KI & Design Thinking
"Künstliche Intelligenz wird Innovator:innen nicht ersetzen. Aber Innovator:innen werden ihresgleichen ersetzen, die keine KI nutzen" [1]. So ähnlich formuliert hat dies Philippe De Ridder, Gründer des Board of Innovation (BoI), einer weltweit agierenden Innovationsberatung, die seit 15 Jahren am Markt ist, Unternehmen der Fortune 500 berät und auf LinkedIn knapp 90.000 Follower:innen verzeichnet. Ich bin eine davon, da das BoI für mich als Innovationsberaterin und Design Thinking Expertin stets eine Quelle der Inspiration ist.
In diesem Artikel möchte ich anhand eines fiktiven Beispiels vorstellen, wie wir KI in den Design Thinking Prozess integrieren können, welche Vorteile sich daraus ergeben und worauf wir achten sollten. Grundlage dieses Artikels ist ein Vortrag, den ich im Mai 2024 auf der Konferenz Agile Beyond IT (ABIT) in Hannover gehalten habe.
Meiner Meinung nach ist Design Thinking mehr als eine effektive Methode, um kreative Lösungsideen für komplexe Probleme zu entwickeln. Design Thinking bringt Menschen aus unterschiedlichen Kontexten, Abteilungen und Hierarchie-Ebenen innerhalb kürzester Zeit in kollaborative und wertschätzende Zusammenarbeit. Design Thinking orientiert sich an den Bedürfnissen von Kund:innen und Nutzer:innen hinsichtlich unserer Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse. Design Thinking ist durch den prototypischen und iterativen Ansatz ressourcenschonend und ermöglicht das Vertesten von Ideen mit Blick auf Wirtschaftlichkeit, technische Umsetzbarkeit und vor allem Wünschbarkeit innerhalb kürzester Zeit.
Die Integration von Künstlicher Intelligenz hebt Design Thinking auf eine neue Ebene: Mit KI können wir innovative Produkte und Dienstleistungen nun noch schneller und effizienter entwickeln.
Keep it simple!
Remote zu arbeiten bedeutet für uns, den Teams eine funktionierende digitale Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Unsere Basistools sind u.a. MS Teams, Miro, Canva, Grammarly, Google Translate und SurveyMonkey. Seit Ende 2022 benutzen wir auch ChatGPT für unsere Arbeit, DALL-E und Midjourney haben ebenso längst Einzug gehalten.
Paul Storm, the AI Guy, hat in einem seiner LinkedIn Posts im Frühjahr 2024 eine Übersicht von KI-basierten Tools präsentiert [2]. Es gibt mannigfaltige Anwendungen, um die Produktivität zu steigern, um Marketingmaßnahmen zu entwickeln, Produkte zu gestalten, Videos zu produzieren oder Texte zu verfassen. Täglich kommen neue Tools auf den Markt. Darum haben wir uns zum jetzigen Zeitpunkt entschieden, mit den oben angegebenen Basistools zu arbeiten und diese bei Bedarf durch weitere Anwendungen zu ergänzen.
Die ideale Teamzusammensetzung
Neben unserem multidisziplinären Team bin ich für das Projekt- und Prozessmanagement zuständig. Unsere Auftraggebenden werden als Impuls- und Feedbackgebende eng einbezogen. Externe Expert:innen unterstützen uns bei der Beantwortung spezieller Fragen, Interviews mit Kund:innen unserer Auftraggebenden sind eine wertvolle Quelle, um Bedürfnisse und Probleme zu sichten und zu analysieren und auf Grundlage dessen Lösungsideen zu entwickeln.
Das BoI empfiehlt, neben einer Projektleitung Expert:innen aus dem Bereich Forschung und Entwicklung, Visual Prompt Design, KI Data Analyse, Marketing und Recht einzusetzen. Dies ist sicherlich sinnvoll, wenn ein Unternehmen ein neues Produkt oder eine Dienstleistung ausrollen und auf den Markt bringen will, in der Prototyping-Phase halte ich diese Teamaufstellung ehrlicherweise für übertrieben.
