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Martin Gösele & Prof. Dr. Philipp Sandner 14. Februar 2018

Die Blockchain-Technologie im Mobilitäts-Sektor – eine Analyse [Teil 2]

Die Blockchain-Technologie bietet auf dem Weg zur digitalen Mobilität scheinbar unbegrenzte Möglichkeiten, die wir Ihnen in Teil 1 von "Blockchain-Technologie im Mobilitäts-Sektor – eine Analyse" vorgestellt haben. Doch warum gibt es in diesem Umfeld bis heute noch kein Produkt auf Blockchain-Basis, dass sich in der Masse durchgesetzt hat? Mit diesem zweiten Teil möchten wir Ihnen Herausforderungen vorstellen, die im Hinblick auf erfolgreiche Produkte und Services noch zu bewältigen sind.

Herausforderungen der Blockchain-Technologie

Auf dem Weg zu marktreifen Produkten und Services mit der Blockchain-Technologie sind noch einige Herausforderungen und Probleme zu bewältigen. In den folgenden Tabellen sind einige davon aus der technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Perspektive dargestellt. Auf der technischen Seite ist besonders die Skalierbarkeit die am häufigsten genannte Herausforderung. Bisherige Blockchain-Systeme haben zum heutigen Stand noch nicht die Kapazitäten, die für einen massentauglichen Einsatz notwendig sind. Auch für Echtzeitsysteme speziell im Payment-Bereich bedarf es noch einiger Entwicklungsarbeit, da die Transaktionsvalidierungszeiten in den großen Systemen mehrere Minuten betragen.

Tabelle 4: Technische Herausforderungen der Blockchain-Technologie

Kriterium Beschreibung    
Skalierbarkeit Enorme Datenmengen in jedem Knoten -> Blockchain-Bloat Fahrzeug als Netzknoten fraglich, CPU-Ressourcen werden für andere Zwecke (Assistenzsysteme, autonomes Fahren) benötigt Anzahl der Transaktionen pro Sekunde nicht auf dem Niveau zentraler Systeme wie VISA/MasterCard
Stabilität der Systeme Ethereum-Client stürzt häufig ab Dokumentation und Bug-Verhalten sind ausbaufähig Fehlende Funktionen in den Skriptsprachen
Security-Management für private Keys und Passwörter Security-Management im Prototypen-Status einfach, je größer das Projekt, desto schwieriger Wer besitzt Berechtigungen um Passwörter zurückzusetzen? Was passiert mit Assets, wenn Passwörter nicht zurückgesetzt werden können?
Standards und Standardisierung Unterschiedliche Car-IT-Systeme der OEMs Kein Standard für Car2X-Kommunikation Einheitliche Daten-Kommunikation in offenen Systemen erforderlich
Integration in existierende Systeme Begrenzter Speicherplatz im Fahrzeug verfügbar, hoher Energieaufwand für Netzwerk-Synchronisation CPU-Ressourcen im Fahrzeug werden für andere Aufgaben benötigt (Assistenzsysteme, autonomes Fahren) Schleichende Migration in bestehende IT-Systeme nötig
Echtzeitsysteme Transaktionszeit für manche Use-Cases sehr gering Offline-Transaktionen müssen möglich sein (Parkhaus/Tiefgarage) Public Blockchains wegen hoher Hintergrundaktivität ungeeignet
Auf dem Weg zu marktreifen Produkten und Services auf Basis der Blockchain-Technologie sind nicht nur einige technische, sondern auch wirtschaftliche Herausforderungen zu bewältigen. Damit die vorgestellten Use-Cases auch wirklich umgesetzt werden können, muss klar sein, dass sich mit dem Produkt oder Service ein Profit erwirtschaften lässt.

Tabelle 5: Wirtschaftliche Herausforderungen der Blockchain-Technologie

Kriterium Beschreibung    
Profitabilität Transaktionskosten zentrales Kriterium bei der Profitabilität von Payments Proof-of-Work-Mechanismus per Definition enorme Ressourcen-verschwendung Alternative Konsensmechanismen wie Proof-of-Stake oder Sidechains als potentieller Lösungsansatz
Abhängigkeit von Kryptowährungen Kriterium zur Berechnung der Transaktionskosten auf Public Blockchains Starke Kursschwankungen, vgl. XBT oder ETH Einführung von "Fiat-backed" Kryptowährungen/Tokens erforderlich
Fachkräftemangel und fachlicher Austausch Kaum Fachkräfte am Markt verfügbar (Programmierer, Architekten, Wirtschafts-wissenschaftler) Fachlicher Austausch durch fehlende Plattformen erschwert Geringes Angebot an Aus- und Weiterbildungen im Bereich Blockchain durch Universitäten und Hochschulen
Wettbewerb Schwieriger Mindshift: Kollaboration statt Wettbewerb mit Blockchain-Technologie Asien und Nord-Amerika sind wesentlich investitions- und innovationsfreudiger Trägheit in großen Industrieunternehmen hemmt Entwicklung, langwieriger Entscheidungsprozess
Entwicklungshorizont und Lebensdauer Unklarer Entwicklungshorizont und nicht abschätzbare Lebensdauer der Blockchain-Technologie Fahrzeug als ever-lasting Product: 4 Jahre Entwicklung, 6 Jahre Produktion und 10 Jahre im Markt Services und Dienste auf Blockchain-Basis mit 16-20 Laufzeit vs. junge Blockchain-Technologie
Für einen langfristigen Erfolg von Produkten und Services auf Basis der Blockchain-Technologie ist es unabdingbar, dass die passenden Rahmenbedingungen, die in dieser Form noch nicht existieren, geschaffen werden. Daher ist es erforderlich, dass Universitäten und Hochschulen sowie die Politik das Thema Blockchain-Technologie aufgreifen, erforschen und entsprechende Initiativen ergreifen.

