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Dr. Mara Hucke & Julia Schrubba 07. Oktober 2025

Mit Journaling zu mehr Selbstreflexion, Selbstwirksamkeit und Stressresilienz

Pen & Paper – In der Hauptrolle: Du. Im Gespräch mit Julia Schrubba

"Wenn ich die Führungskräfte oder Teilnehmenden schreiben lasse, ist meistens der erste Satz: "Ich weiß gar nicht, was ich schreiben soll"", lacht Julia Schrubba. Sie ist Business Coachin und Organisationsentwicklerin bei Schlachtplan und die Rede ist hier von der Methode des Journalings, welche sie gern im Coaching zur Selbstreflexion einsetzt.

Schreiben zur Selbstreflexion? Ist wie über sich selbst nachdenken, nur krasser. Denn beim Schreiben haben wir zur kognitiven Komponente noch eine motorische – die Schreibbewegung an sich und darüber hinaus die Konfrontation mit sich selbst. Das kann schwieriger sein, als es hier klingt. Also zum Einstieg eine Übung für Dich: Schreibe Deine heutige Zeile der Wahrheit! Nur einen Satz über eine Situation, einen Menschen oder ein Gefühl, welches Du heute hattest! Bringe Dein Bauchgefühl in einem einzigen Satz mal aufs Papier, egal wie eindeutig er sein mag!

Die reine Ehrlichkeit durch die Hand aufs Papier zu bringen bedeutet, ehrlich zu sich selbst zu sein. Einen Gedanken kann man schnell beiseite schieben und sich dem Alltagsrhythmus wieder hingeben. Aber das geschriebene Wort schaut einen dann vom Papier aus an und dann verändert sich die Sicht auf die Dinge. An diesem Punkt wirst Du mit Dir selbst konfrontiert, erinnerst Dich, bewertest Konflikte oder Situationen (neu) und kommst schließlich zu einer Erkenntnis. Schreiben bedeutet reflektieren [1].

Definition & Was die Wissenschaft davon hält

"Wenn ich etwas sage, verliert es sofort und endgültig die Wichtigkeit; wenn ich es aufschreibe, verliert es sie auch immer, gewinnt aber manchmal eine neue"“ (Franz Kafka)

Julia, sag mal, was hat das Schreiben so Magisches an sich? "Beim Schreiben kommen wir – ob wir wollen oder nicht und wenn wir ehrlich zu uns selbst sind – in einen Zustand der Selbsterkenntnis und Selbstoffenbarung. Das kann auf der Suche nach einer Lösung bei Problemen helfen, bei Neubewertungen von Erlebnissen oder einfach in dem Moment, in welchem die Gedanken vom Kopf auf das Papier wandern, total entlastend sein."

Dass die Journaling-Methode nicht nur eine nette Übung im Einzelcoaching oder zur Selbstreflexion zwischendurch ist, stellt auch die Forschung unter Beweis. Eine Studie von Dimitroff et al. zeigte, dass ein strukturiertes Journaling-Programm das emotionale Wohlbefinden von Pflegekräften positiv beeinflussen kann [2]. Die Teilnehmenden durchliefen sechs Journaling-Kurse von jeweils etwa 2,5 Stunden pro Woche und erhielten zwischen den Sitzungen Hausaufgaben zur Reflexion zu Hause. Es ging darum, frei und ehrlich zu schreiben, ohne eine Analyse durch die anderen Teilnehmenden oder eine Veröffentlichung. Es zeigte sich, dass das angeleitete Journaling einen positiven Effekt auf die berufliche Zufriedenheit hatte und die Stresssymptome wieder abnahmen. "Journaling half mir, meine Gefühle konkret zu verstehen", brachte es eine Teilnehmerin auf den Punkt.

Baikie & Wilhelm fassten in ihrer Metaanalyse neben den psychologischen Vorteilen durch das Journaling auch bedeutende physische Vorteile zusammen [3]: So kann sich Journaling positiv auf die Lungen- und Leberfunktion auswirken, zu einem verbesserten Immunsystem beitragen und sogar bei chronischen Schmerzen und Schlafproblemen helfen. Journaling kann innere Blockaden lösen, langfristig das Wohlbefinden fördern und ist vielseitig einsetzbar.

