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Martin Gösele & Prof. Dr. Philipp Sandner 14. Februar 2018

Die Blockchain-Technologie im Mobilitäts-Sektor – eine Analyse [Teil 1]

Zahlreiche neue Technologien und Trends, die andere Branchen disruptiv und ganzheitlich verändert haben, sind seit dem Bau des ersten Automobils von Carl Benz im Jahre 1886 an der Automobilindustrie größtenteils unbehelligt vorbeigezogen. Im Hinblick auf die sich mit vernetzten Fahrzeugen verlängernde Wertschöpfungskette bahnt sich im Mobility-Sektor mit neuen Informations-Technologien wie der Blockchain ein tiefgreifender Umbruch an. Dieser Artikel wird einen Vorschlag zur Bewertung und Kategorisierung von Blockchain-Use-Cases vorstellen, sowie einen kurzen Überblick über vielversprechende Use-Cases und die dazugehörigen Herausforderungen im Mobility-Bereich gegeben. Als digitale Allzweckwaffe wird die Blockchain-Technologie als die Lösung auf Fragen in Sicherheits- und Datenschutzbelange in den Bereichen Payments sowie Smart Contracts gehandelt. Erste Praxiserfahrung konnte die Blockchain-Technologie als Kryptowährung vor allem in der Finanzwirtschaft sammeln. Inzwischen beschäftigt sich aber eine Vielzahl von Firmen aus den unterschiedlichsten Branchen mit der Realisierung von Projekten, deren Funktionen weit über die Kryptowährungen hinausgehen. Die Blockchain-Technologie kann dabei viele Prozesse vereinfachen, optimieren und automatisieren. Doch wie wirkt sich dies auf den Mobility-Sektor aus?
Einen Use-Case zu finden, der wirklich Blockchain-tauglich ist und wo Blockchain einen Mehrwert bringt, ist eine Herausforderung.

Blockchain-Analyse

Es gibt viele Use-Cases, die sich mit einer Blockchain umsetzen lassen. Doch nicht bei jedem Use-Case macht sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus technischer Sicht eine Umsetzung auch Sinn. Daher wird im Folgenden ein Vorschlag zu Analyse potentieller Use-Cases auf Blockchain-Eignung vorgestellt. Diese Analyse zielt weniger auf die technische Realisierbarkeit oder das zu verwendende Blockchain-Protokoll ab. Vielmehr sollen die Rahmenbedingungen der Use-Cases beleuchtet werden, die über die Umsetzbarkeit entscheiden. Dazu konnten vier Kriterien in Tabelle 1 ermittelt werden. Je höher diese Kriterien im Use-Case ausgeprägt sind, desto höher ist der Mehrwert der Implementierung der Blockchain-Technologie.

Tabelle 1: Kriterien zur Bewertung der Blockchain-Eignung

Kriterium niedrig medium hoch
Multi-Party-Prozess 1 bis 3 Stakeholder 4-10 Stakeholder Mehr als 10 Stakeholder
Single-Source of Truth Kein Datenabgleich zwischen den Parteien erforderlich Daten werden zwar mit der Blockchain abgeglichen, haben aber keine zentrale Funktion Der Mehrwert basiert auf Daten aus der dezentralen Datenbank
Fehlendes Vertrauen Vertrauen zwischen den Stakeholdern ist vorhanden Parteien kennen sich, vertrauen sich aber nicht Kein Vertrauen vorhanden
Offenes Ökosystem Kein offenes Ökosystem, abgeschlossener Prozess Größtenteils geschlossener Prozess mit Schnittstellen zu anderen Bereichen Offenes Ökosystem, Zutritt für jeden möglich
Die Blockchain-Technologie besitzt viele verschiedene Eigenschaften, die sich für die unterschiedlichsten Verwendungszwecke eignen. Mit der folgenden Kategorisierung soll eine klare Zuordnung der Use-Cases anhand ihrer Eigenschaften ermöglicht werden, um so ein generelles Verständnis der Blockchain-Technologie im Mobility-Sektor entwickeln zu können. Die sechs herausgearbeiteten Eigenschaften sind in Tabelle 2 dargestellt.

