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Persönlichkeiten der Informatik 17. August 2019

Margaret Hamilton

Juli 1969, rund 600 Millionen Menschen sitzen vor ihren TV-Geräten und warten gespannt darauf, dass zum ersten Mal ein Mensch den Mond betritt. Die Raumfahrtmission der Apollo 11 schreibt Geschichte und ihre Crew-Mitglieder ernten Ruhm für ihren Mut. Einer der zentralen  Faktoren für das Gelingen der Mission war die Software zur Erkennung von Systemfehlern und zur Wiederherstellung von Informationen bei einem Computerabsturz. Die heute 83-jährige Margaret Hamilton, welche die Apollo-Software des Bordcomputers programmierte, geriet lange in Vergessenheit. Ohne sie wäre die Mondlandung jedoch nicht möglich gewesen.

Die 1960er Jahre in den USA: Eine Zeit, in der der Mann das Oberhaupt der Familie war, Vorrechte bei der Kindererziehung hatte und Frauen ohne das Einverständnis der Männer nicht arbeiten durften. Auch in Sachen Bildung wurden Frauen in dieser Zeit noch stark benachteiligt.

Margaret Hamilton, geboren als Margaret Heafield am 17. August 1936 in Indiana, hatte das Privileg, ein Studium aufnehmen zu können. Mit 24 Jahren schloss sie ihren Bachelor of Science in Mathematik ab. Während ihres Studiums lernte sie ihren späteren Mann, den Anwalt James Cox Hamilton, kennen und brachte eine Tochter zur Welt. Als sie nach ihrem Abschluss einen Job als Programmiererin am Lincoln Laboratory des Massachusetts Institute of Technology (MIT) bekam, sollte dieser zunächst dazu dienen, ihren Mann, der eine Ausbildung an der Harvard Law School machte, finanziell zu unterstützen. Aus der Absicht nach seinem Studium ein Masterstudium in Mathematik anzugehen, wurde jedoch nichts: Sie blieb am MIT.

Vom MIT zur NASA

Am MIT, wo sie am Projekt Semi-Automatic Ground Environment (SAGE), dem ersten US-Luftverteidigungssystem beteiligt war, schrieb sie die Software für ein Programm zur Identifizierung feindlicher Flugzeuge. Anschließend arbeitete Hamilton im Instrumentation Laboratory des MIT (heute das unabhängige Charles Stark Draper Laboratory), das die Luftfahrttechnologie für die National Aeronautics and Space Administration (NASA) lieferte. Mit Anfang 30 leitete sie ihr eigenes Team, welches mit der Entwicklung der Software für die Leit- und Steuerungssysteme der Bordkommando- und Mondlandefähre der Apollo-Missionen beauftragt war.

Als arbeitende Mutter in den 1960er Jahren stach Hamilton bereits hervor, doch als eine Softwareingenieurin in der Raumfahrtbranche war sie ein absoluter Ausnahmefall. "Die Leute sagten immer zu mir: 'Wie kannst du deine Tochter verlassen? Wie kannst du das tun?'", schilderte Hamilton 2015 die damalige Situation dem amerikanischen Wired-Magazin. Ihre Tochter Lauren brachte Sie häufig mit ins Labor. Während die 4-jährige auf dem Boden des Büros schlief, programmierte ihre Mutter und lieferte elementare Bestandteile des Codes, der sich schließlich im Bordcomputer von Apollo 11 wiederfand.

Geburtsstunde des Begriffs "Software-Engineering"

Als Hamilton und ihr Team den endgültigen Auftrag bekam, eine Software für die bemannte Raumfahrtmission zu programmieren, mussten sie um jede Anerkennung kämpfen. Während die Rolle der Ingenieure klar einzuordnen war, konnten die meisten Geldgeber nicht verstehen, worum es beim Programmieren eigentlich ging. Anfangs gab es nicht einmal ein Budget für die Software-Abteilung der NASA. Doch das Unverständnis ihrer Vorgesetzten nutzten Hamilton und ihr Team zu ihrem Vorteil.

"Software galt als eine Blackbox, als etwas Geheimnisvolles, das fast magisch im Bordcomputer auftauchte", erinnert sich die Softwareingenieurin. "Und daher gaben uns die Manager volle Freiheit und totales Vertrauen." Auch den Begriff "Software-Engineering" schuf die damals 32-jährige Hamilton, um zu verdeutlichen, dass das Entwickeln von Software nicht weniger bedeutend als das Wirken der anerkannten NASA-Ingenieure war. Hamilton selbst fokussierte sich auf Software zur Erkennung von Systemfehlern und zur Wiederherstellung von Informationen bei einem Computerabsturz. Beide Elemente waren entscheidend während der Mission Apollo 11.

Hamiltons Tochter bringt Apollo Erfolg

Während Hamilton an der Apollo-Software tüftelte, kam es zu einem elementaren Zwischenfall. Eines Tages, als Hamiltons Tochter Lauren auf dem Büroboden spielte, verlor die Programmiererin sie kurz aus den Augen. Lauren spielte versehentlich am Steuermodul von Apollo 11 herum, drückte einige Knöpfe und brachte das ganze Simulationsprogramm zum Absturz. Ein Umstand, der den entscheidenden Erfolg der Apollo 11-Mission in sich trug.

Dass es so schnell zu einem Absturz kam, schockierte Hamilton und sie machte sich auf die Fehlersuche. Schnell fand sie den Grund: Lauren hatte in der Flugphase das Programmmodul "P01" ausgewählt. Es handelte sich dabei um einen Teil des Programms, der nur vor dem Start ausgeführt werden sollte. Hamilton erkannte, dass ohne Schutzvorrichtungen und Backup-Systeme bereits ein falscher Tastendruck ausreichen konnte, um die gesamte Raumfahrtmission scheitern zu lassen.

Menschliche Fehler beim Programmieren müssen immer einkalkuliert werden.

Mit dieser Erkenntnis ging sie zu ihren Vorgesetzten und warnte vor dem beutenden Fehler. Diese winkten jedoch ab und erwiderten, dass kein ausgebildeter Astronaut einen solchen Fehler begehen könnte. Sie sollten eines Besseren belehrt werden, als einige Monate später dem Vorläufer "Apollo 8" genau dieser Fehler unterläuft. Über mehrere Stunden hinweg mussten Hamilton und ihre Kollegen nach einer Lösung suchen, um das Programm wiederherzustellen. Als sie schlussendlich dies erreichen können, wurde fortan eins immer bedacht: Menschliche Fehler beim Programmieren müssen immer einkalkuliert werden. "Uns wurde damals klar, dass niemand perfekt ist – nicht einmal Astronauten. Und so suchten wir immer nach neuen Möglichkeiten, uns vorzubereiten, um auch auf das Unerwartete reagieren zu können", erzählte Hamilton fast 50 Jahre später während eines Vortrags im Jahr 2018. Tatsächlich aber gab es während der gesamten "Apollo 11"- Mission keinen einzigen Softwarefehler.

Späte Anerkennung

Bis 1976 blieb Hamilton am MIT, danach machte sie sich mit Software-Unternehmen selbständig. Erst 2003 wurde Hamilton mit dem "NASA Exceptional Space Act Award" geehrt. Die damit verbundene Preissumme in Höhe von 37.200 Dollar war die höchste, die jemals für diese Auszeichnung ausgeschüttet wurde. Im Jahr 2016 überreichte der damalige US-Präsident Barack Obama ihr die Presidential Medal of Freedom – die höchste zivile Auszeichnung der USA.

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