Das macht die Methode zu einem bewährten Lern- und Reflexionsmittel von Menschen aller Altersklassen, Professionen, Kontexte und Fähigkeiten. Insbesondere Führungskräfte jeder Hierarchieebene können vom Journaling hin zu einer kritischen Selbstreflexion profitieren [4].

Ok, let’s go: Ziele des Journalings

Zurück zum Anfang dieses Artikels und dem Satz "Ich weiß gar nicht, was ich schreiben soll."

Julia erklärt, warum es so wichtig ist, auch diesen merkwürdigen Satz runterzuschreiben: "Wenn ich in Führungskräftetrainings Journaling einführe, gibt es eine wichtige Regel: Den Stift nicht absetzen! Die Gedanken dürfen fließen, ohne dass wir sie direkt bewerten. Es geht nicht darum, einen schönen Text zu schreiben – es geht darum, sich selbst zu begegnen. Auch wenn das bedeutet, dass Du erstmal schreibst, dass Du nicht weißt, was Du schreiben sollst. Perfekt, dann ist das schon mal geklärt und Dein Kopf ist frei für die Gedanken, die dann wirklich kommen. Also, weiter geht’s!"

Es geht beim Journaling nicht darum, "korrekt" zu schreiben oder alles "richtig" zu schreiben, also Erlebnisse originalgetreu darzulegen oder lückenlose Erinnerungen zu schaffen. Das ist vermutlich eher der Sinn eines klassischen Tagebuchs – Erinnerungen zu sammeln. Doch beim Journaling geht es darum, dem inneren Erleben Ausdruck zu verleihen, die Weite und Vielfalt der eigenen Ausdrucksmöglichkeiten kennenzulernen [1] und in eine ehrliche Reflexion zu treten [5].

Dabei ist es sehr wichtig, mit der Hand zu schreiben. Nicht, weil es so schön nostalgisch ist, sondern weil es Teil der Methode ist. Beim Tippen auf der Tastatur – vor allem dann, wenn man das Zehn-Finger-System beherrscht – neigen wir dazu, das Gehörte oder Gedachte direkt und unbehandelt aufzuschreiben, also ein rein auditiv-motorischer Prozess. Beim Schreiben mit der Hand hingegen durchläuft das Gedachte einen Filter. Wir selektieren und überlegen, was wir aufschreiben. Wir konzentrieren uns und filtern das Wesentliche heraus, kürzen gegebenenfalls ab und fangen an, den Inhalt wirklich zu verstehen und zu bearbeiten [6]. Das Schreiben mit der Hand erreicht die Verknüpfung beider Gehirnhälften. Indem wir nicht nur hören und schreiben, sondern über das Gehörte nachdenken und erst dann niederschreiben. Gedanken, Gefühle und Bewertungen beeinflussen, was aufgeschrieben wird und was nicht [5]. Ein Grund dafür ist die Effizienz: Wir können mit der Hand gar nicht in der Geschwindigkeit schreiben, wie wir es etwa auf der Tastatur tun oder gar in dem Tempo, wie wir denken und reden. Schreiben wir jedoch etwas mit der Hand nieder, durchläuft es einmal komplett unser persönliches psychisches System, unsere Erfahrungswelt, unsere Emotionen und Bewertungen.

Außerdem haben wir beim Schreiben mit der Hand keine Möglichkeit, etwas zu löschen und umzuformulieren. Selbst wenn wir etwas durchstreichen, bleibt das ursprünglich Geschriebene auf dem Papier, ob als Tintenkiller-Fleck oder durchgekritzelter Haufen – es bleibt eine Nuance, wie ein erhobener Zeigefinger: "Na, da stand doch eigentlich etwas anderes!" Beim Schreiben mit der Hand sind wir zur Ehrlichkeit verpflichtet. Also los, hier ist ein Zettel und ein Stift – let the Magic happen!

Was Du vorher wissen solltest!

"Wenn ich das Journaling im Coaching als Methode einführe, ist die Zielsetzung die Grundvoraussetzung dafür, dass das Schreiben gelingt. Soll es dazu dienen, eine herausfordernde Situation zu bearbeiten, eine Vision für die Zukunft zu entwickeln oder um in schwierigen Zeiten trotz allem auf die Suche nach Stärken und Ressourcen zu gehen?", erklärt Julia, wie wichtig der richtige Impuls ist. Als Coach sieht sie ihre Aufgabe darin, diesen Schreibimpuls mit dem Coachee herauszufiltern und dann das Journaling zur Bearbeitung einzusetzen.