Es gilt also das Motto: So einfach wie möglich, so komplex wie nötig.
Die Phasen des Design-Thinking-Prozesses
Design Thinking umfasst einen iterativen Prozess, der in sechs Phasen unterteilt ist [3]:
In den ersten drei Phasen (Verstehen, Beobachten und Sichtweise definieren) setzen Sie sich intensiv mit der sogenannten Design Challenge – dem zu lösenden Problem – auseinander und nähern sich so den tatsächlichen Bedürfnissen der potenziellen Nutzer:innen und Kund:innen.
Als Problemexpert:in begeben Sie sich dann in den sogenannten Lösungsraum (Ideen finden, Prototypen entwickeln, Testen): Im Brainstorming sammeln Sie vielfältige Ideen zur Lösung des Problems und bewerten und priorisieren diese anschließend.
Aus der priorisierten Idee entwickeln Sie anschließend einen Prototypen, der ein Konzept sein kann, ein Wireframe oder das Mock-Up einer Website, ein Modell aus Pappe oder Lego, Customer Journeys oder Rollenspiele.
Wichtig ist es, etwas anfassbares zu produzieren, um Dinge besprechen zu können. Ihre Kunden testen den Prototypen, und das Feedback fließt in den Iterationsprozess ein.
Set the Scene
Um einen Design Thinking Prozess, der von KI-Anwendungen flankiert wird, möglichst lebensnah zu beschreiben, habe ich mich auf ein Thema fokussiert, dass vielen Menschen in meiner Heimatstadt Bremen vertraut ist: Das Radfahren bei widrigen Wetterbedingungen, die aufgrund der Klimakrise in der Zukunft noch zunehmen werden:
Unser Kunde: Ein Unternehmen, das Ausrüstung, Kleidung und Zubehör für Radfahrende herstellt und vertreibt.
Unsere Zielgruppe: Radfahrende in Großstädten, die zur Arbeit und zurück pendeln und die Extremwetterlagen ausgesetzt sind.
Trend: Schutz vor Extremwetterlagen
Signale: Starkregen, Hitzewellen, Stürme
Treiber: Klimakrise
Hintergrund und Kontext
Als Unternehmen, das sich auf Fahrräder, Ausrüstung und Kleidung für Radfahrende spezialisiert hat, ist es unser Ziel, neue nachhaltige Produkte zu entwickeln, die auf die Bedürfnisse unserer Zielgruppe zugeschnitten sind. Diese sind verstärkt schwierigen Wetterbedingungen wie Sturm, starkem Regen und Hitzewellen ausgesetzt. Indem wir die spezifischen Anforderungen unserer Zielgruppe in diesem Kontext verstehen, können wir innovative Produkte und Services entwickeln und in diesem Marktsegment führend werden.
Forschungsschwerpunkte:
- Wir identifizieren die kritischen Herausforderungen, mit denen Radfahrende bei stürmischem Wetter, starkem Regen und Hitzewellen konfrontiert sind.
- Wir erforschen die spezifischen Bedürfnisse und Vorlieben von Radfahrenden in Bezug auf Ausrüstung und Kleidung für widrige Wetterbedingungen.
- Wir entwickeln innovative Lösungen, die die Sicherheit und den Komfort von Radfahrenden bei extremen Wetterbedingungen verbessern können.
Design Thinking trifft KI
1. Verstehen: In dieser Phase wird zunächst das Problem, die Design Challenge, definiert, die für unser Unternehmen lautet: Wie können wir innovative und nachhaltige Produkte entwickeln, die Radfahrenden in Städten dabei helfen, sicher durch Sturm, starken Regen und Hitzewellen zu fahren?
KI-Tools wie ChatGPT, die große Datenmengen analysieren und Informationen extrahieren können, helfen uns dann dabei, umfangreiche Recherchen durchzuführen und Trends, Wettbewerber:innen, Technologien u.a. auszuwerten.
2. Beobachten: Die in Phase 1 generierten Erkenntnisse helfen uns, entsprechende Schritte in Phase 2 zu gehen, in der wir Personas, also idealtypische Nutzer:innen unserer Produkte entwickeln. In der analogen Welt führen wir Interviews mit Radfahrenden durch, in der digitalen Welt hilft ein entsprechender Prompt.
