Vorvertragliche Kundenschutzregelungen – wirksam oder rechtswidrig?
Kundenschutzregelungen vor und nach Vertragsende
Kaum ein Freiberufler kann vertraglichen Kundenschutzregelungen entgehen, da diese in fast jedem Vertrag, den er mit einer Unternehmensberatung schließt, enthalten sind. Dabei ist es irrelevant, ob diese Regelungen Wettbewerbsverbot, Kundenschutz, Loyalitätserklärung oder Geheimhaltungsvereinbarung heißen.
Am häufigsten anzutreffen sind nachvertragliche Regelungen, die dem Freiberufler, meist bei Androhung geldlicher Vertragsstrafen, verbieten, im Anschluss an den jeweiligen Auftrag direkt oder indirekt für denselben Endkunden tätig zu werden. Zu dieser Thematik existiert mittlerweile eine umfangreiche Rechtsprechung, die diese Klauseln in den meisten Fällen als unwirksam beurteilt. Diese Entscheidungen sind jedoch nicht ohne weiteres auf die vorvertraglichen Kundenschutzregelungen übertragbar.
Berechtigtes Interesse des Auftraggebers
Mit Hilfe einer vorvertraglichen Kundenschutzklausel möchte die Unternehmensberatung vermeiden, dass der Freiberufler die ihm offen gelegten Angaben über den Endkunden zu eigenen Zwecken unter Umgehung der Unternehmensberatung nutzt. Der Schutz dieser Interessen stellt sich zunächst als legitim dar – fraglich ist, in welchem Umfang dieser Schutz gerechtfertigt ist.
Vertragsfreiheit und ihre Grenzen
Für jegliche Vereinbarung gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Danach können Geschäftsfähige im Prinzip alles miteinander vereinbaren und sich zu allem verpflichten. Ob Dritte dies als vernünftig, gerecht oder sonst wie beurteilen, spielt keine Rolle. Die Grenzen der Vertragsfreiheit werden von drei gesetzlichen Bestimmungen gezogen: Verstoß gegen ein Gesetz (§ 134 BGB), Verstoß gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) und Treu und Glauben (§ 242 BGB).
Lediglich eine gesetz-, sitten- oder treuwidrige Vereinbarung ist demnach unwirksam, wobei die Grenzen sehr weit gezogen sind.
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote
Die oben bereits erwähnte Rechtsprechung für nachvertragliche Wettbewerbsverbote ist im Kern nicht auf entsprechende vorvertragliche Klauseln anwendbar, da hier eine wesentliche Voraussetzung fehlt: die wirtschaftliche Abhängigkeit des Freiberuflers aufgrund seiner langen Bindung an den Auftraggeber. Eine derartige Bindung existiert zum Zeitpunkt eines Vorvertrags (noch) nicht. Da außerdem bislang keine Rechtsprechung zu vorvertraglichen Kundenschutzklauseln existiert, ist die Beurteilung ihrer Wirksamkeit nur mittels Rückgriff auf die oben genannten gesetzlichen Normen und einer (eingeschränkten) Analogie der Entscheidungen zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot möglich.
Verstoß gegen Gesetz
In der Rechtsprechung zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot wird auf § 74 HGB verwiesen und die dortige Regelung, die eigentlich nur für Angestellte gilt, auf arbeitnehmerähnliche Selbständige angewandt. Ein Verstoß gegen diese gesetzliche Bestimmung kann zur Unwirksamkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots führen. Begründet wird die Analogie damit, dass sich ein Freiberufler in einer gewissen wirtschaftlichen Abhängigkeit befindet, wenn er über einen längeren Zeitraum nur bzw. hauptsächlich für einen Auftraggeber tätig ist. Dieser „längere Zeitraum“ wird von den Gerichten bei einer Dauer von ca. einem Jahr oder länger angenommen.
Diese Voraussetzungen liegen beim vorvertraglichen Wettbewerbsverbot nicht vor. Einen Verstoß gegen andere gesetzliche Normen ist ebenfalls nicht erkennbar. Somit ist ein vorvertragliches Wettbewerbsverbot aus Gründen eines Gesetzesverstoßes (§ 134 BGB) nicht unwirksam.
Verstoß gegen gute Sitten
Der zweite Anknüpfungspunkt für die mögliche Unwirksamkeit eines vorvertraglichen Wettbewerbsverbots ist die Vorschrift über die „guten Sitten“ (§ 138 BGB). Die Frage, ob eine Vereinbarung wegen Verstoßes gegen die guten Sitten unwirksam ist, eröffnet ein weites Feld. Allgemeingültige und letztverbindliche Antworten gibt es hier nicht. Gerade bei der Anwendung der „guten Sitten“ auf einen Sachverhalt muss stets individuell die fragliche Regelung sowohl für sich allein als auch im Kontext des gesamten Vertrags untersucht und beurteilt werden. Daher kann ich an dieser Stelle nur eine Reihe von Fragen stellen, die im Einzelfall zu beantworten sind:
- Hat die Unternehmensberatung ein berechtigtes und schützenswertes Interesse an einer Kundenschutzregelung, das heißt, besteht überhaupt die konkrete Möglichkeit, den Freiberufler in einem Projekt einzusetzen?
- Welchen zeitlichen Umfang hat die vorvertragliche Kundenschutzregelung, das heißt, wie lange bindet es den Freiberufler?
- Welchen inhaltlichen Umfang hat die vorvertragliche Kundenschutzregelung, das heißt, für welchen Kunden bzw. für welche Bereiche des Kunden gilt es?
- Welche Sanktionen sind bei einem Verstoß gegen die vorvertragliche Kundenschutzregelung vorgesehen, das heißt, wie hoch ist die Vertragsstrafe?
- Ist die Vertragsstrafe konkret bestimmt, das heißt, ist die Vertragsstrafe ein fixer Betrag oder ist sie variabel und nur durch eine Berechnung zu ermitteln?
Aus der Beantwortung dieser Fragen lässt sich ermitteln, ob die vorvertragliche Kundenschutzregelung unter Umständen sittenwidrig und damit unwirksam ist.
Treu und Glauben
Die Grundsatz „Treu und Glauben“ (§ 242 BGB) ist ein so genannter „Auffangtatbestand“, das heißt, er kommt – insbesondere in Vertragsbeziehungen – dann zum Tragen, wenn keine konkreten gesetzlichen Normen anwendbar sind. Ähnlich wie bei den „guten Sitten“ ist auch hier ein weites Feld zu bestellen. Und im Prinzip können hier auch – wie oben bereits aufgeführt – die gleichen Fragen gestellt werden. Allerdings ist hier der Ansatz insofern anders, als dass auf bereits bestehende rechtliche Beziehungen der Parteien abgestellt wird.
Da aber zur Thematik vorvertraglicher Kundenschutzregelungen bislang keine Rechtsprechung vorliegt, wird jeder Beurteilung stets das Risiko immanent sein, von einem Gericht widerlegt zu werden. Mit dieser Unsicherheit werden Freiberufler leider bis auf weiteres leben müssen.