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Ulrike Scheibler 02. Juli 2024

Zum 100. Geburtstag zweier Gründungsväter der Informatik in Deutschland

Professor Friedrich Ludwig Bauer – hielt die erste offizielle Informatikvorlesung in Deutschland

2024 hätte Friedrich Ludwig Bauer seinen 100. Geburtstag gefeiert – und in der Tatsache, dass es in Deutschland inzwischen hunderte Hochschulen, Fachhochschulen und Berufsakademien gibt, die ein Informatikstudium anbieten, würde er sicher als einen Grund zum Feiern sehen. Denn dieser Artikel soll auch an Bauers besondere Bemühungen in Hinblick auf die Einführung dieses Studienfachs erinnern, das es in Deutschland seit nunmehr 55 Jahren gibt. Ich möchte dabei auch auf den 2019 in dieser Reihe erschienenen Artikel "50 Jahre Informatik" verweisen.

Jugendjahre zwischen Wissensdrang und Kriegseinsatz

In Niederbayern aufgewachsen, war er schon am Gymnasium mit Freude und hohem Verstand am Matheunterricht interessiert, wurde intensiver Nutzer des Deutschen Museums München und las dort in vielen mathematischen Schriften. Nach dem Abitur wurde sein Wissensdrang jäh abgebremst, es erging ihm wie tausenden jungen Männern (zum Teil noch nicht einmal erwachsen) im nationalsozialistischen Deutschland – er wurde erst zum Arbeitsdienst und kurze Zeit darauf zur Wehrmacht eingezogen. Da war Bauer gerade 19 Jahre alt. Es folgten Verwundung und Kriegsgefangenschaft. Zu seinem großen Glück kam es jedoch zu einer baldigen Entlassung aus der Gefangenschaft. Er konnte sein Studium der Mathematik, Physik, Logik sowie Astronomie in München beginnen und hatte bereits mit 28 Jahren den Doktortitel in Mathematik in der Tasche. Das war Bauers Karrierestart in der Welt der Forschung und Entwicklung.

PERM, Kellerspeicher und Algol

Seine Tätigkeit an der Technischen Hochschule München brachte ihm Möglichkeiten, sich immer weiter in die Informatik zu vertiefen, u.a. durch seine Arbeit an der PERM, der Programmgesteuerten Elektronischen Rechenanlage München. Bauer war wesentlich an der Entwicklung der Programmiersprache Algol beteiligt. 1957 gelang ihm gemeinsam mit Klaus Samelson, ebenso wie Bauer ein deutscher Mathematiker, Physiker und Informatikpionier, eine Erfindung, die ihn neben Alan Turing berühmt machte – der "Kellerspeicher". Friedrich Ludwig Bauer sorgte auch dafür, dass diese Entwicklung unter der Bezeichnung "Kellerprinzip" patentiert wurde – als erster deutscher Beitrag zur Informatik.

Internationale Anerkennung fand diese Erfindung jedoch erst 1988 durch die Verleihung des Computer Pioneer Awards an Bauer.

Informatik als eigenständiges Studium

Lange Zeit gab es kein eigenständiges Studienfach Informatik. Diese galt als Teil der Fachrichtung Mathematik und beschränkte sich 1956 beispielsweise auf Angebote für die intensivere Beschäftigung mit Rechenautomaten an der Technischen Hochschule Darmstadt, an welcher auch Programmiervorlesungen besucht werden konnten. Noch Mitte der 60er Jahre hinkte die Bundesrepublik in der Ausbildung von Fachinformatikern hinterher – die Industrie sprach vom Fachkräftemangel in dieser Branche. Wie sich die Zeiten doch gleichen!

Friedrich Ludwig Bauer engagierte sich intensiv für die Anerkennung der Informatik als vollwertiges akademisches Studienfach und so wundert es nicht, dass er auch die erste offizielle Informatikvorlesung in Deutschland hielt – 1967 an der TU München. Erst im Wintersemester 1969 konnten sich Studenten erstmals für ein Vollstudium Informatik einschreiben – und zwei Jahre später schlossen diese ihr Studium als Diplom-Informatiker an der Universität Karlsruhe ab. Im anderen Teil Deutschlands – in der DDR – wurde die Technische Universität Dresden mit der Gründung der Sektion Informationsverarbeitung am 1. Januar 1969 das erste Zentrum der universitären Ausbildung. Zurück zu den Fakten am Anfang dieses Abschnittes – Bauer, dem die Abgrenzung der Informatik von der Mathematik wichtig erschien, prägte in seinem 2007 erschienene Fachbuch Kurze Geschichte der Informatik die folgende Definition:

Die Informatik dient der Befreiung des Menschen von der Last eintöniger geistiger Tätigkeit.

Nicht verwunderlich – 1969 gehörte Bauer zu den Gründungsmitgliedern der "Gesellschaft für Informatik", die sich seitdem für die Förderung der Informatik in Deutschland einsetzt. 1987 wurde er zum Ehrenmitglied ernannt. Und sein 1971 zusammen mit Gerhard Goos entwickeltes Informatik-Lehrbuch wurde damals Grundlage für tausende Studenten dieser noch jungen Fachrichtung.

Bauers weiteres Schaffen – zurück zu den Wurzeln

Nach seiner Emeritierung als Professor für Informatik an der TU München wandte er sich einem Gebiet zu, das er schon immer faszinierend fand. Die Forschung rund um die Kryptologie machte auch den  Bundesnachrichtendienst ab und zu "neugierig" und mündete letztlich in der Entstehung einer neuen Abteilung im Deutschen Museum München – dort, wo Bauer seine ersten Schritte unternahm in Richtung der Mathematik und Informatik. Er erstellte die Abteilungen "Mathematik" und "Mikroelektronik" sowie "Informatik und Automatik", in welche er auch ein "Kryptologisches Kabinett" einband. Falls nun jemand Lust bekommt, diese Ausstellungen im Deutschen Museum zu besuchen, der kann leider nur einen Teil davon in Augenschein nehmen.  Derzeit laufen umfangreiche Sanierungsarbeiten im gesamten Museum, auch der Bereich Informatik ist davon betroffen. Friedrich Ludwig Bauers wissenschaftliche Arbeit fand natürlich Eingang in zahlreiche Publikationen, von denen hier einige genannt werden sollen.

1994 erschien "Kryptologie", 2000 folgte "Entzifferte Geheimnisse: Methoden und Maximen der Kryptologie", beide im Springer Verlag Berlin erschienen. Und seine "Kurze Geschichte der Informatik" wurde ja bereits in einem  vorangegangenen Abschnitt erwähnt.

Übrigens, Bauer wollte ursprünglich Pianist werden… Er starb in seinem 91. Lebensjahr.

Autorin
Ulrike Scheibler

Ulrike Scheibler

Ulrike Scheibler hat an der Hochschule in Dresden Pädagogik studiert und war von 1989 bis 2021 Lehrerin für Deutsch und Geschichte und Klassenleiterin in Brandenburg und Sachsen.
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