Tabelle 2: Eigenschaften zur Kategorisierung der Use-Cases

Eigenschaft niedrig medium hoch
Dezentrale Datenbank Reine Datenbank-Funktion nicht im Fokus Datenbank-Funktion erforderlich Datenbank-Funktion zentraler Bestandteil des Use-Cases
Payment Keine Payments Payments vorhanden aber kein Kernaspekt Payments zentraler Bestandteil
Smart Contract Keine automatisierten Prozesse Prozesse sind durch Smart Contracts teilweise automatisiert Komplett automatisierte Prozesse
Autonomous Entity Keine autonome Entscheidungsfindung Geringer Freiheitsgrad in der Entscheidungsfindung Hoher Freiheitsgrad in der Entscheidungsfindung
Echtzeit-System Zeit bis zur Validierung nebensächlich Zeit bis zur Validierung max. 10 Minuten (Bitcoin) Validierung innerhalb von max. 20 Sekunden
Technology-Readiness-Level Technologie in mehr als 5 Jahren verfügbar Technologie durch Weiterentwicklung in den nächsten 2-5 Jahren verfügbar Technologie in weniger als 2 Jahren verfügbar
Zur Vereinfachung der Darstellung erfolgt die Bewertung der Use-Cases auf Blockchain-Eignung in einem Balkendiagramm. Die Darstellung der Kategorisierung der Use-Cases erfolgt in einem Netz-Diagramm. Die entsprechenden Diagramme der Use-Case-Analyse sind in Abb. 1 dargestellt.

Blockchain-Use-Case: Car-Wallet und Payments

Mit einer im Fahrzeug integrierten Wallet-App soll das Auto in der Lage sein, selbständig Zahlungsvorgänge durchzuführen. So können Payments rund um das Fahrzeug über die Blockchain-Technologie sicher, schnell und automatisiert abgebildet werden. Besonders im Hinblick auf kommende Fahrzeuggenerationen mit weitergehenden autonomen Fahrfunktionen gewinnt die Automatisierung von Bezahlvorgängen und deren Integration ins Fahrzeug an Bedeutung.

Ladesäulen-Payments

Eines der am häufigsten genannten Payment-Szenarien ist das Laden von Strom für das Elektrofahrzeug. Während einer kurzen Ladezeit von 2 bis 15 Sekunden an einer Ampel werden sehr kleine Mengen Strom über eine Induktionsplatte im Boden geladen, der Ladevorgang an sich hätte ein Volumen von wenigen Cents. Mit der Blockchain-Technologie können auch kleinste Transaktionen wirtschaftlich abgebildet und das Szenario rentabel durchgeführt werden.

Platooning

Die Vernetzung von automatisierten Fahrzeugen ist ein Schlüssel zur Effizienzsteigerung. Dabei müssen die Fahrzeuge in der Lage sein, autonom miteinander zu kommunizieren, um beispielsweise Daten für die Optimierung der Betriebsstrategie einzukaufen. Beim sogenannten Platooning fahren mehrere Verkehrsteilnehmer mit sehr geringem Abstand hintereinander. Die Sicherheit wird dabei durch die Kommunikation der beteiligten Fahrzeuge untereinander und den Austausch von Sensordaten in Echtzeit gewährleistet. Verringern die Fahrzeuge den Abstand signifikant, ergeben sich unter anderem Treibstoff-Einsparungen durch den verminderten Luftwiderstand der folgenden Fahrzeuge. Prinzipiell müssen diese Einsparungen auch an das Führungsfahrzeug weiterverrechnet werden, da dieses das Platoon führt, Gefahrensituationen erkennt und umfährt und mit den folgenden Fahrzeugen seine Sensordaten teilt, selber jedoch keine Treibstoffeinsparungen hat. Die Blockchain-Technologie könnte hier durch automatisierte Payments der einzelnen Teilnehmer die Abrechnung des Platoonings ermöglichen. Mit der Blockchain-Technologie könnte die Verkehrsinfrastruktur (Ampeln, Kreuzungen Bahnübergänge etc.) die günstigsten Verkehrssituationen aushandeln. Denkbar wäre beispielsweise, dass ein Platoon sich als Premiumprodukt eine "Grüne Welle" kauft, um die Treibstoffkosten zu reduzieren und das Verkehrsaufkommen zu mindern. Neben der Bezahlung eines solchen Premiumdienstes könnte auch die Validierung der Kommunikation über die Blockchain-Technologie abgewickelt werden.