Mit unserem Business möchten wir Menschen aus der Performing Class und sogenannte Öko-Intellektuelle adressieren.
Wir haben hier durch ChatGPT durch einen Prompt gebeten, entsprechende Personas zu entwickeln. Diese leicht abgewandelten Prompts haben wir zur Generierung von Bildern durch Midjourney verwendet:
3. Sichtweise definieren: In Phase 3 des Design Thinking Prozesses bitten wir ChatGPT, auf die Personas abgestimmte Interviewfragen zu entwickeln, um Informationen über Ziele und Bedürfnisse in Bezug auf das Pendeln mit dem Fahrrad sowie Probleme und Herausforderungen zu generieren.
ChatGPT generiert natürlich beliebig viele Fragen, auf die wir häufig gar nicht kommen würden – auf unseren Abbildungen zeigen wir aus Platzgründen nur einige Interviewfragen.
Aus den gesammelten Informationen erstellt ChatGPT auf Grundlage eines entsprechenden Prompts eine präzise Problemdefinition.
Eine ChatGPT-gestützte Analyse hilft uns ebenfalls durch einen Prompt, die Kernprobleme und Bedürfnisse unserer Personas herauszufiltern, relevante Muster zu erkennen sowie Lösungsmöglichkeiten und Alternativen anzubieten.
4. Ideen finden: In dieser Phase generieren wir mit Hilfe von ChatGPT unzählige Ideen, mit denen wir die Probleme unserer Personas lösen und ihre Bedürfnisse befriedigen wollen. Auch hier helfen uns entsprechende Prompts.
KI-Tools wie DALL-E, Midjourney oder Uizard unterstützen bei der anschließenden Visualisierung dieser Ideen und der schnellen Entwicklung von Prototypen.
5. Prototyp entwickeln.
6. Testen: Der Prototyp wird im Anschluss von unseren synthetischen Personas durch entsprechende Interviewfragen getestet, um Feedback zu sammeln und notwendige Anpassungen vorzunehmen.
KI hilft nicht nur bei der Analyse des Feedbacks, sondern auch beim Formulieren von Hypothesen, die überprüft werden sollen.
Nächste Schritte:
Nachdem das Feedback ausgewertet ist und im Idealfall positive Resonanz bei unseren synthetischen Testpersonen erzeugt wurde, können wir den Prototypen weiterentwickeln – in unserem Fall könnte das eine Verfeinerung des Designs unserer Ausstattung sein, die wir auf einer Website präsentieren, um weitere Tests – diesmal auch mit realen Personen - durchzuführen. Uizard generiert basierend auf unserem Prompt auf Knopfdruck das Mock-up einer Website nebst dazugehörigen Wire-Frames:
Mit dem Future Scenario Maker vom BoI können wir dann noch einen Schritt weitergehen und durch wenige Worte und die Anzahl einer Jahreszahl Produkte entwickeln, die uns vermutlich auf die Art und Weise nicht einfach so in den Sinn kämen. Die anschließenden Visualisierungen über Midjourney machen das wunderbar deutlich!
Zusammenfassung
Die Kombination von Design Thinking und KI ist nicht nur effizient, sondern auch spannend und macht Spaß! Die Herangehensweise eröffnet neue Möglichkeiten der kreativen Zusammenarbeit und fördert innovative Lösungen.
Die Vorteile für das Team liegen auf der Hand: KI ermöglicht eine schnellere und präzisere Problemanalyse, unterstützt bei der Ideenfindung und Visualisierung und beschleunigt die Entwicklung und Iteration von Prototypen. Unternehmen können sich durch die Anwendung von KI in Innovationsprozessen einen Wettbewerbsvorteil sichern – wenn sie denn mutig genug sind, diesen Schritt zu gehen.
Die Zukunft der Innovationsentwicklung liegt meiner Meinung nach auf jeden Fall in der Kombination von menschlicher Kreativität und kollaborativer Zusammenarbeit und der Unterstützung durch Technologien. Get there early!
