Besseres UX-Design durch Joyfication
Joy of use + Gamification = Joyfication

Der Begriff "Usability" ist in DIN ISO 9241-11 definiert und beschriebt den Grad der Nutzbarkeit eines Produkts. Dieser ist dann erreicht, wenn das Produkt die Nutzerinnen und Nutzer darin unterstützt, ihre Ziele zu erreichen und dies darüber hinaus effektiv, effizient und zufriedenstellend geschieht.
Usability ist damit eine Grundvoraussetzung für ein positives Nutzungserlebnis. Aber während sich Effektivität und Effizienz recht einfach messen lassen, bleibt die Zufriedenstellung sehr viel schwieriger greifbar. Was ist ein zufriedener Nutzer oder eine zufriedene Nutzerin? Ist man automatisch dadurch zufrieden, dass man sein Ziel ohne große Hürden erreichen konnte, oder braucht es doch noch ein wenig mehr? Genau diese Frage markiert den Punkt, zu dem das User-Experience-Design (UXD) mit wehenden Joy-of-Use-Fahnen ins Feld zieht.
Doch gerade in B2B-Anwendungen wird dieser Joy-of-Use-Faktor gern übersehen. Hier sind oft Effizienz und Rationalität die prägenden Faktoren. Alles, was davon ablenkt, wird als überflüssig oder gar unseriös angesehen und so gar nicht erst in Erwägung gezogen.
Was dabei jedoch nicht berücksichtigt wird: Auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind Menschen. Menschen, die gegebenenfalls acht Stunden täglich mit einer Software interagieren. Während App-Entwickler um genau diese Menschen im Consumer-Bereich mit immer ausgeklügelteren Designs und allen zur Verfügung stehenden Mitteln der Psychologie konkurrieren, wird ihnen in ihrem Berufsleben häufig eine auf Rationalität und Effizienz getrimmte Anwendung vorgesetzt. Hier haben sie ja nicht die Wahl…
Doch genau das ist der falsche Denkansatz! Durch immer höhere Standards im Consumer-Bereich steigen die Ansprüche an Software in allen Lebensbereichen. Hinzu kommt, dass es früher häufig wenig Konkurrenz für die großen Platzhirsche gab, doch inzwischen entwickelt sich der Markt so rasch und ist so voller innovativer dynamischer Ideen, dass sich kein etablierter Hersteller mehr auf seinen Lorbeeren ausruhen kann. Die Ansprüche der Endnutzer und -nutzerinnen aus den Augen zu verlieren und ein Produkt anzubieten, das ausschließlich effektiv und effizient ist, aber keinen Joy-of-Use bietet, kann selbiges heute schnell irrelevant werden lassen.
Genau an dieser Stelle unterstützt der Joyfication-Ansatz, alte Denk- und Design-Muster zu durchbrechen. Dabei werden gezielt Ansätze aus der Gamification (also der Integration von Spiel-Mechaniken in Software) und dem Emotional-Design genutzt, um den Joy-of-Use von Business-Software zu steigern. Dies muss natürlich auf die jeweilige Anwendung zugeschnitten werden und darf die Anwender und Anwenderinnen nicht von der eigentlichen Aufgabe ablenken. Stattdessen soll es ihre Tätigkeiten gezielt unterstützen, indem die im Folgenden beschriebenen Design-Ideen gezielt die positiven Emotionen der Anwenderinnen und Anwender ansprechen und die Langzeit-Motivation steigern. Und dies ist etwas, was gerade im Arbeitsumfeld unerlässlich ist. Es müssen auch nicht immer große und aufwändige Maßnahmen sein, auch kleine Kniffe können schon einen positiven Effekt haben. Genau diese kleinen oder auch größeren Ideen sollen in diesem Artikel vorgestellt werden.
Ein Wort der Warnung: Natürlich lassen sich die Methoden auch missbrauchen, um Nutzerinnen und Nutzer gezielt zu manipulieren und zu einem gewissen Verhalten zu nötigen. Daher sei ganz klar gesagt, dass dies nicht das Ziel von Joyfication ist. Vielmehr geht es darum, Menschen auch in ihrem Arbeitsumfeld positiv zu motivieren und ihre Zufriedenheit zu steigern.