Journaling kann dabei im Grunde drei Bereichen dienen: der Emotionsregulation, der Selbstwirksamkeit und der sozialen Integration.

Wirkbereich des JournalingsEinsatz für…
Emotionsregulation- Selbstoffenbarung des inneren Erlebens
- Verarbeitung schwieriger Erlebnisse
Selbstwirksamkeit- kognitive Verarbeitung von Erlebtem
- Neubewertung von Situationen
- Stärkung des Kohärenzgefühls & der Lösungsorientierung
Soziale Integration- soziale Unterstützung
- kommunikative Fähigkeiten

Emotionsregulation bedeutet, seine Gefühle nicht nur wahrzunehmen, sondern regulieren, verstehen und hinterfragen zu können. Beim Journaling ist es nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht, seinen Gefühlen und Bedürfnissen Ausdruck zu verleihen. Wie geht’s Dir? Aber sei ehrlich! Wer fluchen will, sollte dies tun. Wer auf Wolke 7 schwebt und nur zu gern vom letzten großen Erfolg berichtet, sich im Detail verliert und ins Schwärmen kommt – bitte schön. Wir Menschen haben das Bedürfnis, unsere Gefühle auszudrücken. Doch im Alltag und vor allem im Job ist dies nicht immer angemessen oder gewünscht. Beim Journaling geht es schließlich darum, genau dieses innere Erleben aufs Papier zu bringen. Ebenso gehört die Verarbeitung belastender Ereignisse dazu, auch wenn es wehtut. Mit einer Sache durch Journaling abzuschließen, kann richtig guttun.

Neben der Emotionsregulation ist es die Selbstwirksamkeit, welche durch Journaling gefördert wird. Als ein Faktor von Resilienz trägt sie aktiv zur Stressbewältigung im Alltag bei. Davon überzeugt zu sein, etwas erreichen zu können, zu schaffen, was man sich selbst vornimmt, bedeutet auch, seine eigenen Ressourcen und Fähigkeiten zu kennen und einsetzen zu können. Gerade ein Dankbarkeits- oder Erfolgstagebuch ist hier eine gängige Schreibmethode. Durch das strukturierende Element des Journalings Deine Erlebnisse, Gefühle und Gedanken ordnen zu können, kannst Du einen Eindruck davon gewinnen, auf welche Probleme Du im Alltag triffst, welche Hindernisse sich ergeben könnten, aber auch, wie Du diese auflösen kannst. Durch das Schreiben mit der Hand ist unser Gehirn automatisch dazu verpflichtet, unsere – oft unterbewusste – Wahrnehmung, unser Bauchgefühl in Worte zu fassen und darüber nachzudenken. Und wie wir über etwas denken, beeinflusst, wie wir uns fühlen und das schließlich beeinflusst, wie wir uns verhalten. Kurz: Schreiben beeinflusst unser Verhalten.
 
Schließlich dient Journaling drittens auch der sozialen Unterstützung. Das mag auf den ersten Blick etwas verwirren, schließlich schreibt man beim Journaling nicht für andere, sondern vor allem und ausschließlich für sich selbst. Doch geht es bei diesem Bereich nicht darum, das Geschriebene mit anderen zu teilen oder zu veröffentlichen, sondern darum, sich genauer darüber im Klaren zu sein, wo man Unterstützung benötigt oder wie man etwas konkret mitteilt und kommuniziert. Vor lauter Gefühlen und Gedanken im Kopf fällt es uns manchmal umso schwerer, unseren Wunsch oder unser Anliegen auszudrücken und um Hilfe zu bitten. Journaling kann also vorab dabei helfen, die Gedanken abzuladen und zu sortieren, bevor man konkret jemanden anspricht. Beispielsweise kann hier eine geeignete Journaling-Methode sein, einen Brief an eine bestimmte Person zu schreiben. Auch wenn man diesen Brief nicht absendet, so kann er helfen, die Gedanken zu strukturieren und sich auch über unterstützende Personen im Alltag bewusster werden.

