Betriebliche Nutzung von Messenger-Diensten – Teil II
Dies ist der zweite von zwei Teilen zum Thema "Herausforderungen bei der betrieblichen Nutzung von Messenger-Diensten". Der erste Teil beschäftigt sich mit der Vereinbarkeit der Nutzungsbedingungen, Unternehmerischen Pflichten sowie Datenschutz & Datensicherheit.
Arbeitsrechtliche Rechtslage

Notwendigkeit der Regelung des Umgangs mit dem Messenger-Dienst
Sofern die betriebliche Nutzung eines Messenger-Dienstes nach den in Teil I beschriebenen Varianten zulässig ist, sollte die Nutzung des Messenger-Dienstes ausdrücklich geregelt werden. Ein "Wildwuchs" ist dabei nicht nur unter den in Teil I genannten Aspekten bedenklich. Er birgt auch die Gefahr von möglichen Ansprüchen der Arbeitnehmer auf Grundlage einer sog. betrieblichen Übung. Im schlimmsten Fall wäre dann nicht nur die Nutzung des Messenger-Dienstes zu privaten Zwecken nicht mehr zu verhindern, sondern auch andere Formen der Beschränkung der Nutzung (etwa die hier vorgeschlagene Verpflichtung zur Erstellung von Backups) wären dann ohne die Zustimmung des Arbeitnehmers nicht mehr möglich.
Ob eine solche betriebliche Übung bei fehlender Nutzungsregelung durch die bloße arbeitgeberseitige Duldung der Nutzung begründet werden kann, ist weder im Hinblick auf die Nutzung eines Messenger-Dienstes noch im Hinblick auf sonstige Formen der Unternehmenskommunikation (etwa E-Mail-Nutzung zu privaten Zwecken) abschließend entschieden [1]. Richtigerweise kann ein bloßes Gewährenlassen noch nicht als Angebot auf unbeschränkte Nutzung ausgelegt werden. Die Duldung stellt vielmehr nur die unverbindliche Gewährung einer Annehmlichkeit dar [2]. Einem Angebot dürfte zudem schon regelmäßig entgegenstehen, dass diese Nutzung zumeist nur der IT-Abteilung, nicht aber der jeweiligen Geschäftsführung des Unternehmens als Arbeitgeber bekannt ist und es schon somit an einem Angebot des Arbeitgebers fehlt. Die bisher ausgebliebene höchstrichterliche Klärung dieser Frage macht es dessen ungeachtet notwendig, Regelungen zum Umgang mit Messenger-Diensten einzuführen, um klare Verhältnisse zu schaffen und das etwaige Entstehen der betrieblichen Übung zu verhindern.
Inhalt der Nutzungsregelungen
Solche Nutzungsregelungen müssen dabei die dargestellten Handlungspflichten widerspiegeln und sollten aufgrund der mittlerweile großen Vielzahl von Messenger-Diensten nicht speziell auf einen Messenger-Dienst beschränkt sein.
Folgende Mindestinhalte sollten jedenfalls enthalten sein:
- Die Zulässigkeit der Nutzung des Messenger-Dienstes muss die Einhaltung der bestehenden vertraglichen (Nutzungsbedingungen des jeweiligen Anbieters) und sonstigen gesetzlichen Bestimmungen voraussetzen.
- Um die jederzeitige Einsichtnahme in die Kommunikation zwischen dem Kunden und dem Mitarbeiter sicherzustellen, sollte die Nutzung von Messenger-Diensten grundsätzlich auf die betriebliche Kommunikation beschränkt und eine Nutzung zu privaten Zwecken über das betrieblich zur Verfügung gestellte Smartphone ausdrücklich untersagt werden.
- Die Nutzung von Messenger-Diensten für die dienstliche Kommunikation mit Kunden des Unternehmens muss unter den Vorbehalt gestellt werden, dass die Mitarbeiter einen entsprechenden Backup-Transfer ihrer Chat-Verläufe entweder automatisch oder manuell in regelmäßigen Abständen – am besten täglich – einrichten.
- Die Mitarbeiter müssen verpflichtet werden, ihre Kommunikationspartner schriftlich oder per E-Mail aufzufordern, die neuesten Updates zu installieren, einschließlich eines Hinweises auf die Folgen, wenn dies unterbleibt.
- Die Zusendung dieser Aufforderung muss in den Systemen/Akten des Unternehmens dokumentiert werden.
- Aus Gründen der Transparenz sollten Mitarbeiter auf die Möglichkeit einer zentralen, stichprobenartigen Prüfung durch den Arbeitgeber über die Einhaltung der jeweiligen Nutzungsbedingungen, insbesondere des regelmäßigen Backup-Transfers, hingewiesen werden.
