Die Blockchain-Technologie bietet auf dem Weg zur digitalen Mobilität scheinbar unbegrenzte Möglichkeiten, die wir Ihnen in Teil 1 von "Blockchain-Technologie im Mobilitäts-Sektor – eine Analyse" vorgestellt haben. Doch warum gibt es in diesem Umfeld bis heute noch kein Produkt auf Blockchain-Basis, dass sich in der Masse durchgesetzt hat? Mit diesem zweiten Teil möchten wir Ihnen Herausforderungen vorstellen, die im Hinblick auf erfolgreiche Produkte und Services noch zu bewältigen sind.
Herausforderungen der Blockchain-Technologie
Auf dem Weg zu marktreifen Produkten und Services mit der Blockchain-Technologie sind noch einige Herausforderungen und Probleme zu bewältigen. In den folgenden Tabellen sind einige davon aus der technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Perspektive dargestellt.
Auf der technischen Seite ist besonders die Skalierbarkeit die am häufigsten genannte Herausforderung. Bisherige Blockchain-Systeme haben zum heutigen Stand noch nicht die Kapazitäten, die für einen massentauglichen Einsatz notwendig sind. Auch für Echtzeitsysteme speziell im Payment-Bereich bedarf es noch einiger Entwicklungsarbeit, da die Transaktionsvalidierungszeiten in den großen Systemen mehrere Minuten betragen.
Tabelle 4: Technische Herausforderungen der Blockchain-Technologie
Kriterium
Beschreibung
Skalierbarkeit
Enorme Datenmengen in jedem Knoten -> Blockchain-Bloat
Fahrzeug als Netzknoten fraglich, CPU-Ressourcen werden für andere Zwecke (Assistenzsysteme, autonomes Fahren) benötigt
Anzahl der Transaktionen pro Sekunde nicht auf dem Niveau zentraler Systeme wie VISA/MasterCard
Stabilität der Systeme
Ethereum-Client stürzt häufig ab
Dokumentation und Bug-Verhalten sind ausbaufähig
Fehlende Funktionen in den Skriptsprachen
Security-Management für private Keys und Passwörter
Security-Management im Prototypen-Status einfach, je größer das Projekt, desto schwieriger
Wer besitzt Berechtigungen um Passwörter zurückzusetzen?
Was passiert mit Assets, wenn Passwörter nicht zurückgesetzt werden können?
Standards und Standardisierung
Unterschiedliche Car-IT-Systeme der OEMs
Kein Standard für Car2X-Kommunikation
Einheitliche Daten-Kommunikation in offenen Systemen erforderlich
Integration in existierende Systeme
Begrenzter Speicherplatz im Fahrzeug verfügbar, hoher Energieaufwand für Netzwerk-Synchronisation
CPU-Ressourcen im Fahrzeug werden für andere Aufgaben benötigt (Assistenzsysteme, autonomes Fahren)
Schleichende Migration in bestehende IT-Systeme nötig
Echtzeitsysteme
Transaktionszeit für manche Use-Cases sehr gering
Offline-Transaktionen müssen möglich sein (Parkhaus/Tiefgarage)
Public Blockchains wegen hoher Hintergrundaktivität ungeeignet
Auf dem Weg zu marktreifen Produkten und Services auf Basis der Blockchain-Technologie sind nicht nur einige technische, sondern auch wirtschaftliche Herausforderungen zu bewältigen. Damit die vorgestellten Use-Cases auch wirklich umgesetzt werden können, muss klar sein, dass sich mit dem Produkt oder Service ein Profit erwirtschaften lässt.