"Schreiben kann in so vielen Bereichen helfen. Aber vor allem heißt es für mich, selbstwirksam zu werden oder zu bleiben und sich proaktiv mit den eigenen Themen auseinanderzusetzen. Beim Schreiben bist du ganz bei dir, es gibt kein Richtig und kein Falsch, nur ein: Einfach mal machen. Könnte ja helfen. Nebenwirkungen sind so gut wie ausgeschlossen und letztlich kann es helfen, ins Tun zu kommen und negative Gefühle wie Hilflosigkeit, Ohnmacht oder Aussichtslosigkeit abzulegen", fasst Julia den Wirkbereich des Journalings zusammen.

How to: Endlich ins Schreiben kommen

Journaling braucht keinen komplexen Rahmen, keine besondere Ausstattung und grundsätzlich auch keine Übung. "Mit der Zeit entwickeln sich von ganz alleine neue Techniken, Ausdrucksweisen und Erkenntnisse, welche dann peu à peu in die folgenden Schreibsessions mit einfließen. Irgendwann startest Du nicht mehr mit: "Keine Ahnung, was ich schreiben soll", erklärt Julia und zwinkert uns zu.

Trotzdem hat Julia noch fünf Hinweise für Dich, welche sich aus ihrer jahrelangen Anwendung und Anleitung dieser Methode ergeben haben.

  1. Journaling ist keine Aufgabe, welche sich zwischen anderen To-dos auf einer Liste abhaken lässt, sondern als eigenständiges Ritual in den Alltag integriert werden sollte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es jeden Tag sechs Minuten sind, welche man schreibt, oder eine Stunde pro Woche.
  2. Journaling sollte – wie oben beschrieben – immer ein bestimmtes Anliegen oder einen Impuls haben. Das kann zum Beispiel eine Situation sein, welche Du Revue passieren lässt und analysieren möchtest oder um Stärken in Herausforderungen aufzudecken.
  3. Der Zeitbedarf richtet sich nach der Variante, welche für das Schreiben gewählt wird und nach dem individuellen Bedürfnis. Julias Erfahrung nach steigert sich die Schreibzeit mit der Gewohnheit und dem Ausdrucksvermögen. So fühlen sich zehn Minuten Schreiben zu Beginn möglicherweise noch sehr zäh an, reichen aber in der zweiten Woche schon gar nicht mehr aus, um alles zu Papier zu bringen.
  4. Wichtig ist die Verbindung von Emotionen und tatsächlich Passiertem: Es reicht nicht aus nur zu beschreiben, was passiert ist, sondern erst die Verbindung mit einem Gefühl und die emotionale Reflexion des Erlebten schärft unsere Wahrnehmung und lässt uns Dinge besser verarbeiten.
  5. Um Grübeln oder "Overthinking" zu vermeiden, bietet es sich an, konsequent den Timer zu stellen und z. B. nicht mehr als zwei Minuten pro Reflexionsfrage zu schreiben.

Journaling-Varianten: Für Dich das Passende finden

Das Sechs-Minuten-Journal

Sechs Minuten, eine Handvoll Fragen. Auf die Plätze, fertig, los! Das festgelegte Zeitfenster und die gleichbleibenden Fragen ermöglichen es Dir, Deine Antworten, Gedanken und Gefühle von Tag zu Tag (oder je nachdem, wie oft das Sechs-Minuten-Journal ausgefüllt wird) zu vergleichen und eine Entwicklung festzustellen.

Hier sind Julias Lieblingsimpulse für das 6-Minuten-Journal am Morgen oder Abend:

  • morgens: für mehr Fokus & Ausrichtung
    o   Wofür bin ich heute dankbar?
    o   Was würde den heutigen Tag großartig machen?
    o   Welche Stärke oder Haltung möchte ich heute bewusst leben?
  • abends: für Reflexion & Lernen
    o   Welche drei Dinge sind heute gut gelaufen?
    o   Was habe ich heute gelernt oder worauf bin ich stolz?
    o   Wie hätte ich den heutigen Tag noch besser machen können?

Das Zukunfts- und Visionsjournal:

Das Visionsjournal hilft dabei, Ziele zu setzen und zu erreichen. Journaling dreht sich häufig um die Reflexion von bereits Erlebtem, doch das Visionsjournaling unterstützt unser Gehirn dabei, Ziele zu imaginieren und auch zu erreichen. Die Verbindung von rechter und linker Gehirnhälfte manifestiert das Vorhaben und das Ziel wird plötzlich verbindlich – schließlich hat man es schon aufgeschrieben.

