Klimaneutral bis 2030: Wie erkennen Sie nachhaltige Rechenzentren?
Der Klimawandel hat hohe Priorität. Nachhaltigkeit und Umweltschutz gewinnen politisch, geschäftlich und gesellschaftlich zunehmend an Bedeutung. Unternehmen müssen und wollen ihre CO2-Bilanz optimieren und Maßnahmen umsetzen, um die Klimabelastung auf ein Minimum zu reduzieren. Insbesondere Rechenzentren stehen in der Pflicht. Welche Aktivitäten und Technologien sind im Kommen – und worauf sollten Unternehmen bei der Wahl eines nachhaltigen Colocation-Datacenters achten?
Laut Bitkom ist inzwischen jedes zweite Unternehmen hierzulande darum bemüht, klimaneutral zu werden. Kaum jemand steht dabei vor einer so großen Herausforderung wie die Rechenzentren, deren Betrieb in Deutschland mit einem gewaltigen Stromverbrauch von zuletzt 16 Milliarden Kilowattstunden im Jahr 2020 verbunden ist – Tendenz steigend [1]. Damit verzeichnen deutsche Rechenzentren pro Jahr einen höheren Stromverbrauch als ganze Nationen, darunter Kuba, Kroatien oder Tunesien. Noch größer wird die Herausforderung durch Zeitdruck, denn gemäß dem European Green Deal der EU-Kommission soll der gesamte ICT-Sektor in der EU bereits im Jahr 2030 das Ziel der Klimaneutralität erreicht haben [2]. Und das eigenständig, heißt: ohne Emissionszertifikate.
"Grüne" Herausforderung für Datacenter
Im Zuge des Forschungsprojekts Green Cloud-Computing hat das Umweltbundesamt die Energie- und Ressourceneffizienz digitaler Infrastrukturen unter die Lupe genommen – um herauszufinden, was die Politik unternehmen kann, damit beispielsweise Rechenzentren die SDG-Ziele (Sustainable Development Goals) der Vereinten Nationen bis 2030 erreichen [3]. Zu den resultierenden Handlungsempfehlungen zählen ein verpflichtender Energieausweis sowie ein CO2-Fußabdruck pro Service- oder Übertragungseinheit, der die Klimabilanz von Rechenzentren transparenter machen soll. Dadurch wird Energieeffizienz zukünftig zu den maßgeblichen Erfolgsfaktoren für Rechenzentren zählen – und auch für all jene, die die Infrastruktur eines Rechenzentrums nutzen.
Tatsächlich hat sich die Energieeffizienz von Rechenzentren in der Vergangenheit verbessert. Gegenüber 2010 hat sich der Energiebedarf pro Gigabyte Daten um den Faktor 12 reduziert [4]. In Relation zur Datenmenge, die seitdem um ein Vielfaches angewachsen ist, ist der Stromverbrauch trotzdem immer noch hoch. Unterm Strich haben Rechenzentren es aber geschafft, ihre CO2-Emissionen durch den Einsatz innovativer Strategien und Technologien so weit zurückzufahren, dass sie seit 2015 rückläufig sind.
Wie lässt sich Nachhaltigkeit messen?
Eine wichtige Frage ist, wie sich die Energieeffizienz eines Rechenzentrums messen lässt. Für die Darstellung wird meist der PUE-Wert (Power Usage Effectiveness) herangezogen, der den gesamten Energieverbrauch eines Rechenzentrums ins Verhältnis zur Energieaufnahme der IT-Infrastruktur setzt. Die PUE läge demnach bei 1, wenn die gesamte aufgenommene Energie in die Rechner-Infrastruktur fließen würde. Im Schnitt wiesen die Datacenter in 2020 laut Borderstep Institut einen PUE-Wert von 1,63 auf (ohne Stand-Alone-Server). Hochmoderne Rechenzentren wie das FRA01 im Rhein-Main-Gebiet erreichen schon lange einen herausragenden PUE-Wert von 1,3.
Es gibt bereits eine Vielzahl an Technologien – man muss sie nur nutzen!
Doch werden mit dieser Kennzahl alle Aktivitäten zur Energieeffizienz erfasst, die Rechenzentren und ihre Kunden umsetzen sollten, um noch nachhaltiger zu werden? Wie wirkt es sich etwa aus, wenn in einem Datacenter in der Nacht ungenutzte Server abgeschaltet würden? Das ist förderlich, um Energie zu sparen, treibt allerdings rein rechnerisch den PUE-Wert in die Höhe, was die Diskussion über den alleinigen Fokus auf diesen "Richtwert" für Nachhaltigkeit forciert. Weitere Faktoren müssen bei der Betrachtung der Energieeffizienz hinzugezogen werden, um diese realistisch messen zu können.