Temporäre Fahrzeugfunktionen

In der Automobilindustrie ist es heute gängige Praxis, Sonderausstattungen beim Fahrzeugkauf gegen Aufpreis mitzukaufen. Eine Nachrüstung dieser Komponenten ist meist nicht möglich oder mit sehr hohen Kosten verbunden. Die Blockchain-Technologie könnte es ermöglichen, Sonderausstattungen temporär freizuschalten. Dafür müssten die Fahrzeuge ab Werk mit Vollausstattung ausgeliefert werden. Der Nutzer könnte über die Blockchain-Technologie bestimmte Sonderausstattungen oder Fahrzeugfunktionen für einen limitierten Zeitraum über einen Smart Contract freischalten. Befindet sich der Nutzer beispielsweise auf einer langen Autobahnfahrt, könnte er den Abstandsregeltempomat für die Dauer der Fahrt freischalten, den er auf seinen normalen Routen nicht braucht. Neben zusätzlichen Mehreinnahmen durch die temporäre Freischaltung der Sonderausstattungen könnten sich für den Hersteller Skaleneffekte durch die hohe Anzahl an verbauten Komponenten ergeben. Die Blockchain-Technologie ermöglicht in diesem Szenario durch einen Smart Contract die sichere Abwicklung der Zahlung sowie die sichere und nicht manipulierbare Freischaltung der Sonderausstattungen. Die vorgestellten Use-Cases zur Car-Wallet bzw. Payments im Fahrzeugbereich sind Multi-Party-Prozesse mit sehr vielen möglichen Beteiligten. Die Blockchain-Technologie dient dabei als Single-Source of Truth, da die Bezahlvorgänge nur durch die Blockchain validiert werden können. Das Vertrauen zwischen den Stakeholdern ist dabei nicht existent. Das liegt zum einen daran, dass sich, wie beim Platooning, die beteiligten Parteien nicht kennen, zum anderen daran, dass Maschinen, wie beispielsweise eine Ladesäule, an den Payments beteiligt sein können. Dennoch findet sich hier ein hochgradig offenes Ökosystem, an dem jeder mit einer Blockchain-ID teilnehmen kann.
Mit der passenden künstlichen Intelligenz kann das Fahrzeug dabei zur autonomen Entität werden.
In den vorgestellten Use-Cases liegt die Datenbank-Funktion nicht im Fokus. Die Durchführungen von Payments und Smart Contracts ist das zentrale Element des Use-Cases. Mit der passenden künstlichen Intelligenz kann das Fahrzeug dabei zur autonomen Entität werden. Die Notwendigkeit eines Echtzeit-Systems wurde bereits eingehend erläutert. Das Technology-Readiness-Level ist als mittel einzuschätzen, da bereits einige Firmen und Start-ups mit der Forschung an der Car-Wallet begonnen haben [1].

Blockchain-Use-Case: Smart Insurance

Durch eine Fahrzeug-Blackbox kann man den Zustand des Fahrzeugs exakt dokumentieren und nachweisbar machen. Die Blockchain-Technologie ermöglicht dabei das unveränderbare und transparente Logging von Sensordaten rund um das Fahrzeug. Auch in Hinblick auf das autonome Fahren der höchsten Stufe gewinnt diese Blackbox an Bedeutung. Im Schadensfall könnte diese lückenlose und unanfechtbare Dokumentation die sichere Klärung des Schadenshergangs ermöglichen. Theoretisch wäre es mit der Blockchain-Technologie sogar möglich, dass die KFZ-Versicherung durch das Daten-Logging nicht mehr fahrzeuggebunden, sondern fahrergebunden sein könnte. Dadurch könnte die eigene KFZ-Versicherung ähnlich wie ein gespeichertes Benutzerprofil auch in andere Fahrzeuge mitgenommen werden, beispielsweise beim Carsharing. Versicherungen berücksichtigen in Ihren Tarifen weder Fahrstil, Fahrtdauer, Strecke oder Häufigkeit, obwohl diese Daten mit vernetzten Fahrzeugen bereits jetzt in Echtzeit verfügbar sind. Mit einem fälschungssicheren Smart Contract könnten Daten aus dem Fahrzeug direkt verarbeitet und in den Versicherungstarif mit eingebunden werden. In einer solchen smarten Versicherung können verschiedene Klauseln eingebaut werden, die bei bestimmten Ereignissen automatisch aktiviert werden. Beispielsweise kann so ein PAYD oder Usage-Based-Tarif sicher umgesetzt werden, der auf den validierten Daten der Fahrzeug-Blackbox basiert. Ein weiterer Anwendungsfall einer solchen smarten Versicherung liegt im Güterverkehr. Abhängig vom Fahrzeugstandort bzw. der Route existieren unterschiedlich hohe Risiken, beispielsweise ist es in bestimmten Länder wahrscheinlicher, dass das Fahrzeug aufgebrochen wird. Mit einem Smart Contract könnte die Versicherungsprämie entsprechend den realen Risiken angepasst werden. Bei einer Smart Insurance liegt im Normalfall ein Multi-Party-Prozess mit wenigen Beteiligten vor. Die beteiligten Parteien beschränken sich auf Versicherer und evtl. Rückversicherer, Fahrzeughalter und Fahrer. Alle beteiligten Parteien vertrauen auf die Daten aus der Blackbox, die die Single-Source of Truth darstellt. Das Vertrauen zwischen den beteiligten Parteien existiert nicht. In diesem offenen Ökosystem kann im Prinzip jedes Fahrzeug beginnen, eine Fahrzeug-Blackbox anzulegen, auf die dann wiederum jeder Versicherer zugreifen kann. Im vorgestellten Use-Case Smart Insurance steht durch die Implementierung der Fahrzeug-Blackbox die dezentrale Datenbank-Funktion im Fokus. In der smarten Versicherung werden auch Payment-Funktionen für die Prämienzahlung sowie Smart Contracts für die Anpassung der Prämien implementiert. Die Fahrzeuge werden dadurch zu autonomen Entitäten, wobei ihr Handlungsspielraum auf vorgegebene Kriterien beschränkt ist. Die Validierungsdauer der Transaktionen ist nebensächlich. Das Technology-Readiness-Level ist als niedrig einzustufen.

