicklungen an den Hochschulen in Göttingen, Darmstadt, Dresden und München und dem Unternehmen Zuse KG.

Nachdem der Rechner im Mai 1958 zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert wurde (zu dem Zeitpunkt berechnete das "Mailüfterl" die Primzahl 5 073 548 261 in nur 66 Minuten), feilte Zemanek und die Gruppe aus Studenten weiter an der Hardware. Um bei langen Rechenzeiten nicht ständig am Institut sein zu müssen, hatten die Techniker den Hauptakkumulator des "Mailüfterls" an ein Telefon gekoppelt. Sie konnten dadurch von zu Hause anrufen und anhand der hörbaren "Melodie" feststellen, ob das Programm läuft. 1961 entdeckte IBM das Potential des technikaffinen Professors und bot ihm an, ein Laboratorium in Wien aufzubauen, woraufhin Zemanek die gesamte Gruppe zu dem Konzern übersiedelte.  IBM kaufte dem Staat Österreich das "Mailüfterl" ab, um es dem Labor, dem Zemanek bis 1976 vor stand, zur Verfügung zu stellen.

Man hält die Erzeugung von Information für ein Zeichen von Intelligenz, während in Wirklichkeit das Gegenteil richtig ist: Die Reduktion, die Auswahl der Information ist die viel höhere Leistung.
-Heinz Zemanek

Im Bereich der Programmiersprachen war Zemanek für die formale Definition der Programmiersprache PL/I der Firma IBM mitverantwortlich, geschrieben in der sogenannten Vienna Definition Language (VDL). Außerdem erlangte die "Vienna Development Method" in den 1970er Jahren internationale Bedeutung.

Seine Verbundenheit mit der Technischen Universität Wien blieb jedoch sein Leben lang bestehen. Insgesamt 60 Jahre lehrte er an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik. Dazu gehören seine zahlreichen Vorträge im Ausland, 12 Bücher, sowie mehr als 500 Veröffentlichungen in den verschiedensten Sprachen. Zudem bekleidete er in seiner Karriere einige hohe Positionen und erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern der International Federation for Information Processing IFIP) und war von 1971 bis 1974 ihr Präsident. Der höchste Preis der österreichischen Informatiker ist der Heinz Zemanek-Preis. Auch Google nahm sich im Rahmen des "Computer Heritage Program" Zemanek an und ehrte ihn mit einem Dokumentarfilm.

High  Tech  braucht  High  Mores  (High Ethics). High Tech kann man im Versandhaus bestellen. Den Rest dieser Überlegung lasse ich offen. 
- Heinz Zemanek zu seinem 85. Geburtstag

Heinz Zemanek starb am 16. Juli 2014 im Alter von 94 Jahren in seiner Geburtsstadt Wien.

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