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Christoph Dibbern & Ronny Kant 08. Juli 2025

Scrum und KI: Potenziale von KI in agilen Teams

Die Zukunft von Scrum liegt in der Verschmelzung menschlicher Kreativität mit KI-gesteuerten Prozessen, der Erweiterung des Wissenspools sowie der Kompetenzen eines Teams und einer kompletten Organisation aus mehreren Teams. Denn Scrum-Teams können von der Integration künstlicher Intelligenz enorm profitieren, wie sowohl Forschung als auch Praxis zeigen. Die sich ergebenden Erkenntnisse wollen wir im vorliegenden Beitrag kurz darstellen.

Vorab ist es zielführend, ein gemeinsames Verständnis von künstlicher Intelligenz zu entwickeln. Anschließend zeigen wir die grundlegenden Erfolgsfaktoren des Einsatzes von KI in agilen Teams auf und gehen darauf aufbauend auf fünf greifbare Einsatzgebiete/Vorteile und Beispiele aus der Finanzdienstleistungs-Branche für den Einsatz in Scrum-Teams ein. Ergänzend werden wir an dieser Stelle die Bedeutung von vertrauenswürdiger KI (Trustworthy AI) betonen. Damit möglichst viele Teams direkt starten können, geben wir ihnen praktische Tipps und einen anschaulichen Leitfaden für die ersten Schritte. 

In unserem abschließenden Fazit fassen wir die wesentlichen Aussagen zusammen und wollen alle agilen Teams ermutigen,  den Einsatz von KI im Sinne der agilen Werte sowie der Scrum-Werte, auszuprobieren, eigene Erfahrungen zu machen und sich so kontinuierlich weiterzuentwickeln [1].

KI verstehen: Mehr als nur eine Technologie

Generative KI-Modelle sind tief lernende neuronale Netze, die auf großen Internetdaten vortrainiert werden, um benutzerspezifische (gewünschte) Inhalte mithilfe leistungsstarker Large Language Models (LLMs) zu erzeugen. Diese vortrainierten, großen KI-Modelle mit neuronalen Netzen können ihre Muster verwenden, um neue Texte, Bilder oder andere Inhalte zu generieren. Mithilfe natürlichsprachlicher Eingabeaufforderungen (Prompts) können die Benutzer diese Ausgaben generieren, ohne dass sie selbst coden oder spezielle Modelle erstellen müssen.

Abb. 1 zeigt die Beziehung zwischen all den verschiedenen Ansätzen, die für das Funktionieren dieser GPT-Systeme zusammenspielen.

Die sieben Einsatzmuster (Pattern) von künstlicher Intelligenz

Nicht alle Anwendungen von KI sind gleich. Grundsätzlich lassen sich sieben Muster differenzieren, auf denen KI-Systeme in den verschiedenen Anwendungsbereichen eingesetzt werden, um die oben genannten Herausforderungen zu lösen. Von autonomem Fahren über Gesichtserkennung bis hin zur Datenanalyse – jede KI-gestützte komplexe Produktentwicklung lässt sich im Kern in ein KI-Muster einordnen, s. Abb. 2. 