Blockchain-Use-Case: Self-Owning Car

Das Fahrzeug stellt als Self-Owning Car eine eigene finanzielle Entität dar. Neben natürlichen Personen sind bisher nur juristische Personen in der Lage, Geschäfte abzuschließen. Ein Grund dafür ist das Vertrauen zwischen den Beteiligten. Natürliche Personen sind haftbar und greifbar, genauso wie ein überwiegender Teil der juristischen Personen. Bei Maschinen fehlt dieses Vertrauen, was wiederum durch die Blockchain-Technologie ersetzt werden kann. Das Fahrzeug bekommt über die Blockchain-Technologie eine eigene Accounting-Identity und wird mit der entsprechenden künstlichen Intelligenz zur Autonomous Entity. Das Fahrzeug ist in der Lage, unter bestimmten Voraussetzungen und Vorgaben Geld auszugeben und wieder einzunehmen, Umsätze zu erzeugen. Ein menschlicher Entscheider wird durch die künstliche Intelligenz in Verbindung mit der Blockchain-Technologie überflüssig. Umsätze können beispielsweise durch Carsharing oder durch das Einspeisen von Strom aus der Batterie in das Netz bei kurzfristigen Leistungsspitzen erzeugt werden. Ausgaben könnten bei Reparaturen oder durch das Tanken/Laden entstehen. Der Vorteil für den Endverbraucher ist der Wegfall des Zahlungs- und Abrechnungsaufwands, speziell bei Firmenfahrzeugen. Das Auto kann am Ende des Monats als eigene Buchungsstelle eine Rechnung an den Halter weiterleiten, in der alle Umsätze aufgelistet sind. Mit der Blockchain-Technologie und der entsprechenden Logik im System wäre es zum ersten Mal möglich, dass Fahrzeuge in der Lage sind, sich selbst zu unterhalten. Dadurch ergeben sich völlig neue Möglichkeiten des Fahrzeugbesitzes. Die Anreize, ein eigenes Fahrzeug zu kaufen, könnten sinken, weil Fahrzeuge durch P2P-Carsharing hochverfügbar sind und die individuellen Kosten für Mobilität sinken. Sofern die Anreize zum Fahrzeugkauf für viele Menschen sinken, wird auch die Zahl der Fahrzeuge abnehmen. Genau hier kommt die Blockchain-Technologie ins Spiel. Theoretisch könnte man Fahrzeuge als eigene Unternehmen führen. Dadurch entstehen zwei Szenarien: Zum einen wäre es möglich, dass Zulieferer, Hersteller und Monteure usw. dem Fahrzeug bei der Produktion ihre Leistungen in Rechnung stellen und statt einer Gutschrift eine regelmäßige Umsatzbeteiligung am Fahrzeug bekommen. Somit werden diese zu Investoren. Steuerrechtliche Vor- und Nachteile, sowie die Auswirkungen auf die Finanzlage der Unternehmen müssen in diesem Szenario untersucht werden. Statt sich ein Fahrzeug zu kaufen, können Privatpersonen oder auch Unternehmen über eine dezentrale autonome Organisation (DAO) [2] als Investor an einem Fahrzeug auftreten und sich ähnlich wie im zuvor beschriebenen Szenario Umsatzbeteiligungen erkaufen. Bei beiden Ansätzen ist es möglich, die Investitionszeit gesetzlich zu beschränken. Das Fahrzeug versucht, in diesem vorgegebenen Zeitraum die Investitionen der Gläubiger plus eine entsprechende Rendite zurück zu zahlen. Nach x Jahren und dem erfolgreich abbezahlten Investment muss das Fahrzeug aufgrund der fehlenden Stakeholder keinen Profit mehr erwirtschaften