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Silke Kainzbauer & Wolfgang Brandhuber 08. September 2015

Teamresilienz in der Praxis

Teamresilienz ist die Fähigkeit, trotz Belastungen produktiv zu bleiben und gemeinsam immer besser mit schwierigen Situationen umgehen zu lernen, anstatt sich aufzureiben. Die gute Nachricht: Sie ist erlernbar! Es gibt Wege, dem Thema einen Platz im Teamalltag zu geben und Teams zu ermöglichen, sich in diese Richtung zu entwickeln. Für den Einstieg stellen wir hier eine Retro vor, die man "out of the Box" benutzen kann und verschiedene Variationsmöglichkeiten, um langfristig mit Spaß an diesem wichtigen Thema dranzubleiben. Jeder wünscht sich Projektbedingungen, die die Leistungsfähigkeit eines Teams unterstützen, doch in der Realität sind diese eher die Ausnahme als die Regel. Normalerweise sind Teams im Projektalltag mit Schwierigkeiten wie Druck, einem hohen Risiko, starkem internen oder externen Wettbewerb, organisatorischen Veränderungen oder Rückschlägen konfrontiert, die das Team meistern muss um produktiv bleiben zu können. Krisen verschiedenen Ausmaßes sind häufig wiederkehrende Ereignisse im Projektalltag. Dabei gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen mehr oder weniger resilienten Teams: Die Krisen, die resiliente Teams gemeinsam bewältigen, beeinträchtigen sie nicht dauerhaft, sondern stärken ihre Kompetenzen. Sie lernen immer besser, in Drucksituationen fokussiert zu bleiben, nach Rückschlägen weiterzumachen, in schwierigen Situationen einen Sinn zu finden und optimistisch in die Zukunft zu blicken [1]. Diese Widerstandskraft ist weder Zufall noch Gnade, sondern durch das gemeinsame Denken und Handeln im Team beeinflusst und damit genauso trainierbar wie andere Fähigkeiten. Die Resilienzforschung hat in den vergangenen 40 Jahren verschiedene Faktoren ermittelt, die resiliente Menschen und Gruppen in besonderem Maße aufweisen. Dabei zeigte sich, dass nicht die Stärke einer realen oder empfundenen Belastung ausschlaggebend für ihre nachhaltige Wirkung ist, sondern die Art und Weise, wie man mit dieser Belastung umgeht. Resilienz bedeutet also, in schwierigen Situationen zwar die gleichen Gefühle zu haben, wie weniger resiliente Menschen, aber so damit umgehen zu können, dass sie einen stärken. Und es zeigte sich, dass es neben den persönlichen Ressourcen auch erlernte Kompetenzen waren, die dabei halfen, in Stresssituationen gelassen zu bleiben, Gefühle und Impulse steuern zu können und realistische Pläne sukzessive in die Tat umzusetzen. Resilienz ist keine objektive Eigenschaft, sondern eine Idee, unter der viele unterschiedliche Merkmale zusammengefasst werden, was sich gut daran erkennen lässt, dass verschiedene Studien unterschiedliche Resilienzfaktoren fanden, auch wenn es durchaus Überschneidungen gibt: Die Connor-Davidson-Resilience-Scale umfasst beispielsweise Faktoren wie Kompetenz, Hartnäckigkeit, Toleranz gegenüber Belastungen, Akzeptanz von Veränderung und Kontrolle [2]. Das Resilience Inventory basiert auf Merkmalen wie Emotionssteuerung, Impulskontrolle, Kausalanalyse, Optimismus, Selbstwirksamkeitsüberzeugung, Zielorientierung und Empathie [3]. Wieder andere Studien finden nur zwei Faktoren und nennen sie persönliche Kompetenz und Akzeptanz des Selbst und des Lebens [4]. Wie diese verschiedenen Ansätze zeigen, gibt es für das Phänomen der Resilienz nicht die "richtigen", allgemeingültigen Dimensionen, sondern nur jeweils unterschiedliche Perspektiven darauf. Es gibt die Erscheinung "Resilienz", aber weder eine objektive Definition, noch den richtigen Weg, um resilient zu werden. Jedes Team muss eine eigene Wahrnehmung von seiner spezifischen Art der Widerstandkraft entwickeln und braucht ein Verständnis für seine Weiterentwicklungsfähigkeit, um selbst zu entscheiden, wohin es sich entwickeln will. Alle existierenden Definitionen können nur ein Startpunkt sein, um im Team über die eigene Resilienz zu diskutieren. Das Wesentliche ist, die eigene Wahrnehmung zu schärfen und teameigene Faktoren zu finden.

Was ist das Ziel eines Resilienztrainings?