"Cool" zum nachhaltigen Rechenzentrum
Die gute Nachricht: Heute gibt es bereits eine Vielzahl an Technologien, die zur Nachhaltigkeit beitragen und den Weg zu einem klimaneutralen Datacenter ebnen – man muss sie nur nutzen. Ein Energie-Hochverbraucher in Datacentern ist die Kühlung, auf die bis zur Hälfte des Energieverbrauchs entfallen kann. Hier kann man heute schon immens optimieren, indem man auf innovative Kühltechniken setzt. Ein Beispiel aus der Praxis ist das neue im Bau befindliche Rechenzentrum FRA02 in Schwalbach bei Frankfurt, bei dessen Konzeption Klimaschutz und Energieeffizienz eine zentrale Rolle spielen.
Neben einer nachhaltigen Bauweise und der Versorgung mit Ökostrom kommen in dem Datacenter, dessen Eröffnung für 2023 geplant ist, zahlreiche Technologien zum Einsatz, die einen möglichst klimaneutralen Betrieb begünstigen. So zum Beispiel eine Kühlung der Hardware durch indirekte freie Kühlung. Hierbei wird die kalte Außenluft genutzt, um ein Kühlmedium wie Wasser oder Kältemittel auf die gewünschte Temperatur zu bringen und damit die Server und Racks ganz natürlich zu kühlen. Gegenüber einer konventionellen Kühlung bietet diese Technologie massive Vorteile im Hinblick auf Kosten und Klimabilanz. Auch die Freiluftkühlung nach dem Kyoto-Prinzip ermöglicht eine umfassende Gebäudeklimatisierung. Im Rechenzentrum FRA01, wo diese im Einsatz ist, wird bis zu 90 Prozent des Gebäudes damit klimatisiert.
Abwärme möglichst reduzieren
Auch die Abwärme, die beim Betrieb eines Rechenzentrums entsteht, sollte sinnvoll genutzt werden. Dabei geht es weniger um die Umweltbilanz des Datacenters, sondern darum, zur grundsätzlichen Dekarbonisierung des Wärmesektors beizutragen. Hier gibt es ebenfalls Diskussionsbedarf. Denn um die Abwärme zur Beheizung von Gebäuden zu nutzen, muss diese zunächst auf die geforderte Temperatur gebracht werden, was mit zusätzlicher Energie und Kosten verbunden ist. Vorerst gibt es hierfür nur einige Pilotprojekte wie das Beispiel des Frankfurter Energieversorgers Mainova. Dieser will mit der Abwärme eines Rechenzentrums rund 60 Prozent von 1.300 Neuwohnungen versorgen – die Marktreife muss sich allerdings noch zeigen [5]. Eine weitere Möglichkeit ist die Einspeisung der Abwärme in niedrigtemperierte Wärmenetze oder die Nutzung direkt vor Ort für die Kunden im Datacenter. Der beste Weg ist jedoch, die Abwärme gar nicht erst in großen Mengen entstehen zu lassen, um die Umwelt so wenig wie möglich zu beeinträchtigen.
Weitsichtig planen und bauen
Bei der Planung und Umsetzung eines Rechenzentrums gibt es zahlreiche Faktoren, die einen umweltfreundlichen Betrieb begünstigen und am Ende für eine optimierte Klimabilanz sorgen. Bereits die Wahl des Standortes spielt dabei eine fundamentale Rolle. Die Energie-Infrastruktur und die klimatischen Gegebenheiten wirken sich maßgeblich darauf aus, inwieweit beispielsweise eine Versorgung mit Ökostrom direkt von den Versorgern gewährleistet ist oder Außenluft zur Kühlung genutzt werden kann.
Beim Bau eines Rechenzentrums sollte die Nachhaltigkeit ganz oben auf der Agenda stehen. So können umweltschonende Materialien zum Einsatz kommen, die sich durch einen möglichst geringen Primärenergieinhalt (PEI) auszeichnen – also dadurch, dass sie mit relativ geringem Energieverbrauch hergestellt wurden. Darüber hinaus lassen sich auch Faktoren wie rohstoffnahe Materialbeschaffung für kürzere Transportwege berücksichtigen, während Baustoffe mit hoher Lebensdauer zum Einsatz kommen, die sich gegebenenfalls auch leicht austauschen lassen. Zudem sollte auf eine optimale Fassadendämmung geachtet werden, damit auch heiße Sommertemperaturen das Datacenter kalt lassen. Eine Lösung ist eine Isolation der Außenhülle, die dennoch den nötigen Luftaustausch zulässt, damit die Kühltechnik im Inneren bestmöglich arbeiten kann.