und könnte Mobilität zum Selbstkostenpreis anbieten. Die Vorteile durch die Blockchain-Technologie lassen sich wie folgt zusammenfasen: Das Fahrzeug ist eine eigene finanzielle Entität, was durch zentrale Technologien schwer abbildbar ist, weil das Vertrauen in Maschinen, die korrupt sein könnten, fehlt. Das Self-Owning Car ist in der Lage, Transaktionen selbständig zu tätigen und sich selbst zu verwalten. Dadurch sinkt der Abrechnungs- und Organisationsaufwand für den Halter und es ergeben sich neue Möglichkeiten des Fahrzeugbesitzes. Besitzt ein Self-Owning Car genug künstliche Intelligenz, so kann es selbständig am Car-Sharing-Markt teilnehmen, Preise verhandeln und Umsätze erwirtschaften. Theoretisch muss dabei der Halter kein klassischer Car-Sharing-Anbieter oder eine Privatperson (P2P-Car-Sharing) sein. Die Blockchain-Technologie bietet über Smart Contracts bzw. DAOs die Möglichkeit, das Fahrzeug als autonome Entität bzw. als autonomes "Unternehmen" zu führen. Privatpersonen oder Unternehmen können als Investoren oder Gläubiger dieser Self-Owning-Cars auftreten. Das Self-Owning Car ist in der Lage, mit vielen verschiedenen Parteien Transaktionen zu starten. Die Blockchain als Single-Source of Truth spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle, sofern andere Funktionen wie beispielsweise das digitale Serviceheft nicht gleich mit implementiert werden. Aufgrund der Tatsache, dass mindestens eine beteiligte Partei eine Maschine ist, kann im ganzen Prozess kein Vertrauen vorhanden sein. Das Self-Owning Car bewegt sich selbst in einem offenen Ökosystem, an dem jeder teilnehmen kann.
Durch die Implementierung verschiedener Buchhaltungsoptionen ist das Self-Owning Car eine dezentrale Datenbank, dessen Funktion allerdings nicht im Fokus steht. Verschiedene Paymentszenarien und Smart Contracts wie beim P2P-Carsharing sowie ein enormer Entscheidungs-Freiheitsgrad zeichnen diesen Use-Case aus. Das Fahrzeug ist in besonderem Maße auf die Blockchain-Technologie in einem Echtzeit-System angewiesen. Das Technology-Readiness-Level ist als besonders niedrig anzusetzen, da ein großer Teil der Technologie noch nicht entwickelt wurde. 

Weitere spannende Blockchain-Use-Cases im Mobility-Bereich

Digital Twin

Mit der Aufzeichnung verschiedener Daten von Bauteilen in einer dezentralen Datenbank bietet sich die Möglichkeit, die Kongruenz von Daten von Assets aus der realen Welt und denen in der Datenbank herzustellen und einen sogenannten "Digital Twin" zu erschaffen. Die Daten könnten Hersteller und Verkäufer, aber auch den Mechaniker oder Echtzeitdaten aus den Fahrzeugen beinhalten. Auf einem gemeinsam genutzten Blockchain-Ökosystem könnte so ein transparenter und sicherer Ursprungsnachweis geschaffen werden.

Fahrzeugleasing und -finanzierung

Mit einem Smart Contract können im Leasing und Finanzierungssegment zahlreiche Prozesse automatisiert werden. Beispielsweise könnte man durch das Deaktivieren der Entriegelung verhindern, dass Fahrzeuge, deren Leasing- oder Finanzierungsraten nicht beglichen wurden, genutzt werden können.

