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Oliver Pyka 28. Januar 2015

Mindestlohn für Selbstständige: Interview mit Oliver Pyka von ver.di

Selbstständige in der Gewerkschaft? Gibt es das? Das haben wir uns gefragt, als wir auf Oliver Pyka trafen. Er ist Vorsitzender des Landesvorstands der Selbstständigen in ver.di Bayern und berichtet, wie sich Selbstständige in Gewerkschaft organisieren, was das Kartellrecht mit dem Mindestlohn für Selbstständige zu tun hat und wie sich der Fachkräftemangel aus seiner Sicht darstellt.

Informatik Aktuell: Oliver, du bist Vorsitzender des Landesvorstands der Selbstständigen in ver.di Bayern. Du bist außerdem beruflich in der IT selbstständig tätig. Was hat dich motiviert, dich als selbstständiger ITler einer Gewerkschaft anzuschließen?

Oliver Pyka: Allein ist man nie so stark wie in der Gemeinschaft. Das Leben ist für mich eine solidarische Angelegenheit. In der Gewerkschaft kann ich andere unterstützen und erhalte selbst Unterstützung, wenn ich sie brauche. Bessere Arbeitsbedingungen für alle lassen sich immer nur gemeinsam durchsetzen.

Informatik Aktuell: Laut Wikipedia ist eine Gewerkschaft eine Vereinigung von abhängig Beschäftigten zur Vertretung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen. Was machen Selbstständige in der Gewerkschaft? Wie organisieren sich Selbstständige in der Gewerkschaft? Wie sieht das genau aus?

Oliver Pyka: Bei Wikipedia steht das nicht mehr lange so unvollständig. Ich habe veranlasst, dass der Eintrag ergänzt wird. In ver.di organisieren sich Selbstständige genauso wie andere Gruppen: Wir treffen uns zu Sitzungen, bei Veranstaltungen und zu Stammtischen, bei denen wir uns austauschen. Und wir wählen Vertreter für die Gremien im Ortsverein, im Bezirk, im Land und auf der Bundesebene.

Informatik Aktuell: Gibt es für Mindestlohn für Arbeitnehmer eigentlich eine Entsprechung bei Selbstständigen?

Oliver Pyka: Jein. Das Kartellrecht verbietet Selbstständigen, Lohnabsprachen zu treffen, obwohl dieses Verbot natürlich nur für große Unternehmen sinnvoll ist. Welche Marktmacht sollen denn schließlich ein paar Selbstständige, die sich zusammentun, ausüben? Es gibt aber Absprachen und Vereinbarungen für die Honorare bestimmter Berufsgruppen, zum Beispiel für Journalisten und für Dozenten. Das Thema „angemessene Honorare“ ist ein ganz wichtiges Thema für die Selbstständigen in ver.di, daran arbeiten wir gerade in Zeiten des Mindestlohns mit Hochdruck!

Informatik Aktuell: In einer ver.di-Broschüre [1] ist zu lesen, dass eines der Ziele sei, dass selbstständige Arbeit adäquat entgolten und sozial abgesichert wird. Wie soll dieses Ziel erreicht werden?

Oliver Pyka: Indem sich die Gewerkschaft immer wieder in Gesprächen mit Fachleuten und bei Politikern dafür einsetzt. Die Bundeskommission Selbstständige in ver.di tut das seit Jahren und kann durchaus Erfolge verzeichnen. Aber es ist wie alle gewerkschaftliche Arbeit ein mühsames Geschäft. Und: Je mehr Mitglieder eine Gewerkschaft hat, desto stärker ist sie – letzten Endes fördert man solche Vorhaben also auch durch Mitgliederwerbung.

Informatik Aktuell: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der IT sind meist hochqualifiziert. Prekäre Arbeitsverhältnisse scheinen seltener zu sein, als in anderen Bereichen. Trügt der Eindruck?

Oliver Pyka: Das stimmt auf jeden Fall für die IT. Der Anteil Hochqualifizierter ist unter Selbstständigen sogar insgesamt deutlich höher als im Durchschnitt, aber in anderen Branchen arbeiten Selbstständige trotzdem überdurchschnittlich oft prekär. Dozenten zum Beispiel, die ja ein abgeschlossenes Hochschulstudium haben, müssen nicht selten mit Hartz IV aufstocken, weil sie für ihre Deutschkurse so schlecht bezahlt werden.

Informatik Aktuell: Laut Branchenverband BITKOM fehlen in Deutschland 41.000 IT-Experten. Die Zahlen werden von anderer Seite bezweifelt. So wurde beispielsweise in der Reportage „Der Arbeitsmarktreport - das Märchen vom Fachkräftemangel“ [2] berichtet, "tatsächlich lenke der lautstarke Hilferuf bewusst ab von gewichtigen Problemen: Lohndumping und Arbeitslosigkeit.“ Mit mehr als 34.000 Erstsemestern wurde gerade erst ein Rekord an Erstsemester-Studierenden der Informatik erreicht. Peter Liggesmeyer, Präsident der Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) sagt, dass zu wenig junge Leute das Fach Informatik studierten. Die regelmäßigen Klagen der Unternehmen wiesen darauf hin, dass deutlich mehr ausgebildete Informatikfachkräfte gebraucht würden [3]. Wie stellt sich die Situation aus Deiner Sicht dar?

Oliver Pyka: Also von meiner Seite kann ich bei Studium nicht viel mitsprechen, denn ich selbst bin ausgebildeter DV-Kaufmann. Ich sehe gerade auch die IT-Ausbildungs-Berufe nicht nur als Chance gegen den sogenannten Fachkräftemangel sondern ohne diese wäre das wohl noch ein größeres Problem. Persönlich bin ich aber auch der Meinung, dass dies eben „herbeigeredet“ ist, um einfach auf mehr „billigeres Material“ zugreifen zu können – Stichwort Cloud Worker – was auch schon ein Thema bei ver.di war.

Informatik Aktuell: Seit Jahren wird immer und immer wieder ausgelagert. Aufgaben werden über Outsourcing abgewickelt. Entwicklung wird nur noch als Ressource betrachtet und Global Sourcing auch in Entwicklungsprojekten soll preisgünstigere "Bezugsquellen“ für Entwicklungsleistungen liefern. Hat das Auswirkungen auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?

Oliver Pyka: Ja natürlich, es drängt den einen oder anderen in die Selbstständigkeit, auch wenn er das gar nicht will.

Informatik Aktuell: Welche Perspektiven siehst Du? Welche Ziele möchtest Du in den nächsten Jahren verwirklicht sehen?

Oliver Pyka: Für mich ist es wichtig, dass gerade Spezialisten als Freelancer gut unterwegs sein können. Aber es bleibt für mich ein Rätsel, wieso große Unternehmen „daily jobs“ an Externe vergeben, anstatt eben selbst einzustellen. Die Angst muss fallen vor einem festen, unbefristeten Angestelltenverhältnis – nicht nur in der IT!

Informatik Aktuell: Oliver, dann bedanke ich mich ganz herzlich für das Interview und wünsche Dir weiterhin viel Erfolg!

Oliver Pyka: Danke für das Interesse an ver.di und dem was wir machen.

(Das Interview führte Andrea Held)

Im Interview

Oliver Pyka

Oliver Pyka ist seit 1994 selbstständig und ver.di-Mitglied. Er arbeitet als IT-Berater und betreut Unternehmen als DBA, aber auch Security. Seine Oracle-Erfahrung bringt er in der DOAG als Regionaler Repräsentant ein.
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