Julia nutzt gern folgende Fragen für diese Form des Journalings:

  • Wie geht es Dir in diesem Moment in Bezug auf … [hier Situation, Herausforderung oder Anliegen platzieren]?
  • Mache eine kleine Zeitreise! Blicke zurück auf das letzte Jahr/die letzten Monate/Wochen/…! Wer oder was war Deine Inspiration? Wer oder was hat Dich nachdenklich gestimmt und evtl. Veränderungen angestoßen?
  • Was waren im letzten Jahr und sind nach wie vor die wichtigsten Energiequellen in Deinem Leben, die Dir Kraft für Deine anspruchsvolle Tätigkeit geben?
  • Beobachte Dich selbst von oben, wie aus einem Hubschrauber! Wo fühlst Du im Augenblick, dass sich eine zukünftige Möglichkeit eröffnet? Was in Deiner Arbeit geht aktuell zu Ende und was will gerade neu erfunden werden?
  • Welche Fragen musst Du Dir angesichts Deiner Antworten auf die vorherigen Fragen jetzt stellen und für die nahe Zukunft sowie für das Training halten?
  • Stell Dir vor, Du könntest in der Zeit drei Jahre vorspulen und Dich aus dieser Perspektive im aktuellen Moment mit Deinen aktuellen Herausforderungen betrachten: Welchen Rat würde Dein Zukunfts-Ich Dir für diese aktuelle Phase und die nächsten Schritte geben?
  • Kehre zurück in die Gegenwart – ins Hier und Jetzt! Kristallisiere heraus, was Du gerne erschaffen und gestalten würdest: Was sind Zukunftsbilder und Intentionen für das nächste Jahr? Welche Vision, welche Absichten hast Du in Bezug auf Dich selbst und Deine Arbeit? Welches sind die wichtigsten Elemente der Zukunft, die Du in Deinem Leben erschaffen willst? Beschreibe Deine Zukunft so konkret wie möglich! Welchen ersten Schritt wirst Du wann in Richtung Deiner Zukunftsvision gehen?

Das Impuls-Journal:

Vor allem für diejenigen, welche mit dem Schreiben erst beginnen, können die ersten Journaleinträge schwierig werden. Wenn man noch kein Gefühl dafür hat, was man schreiben soll oder wie man etwas ausdrücken kann, eignet sich möglicherweise ein Impuls-Journal mit Impulsen in Form von Satzanfängen oder Fragen.

Zur Entwicklung der eigenen Stressresilienz nutzt Julia in ihren Trainings gern folgende Fragen, die sich an den sieben Säulen der Resilienz nach U. Nuber orientieren und ebenfalls als Impuls dienen können [7]:

  • Optimismus: Welche kleine positive Erfahrung hast Du heute gemacht, die Dir Kraft gibt?
  • Akzeptanz: Wo hast Du in letzter Zeit losgelassen und gemerkt, dass nicht alles perfekt laufen muss?
  • Lösungsorientierung: Vor welchem Problem stehst Du aktuell – und welche drei Lösungsideen fallen Dir dazu ein (wenn Du alle Mittel zur Verfügung hättest)?
  • Opferrolle verlassen: Wo stehst Du aktuell vor einer Herausforderung und was liegt in Deiner Macht, um die Situation aktiv mitzugestalten?
  • Verantwortung übernehmen: Wo könntest Du klarer zu Deinen Bedürfnissen und Grenzen stehen?
  • Beziehung: Welche Beziehungen geben Dir Kraft und Energie – und wie kannst Du sie stärken?
  • Zukunft: Wie kannst Du in der nächsten Woche drei kleine Schritte gehen, um Deine Zukunft schon heute zu gestalten?

Das Dankbarkeits-Journal:

In stressigen oder herausfordernden Phasen verkopfen wir manchmal und vergessen den Blick für all die positiven Dinge, welche uns trotz aller Hürden begleiten. Ein Dankbarkeits-Journal hilft Dir dabei, genau das im Blick zu behalten. Wer sich in Form eines Dankbarkeits-Journals selbst schult, täglich Positives festzuhalten, dem wird es in schwierigen Zeiten leichter fallen, diese Dinge zu erkennen und schließlich daraus auch Energie zu ziehen. "Es kann zum Beispiel ein schönes Abendritual sein, täglich drei Dinge aufzuschreiben, für die man an diesem Tag dankbar war oder ist", berichtet Julia.