- Für den Fall der Nichteinhaltung der Bedingungen sollten arbeitsrechtliche Sanktionen in Aussicht gestellt werden.
Für Messenger-Dienste, die eine betriebliche Nutzung ihres Dienstes davon abhängig machen, dass der Nutzer die rechtliche Befugnis dazu hat, das Unternehmen als juristische Person an die Bestimmungen der Nutzungsbedingungen zu binden, sollte allen betroffenen Mitarbeitern (etwa allen Vertriebsmitarbeitern, die Kundenbeziehungen pflegen) eine derartige Berechtigung in Form einer Freizeichnung erteilt werden, um so das Unternehmen an die jeweiligen Nutzungsbedingungen des Dienstes zu binden.
Die Chat-Verläufe sind zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle geeignet, da relevante Daten erfasst werden.
Um zu verhindern, dass die implementierten Nutzungsbedingungen durch ihre faktische Nichtanwendung später unbemerkt funktionslos werden könnten, müssen Unternehmen ihre Einhaltung regelmäßig durch Stichproben kontrollieren und auch mit den zur Verfügung stehenden arbeitsrechtlichen Mitteln durchsetzen.
Beteiligung des Betriebsrats
Im Hinblick auf die Ausgestaltung der Nutzungsregelungen ist der zuständige Betriebsrat zu beteiligen.
Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG
Ein Mitbestimmungsrecht folgt hierbei zumindest aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen). Die Chat-Verläufe sind grundsätzlich zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle i. S. d. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG geeignet, da relevante Daten hinsichtlich des Orts, der Zeit und auch des Inhalts der Kommunikation zwischen dem Mitarbeiter und den Kunden erfasst werden. Es liegt auch eine Überwachung durch eine technische Einrichtung in der Form vor, dass die Informationen auf technische Weise ermittelt und dokumentiert werden und zumindest für eine gewisse Dauer verfügbar bleiben [3]. Dabei muss die Überwachung durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden, d. h. die technische Einrichtung muss selbst und automatisch die Daten über bestimmte Vorgänge verarbeiten [4]. Da die Chat-Nachrichten bei den Messenger-Diensten regelmäßig zumindest lokal auf den jeweiligen Smartphones der Mitarbeiter automatisch gespeichert werden, liegt ein solcher Überwachungsvorgang mittels technischer Einrichtung vor. Weil es für die Bejahung des Mitbestimmungstatbestandes ausreicht, wenn auch nur ein Teil des Überwachungsvorgangs mittels der technischen Einrichtung erfolgt [5], dürfte es vorliegend unerheblich sein, ob die Chat-Verläufe später manuell in Systeme des Unternehmens eingepflegt werden oder dies – wie in Teil I empfohlen – im Wege eines automatisierten Backup-Systems erfolgt.
Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG
Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats kann auch unter dem Gesichtspunkt der Ordnung und des Verhaltens nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bestehen. Dies hängt letztlich vom konkreten Inhalt der bestehenden Nutzungsregelungen ab. Beschränken sich die Regelungen ausschließlich auf Regelungen zur dienstlichen Verwendung des jeweiligen Messenger-Dienstes, dürfte ein Mitbestimmungsrecht insoweit ausscheiden. Dann nämlich wären die Nutzungsbedingungen nur die Konkretisierung der bestehenden Leistungspflichten und Teil des grundsätzlich mitbestimmungsfreien [6] Arbeitsverhaltens.
Enthalten die Regelungen dagegen grundsätzliche allgemeine Verhaltensanweisungen, die das Miteinander der Arbeitnehmer betrifft, dürfte ein Mitbestimmungsrecht zu bejahen sein. In gleicher Weise wird ein Mitbestimmungsrecht auch dann bestehen, wenn Unternehmen die private Nutzung der Messenger-Dienste nicht gänzlich ausschließen. Insoweit dürfte hier kein Unterschied zu Regelungen über die Nutzung des Telefons, des Internets oder eines E-Mail-Systems bestehen, die von der herrschenden Literatur als Teil des Ordnungsverhaltens eingeordnet wird [7].