UX-Writing: Schön, dass Du wieder da bist!
Eine sehr einfache und schnelle Methode, seine Nutzer und Nutzerinnen zu motivieren, ist es, ein wenig am eigenen Wording zu schrauben. Häufig sind im Business-Bereich Formulierungen sehr sachlich und nüchtern. Es ist nicht vorgesehen, dass die Texte die Menschen emotional abholen. Leider wird dabei enorm viel Motivationspotenzial einfach verschenkt. Folgendes Beispiel illustriert diesen Effekt sehr gut:
![Abb. 2: Zwei Formulierungen mit dem gleichen Inhalt, aber unterschiedlicher Wirkung. Quelle: uxdesign.cc <a href="https://www.informatik-aktuell.de/entwicklung/methoden/besseres-ux-design-durch-joyfication.html/#c41566">[1]</a> Abb. 2: Zwei Formulierungen mit dem gleichen Inhalt, aber unterschiedlicher Wirkung. Quelle: uxdesign.cc <a href="https://www.informatik-aktuell.de/entwicklung/methoden/besseres-ux-design-durch-joyfication.html/#c41566">[1]</a>](/fileadmin/templates/wr/pics/Artikel/02_Entwicklung/Methoden/abb2_joyfication_jHerrmann.png)
Auch wenn die Formulierung "Dude, you rule!" vielleicht etwas mutig für einen Business-Kontext ist, so wird doch deutlich, dass die gleiche Meldung durch unterschiedliche Formulierungen eine gänzlich unterschiedliche Wirkung erzielen kann. Es ist ein Ausdruck der Wertschätzung gegenüber den Nutzern und Nutzerinnen und verleiht dem eigenen Produkt gleichzeitig einen Charakter, zu dem eine positive Beziehung aufgebaut werden kann. Entscheidend ist es, einen Ton zu finden, der zur eigenen Anwendung passt und dennoch genug Emotionen ausdrückt, um die Anwenderinnen und Anwender positiv an sich zu binden.
Generell ist auch der Login eine gute Möglichkeit, den Nutzer oder die Nutzerin mit einer netten Geste zu begrüßen. Denn eigentlich ist es paradox: Von den menschlichen Kolleginnen und Kollegen wird man morgens freundlich begrüßt, was den Zusammenhalt und die Bindung im Team stärkt – von der Software hingegen, mit der man so viele Stunden interagiert und die damit häufig mehr Raum in Anspruch nimmt als die Kollegen und Kolleginnen, kommt in der Regel kein Wort des Grußes. Durch ein freundliches "Guten Morgen! Schön, dass Du wieder da bist!", das möglicherweise noch durch eine passende Grafik unterlegt ist, unaufdringlich in die Anwendung integriert, kann der Arbeitstag schon positiv begonnen werden.
Motivierte Mitarbeiter durch zelebrierte Erfolge
Um die Motivation auch über den Tag hoch zu halten, ist ebenso das Zelebrieren von Erfolgen enorm wichtig. Denn Lob ist etwas, wonach jeder Mensch strebt. Und auch wenn die Anerkennung durch Kollegen/Kolleginnen und Vorgesetzte mittels Software nicht ersetzt werden kann, so ist sie doch in der Lage, die kleinen Erfolge zu feiern. Hierbei ist es wichtig, dass nicht inflationär mit Lob um sich geworfen wird. Durch zu häufiges Wiederholen verliert das Lob seinen Wert. Wird es jedoch sparsam dosiert und in den richtigen Momenten eingesetzt, so kann es die persönlichen Erfolgsmomente verstärken und dadurch motivieren. Wenn eine kleine Animation oder eine Texteinblendung den Moment des Erfolgs ein paar Sekunden hinauszögert, sodass er länger ausgekostet werden kann, so werden diese Momente umso wertvoller.