Raphael N.. oder ein Beispiel aus Julias Praxis

Wir begleiten nicht nur Unternehmen und Teams durch Veränderungsprozesse, sondern unterstützen auch Führungskräfte dabei, sich in ihrer Rolle zurechtzufinden und zu wirken. In diesen Trainings arbeite ich häufig mit der Methode des Journalings, weil es die Teilnehmenden entschleunigt, sie für ihr Bauchgefühl und ihre Emotionen sensibilisiert und bei der Entwicklung ihrer Rolle hilft.

Je nachdem, welcher Fokus im Training gelegt wird, nutze ich das Journaling, um zum Beispiel Resilienzfaktoren wie "Zukunftsorientierung" und "Selbstwirksamkeit" zu stärken oder die Rolle der Führungskraft zu schärfen. Da die Teilnehmenden häufig noch nicht mit Journaling in Berührung gekommen sind, arbeite ich gerne mit Impulsfragen.

Auch in Einzelcoachings nutze ich das Thema Journaling als Führungswerkzeug häufig. Hier habe ich ein Praxisbeispiel:
Raphael N., 42 Jahre alt, arbeitet seit sieben Jahren in einem Softwareunternehmen. Er ist strukturiert, analytisch und hat ein feines Gespür für komplexe Zusammenhänge. Doch nach seiner Beförderung zum Teamleiter stand er vor neuen Herausforderungen. Er ist eher introvertiert, bevorzugt klare Strukturen und fühlt sich in sachlich-technischen Themen sicher. Die neue Rolle verlangte aber zunehmend soziale Kompetenzen, schnelles Entscheiden unter Unsicherheit und das Führen von schwierigen Gesprächen.

Im Rahmen eines internen Coaching-Programms habe ich ihm das Führen eines Führungskräfte-Journals empfohlen. Dafür sollte er sich jeden Morgen 15 Minuten blocken und strukturiert anhand folgender Fragen schreiben:

  • Was ist gestern gut gelaufen in meiner Rolle als Führungskraft – und warum?
  • Wo habe ich mich unsicher oder überfordert gefühlt – und was hat das ausgelöst?
  • Was möchte ich heute bewusst anders machen?

Einmal pro Woche setzte er sich zusätzlich ein Reflexionsziel für seine Führungskompetenz – zum Beispiel: "Wie gut höre ich in Gesprächen wirklich zu?" oder "Wie klar kommuniziere ich Erwartungen?"
 
Innerhalb von drei Monaten verhalf das Journaling Raphael zu mehr Selbstbewusstsein, indem das tägliche Schreiben ihm deutlich seine Erfolge aufzeigte. Darüber hinaus lernte er die Muster seiner Kommunikation kennen und konnte so gezielter daran arbeiten, deutlicher zu kommunizieren und sich mit schwierigen Gesprächen auseinanderzusetzen.
Raphael wurde immer klarer in seiner neuen Rolle als Führungskraft, trat souveräner auf und sein Team nahm ihn präsenter und auch authentischer wahr.

Quellen
  1. Femers-Koch, S. (2021): Biografisches und Kreatives Schreiben gegen Prüfungsangst: Ein theoretisches und methodisches Rahmenkonzept. Wiesbaden.
  2. Dimitroff, L. J./Sliwoski, L./O’Brien, S./Nichols, L. W. (2017): Change your life through journaling–The benefits of journaling for registered nurses. Journal of Nursing Education and Practice, 7(2), 90 – 98.
  3. Baikie, K. A./Wilhelm, K. (2005): Emotional and physical health benefits of expressive writing. Advances in Psychiatric Treatment, 11(5), 338–346
  4. Hiemstra, R. (2001). Uses and benefits of journal writing. In L. M. English & M. A. Gillen, (Hrsg.), Promoting journal writing in adult education (New Directions for Adult and Continuing Education, No. 90, pp. 19-26). San Francisco: Jossey-Bass.
  5. Zug, H. (o.J.): Journaling: Ziele und Methoden.
  6. Schmermund, K. (2020): Warum wir wieder mehr mit der Hand schreiben sollten.In: Forschung & Lehre: Alles was die Wissenschaft bewegt.
  7. Resilienz-Akademie. (2021, 8. Januar). Sieben Säulen der Resilienz nach Ursula Nuber.

     

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