Implementierung der Nutzungsregelungen
Für die Implementierung der o.a. Nutzungsregelungen kommen im Grundsatz drei unterschiedliche Wege in Betracht:
Einseitige Einführung der Nutzungsregelungen
Das Unternehmen kann die Nutzungsbedingungen einseitig, d. h. ohne die Mitwirkung der betroffenen Arbeitnehmer, etwa im Wege einer Policy vorgeben. Weil es für die Wirksamkeit nicht der Einwilligung der betroffenen Arbeitnehmer bedarf, können die näheren Inhalte der Regelung regelmäßig durch den Arbeitgeber aktualisiert und (den technischen Entwicklungen entsprechend) angepasst werden. Bereits der mündliche Hinweis, ein Aushang am Schwarzen Brett des Betriebs oder im Intranet genügen, um die Weisungen wirksam werden zu lassen. Zu beachten ist einzig, dass es aber noch der zusätzlichen Beteiligung des Betriebsrats durch formlose Regelungsabrede oder Betriebsvereinbarung bedarf, sofern die Weisungen einem Mitbestimmungstatbestand unterfallen.
Vertragliche Vereinbarung
Die Nutzungsrichtlinien können – vorbehaltlich einer ggf. notwendigen Betriebsratsbeteiligung – im Wege einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung zwischen den Mitarbeitern und dem Arbeitgeber als Erweiterung der vertraglichen Pflichten aufgenommen werden. Anders als die einseitige Einführung setzt diese Implementierungsform zwingend das Einverständnis der betroffenen Arbeitnehmer voraus.
Neben dem zeitlichen und organisatorischen Aufwand bleibt als Nachteil, dass die betriebsweite Durchsetzung der Regelungen letztlich von jedem einzelnen Arbeitnehmer abhängt und somit nicht erzwungen werden kann. Hinzu kommt, dass die einmal festgelegten Rechte und Pflichten nachträglich durch den Arbeitgeber nicht mehr einseitig beseitigt werden können, da eine Änderungskündigung im Regelfall sozialwidrig wäre.
Abschluss einer Betriebsvereinbarung
Schließlich kommt der Abschluss einer Betriebsvereinbarung zwischen dem jeweils zuständigen Betriebsrat und der Geschäftsführung in Betracht. Da Betriebsvereinbarungen normativ, d. h. unabhängig vom Willen der jeweils betroffenen Arbeitnehmer wirken (§ 77 Abs. 4 BetrVG), können solche Betriebsvereinbarungen Arbeitnehmer in gleicher Weise wie einseitige Vorgaben verpflichten. Gegenüber der einseitigen Vorgabe auf Grundlage des Weisungsrechts ist der Abschluss einer Betriebsvereinbarung gleich unter mehreren Gesichtspunkten günstiger: Durch die Betriebsvereinbarung werden die Beteiligungsrechte des Betriebsrats ausgeübt, so dass es einer weiteren Beteiligung nicht bedarf. Weiterhin stellen Betriebsvereinbarungen aus datenschutzrechtlicher Sicht Rechtsvorschriften i. S. d. § 4 Abs. 1 BDSG dar, sodass sie zur Rechtfertigung von datenschutzrechtlich relevanten Vorgängen herangezogen werden können. Schließlich kann die Betriebsvereinbarung von beiden Betriebsparteien mit einer Frist von drei Monaten ohne Angabe von Gründen gekündigt werden. Durch ihre Nachwirkung (§ 77 Abs. 6 BetrVG) wird schließlich ein regelungsloser Zustand nach Beendigung verhindert. Dies schafft die bei technischen Anwendungen notwendige Flexibilität, um auf neue Entwicklungen reagieren zu können.
- Für die grundsätzliche Möglichkeit einer solchen betrieblichen Übung spricht sich etwa Barton, NZA 2006, 460, 461 aus.
- I.E. so auch etwa Waltermann, NZA 2007, 529, 532; Baumgartner, in: Weth/Herberger/Wächter, Daten und Persönlichkeitsschutz im Arbeitsverhältnis, Teil B. Besonderer Teil VII Rdz. 46; Koch, NZA 2008, 912.
- BAG, Beschluss vom 27.02.2014 – 1 ABR 7/03 – NJW 2004, 1756, Rdz. 27.
- BAG, Beschluss vom 15.12.1992 – 1 ABR 24/92 - BeckRS 1992, 30743536.
- BAG, Beschluss vom 10.12.2013 – 1 ABR 43/12 - NZA 2014, 439.
- Ständige Rechtsprechung, vgl. BAG, Beschluss vom 18.04.2000 – 1 ABR 22/99 - NZA 2000, 1176
- Vgl. hierzu Kania, in: Erfurter Kommentar zum BetrVG, 16. Auflage 2016, § 87 BetrVG, Rdz. 19; Fitting, BetrVG, 28. Auflage 2016, § 87, Rdz 71.
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