Ein häufig zitiertes Beispiel ist Mailchimp [2]. Die High-Five-Animation nach dem erfolgreichen Versenden einer Rund-Mail ist ein Paradebeispiel für das Zelebrieren des Augenblicks (s. Abb. 3).
Auch der ursprünglich in der Trading-App Robinhood enthaltene Konfettiregen nach dem ersten erfolgreichen Handel ist ein solches Beispiel. Spannenderweise musste Robinhood für den generell hohen Grad an Joy-of-Use sogar Kritik einstecken [3]. So sei es durch die eingesetzten Gamification-Elemente für Nutzerinnen und Nutzer zu einfach zu vergessen, dass sie hier echtes Geld einsetzen und es damit auch verlieren können. Damit würde die App ihre Nutzer und Nutzerinnen manipulieren und diesen somit schaden. Als Reaktion darauf wurde unter anderem das Konfetti durch eine etwas unaufdringlichere Animation mit geometrischen Formen ersetzt. Hier zeigt sich aber, dass der Grat zwischen Motivation und Manipulation, gerade bei Anwendungen, die einen monetären Hintergrund haben, sehr schmal ist. Daher sollte immer darauf geachtet werden, dass die Joyfication-Aspekte zur Anwendung und dem Arbeitsumfeld passen.
Möge die Überraschung mit dir sein
Bei Software ist es wie überall im Leben: Irgendwann gewöhnen wir uns an das, was wir haben und nehmen es für selbstverständlich. Dies gilt im Guten wie im Schlechten. Daher zählt: Überraschung ist Trumpf. Alles, was plötzlich anders und unerwartet ist, zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich. Es reicht also nicht, sich einmalig eine kleine Nettigkeit wie einen Konfettiregen einfallen zu lassen und dann zu erwarten, dass dieser auf Dauer den Joy-of-Use erhöht. Um das zu erreichen, muss man regelmäßig mit Neuerungen aufwarten. Es muss sich nicht zwangsläufig um große und aufwändige Änderungen handeln: Schon kleine Überraschungen können einen positiven Effekt erzielen.
![Abb. 4: Oster-Design bei der DHL-Sendeverfolgung. Quelle: dpd.com <a href="https://www.informatik-aktuell.de/entwicklung/methoden/besseres-ux-design-durch-joyfication.html/#c41566">[4]</a> Abb. 4: Oster-Design bei der DHL-Sendeverfolgung. Quelle: dpd.com <a href="https://www.informatik-aktuell.de/entwicklung/methoden/besseres-ux-design-durch-joyfication.html/#c41566">[4]</a>](/fileadmin/_processed_/3/3/csm_abb4_joyfication_jHerrmann_da809ddc10.png)
Zu Ostern ersetzte DHL bei seiner Sendeverfolgung die Standard-Icons durch besondere Oster-Versionen und sorgte so sicherlich vielerorts für ein Lächeln. Generell sind feiertags- oder jahreszeitabhängige Designs eine einfache Möglichkeit, die ohnehin bei den Nutzerinnen und Nutzern herrschende Stimmung aufzugreifen und durch eine kleine Überraschung die Laune zu heben. Ein freundlich lächelnder Weihnachtsmann oder ein Schneeschauer beim Login-Screen erhöht beispielsweise die Weihnachtsfreude. Oder warum sollte einem zu Halloween kein gruseliger Kürbis aus der Ecke des Start-Screens entgegengrinsen?
Aber auch Geburts- oder Jahrestage sind eine schöne Möglichkeit, den Nutzer oder die Nutzerin mit einer persönlichen Botschaft zu überraschen. Und wenn das Geburtsdatum beim Sign-In ohnehin erforderlich ist, so kann dieses auch genutzt werden, um den Anwenderinnen und Anwendern eine kleine Freude zu bereiten. Wenn möglich, kann sogar noch ein kleines Geschenk beigelegt werden, beispielsweise ein neues Accessoire für den Avatar oder den Assistenten.