  1. Autonome Systeme
    Autonome Systeme erledigen Aufgaben oder treffen Entscheidungen weitgehend ohne menschliches Zutun. In Scrum-Teams könnten sie etwa durch (teilweise) autonome Testsysteme mit z. B. synthetisch generierten Daten oder kontinuierlicher Integration/Deployment (CI/CD) den Entwicklungsfluss unterstützen.
  2. Konversation und Mensch-Maschine-Interaktion
    Dieses Muster umfasst Systeme wie Chatbots oder Sprachassistenten, die in natürlicher Sprache kommunizieren. In komplexen Projekten können solche Systeme z. B. Teammitgliedern Fragen zur Produktvision, Definition of Done oder Story-Abgrenzung beantworten. Dies erweitert das verfügbare Wissen und die Kompetenzen des Teams in nahezu unbegrenzter Skalierung. Ebenso können sie bei der Dokumentation durch automatische Mitschriften oder Übersetzungen in internationalen Teams unterstützen. Dies erleichtert die Kommunikation, insbesondere in verteilten oder cross-funktionalen Teams.
  3. Zielorientierte Systeme
    Diese Systeme lernen durch Zielvorgaben und finden mithilfe von, z. B. Reinforcement Learning optimale Lösungen. In Scrum-Projekten könnten sie etwa bei der Sprintplanung Vorschläge machen, welche Stories im Hinblick auf das Sprintziel priorisiert werden sollten. Auch bei der Ressourcenverteilung oder Kapazitätsplanung über mehrere Teams hinweg kann dieses Muster eingesetzt werden. Es hilft, datenbasiert die besten Wege zum Erreichen komplexer Projektziele zu identifizieren. Denken wir an skalierte Vorgehensmodelle und Projekte mit vielen Abhängigkeiten zwischen Teams, wird der Vorteil umso größer.
  4. Hyper-Personalisierung
    Hyper-Personalisierung bedeutet, dass ein System individuell auf einzelne Nutzer:innen eingeht und sich über die Zeit an deren Verhalten anpasst. In Scrum-Umgebungen könnten damit z. B. personalisierte Dashboards für Teammitglieder entstehen, die relevanten Aufgaben, Metriken oder Lerninhalte anzeigen. Auch gezielte Empfehlungen für Pair Programming oder Wissensaustausch innerhalb des Teams wären denkbar. Dies stärkt die individuelle Wirksamkeit im Team.
  5. Muster- und Anomalie-Erkennung
    Dieses Muster hilft dabei, Regelmäßigkeiten und Abweichungen in Daten zu erkennen. In komplexer Produktentwicklung kann dies zur Früherkennung technischer Schulden oder Qualitätsprobleme in Code-Repositories, Testfällen/-daten beitragen. Auch Burnout-Risiken im Team könnten durch Analyse von Kommunikationsmustern identifiziert werden. So lassen sich Probleme frühzeitig erkennen und gegensteuern.
  6. Prädiktive Analysen, Prognosen & Entscheidungshilfen
    Dieses Muster nutzt historische Daten, um zukünftige Ereignisse oder Entwicklungen vorherzusagen. Scrum-Teams könnten damit z. B. die Wahrscheinlichkeit abschätzen, ein Sprintziel zu erreichen, oder potenzielle Risiken bei Abhängigkeiten frühzeitig erkennen. Auch Release-Prognosen auf Basis vergangener Sprint Velocitys sind ein typisches Beispiel, sofern es die Rahmenbedingungen (Technologiebeständigkeit, Fachlichkeit sowie niedrige Fluktuation im Team) zulassen. Das Muster unterstützt also datenbasierte Entscheidungsfindung im Team basierend auf historischen Daten.
  7. Erkennung (Recognition)
    Hierbei geht es darum, Objekte, Muster oder Inhalte (z. B. Bilder, Texte, Sprache) automatisch zu erkennen. Im Kontext von Scrum könnte das System etwa Screenshots, Whiteboard-Skizzen oder handschriftliche Notizen aus Retrospektiven automatisch analysieren, kategorisieren und dokumentieren. Ebenso kann es bei der Sortierung von Kundenfeedback helfen, indem es Inhalte klassifiziert und priorisiert. Dieses Muster stärkt also die Effizienz bei der Verarbeitung unstrukturierter Daten.

Konkrete Anwendungsbeispiele und deren Vorteile

Die nachfolgende Abb. 3 zeigt in einem Überblick, typische Aufgaben in Projekt-, Produkt- sowie generell Scrum-Teams und wer die Durchführung in Abhängigkeit von Komplexität am besten erledigen kann: Mensch oder Maschine? Aktuell sind KI-Systeme am effizientesten, wenn sie assistierend/unterstützend (Assisting) oder ergänzend/erweiternd (Augmenting) eingesetzt werden. Sowohl Assisting-als auch Augmenting-Systeme sind besser geeignet für Prozesse mit einem hohen Maß an Variabilität bei Eingaben und Ausgaben als bei sich wiederholenden Aufgaben, die eine hohe Genauigkeit erfordern.