Auch intelligente Raumnutzungskonzepte leisten einen signifikanten Beitrag zur Klimabilanz eines modernen Rechenzentrums. So ermöglichen modulare Raumkonzepte die passgenaue Installation der technischen Infrastruktur. Dabei gilt es beispielsweise zu beachten, dass für durchgängige Kaltgangkonzepte genügend Abstand zwischen den Racks besteht, um optimale Luftströme und damit einen anhaltenden Wärmeaustausch zu gewährleisten.
Das wichtigste Kriterium für den Neubau von Rechenzentren ist die Agnostik. Gemeint ist damit nicht die Weltanschauung, sondern die Flexibilität der IT-Flächen-Ausstattung. Kundeninvestitionen für die Hardwareunterbringung müssen auch in 3 bis 5 Jahren dem dann aktuellen technischen Standard entsprechen. Was genau das bedeutet, wird maincubes bei einem der nächsten geplanten Datacenter-Standorte beweisen.
Energieeffizienter dank OCP-Hardware
Auch die IT (Hard- und Software), die im Datacenter zum Einsatz kommt, hat großen Einfluss darauf, wie energieeffizient die Anlage betrieben werden kann. Im Rahmen des Open Compute Project (OCP) entwickelte Lösungen basieren auf einer Initiative von Facebook, Intel und Rackspace und verfolgen das Ziel, Open-Source-Konzepte nicht nur im Software- sondern auch im Hardware-Bereich zu implementieren. Die Grundpfeiler sind Effizienz, Offenheit, Skalierbarkeit und Wirkung. Sie spiegeln sich in allen von der OCP-Community entwickelten Produkten für die OT- und IT-Betriebstechnik von Datacentern wider. Dazu zählen Server, Switches, Racks, Kühlsysteme oder Speichergeräte, deren Einsatz entscheidend dazu beiträgt, Rechenzentren klimafreundlicher zu gestalten. Das Datacenter AMS01 in Amsterdam ist das einzige OCP Experience Center in Europa, das jedem zur Verfügung steht, der Services und Lösungen auf OCP-Basis und damit nachhaltig entwickeln und testen möchte.
Um Hardware möglichst energieeffizient zu betreiben, kann ihre Leistung je nach Anforderung mittels automatischer Systeme skaliert werden, da nicht für jeden Einsatzbereich die volle Hardwareleistung notwendig ist. Die Vorteile bestehen in hoher Flexibilität und Performance, geringem Energieverbrauch und Kosteneffizienz. Sie resultieren daraus, dass die Architektur von OCP-Hardware perfekt an die Workloads und Use Cases des Anwenders angepasst sind. So konnte etwa Facebook den Stromverbrauch bei der Inbetriebnahme seines ersten Rechenzentrums mit OCP-Hardware um 38 Prozent senken.
Ein weiterer Vorteil von OCP-Hardware besteht darin, dass relativ wenig Personal für das Management der Komponenten erforderlich ist. Das Verhältnis der System-Manager in einem traditionellen Rechenzentrum gegenüber einer OCP-optimierten Anlage liegt bei 1:100, was nicht nur zu einer erheblichen Einsparung von Personalkosten führt, sondern auch zu einer besseren CO2-Bilanz. Es macht einen großen Unterschied, ob hundert Mitarbeiter sich jeden Tag auf den Weg zum Arbeitsplatz machen oder nur einer.
Nachhaltige Vorteile von Colocation-Services
Die Energieeffizienz spielt nicht nur für die Ökobilanz eines Rechenzentrums eine wichtige Rolle, sondern auch für die Unternehmen, die darin ihre Server und Racks auslagern. Sie profitieren durch die Nutzung eines modernen, nachhaltigen Rechenzentrums auch aus ökologischer Sicht. Colocation, also die Nutzung von Infrastruktur und IT-Kapazitäten eines externen Rechenzentrums, ist ein wichtiges Stichwort. Durch cloud-basierte IT-Services lohnt sich der Betrieb eines eigenen Rechenzentrums für Unternehmen immer weniger – egal, ob es sich dabei um internationale Konzerne, KMUs oder Service Provider handelt. Nicht nur in Sachen Leistung, Zuverlässigkeit, Sicherheit und Skalierbarkeit führt heute etwa an Cloud-Lösungen kein Weg mehr vorbei. Auch hinsichtlich ihrer CO2-Bilanz sind Colocation-Rechenzentren dem Betrieb von lokalen IT-Infrastrukturen häufig deutlich überlegen.
Im Colocation-Rechenzentrum treffen innovative Kühllösungen auf intelligente Raumkonzepte.
So entspricht beispielsweise die Kühltechnik unternehmenseigener Rechenzentren oft nicht dem aktuellen technischen Stand – oder wird durch technologische Innovationen überholt. Eine veraltete Kühlung weiter zu betreiben, wirkt sich negativ auf die Klimabilanz aus, während eine Erneuerung teils mit erheblichen Investitionen verbunden ist. Auch hier ist das Colocation-Rechenzentrum die bessere Wahl, denn dort treffen innovative Kühllösungen auf intelligente Raumkonzepte, sodass sich Kunden keine Gedanken mehr machen müssen.