Micro Animations für eine bessere User Experience
Auch Animationen können zum Joy-of-Use beitragen, da sie viel dynamischer und lebendiger wirken, als starre Screens dies tun. Anwendungen mit gut designten Animationen, die den Nutzer oder die Nutzerin unterstützen, kommen uns weit zeitgemäßer und stimmiger vor, als dies bei Anwendungen der Fall ist, die nur Screen um Screen ohne Übergang aneinanderreihen.
Auch die Bits Emotes bei Twitch sind eine Belohnung: Je höher der Betrag, der an den Streamer oder die Streamerin gespendet wird, desto größer auch die Grafik und die Animation, die im Chat neben dem eigenen Namen angezeigt wird. Hier werden Animationen als Belohnung genutzt und mit dem Bedürfnis gepaart, sich vor anderen zu profilieren, um die Nutzerinnen und Nutzer zu motivieren, besonders große Beträge zu spenden. Und hier sind wir schnell wieder bei eingangs erwähnter Warnung, dass diese Techniken auch missbräuchlich verwendet werden können. Ohne ein monetäres System im Hintergrund kann es aber ein gutes und recht einfaches Mittel sein, Nutzerinnen und Nutzer zusätzlich zu motivieren.
Die Animationen dürfen natürlich nicht zum Selbstzweck verkommen und die Nutzer und Nutzerinnen gar aufhalten. Animationen, die zu lang sind und nicht übersprungen werden können, werden alsbald als störend und negativ empfunden. Daher gilt wie bei guten Reden auch: In der Kürze liegt die Würze!
Ikonische Maskottchen
![Abb. 5: Der Android-Roboter ist ikonisch. Quelle: getdigital.de <a href="https://www.informatik-aktuell.de/entwicklung/methoden/besseres-ux-design-durch-joyfication.html/#c41566">[5]</a> Abb. 5: Der Android-Roboter ist ikonisch. Quelle: getdigital.de <a href="https://www.informatik-aktuell.de/entwicklung/methoden/besseres-ux-design-durch-joyfication.html/#c41566">[5]</a>](/fileadmin/templates/wr/pics/Artikel/02_Entwicklung/Methoden/abb5_joyfication_jHerrmann.png)
Ein durchaus probates Mittel, um die Markenidentität zu steigern und die Nutzerinnen und Nutzer emotional an die eigene Software zu binden, ist die Nutzung eines Maskottchens. Dieses kann für heitere Momente sorgen und – wenn es gut gemacht ist – sogar zu einer Art Ikone aufsteigen. So gibt es beispielsweise Merchandise mit dem Android-Roboter (s. Abb. 5).
Auch der Affe bei Mailchimp dient als Maskottchen, wird aber gleichzeitig durch die Animationen auch konsequent in die Anwendung eingebunden und fühlt sich so in keiner Weise aufgesetzt, sondern als natürlicher Teil der Anwendung an. Somit ist er stets sichtbar und wird in den Köpfen dadurch untrennbar mit der Anwendung verbunden.
Dass ein Maskottchen nicht automatisch zum Erfolg führt, zeigt wohl Clippy von Word am eindrucksvollsten: Aufgrund seines aufdringlichen und besserwisserischen Wesens wurde er vielen Nutzerinnen und Nutzern sehr schnell lästig, zumal seine Vorschläge nur selten weiterhalfen. Und die emotionale Bindung, die ein gut gemachtes Maskottchen im Positiven bringt, funktioniert leider genauso ins Gegenteil verkehrt: Seine stetig wachsende Abneigung auf den Charakter Clippy zu richten ist sehr viel einfacher und tiefsitzender als eine Abneigung gegen ein bloßes Stück Software. Somit ist Clippy im kollektiven Gedächtnis als Paradebeispiel verblieben, wie die Umsetzung eines Maskottchens nicht aussehen sollte.