Nachfolgend werden basierend auf oben genannten Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen fünf Anwendungsbeispiele für KI für Scrum-Teams sowie Beispielprompts erklärt.

Anwendungsbeispiel 1: Scrum-Teamleistung steigern – Datenanalyse und Administration rücken in den Hintergrund 

KI wird die Zusammenarbeit in Teams revolutionieren, indem sie die Kommunikation verbessert, Backlogs optimiert und Events effizienter gestaltet. Sie unterstützt datenbasierte Entscheidungen, bietet prädiktive Analysen und identifiziert Risiken frühzeitig. Gleichzeitig ermöglicht sie kontinuierliches Lernen, indem sie Engpässe aufzeigt und Lösungen vorschlägt, die zu messbaren Verbesserungen führen. Personalisierte Trainings und Simulationen stärken die empirischen Scrum-Säulen Transparenz, Überprüfung und Anpassung und erleichtern den Wissenstransfer innerhalb von Teams. Diese Entwicklungen sind unter anderem besonders für die Finanzdienstleistungsbranchen relevant, in der Vorhersagen, Risikomanagement und eine konsistente Kommunikation erfolgskritisch sind.

Fallbeispiel: Ein Scrum-Team in einem Versicherungsunternehmen möchte KI-gestützte Methoden einführen, um die Backlog-Priorisierung zu optimieren. Ziel ist es, Risiken frühzeitig zu erkennen, datenbasierte Entscheidungen zu treffen und die Effizienz von Events und Meetings zu steigern.

Anwendungsbeispiel 2: KI wird Teil des Scrum-Teams und täglich angewendet

Die (Teil-)Automatisierung von Routineaufgaben durch KI schwächt deren Aufwand auf Teams weiter ab. So werden administrative Tätigkeiten weiter in den Hintergrund rücken und die Innovationsfähigkeit und Wertschöpfung der Teams gestärkt. Vom Backlog-Refinement bis hin zur Sprint-Planung werden Prozesse durch KI beschleunigt, z. B. durch automatisierte User-Story-Generierung gemäß der INVEST-Kriterien basierend auf Personas und User Story Maps, Abhängigkeitsanalysen und Ressourcenoptimierung [4]. In Daily Scrums können potenzielle Blocker frühzeitig identifiziert und der Teamfokus gestärkt werden. KI-gestützte Unterstützung in Sprint-Reviews und Retrospektiven hilft, Feedback effizient zu konsolidieren und Muster zu erkennen, die strategische Verbesserungen ermöglichen.

Fallbeispiel: Ein Team in der Versicherungsbranche möchte den Einsatz von KI optimieren, um manuelle Tätigkeiten im Backlog-Refinement zu reduzieren, Abhängigkeiten effizient zu erkennen und Ressourcen für innovative Aufgaben freizusetzen.

Anwendungsbeispiel 3: Kl & Stakeholder-Management

Ein weiterer Schlüsselbereich, in dem Kl transformative Effekte zeigt, ist das Stakeholder-Management. Durch Kl-gestützte Chatbots werden Echtzeitanfragen bearbeitet, Updates proaktiv kommuniziert und Feedback präzise analysiert. Mithilfe fortschrittlicher NLP-Funktionen von Systemen wie Scrum Sage von Dr. Jeff Sutherland, ChatGPT4, Gemini, Microsoft Copilot, Claude, Mistral, Llama und Deepseek kann Feedback kategorisiert und priorisiert werden, um informierte Entscheidungen zu beschleunigen [5]. Die Erstellung personalisierter Stakeholder-Profile optimiert die Kommunikation und stellt sicher, dass Bedürfnisse und Präferenzen der Stakeholder im Mittelpunkt stehen.

Fallbeispiel: Ein Versicherungsunternehmen möchte die Bearbeitung von Anfragen und Feedback seiner Kund:innen verbessern. Kl-gestützte Chatbots und  Feedbackanalysen sollen integriert werden, um eine proaktive und personalisierte Kommunikation zu ermöglichen.