Und hier folgt ein Überblick über die Vor- und Nachteile der Anwendung von KI in Innovationsprozessen wie beispielsweise einem Design Sprint. (Der nachfolgende Text wurde übrigens von ChatGPT generiert und natürlich von mir kuratiert!)
Vorteile der Anwendung von KI bei einem Design Sprint
Die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in Design Sprints bietet zahlreiche Vorteile, die den Prozess effizienter und zielgerichteter machen:
1. Informationen sammeln, analysieren und synchronisieren: KI kann große Datenmengen schnell und präzise verarbeiten, was hilft, relevante Informationen effizient zu sammeln und zu analysieren. Dies führt zu fundierteren Entscheidungen und einer besseren Grundlage für die Problemlösung.
2. Synthetische Nutzer:innen generieren: Durch KI können synthetische Nutzer:innen erstellt werden, die auf Basis realer Daten simuliert werden. Dies ermöglicht realistische Tests und Szenarien, ohne auf umfangreiche Nutzer:innen-Studien angewiesen zu sein.
3. Spezifische Interviewfragen formulieren: KI kann dabei unterstützen, gezielte und relevante Interviewfragen zu entwickeln, indem sie bestehende Daten analysiert und Muster erkennt.
4. Probleme und Bedürfnisse erforschen, Muster erkennen: Durch den Einsatz von KI können Probleme und Bedürfnisse der Zielgruppe schneller identifiziert und Muster im Verhalten erkannt werden.
5. Ideen generieren: KI kann kreative Prozesse unterstützen und neue Ideen vorschlagen, die menschlichen Denkweisen möglicherweise entgehen.
6. Visualisierungen/Prototypen entwickeln und iterieren: Mit Hilfe von KI können Prototypen schneller erstellt und getestet werden, was den Designprozess beschleunigt und verbessert.
7. Zukunftsszenarien entwickeln: KI kann dabei helfen, verschiedene Zukunftsszenarien zu simulieren und zu analysieren, um die bestmöglichen Lösungen zu finden.
8. Automatisierung repetitiver Aufgaben: KI kann wiederkehrende Aufgaben automatisieren, wodurch mehr Zeit für kreative Prozesse bleibt.
9. Erhöhte Genauigkeit und Konsistenz: Durch die Nutzung von Algorithmen wird die Genauigkeit und Konsistenz der Ergebnisse erhöht.
Nachteile der Anwendung von KI bei einem Design Sprint
Trotz der vielen Vorteile gibt es auch einige Herausforderungen und Risiken, die bei der Nutzung von KI im Design Sprint beachtet werden müssen:
1. Die richtigen Fragen stellen: Es ist entscheidend, die richtigen Fragen zu formulieren, um sinnvolle und relevante Ergebnisse zu erhalten. KI kann nur so gut sein wie die Fragen, die ihr gestellt werden.
2. Den Menschen nicht vergessen: Bei allem technologischen Fortschritt darf der menschliche Aspekt nicht vernachlässigt werden. Entscheidungen sollten nicht ausschließlich auf KI basieren.
3. Bias/Ethik: KI-Systeme können Vorurteile (Bias) enthalten und ethische Fragen aufwerfen, die berücksichtigt werden müssen. Es ist wichtig, diese Bias zu erkennen und zu minimieren.
4. Datenschutz: Der Umgang mit personalisierten Datenmengen erfordert strenge Datenschutzmaßnahmen, um die Privatsphäre der Nutzer:innen zu schützen.
5. Transparenz: Die Entscheidungen und Prozesse von KI sollten transparent und nachvollziehbar sein, um Vertrauen bei den Beteiligten zu schaffen.
6. Energieeffizienz/Nachhaltigkeit: Der Betrieb von KI-Systemen kann sehr energieintensiv sein. Es ist wichtig, auf nachhaltige und energieeffiziente Lösungen zu achten.
7. Kosten: Die Implementierung und Wartung von KI-Systemen kann kostspielig sein.
8. Komplexität: Die Nutzung von KI erfordert spezielles Fachwissen und kann den Prozess komplexer machen.