Gamification: Jäger und Sammler
![Abb. 6: Unterschiedliche Arten von Herausforderungen und Achievements in Duolingo. Quelle: blog.prototypr.io <a href="https://www.informatik-aktuell.de/entwicklung/methoden/besseres-ux-design-durch-joyfication.html/#c41566">[6]</a> Abb. 6: Unterschiedliche Arten von Herausforderungen und Achievements in Duolingo. Quelle: blog.prototypr.io <a href="https://www.informatik-aktuell.de/entwicklung/methoden/besseres-ux-design-durch-joyfication.html/#c41566">[6]</a>](/fileadmin/_processed_/0/6/csm_abb6_joyfication_jHerrmann_43eb8d1ffc.png)
Tauchen wir nun etwas tiefer in die Welt der Gamification ab. Ein unverzichtbarer Bestandteil von Videospielen ist das Gefühl von Fortschritt und Erfolgen. Diese regelmäßige Dosis an Stolz motiviert dazu, immer weiterzumachen. Anfangs sind diese Erfolge noch einfach zu erreichen, später dauert es länger und erfordert mehr Anstrengung und Durchhaltevermögen. Doch genau diese Steigerung lässt spätere Erfolge noch wertvoller erscheinen.
Diese Mechanik, die ein Grundpfeiler von Spielen ist, kann natürlich – entsprechend modifiziert – auch auf Produktiv-Software übertragen werden. Entscheidend ist dabei, die richtigen Aufgaben und befriedigende Belohnungen zu finden. Außerdem muss natürlich im Blick behalten werden, dass unterschiedliche Menschen unterschiedlich stark auf diese Mechanik ansprechen. Dennoch wird ein solches System gerade im Customer-Bereich gern genutzt, so beispielsweise auch von Duolingo, das zum Erlernen von Fremdsprachen dient [6].
Schlecht ausbalancierte Herausforderungen bergen Frustpotenzial, wenn das Ziel nicht erreicht werden kann.
Hier werden direkt mehrere Arten von Herausforderungen und Erfolgen geboten: Es gibt die klassischen Achievements, die sich durch das Erreichen bestimmter Meilensteine freischalten lassen. Es gibt eine Liga, in der man sich mit anderen messen kann, was den sozialen Aspekt fördert. Dies wird in einem der folgenden Abschnitte noch einmal genauer beleuchtet. Zusätzlich gibt es auch noch den Streak, der anzeigt, wie viele Tage ohne Unterbrechung man die Anwendung genutzt hat. Die Ausgestaltung spiegelt in diesem Fall natürlich wider, dass es sich hier klar um eine Consumer-Anwendung handelt. Doch auch in Business-Software kann ein solches System genutzt werden.
Wird ein definiertes Ziel erreicht, dann generiert das einen Moment des Erfolgs, der, wie bereits in den vorherigen Abschnitten beschrieben, entsprechend vom Programm gefeiert werden sollte. So können zusätzliche Glücksmomente geschaffen werden, um dadurch die Motivation hoch zu halten. Gleichzeitig bergen schlecht ausbalancierte Herausforderungen Frustpotenzial, wenn das Ziel nicht erreicht werden kann.
Ein Vorteil solcher Erfolge ist auch, dass sie genutzt werden können, um Nutzerinnen und Nutzer auf spielerische Weise an nützliche Funktionen heranzuführen. Die Erfolge übernehmen dabei einen Teil des Onboardings, da sie dazu motivieren, die Software zu erforschen. Ein Erfolg "Nutze Funktion A" oder "Verwende Shortcut B" kann Nutzerinnen und Nutzer auf nützliche Features aufmerksam machen, die sie sonst vielleicht nicht ausprobiert hätten.
Der Mensch als soziales Wesen
Soziale Aspekte sind ebenfalls eine treibende Kraft hinter unserem Verhalten. Wir Menschen als Rudeltiere sind stets um einen privilegierten Platz in der Gemeinschaft bemüht und die Anerkennung und Bewunderung anderer gibt uns ein gutes Gefühl. So ist es kein Wunder, dass auch diese Effekte – im Positiven und im Negativen – in Anwendungen genutzt werden können. Die bei Duolingo beschriebenen Ligen sind ein Beispiel: Das Wetteifern mit anderen kann mich dazu motivieren, mich besonders anzustrengen und meine Fähigkeiten immer weiter zu steigern. Erreiche ich am Schluss einen guten Platz, so bin ich stolz und habe das Gefühl, die Herausforderung gemeistert und die Bewunderung der anderen gewonnen zu haben. Durch erlangte Abzeichen oder Titel kann ich anschließend meine Erfolge vor anderen zur Schau stellen, wodurch ich auch über den Moment des Liga-Abschlusses hinaus etwas von Wert erhalte. Belege ich bei den Wettbewerben allerdings regelmäßig einen der hinteren Plätze, kann es auch schnell zu Frustration kommen.