Carsharing

Beim Carsharing kann die Blockchain-Technologie eine sichere digitale Identität ermöglichen, ohne dabei eine reale Identität preisgeben zu müssen. So könnte eine einzige Registrierung im Blockchain-Ökosystem Carsharing ausreichen, um alle Carsharing-Angebote der verschiedenen Anbieter nutzen zu können. Mit der Nutzung des Carsharings erzeugt der Kunde große Mengen an personenbezogenen Daten. Die Datenhoheit würde mit der Verwendung der Blockchain-Technologie wieder beim Nutzer liegen, da durch die Blockchain kein Bezug zur realen Identität herstellbar ist. Somit wäre auch ein Benutzerprofil-Roaming möglich, bei dem fahrzeugbezogene Einstellungen ohne Bedenken gespeichert und bei der nächsten Miete wieder abgerufen werden könnten. Diese Eigenschaften sind auch für das P2P-Carsharing spannend.

Keyless Authentification

Über einen Smart Contract können Zugangs- und Nutzungsrechte an Fahrzeugen verwaltet werden. Weitere Funktionen wie eine zeitliche oder örtliche Beschränkung, beispielsweise für P2P-Carsharing können ebenfalls eingebaut werden. Die Rechte sind in einem offenen Blockchain-Ökosystem dann an jeden Empfänger mit einer Blockchain-ID übertragbar. Diese Funktion kann die Grundlage für eine Vielzahl neuer Dienstleistungen und Services bilden.

Infrastruktur-Sharing

Die Sharing Economy macht auch bei der Mobilitäts-Infrastruktur nicht halt. Durch den Aufbau eines Ökosystems Laden werden Probleme in der Transaktionsabwicklung der beteiligten Parteien gelöst. Die Betreiber schließen ihre Ladesäulen an das offene Blockchain-Ökosystem an, wodurch die Zugangsbarrieren in Form von Kundenkarten entfallen. In das Ökosystem können auch private Ladeplätze integriert werden, wodurch ein viel höherer Grad der Netzabdeckung erreicht wird.

Kilometerstandsdatenbank

Mit dem regelmäßigen Upload von Daten in die Blockchain, entweder selbständig durch das Fahrzeug oder bei regelmäßigen Werkstattbesuchen, kann eine transparente, anonymisierte und vor allem manipulationssichere Datenbank für Kilometerstände aufgebaut werden. So kann einer Tachomanipulation vorgebeugt werden. Anhand eines "Blockchain-Zertifikats" kann dem potentiellen Fahrzeugkäufer nachgewiesen werden, dass der im Fahrzeug angezeigte Kilometerstand dem reellen Wert entspricht. Kilometerstands-Zertifikate beim Fahrzeughandel sind bereits seit Jahren in Belgien und anderen Ländern gesetzlich verpflichtend und erfreuen sich großer Beliebtheit.

Digitales Serviceheft

Eine Erweiterung der Kilometerstands-Datenbank könnte das digitale Serviceheft auf Blockchain-Basis sein. Genauso wie der Kilometerstand könnten alle Werkstattbesuche und Reparaturen fälschungssicher in der Blockchain gespeichert werden. Deren Nachvollziehbarkeit kann den Wiederverkaufswert des Fahrzeugs steigern. Der Vorteil der Blockchain-Technologie liegt darin, dass alle Prozess-Beteiligten, also Fahrzeughalter, freie und Vertrags-Werkstätten sowie der Hersteller, ein gemeinsames Ökosystem nutzen, wodurch die Transparenz erhöht wird.

Fazit

Die Blockchain-Technologie bietet auf dem Weg zur digitalen Mobilität scheinbar unbegrenzte Möglichkeiten, die wir Ihnen in Teil 1 vorgestellt haben. Doch warum gibt es in diesem Umfeld bis heute noch kein Produkt auf Blockchain-Basis, das sich in der Masse durchgesetzt hat? Mit dem folgenden zweiten Teil von "Blockchain-Technologie im Mobilitäts-Sektor – eine Analyse" möchten wir Ihnen Herausforderungen vorstellen, die im Hinblick auf erfolgreiche Produkte und Services noch zu bewältigen sind.

Quellen
  1. ZF: Car eWallet
  2. Schlatt, V., Schweizer, A., Urbach, N., Fridgen, G.; 2016: Blockchain: Grundlagen, Anwendungen und Potenziale. Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT

Autoren

Martin Gösele

Mit seiner Begeisterung für das Thema Vernetzung wurde Martin Gösele auf die Blockchain-Technologie aufmerksam und verfolgt seither die rasante Entwicklung.
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Prof. Dr. Philipp Sandner

Prof. Dr. Philipp Sandner leitet das Frankfurt School Blockchain Center an der Frankfurt School of Finance & Management und ist zudem im FinTechRat des Bundesministerium der Finanzen.
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