Tabelle 6: Gesellschaftliche und regulatorische Herausforderungen?

Kriterium Beschreibung    
Privacy, Datenschutz und digitale Identität Hoher Grad an Datenschutz durch Anonymisierung EU-Direktive: alle persönlichen Daten müssen gelöscht werden können Löschung verschlüsselter persönlicher Daten aus der Blockchain daher so gut wie nicht möglich
Verständnis, Bekanntheitsgrad und Hype Technisches Verständnis der Blockchain-Technologie notwendig für fundierte Entscheidungen Teilweise kein fundiertes Wissen bzgl. Blockchain-Technologie im Top-Management und Politik Negative Reputation von Bitcoin erschwert Entscheidungsprozesse
Vertrauen der Konsumenten Vertrauen der Konsumenten Schlüsselkriterium für den Erfolg blockchain-basierter Anwendungen Erste Use-Cases und Prototypen sollten Möglichkeiten der Nutzer erweitern und nicht beschränken Endkunde braucht kein technisches Verständnis, sondern soll in Sicherheit und Anonymität vertrauen

Zusammenfassung

Die Blockchain-Technologie ermöglicht es, kleinste Transaktionen zu niedrigsten Kosten durchzuführen. Dadurch werden von den Transaktionskosten abhängige Geschäftsmodelle, wie beispielsweise das induktive Laden an der Ampel, erst realisierbar. Die Blockchain-Technologie begünstigt zudem die Bildung von Ökosystemen mit vielen Teilnehmern ähnlicher Interessen, die sich gegenseitig aufgrund des Wettbewerbs im Markt nicht vertrauen. Das gemeinsam genutzte Ökosystem ermöglicht die Kollaboration aller Parteien und führt dadurch zu Effizienzsteigerungen. Dieses Ökosystem kann zum Beispiel dazu genutzt werden, eine Plattform für Elektro-Ladesäulen ohne die herkömmlichen Zugangsbarrieren in Form von Zugangs-Karten und Konten zu entwickeln. Die hohe Anzahl an identifizierten Use-Cases zeigt zum einen die vielen Schnittstellen der Technologie im Mobility-Bereich, zum anderen das große Interesse der Industrie an der Blockchain-Technologie. Die Unternehmen beginnen jedoch erst langsam, ihre Forschungsaktivitäten in diesem Bereich zu steigern. Auf dem Weg zu marktreifen Produkten und Services sind jedoch noch einige technische, wirtschaftliche sowie gesellschaftliche und regulatorische Herausforderungen zu bewältigen. Diese Arbeit kann dem interessierten Leser als Diskussionsgrundlage für eigene Ansätze und Ideen der Blockchain-Technologie im Mobility-Bereich dienen. Die Ergebnisse der Arbeit können dazu genutzt werden, Schnittpunkte der Blockchain-Technologie mit dem eigenen Umfeld, Prozessen und Geschäftsmodellen zu identifizieren. Die vorgestellten Use-Cases fungieren dabei als Anregung und Inspiration.
Die vorgestellten Ergebnisse in dieser Arbeit basieren auf der Auswertung von 20 Interviews mit Blockchain-Experten und Entscheidungsträgern aus dem Mobility-Sektor. An dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich bei allen Experten bedanken, die sich die Zeit genommen haben, um ihr Wissen und ihre Erfahrung mit uns zu teilen.
Autoren

Martin Gösele

Mit seiner Begeisterung für das Thema Vernetzung wurde Martin Gösele auf die Blockchain-Technologie aufmerksam und verfolgt seither die rasante Entwicklung.
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Prof. Dr. Philipp Sandner

Prof. Dr. Philipp Sandner leitet das Frankfurt School Blockchain Center an der Frankfurt School of Finance & Management und ist zudem im FinTechRat des Bundesministerium der Finanzen.
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