![Abb. 7: Der Hype-Train als Gemeinschaftsherausforderung auf Twitch. Quelle: blog.prototypr.io <a href="https://www.informatik-aktuell.de/entwicklung/methoden/besseres-ux-design-durch-joyfication.html/#c41566">[7]</a> Abb. 7: Der Hype-Train als Gemeinschaftsherausforderung auf Twitch. Quelle: blog.prototypr.io <a href="https://www.informatik-aktuell.de/entwicklung/methoden/besseres-ux-design-durch-joyfication.html/#c41566">[7]</a>](/fileadmin/_processed_/b/6/csm_abb7_joyfication_jHerrmann_6906dd02dd.png)
Ein solches Modell fördert den Wettstreit und das Konkurrenzdenken, sollte also gerade in Unternehmen, in denen es eigentlich auf Teamwork ankommt, eher nicht angewendet werden. Hier kann ein anderes Modell eingesetzt werden, das den Teamgeist fördert: Alle gemeinsam statt jeder für sich.
Ein solches Beispiel ist ebenfalls bei Twitch zu finden. Der Hype-Train, der während eines Streams ausgelöst werden kann, wird durch die Aktionen aller Zuschauerinnen und Zuschauer aufgeladen. Gepaart mit dem Zeitdruck ist hier eine gemeinsame Anstrengung gefordert, um die höchste Stufe zu erreichen. Am Schluss erhalten alle Beteiligten gleichermaßen die Belohnung, egal, wie viel der oder die Einzelne zum Ergebnis beigetragen hat. Dadurch können Unterschiede besser ausgeglichen werden und auch Personen, die aus unterschiedlichsten Gründen in einem kompetitiven System nie die Chance auf einen Erfolg hätten, können so einen Triumph erleben.
Ein Fehler? Nicht schlimm!
Fehler sind etwas, das für keinen der Beteiligten schön ist. Weist das Programm einen Fehler auf, so ist dies ärgerlich für die Nutzer und Nutzerinnen; machen letztere einen Fehler, so führt dies zu Problemen und mündet dadurch ebenso in ärgerlichen Situationen. Dennoch lässt sich sagen: Menschen und von Menschen geschriebene Software-Produkte werden immer Fehler machen. Dies gehört zum Leben nun einmal dazu. Die Kunst ist somit gar nicht, die Fehler zu vermeiden, sondern ihnen ihren Schrecken zu nehmen.
Die Dialog-Gestaltungsgrundsätze Fehlertoleranz, Lernförderlichkeit und Selbstbeschreibungsfähigkeit sollten bei der Konzeption einer Anwendung natürlich immer berücksichtigt werden. Eine gute Ergänzung dazu kann ein Onboarding-Bereich sein, wie ihn Trello nutzt. Hier können sich neue Nutzerinnen und Nutzer zunächst in einem eigens dafür vorgesehenen Board mit den Funktionen und Abläufen vertraut machen. Sie können herumexperimentieren, ohne Angst haben zu müssen, etwas kaputt zu machen. So können sie erste Erfahrungen sammeln und gestärkt in die Nutzung des ersten echten Boards gehen. Dadurch kann die anfängliche Angst, etwas falsch zu machen, gelindert werden.
Die Kunst ist nicht, Fehler zu vermeiden, sondern ihnen ihren Schrecken zu nehmen.