Auf Zertifizierungen achten
Rechenzentren, die Konzepte für Umweltschutz und Nachhaltigkeit umsetzen, können sich von akkreditierten Organisationen anhand von ISO-Normen wie ISO 14001 oder ISO 50001 zertifizieren lassen. Dabei handelt es sich um internationale Standards für Umwelt- und Energiemanagement oder die Ökobilanz eines Unternehmens. Die Zertifikate dienen für Organisationen als Anhaltspunkte bei der Formulierung konkreter Zielsetzungen in Sachen Nachhaltigkeit. Für die Kunden sind ISO-Normen und Nachhaltigkeits-Zertifizierungen ein wichtiger Anhaltspunkt, für welches Datacenter sie sich entscheiden sollen, um ihren eigenen ökologischen Fußabdruck zu minimieren und umweltfreundlicher zu agieren. Hilfreich ist ebenso ein offizieller Nachhaltigkeitsbericht, z. B. in Anlehnung an den Deutschen Nachhaltigkeits-Kodex [6]. Ein Nachhaltigkeitsbericht gibt anschaulich wider, wie und an welchen Stellen ein Unternehmen bzw. ein Rechenzentrum strategisch und zielgerichtet an den relevanten Punkten zur Nachhaltigkeit arbeitet und wirkt.
Nachhaltig sicher sein
Datenschutz und Sicherheit sind Themenkomplexe, die für Unternehmen mit sehr hohem Aufwand und signifikanten Risiken verbunden sind. Durch die Verlagerung ihrer IT in ein Colocation-Rechenzentrum haben sie die Gewissheit, von umfangreichen Sicherheitskonzepten auf dem modernsten Stand der Technik zu profitieren. Dazu kommen noch SLAs (Service-Level-Agreements), die hundertprozentige Uptime und Ausfallsicherheit sowie die Erreichbarkeit von Service- und Wartungsleistungen rund um die Uhr garantieren. Letztendlich lässt sich auch der Fachkräftemangel in vielen Betrieben durch Colocation gewissermaßen abfedern, da weniger Experten erforderlich sind, wenn die IT-Infrastruktur sich im Colocation-Rechenzentrum befindet und vom dortigen Personal betreut wird. Hier lassen sich also auf zahlreichen Ebenen Ressourcen einsparen.
Es geht auch darum, aktiv die gesellschaftliche und unternehmerische Verantwortung wahrzunehmen.
Gemeinsam Herausforderungen meistern
Je mehr Expertise sich im Hinblick auf Klimafragen akkumuliert, desto schneller gelangt man zu positiven Ergebnissen. Und Schnelligkeit ist ein entscheidender Faktor, wenn es darum geht, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Auch angesichts des European Green Deals, der von Rechenzentren bis 2030 tragfähige Konzepte für den klimaneutralen Betrieb fordert, sind schnelle Fortschritte wünschenswert. Gemeinsames Engagement ist gefragt: Es geht nicht mehr nur darum, auf gesetzliche Vorgaben zur CO2-Reduzierung zu reagieren, sondern aktiv die gesellschaftliche und unternehmerische Verantwortung wahrzunehmen und etwas zu bewegen. Das Engagement in Verbänden und Organisationen ist förderlich und hilft beim Austausch mit allen Entscheidern – sei es, um innovative Technologien zu diskutieren und voranzutreiben oder Normen und Standards festzulegen.
Neben dem Engagement in verschiedenen Organisationen arbeitet beispielsweise maincubes an einer eigenen Nachhaltigkeitsagenda und ist als Praxispartner an verschiedenen Forschungsprojekten beteiligt. Das Ziel besteht darin, klimaneutrale Rechenzentren früher als gesetzlich gefordert zu betreiben und Branche wie auch Kunden auf einen nachhaltigen Weg zu bringen. "Das Wir gewinnt" – dafür sollten alle eintreten und sich für eine nachhaltige digitale Transformation engagiert einsetzen. Damit der Weg in die Klimaneutralität gelingt.
- Borderstep Institut: Energiebedarf der Rechenzentren steigt trotz Corona weiter an
- Europäische Kommission: Europäischer Grüner Deal
- Umweltbundesamt: Ergebnisse des Forschungsprojektes "Green Cloud-Computing"
- eco-Studie: Rechenzentren sind Garant für nachhaltige Digitalisierung in Europa
- hessenschau: Abwärme von Rechenzentrum soll 1.300 Wohnungen heizen
- Deutscher Nachhaltigkeitskodex