Anwendungsbeispiel 4: Effektiveres Product-Backlog-Management

Die Integration von KI in Scrum bietet eine bisher unerreichte Geschwindigkeit, Genauigkeit und Konsistenz im Product-Backlog-Management. KI kann präzise und konsistente User Stories schneller generieren, häufige Schmerzpunkte identifizieren und Missverständnisse minimieren. Dieser technologische Fortschritt verbessert nicht nur die Teamleistung, sondern ermöglicht es Versicherungsunternehmen, agiler und effizienter auf Marktveränderungen zu reagieren.

Fallbeispiel: Ein Versicherungsunternehmen integriert KI in seinen Scrum-Prozess, um das Product-Backlog-Management zu optimieren. Ziel ist es, präzisere User Stories schneller zu generieren, typische Schmerzpunkte in Prozessen zu identifizieren und Missverständnisse zu reduzieren, um agiler auf Marktveränderungen zu reagieren.

Anwendungsbeispiel 5: Wir werden eine andere Diskussion zu Scrum führen

Durch die Kombination von KI-gesteuerten Erkenntnissen und maßgeschneiderten, adaptiven Plänen lassen sich nicht nur Prozesse optimieren, sondern auch die Kundenzufriedenheit signifikant steigern – ein entscheidender Wettbewerbsvorteil in einer datengetriebenen Branche.

Fallbeispiel: Ein Versicherungsunternehmen möchte mithilfe von Kl die Bearbeitungszeit von Schadensfällen um 30 Prozent reduzieren und gleichzeitig die Kundenzufriedenheit erhöhen. Der Fokus liegt auf datengetriebenen Erkenntnissen und personalisierten Lösungen.

Promptimpulse für die Anwendungsbeispiele

Nach unserer bisherigen Erfahrung und mit Blick auf Prompt-Engineering-Empfehlungen sind Prompts ohne ausreichend konkreten Kontext und einer klaren Ergebnisbeschreibung nur bedingt hilfreich. Den Kontext Ihres Teams oder gar ganzen Organisation können wir hier schwer abbilden, möchten aber trotzdem Impulse für Prompts samt Ergebnissen geben. Je genauer Sie den Kontext sowie die Ergebniserwartung bei ihren eigenen Prompts angeben, desto besser sind die Ergebnisse. 

Empfehlenswert ist es zudem, sich nicht mit der ersten Antwort zufrieden zu geben, sondern Ihrem GenAI-Tool der Wahl (z. B. ChatGPT), gezielte Fragen bzw. aufbauende (Verbesserungs-)wünsche in Form von Prompts zu stellen. So können die Ergebnisse schrittweise verfeinert werden. Es ist also ein gezieltes Frage-/Antwortspiel innerhalb des jeweiligen Chats sinnvoll, um Generative AI ins Lernen zu bringen und gezieltes Feedback durch Sie als Anwender zu geben. Dies wird auch als Human in the Loop (HITL) bezeichnet.

AnwendungsbeispielPrompt
2Wie können wir KI in unserem Versicherungsunternehmen einsetzen, um während des Backlog-Refinements Abhängigkeiten zwischen User Stories besser zu analysieren und automatisch priorisierte Vorschläge zu generieren, die sich positiv auf unsere Sprint-Planung auswirken? [6]
3Wie können Kl-gestützte NLP-Funktionen (z. B. von Scrum Sage oder PMI Infinity[7]) eingesetzt werden, um Feedback von Stakeholdern im Versicherungsbereich effizient zu analysieren und zu priorisieren? Erstelle eine Liste von Maßnahmen, um die Kommunikation zu optimieren, personalisierte Stakeholder-Profile zu erstellen und informierte Entscheidungen zu treffen. [8]
4Ich leite ein Scrum-Team in einem Versicherungsunternehmen und möchte KI einsetzen, um unser Product-Backlog-Management zu verbessern. Generiere präzise User Stories basierend auf den häufigsten Kundenbeschwerden, priorisiere sie nach Geschäftsauswirkungen und schlage Maßnahmen vor, um die Bearbeitung zu beschleunigen. [9]
5Ich bin ein Produktmanager in der Versicherungsbranche und möchte Kl nutzen, um die Kundenzufriedenheit zu steigern. Entwickle eine Strategie basierend auf Kl-gesteuerten Erkenntnissen und maßgeschneiderten, adaptiven Plänen, um Prozesse zu optimieren und Kundenanfragen effizienter zu bearbeiten. [10]