Tabelle 5: Wirtschaftliche Herausforderungen der Blockchain-Technologie
Kriterium
Beschreibung
Profitabilität
Transaktionskosten zentrales Kriterium bei der Profitabilität von Payments
Proof-of-Work-Mechanismus per Definition enorme Ressourcen-verschwendung
Alternative Konsensmechanismen wie Proof-of-Stake oder Sidechains als potentieller Lösungsansatz
Abhängigkeit von Kryptowährungen
Kriterium zur Berechnung der Transaktionskosten auf Public Blockchains
Starke Kursschwankungen, vgl. XBT oder ETH
Einführung von "Fiat-backed" Kryptowährungen/Tokens erforderlich
Fachkräftemangel und fachlicher Austausch
Kaum Fachkräfte am Markt verfügbar (Programmierer, Architekten, Wirtschafts-wissenschaftler)
Fachlicher Austausch durch fehlende Plattformen erschwert
Geringes Angebot an Aus- und Weiterbildungen im Bereich Blockchain durch Universitäten und Hochschulen
Wettbewerb
Schwieriger Mindshift: Kollaboration statt Wettbewerb mit Blockchain-Technologie
Asien und Nord-Amerika sind wesentlich investitions- und innovationsfreudiger
Trägheit in großen Industrieunternehmen hemmt Entwicklung, langwieriger Entscheidungsprozess
Entwicklungshorizont und Lebensdauer
Unklarer Entwicklungshorizont und nicht abschätzbare Lebensdauer der Blockchain-Technologie
Fahrzeug als ever-lasting Product: 4 Jahre Entwicklung, 6 Jahre Produktion und 10 Jahre im Markt
Services und Dienste auf Blockchain-Basis mit 16-20 Laufzeit vs. junge Blockchain-Technologie
Für einen langfristigen Erfolg von Produkten und Services auf Basis der Blockchain-Technologie ist es unabdingbar, dass die passenden Rahmenbedingungen, die in dieser Form noch nicht existieren, geschaffen werden. Daher ist es erforderlich, dass Universitäten und Hochschulen sowie die Politik das Thema Blockchain-Technologie aufgreifen, erforschen und entsprechende Initiativen ergreifen.
Tabelle 6: Gesellschaftliche und regulatorische Herausforderungen?
Kriterium
Beschreibung
Privacy, Datenschutz und digitale Identität
Hoher Grad an Datenschutz durch Anonymisierung
EU-Direktive: alle persönlichen Daten müssen gelöscht werden können
Löschung verschlüsselter persönlicher Daten aus der Blockchain daher so gut wie nicht möglich
Verständnis, Bekanntheitsgrad und Hype
Technisches Verständnis der Blockchain-Technologie notwendig für fundierte Entscheidungen
Teilweise kein fundiertes Wissen bzgl. Blockchain-Technologie im Top-Management und Politik
Negative Reputation von Bitcoin erschwert Entscheidungsprozesse
Vertrauen der Konsumenten
Vertrauen der Konsumenten Schlüsselkriterium für den Erfolg blockchain-basierter Anwendungen
Erste Use-Cases und Prototypen sollten Möglichkeiten der Nutzer erweitern und nicht beschränken
Endkunde braucht kein technisches Verständnis, sondern soll in Sicherheit und Anonymität vertrauen
Zusammenfassung
Die Blockchain-Technologie ermöglicht es, kleinste Transaktionen zu niedrigsten Kosten durchzuführen. Dadurch werden von den Transaktionskosten abhängige Geschäftsmodelle, wie beispielsweise das induktive Laden an der Ampel, erst realisierbar. Die Blockchain-Technologie begünstigt zudem die Bildung von Ökosystemen mit vielen Teilnehmern ähnlicher Interessen, die sich gegenseitig aufgrund des Wettbewerbs im Markt nicht vertrauen. Das gemeinsam genutzte Ökosystem ermöglicht die Kollaboration aller Parteien und führt dadurch zu Effizienzsteigerungen. Dieses Ökosystem kann zum Beispiel dazu genutzt werden, eine Plattform für Elektro-Ladesäulen ohne die herkömmlichen Zugangsbarrieren in Form von Zugangs-Karten und Konten zu entwickeln.
Die hohe Anzahl an identifizierten Use-Cases zeigt zum einen die vielen Schnittstellen der Technologie im Mobility-Bereich, zum anderen das große Interesse der Industrie an der Blockchain-Technologie. Die Unternehmen beginnen jedoch erst langsam, ihre Forschungsaktivitäten in diesem Bereich zu steigern. Auf dem Weg zu marktreifen Produkten und Services sind jedoch noch einige technische, wirtschaftliche sowie gesellschaftliche und regulatorische Herausforderungen zu bewältigen.
Diese Arbeit kann dem interessierten Leser als Diskussionsgrundlage für eigene Ansätze und Ideen der Blockchain-Technologie im Mobility-Bereich dienen. Die Ergebnisse der Arbeit können dazu genutzt werden, Schnittpunkte der Blockchain-Technologie mit dem eigenen Umfeld, Prozessen und Geschäftsmodellen zu identifizieren. Die vorgestellten Use-Cases fungieren dabei als Anregung und Inspiration.
Die vorgestellten Ergebnisse in dieser Arbeit basieren auf der Auswertung von 20 Interviews mit Blockchain-Experten und Entscheidungsträgern aus dem Mobility-Sektor. An dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich bei allen Experten bedanken, die sich die Zeit genommen haben, um ihr Wissen und ihre Erfahrung mit uns zu teilen.
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