![Abb. 8: Das Dino-Spiel in Chrome, das spielbar ist, wenn kein Internet verfügbar ist. Quelle: googlewatchblog.de <a href="https://www.informatik-aktuell.de/entwicklung/methoden/besseres-ux-design-durch-joyfication.html/#c41566">[8]</a> Abb. 8: Das Dino-Spiel in Chrome, das spielbar ist, wenn kein Internet verfügbar ist. Quelle: googlewatchblog.de <a href="https://www.informatik-aktuell.de/entwicklung/methoden/besseres-ux-design-durch-joyfication.html/#c41566">[8]</a>](/fileadmin/_processed_/6/3/csm_abb8_joyfication_jHerrmann_7eda10bac6.png)
Fehler, die von der Software ausgehen, können nicht immer vermieden werden. Dennoch kann das Design der Fehlerseite den Ärger darüber zumindest etwas abmildern. Neben hilfreichen Informationen und Lösungsvorschlägen, die immer angeboten werden sollten, sofern dies möglich ist, kann eine Interaktionsmöglichkeit eingebaut werden, sodass die Nutzerinnen und Nutzer zumindest die Wartezeit etwas überbrücken können. Besonders bekannt ist natürlich das Endless-Runner-Game in Chrome: Wenn keine Internet-Verbindung besteht, kann das Mini-Game gespielt werden. Dadurch kann man zwar immer noch nicht ins Internet, aber es gibt zumindest ein kleines Trostpflaster.
Aber auch eine charmant designte Fehlerseite kann die schlechte Laune bei den Nutzerinnen und Nutzern etwas abmildern.
Zu guter Letzt
![Abb. 9: Fehlerseite von Frye/Wiles. Quelle: ui-patterns.com <a href="https://www.informatik-aktuell.de/entwicklung/methoden/besseres-ux-design-durch-joyfication.html/#c41566">[9]</a> Abb. 9: Fehlerseite von Frye/Wiles. Quelle: ui-patterns.com <a href="https://www.informatik-aktuell.de/entwicklung/methoden/besseres-ux-design-durch-joyfication.html/#c41566">[9]</a>](/fileadmin/_processed_/c/6/csm_abb9_joyfication_jHerrmann_9350877c49.png)
An dieser Stelle soll unsere Wanderung durch das bunte Wunderland der Joyfication vorerst enden. Auch wenn dieser Artikel natürlich nur einen kleinen Ausschnitt beleuchten kann, so sollte doch deutlich geworden sein, dass schon kleine Designkniffe und durchdachte Formulierungen einen großen Einfluss auf die User Experience haben können. Natürlich passt nicht jede vorgestellte Methode zu jeder Anwendung. Doch die Fragen "Motiviere ich mit meinem Wording meine Nutzerinnen und Nutzer?" und "Nutze ich sinnvolle Animationen, um meine Anwenderinnen und Anwender zu unterstützen?"“ sollte sich jeder stellen. Falls die Antwort auf beide Fragen bereits "Ja" lautet, so ist schon ein guter Grundstein gelegt, um kontinuierlich mit weiteren Verbesserungen das Optimum aus der eigenen Anwendung herauszuholen. Falls dies nicht der Fall ist, sollte dieser Artikel Ängste und Vorbehalte abbauen und dazu motivieren, den Joyfication-Faktor als einen relevanten Erfolgsfaktor anzusehen und zwar ausdrücklich auch in Produktiv-Software. Joyfication sollte zum Werkzeugkasten eines jeden UX-Designers und jeder UX-Designerin gehören und rege Anwendung finden. Denn wir verfolgen alle ein gemeinsames Ziel: Glückliche Nutzerinnen und Nutzer!
- uxdesign.cc: 47 Key Lessons for UI & UX Designers
- mailchimp
- CNBC: Robinhood gets rid of confetti feature amid scrutiny over gamification of investing
- Der Osterhase unterwegs bei DPD
- getdigital: Android-T-Shirt
- uxdesign.cc: Forming Good Learning Habits with Duolingo UX
- twitch: Leitfaden zu Hype Trains
- Google Chrome: Easteregg versteckt Jump’n’run-Spiel im Browser
- ui-patterns: Error pages
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