So gelingt der Einstieg – in 5 Schritten

Auch Integration von Künstlicher Intelligenz im weiteren Sinne in agile Vorgehensmodelle ist also längst kein Zukunftsthema mehr. Dies belegt auch eine Studie aus 2024 und zeigt nachvollziehbar, wie Scrum-Teams durch datengetriebene Ansätze Produktivität steigern, Engpässe vermeiden und realistischere Sprint-Planungen umsetzen können [11].

Basierend auf den geschilderten Erkenntnissen und Erfahrungen stellt sich für viele Scrum-Teams die Frage, wie und wo man starten soll. Was sind mögliche erste Schritte? Wie profitieren wir schnell von Künstlicher Intelligenz? Abb. 4 zeigt zusammenfassend die ersten, wesentlichen Hebel: Vorhersagen für die Dauer von Aufgaben, dynamisches Workload-Management und frühzeitige Erkennung von Bottlenecks.

Für den Start sind folgende Schritte notwendig:

  1. Sprint-Daten sammeln – insbesondere historische, wenn möglich maschinell aufbereitet (z.  B. aus Jira/Azure DevOps/Trello).
  2. Modelle zur Zeitprognose aufsetzen und evaluieren (am besten mit einfachen Modellen starten z.  B. lineare Regression). Dies kann die Planungsgenauigkeit signifikant erhöhen – die Vorhersagegenauigkeit konnte in der o. g. Studie um 60 Prozent verbessert werden.
  3. Task-Zuordnung visualisieren - Visualisierte Echtzeit-Task-Zuordnung hilft, Überlastungen zu vermeiden und Team-Ressourcen effizient zu steuern.
  4. Bottlenecks / Engpässe analysieren (Statusverläufe) – KI-gestützte Analysen identifizieren verzögerte Aufgaben frühzeitig und ermöglichen rechtzeitige Gegenmaßnahmen.
  5. Ergebnisse in Retrospektiven transparent machen, analysieren und neu iterieren.

Am Ende spielen weiterhin Menschen die zentrale Rolle – für sie und mit ihnen treiben wir Projekte.

Die gelisteten Schritte ermöglichen, bereits im ersten Schritt nicht nur Erfahrungen, sondern erste Mehrwerte zu erzeugen. Dabei bedarf es noch keiner tiefen und technischen Kenntnis von Künstlicher Intelligenz, der einzelnen Modelle, infrastruktureller Rahmenbedingungen oder Ähnlichem. Darüber hinaus ist der verändernde Charakter der Schritte überschaubar und stellt damit keine kritischen Hürden aus Change-Managementsicht – was auch für agile Teams nicht unterschätzt werden sollte. 

Am Ende spielen weiterhin Menschen die zentrale Rolle – für sie und mit ihnen treiben wir Projekte. Dafür ist es wichtig, die neuen technologischen Möglichkeiten verantwortungsvoll einzusetzen. Dies beginnt bei der sparsamen Datenerhebung im Einklang mit der Datenschutzgrundverordnung, Betriebsvereinbarungen usw., geht über die Vermeidung von Bias in den Trainingsdaten, bis hin zur Erklärbarkeit der eingesetzten Modelle und kontinuierlichen Kontrolle. Gerade projektübergreifend Modelle zu trainieren kann zu Fehlschlüssen dieser führen. 

