Souveränität in der digitalen Infrastruktur: Taten statt Worte

Die Handelspolitik der US-Administration wird zum unberechenbaren Faktor. Und damit werden Deutschland und Europa in Handelsfragen erpressbar durch die gewachsene Abhängigkeit von amerikanischen IT-, Cloud- und digitalen Dienstanbietern. Doch ein Lösen aus dieser Abhängigkeit erfordert intensive Anstrengungen im Schulterschluss von Politik, Wirtschaft und Verbrauchern.
Die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft und staatlichen Institutionen von der amerikanischen IT-Wirtschaft ist enorm. Eine Einschränkung von Verfügbarkeiten von Cloud-Diensten würde zu einem Stopp ganzer Wirtschaftszweige in Europa und Deutschland führen. Mit dem Versprechen zur höheren Produktivität und Effizient sind Unternehmen und Politik sehenden Auges in die Falle getappt. Einmal gefangen, wird eine Befreiung aus diesen Abhängigkeiten enorme Kraftanstrengungen und auch Zeit benötigen.
Doch die geopolitische Lage, mit aggressiven Ausfällen der US-Administration gegenüber Deutschland und Europa sowie dem militärischen Aggressor Russland vor der Haustüre der Europäischen Union, sollte uns keine Wahl lassen. Insbesondere im Bereich der Cloud-Infrastrukturen und deren Nutzung bei US-Hyperscalern ergeben sich dabei Herausforderungen.
Inhalt
US-Cloud-Dienste und Datenschutz: Welche Risiken bestehen für europäische Unternehmen?
Eigentlich sollte das "Transatlantic Data Privacy Framework" (TADPF) als Abkommen zwischen der EU und den USA eine rechtssichere Norm für europäische Nutzer von US-Cloud-Anbietern schaffen. Mit dem Beginn der Amtszeit der Trump-Administration wurden auf der amerikanischen Seite ausgerechnet die Gremien geschwächt, die die Einhaltung des Datenschutzes im Abkommen beaufsichtigen sollten. Die zwischen der EU und den USA vereinbarten Standards werden damit aufgeweicht und der vertragliche Rechtsrahmen für einen transatlantischen Datentransfer steht auf tönernen Füßen.
Für europäische Cloud-Anwender bedeutet dies, es gibt keinen beaufsichtigten Schutz der Verarbeitung von Daten bei US-Cloud-Diensten. Eine Nutzung solcher Dienste ist nach europäischen Datenschutzstandards nicht möglich. Im Prinzip können damit Daten und deren Verarbeitung durch US-Behörden jederzeit analysiert und in deren Nutzung reglementiert werden. Für europäische und deutsche Unternehmen und Organisationen wird die Cloud-Abhängigkeit von US-Hyperscalern zu einem unberechenbaren Risiko.
Resiliente IT-Infrastruktur: Welche Möglichkeiten gibt es?
Doch für eine resiliente Zivilgesellschaft ist eine resiliente IT-Infrastruktur notwendig. Die unberechenbare politische Situation in den USA zeigt: Eine solche resiliente IT-Infrastruktur kann und muss in Europa wachsen. Dabei ist die europäische IT-Landschaft im Vergleich zu den USA stärker als in der Öffentlichkeit wahrgenommen. In der Vergangenheit haben wir uns in Europa zu sehr von den Verlockungen der US-IT-Giganten blenden lassen und damit das eigene IT-Ökosystem in Nischen verdrängt. So bedauern Politik und Wirtschaft das Fehlen von europäischen Hyperscalern und IT Unicorns.
Übersehen wird dabei ein Ökosystem von kleinen bis mittleren IT-Unternehmen und Open-Source-Initiativen, die teilweise überlegene Produkte und Dienstleistungen zu vergleichbaren Angeboten aus den USA bereitstellen.
Die europäische IT-Landschaft ist stärker als in der Öffentlichkeit wahrgenommen.
So haben sich beispielsweise auf Basis von Open Stack eine Reihe von Anbietern aus Deutschland etabliert, mit denen sich Cloud-Anwendungen innerhalb der europäischen Datenschutznormen umsetzen lassen. Doch Europa und damit auch Deutschland hat es in der Vergangenheit verlernt, diese eigenen Potentiale zu pflegen und durch positive Rahmenbedingungen wachsen zu lassen. Diese Versäumnisse aus der Vergangenheit müssen im Angesicht der aggressiven Politik durch die Trump-Administration dringend nachgeholt werden. Dazu gehört ein Umdenken bei Politik, Wirtschaft und auch Verbrauchern.
Digitale Souveränität auf den diesjährigen IT-Tagen
Spannende Vorträge und Workshops zum Thema Digitale Souveränität erwarten Euch auch auf den IT-Tagen, der Jahreskonferenz von Informatik Aktuell. Die IT-Konferenz findet jedes Jahr im Dezember in Frankfurt statt – dieses Jahr vom 08.-11.12.
Ausblick: Mehr Markt für europäische IT – Vergabepraxis neu denken
Es gilt, europäische IT-Dienste und -Produkte aus der Nische zu holen. Ein praktischer Weg ist hierzu eine Änderung der Vergabe- und Beschaffungspraxis. Sowohl die öffentliche Verwaltung als auch der Einkauf bei Konzernen und Unternehmen benötigen eine neue Leitlinie.
Die Beschaffung von IT-Diensten und -Produkten aus Europa muss ein maßgebliches Kriterium bei der Auswahl und Bestellung werden. Nur mit Aufträgen und Kunden aus Europa für Europa stärken wir das eigene IT-Ökosystem und erreichen damit Souveränität in der digitalen Infrastruktur.
In Berlin werden im Entwurf des Koalitionsvertrages dazu erste Signale gesendet. So soll im deutschen Vergaberecht auf Bundesebene die Anhebung der Wertgrenzen für öffentliche Ausschreibungen erfolgen: Auf Bundesebene sollen Liefer- und Dienstleistungen bis 50.000 Euro ohne Ausschreibung möglich sein, für Start-ups mit innovativen Leistungen sind sogar Direktvergaben bis 100.000 Euro möglich. Eine Maßnahme, von der insbesondere KMU mit Open-Source-basierten Lösungen profitieren können.