Ein kurzes Beispiel: Im Rahmen eines skalierten Softwareprojekts mit vier Scrum-Teams werden die historischen Daten der letzten zehn Sprints teamübergreifend aus Jira extrahiert und für das Modelltraining zur Vorhersage von Durchsatz und optimaler Aufgabenverteilung für zukünftige Sprints genutzt. Dabei werden zu allen Tickets unter anderem Informationen zu Bearbeitungsdauer und dem bearbeitenden Teammitglied analysiert. Bei der nächsten Sprintplanung wird seitens des Modells empfohlen, alle Fehlertickets einem bestimmten Mitarbeiter zuzuweisen und anderen, erfahrenen Teammitgliedern nur noch kleine Stories vorzuschlagen. Das Team ist maximal irritiert und der entsprechende Mitarbeiter – erst seit zwei Sprints im Team, weiß nicht, wie er das schaffen soll… 
Im Rahmen einer Überprüfung stellt sich heraus, dass der neue Mitarbeiter nur wenige, einfache Fehler bisher behoben hat. Alle anderen, erfahrenen Mitglieder haben die komplexen, schwierigen Fehler behoben. Dies dauerte in der Regel entsprechen lang. Da Fehler hinsichtlich Aufwands nicht anständig geschätzt wurden, sondern pauschal (Pflichtfeld) mit 1 Story Point angelegt wurden, lernte das Modell, dass der neue Mitarbeiter wohl am schnellsten sei.
Das Beispiel zeigt, wie wichtig ein reflektierter Einsatz neuer Technologien ist und verdeutlicht zugleich, dass – insbesondere in den ersten Schritten – diese Herausforderung für motivierte und interessierte Teams eine lösbare ist.

Scrum auf den diesjährigen IT-Tagen

Spannende Vorträge und Workshops zum Thema Scrum erwarten Euch auch auf den IT-Tagen, der Jahreskonferenz von Informatik Aktuell. Die IT-Konferenz findet jedes Jahr im Dezember in Frankfurt statt – dieses Jahr vom 08.-11.12.

Fazit und Ausblick

KI ist kein Ersatz für agile Werte, Prinzipien und Praktiken – aber ein starker Hebel, um datenbasierte Entscheidungen in Scrum-Teams zu etablieren und menschliche Intuition mit maschineller Präzision zu ergänzen. Je umfangreicher und komplexer die Projektrahmenbedingungen sind, beispielsweise in skalierten Formaten (Team of Teams für ein größeres Produkt), umso größer werden perspektivisch die Hebel sein.

Wer bereits mit Scrum arbeitet und die nächste Stufe der Professionalisierung sucht, sollte sich mit KI-gestützter Sprintplanung beschäftigen.

Unternehmen, insbesondere der Finanzdienstleistungsbranche stehen demnach an einem Wendepunkt, an dem KI und Scrum-Teams Hand in Hand arbeiten, um eine neue Ära der Agilität und Effizienz einzuläuten. Dieses Zusammenspiel wird es Unternehmen ermöglichen, je nach Kontext nicht nur zum Beispiel doppelt so schnell, sondern mit einer Präzision, Qualität und Innovationskraft zu arbeiten, die bisher unerreichbar schien. 

Die Reise hat begonnen – und die Möglichkeiten scheinen grenzenlos. Daher wollen wir alle agilen Teams, Scrum Master und Product Owner ermutigen, es auszuprobieren, Erkenntnisse zu sammeln und sich kontinuierlich zu verbessern. Wenige Themen und Technologien haben in den vergangenen Jahrzehnten derart zwiegespaltene Diskussionen und Sichten hervorgebracht wie aktuell KI. Der verantwortungsvolle Einsatz von KI basierend auf ethischen Grundsätzen und vertrauenswürdiger KI (Trustworthy AI [12]) ist unerlässlich und doch gilt das bekannte chinesische Sprichwort: "Wenn der Wind sich dreht und zunimmt, bauen die einen schützende Mauern – die anderen Windmühlen."

Quellen
  1. Agiles Manifest – Commitment, Offenheit, Respekt, Fokus, Mut
  2. PMI: AI Essentials for Project Professionals
  3. Cognilytica: AI in Insurance
  4. INVEST-Kriterien
  5. Scrum Sage | ChatGPT4 | Gemini | Microsoft Copilot | Claude | Mistral | Llama | Deepseek
  6. Prompt: Backlog-Refinements
  7. PMI Infinity
  8. Prompt: Feedback-Analyse
  9. Prompt: Product-Backlog-Management
  10. Prompt: Kundenzufriedenheitsstrategie
  11. Yacelga et al.: SCRUM Data Analysis and AI Integration for Project Management
  12. PMI: Trustworthy AI

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