Resilienter wird ein Team nicht dadurch, dass es irgendwelche Normen erfüllt, die durch willkürlich ausgewählte Dimensionen gesetzt werden, nach dem Motto: "Hohe Impulskontrolle ist gut – also unterbinden wir ab jetzt die Spontaneität in Meetings. Wer künftig reinquatscht, zahlt 'nen Euro in die Kaffeekasse. Wer die Agenda aushebelt, fünf." Das bedeutet nicht, dass diese Idee grundsätzlich schlecht sein muss, der Ansatz ist nur ein völlig anderer: Was Teamresilienz für ein Team bedeutet, muss das Team immer selbst entscheiden. Das Ziel eines Teamresilienztrainings ist, eine Wahrnehmung für die eigene Resilienz und die der anderen Teammitglieder zu entwickeln und gemeinsam zu entscheiden, welche Faktoren wichtig sind. Was bedeutet Widerstandfähigkeit für uns? Mit welchen Schwierigkeiten haben wir am meisten zu kämpfen? Welche Fähigkeiten bräuchten wir, um nicht nur zu überleben, sondern unter diesen Bedingungen besser zu werden? Diese Fähigkeiten werden dann in kleinen Trainingseinheiten (Moves) [9] on-the-job iterativ und inkrementell trainiert und immer wieder angepasst und verfeinert. Ein erster Schritt ist, dass man sich im Team darauf einigt, welche Dimensionen relevant sind und welchen Bereich sie abdecken. Die bekannten Resilienzfaktoren liefern hierzu gute Diskussionsgrundlagen. Die Klärung dessen, was für das Team Resilienz bedeutet und welche Aspekte wichtig sind, ist bereits der erste Trainingsschritt, denn das Team muss sich dazu aktiv mit sich und seiner Arbeitsumgebung auseinandersetzen. Alle Teammitglieder müssen eine Wahrnehmung dafür entwickeln und diese innerhalb des Teams teilen, Argumente austauschen und die Standpunkte aller anderen verstehen.

Fahrplan für eine Resilienz-Retro

Um das Thema Teamresilienz mit einem Team zu besprechen, bietet sich eine Retrospektive [5] an, die in Scrum-Projekten ohnehin am Ende jedes Sprints stehen sollte. Wir haben die Resilienz-Retro in die fünf gängigen Phasen "Setting the Stage", "Gathering Data", "Generate Insight", "Decide what to do" und "Closing the Retrospective" gegliedert, wie sie zum Beispiel auch im Artikel [13] und dem Retromaten [11] zu finden sind. Die erste Retro zur Einführung der Resilienzidee könnte so aussehen:

Phase 1: Setting the Stage

In der Einführung geht es darum, die Idee von Resilienz vorzustellen und einen Einblick zu geben, warum das Thema möglicherweise nützlich sein könnte, um das Team weiter voran zu bringen [1].
  • Was ist Resilienz?
    Eine Möglichkeit zum Einstieg wäre ein Statement auf einem Flipchart: "Nicht die Schwierigkeiten, denen wir gegenüberstehen, sind problematisch, sondern die Art und Weise, wie wir mit Ihnen umgehen."
    In ein paar Sätzen kann der Moderator des Meetings diese These erläutern. Eindrucksvoll ist möglicherweise auch eine Demonstration mit einem Spülschwamm, der nach dem Zusammendrücken schnell wieder in die alte Form zurückfindet. Wichtig ist dabei auch der Aspekt, dass Resilienz nicht nur bedeutet, sich schnell zu erholen und in die alte Form zurückzufinden, sondern aus den Belastungen gestärkt hervorzugehen.
  • Was bringt‘s dem Team?
    Dann könnte der Moderator kurz über den geplanten Nutzen der Retro sprechen: Das Team kann die Resilienzidee einsetzen, um eine Wahrnehmung dafür zu entwickeln, wie die Teammitglieder selbst mit Schwierigkeiten umgehen und welche Form von Resilienz dem Team helfen könnte, dabei immer besser zu werden.
  • Vorstellung von Resilienzfaktoren
    Um dem Team eine Idee zu geben, was Resilienz alles beinhalten könnte, kann der Moderator des Meetings die sieben gebräuchlichsten Resilienz-Dimensionen [3] als Beispiel vorstellen:
    Eine Möglichkeit wäre, je eine Metaplan-Karte mit einer der 7 Dimensionen zu beschriften, eine Karte nach der anderen an die Wand zu kleben und dazu jeweils kurz zu erklären, was damit gemeint ist.
    • Emotionssteuerung – alle Gefühle (negative wie positive) wahrnehmen können und selbst entscheiden, wie sie mich beeinflussen.
    • Impulskontrolle – nicht den ersten Impulsen folgen müssen.
    • Kausalanalyse – Erkennen der tieferen Gründe für die Situation und den eigenen Zustand, Ehrlichkeit mit sich selbst.
    • Optimismus – innere Überzeugung, dass sich Dinge zum Besseren wenden.
    • Selbstwirksamkeitsüberzeugung – Wissen, dass ich durch mein Handeln dazu beitragen kann, die Dinge zum Besseren zu wenden.
    • Zielorientierung – ein klares, realistisches Bild der eigenen Ziele haben, darauf zuarbeiten, sie anpassen zu können und sich nicht von Rückschlägen entmutigen zu lassen.
    • Empathie – Perspektive wechseln, und sich in andere hineinversetzen können.

Phase 2: Gathering Data

  • Nach der Vorstellung diskutiert das Team über einen Resilienzfaktor nach dem anderen. Hier geht es nur darum, die Faktoren für das Team mit Leben zu füllen und diejenigen herauszufinden, die für das Team relevant sind:
    • Spielt diese Dimension für unsere Teamresilienz in der aktuellen Situation eine Rolle?
    • In welchen konkreten Situationen im Arbeitsalltag kam dieser Resilienzfaktor zum Tragen und wann hat es daran gemangelt?
Pro Resilienzfaktor wird mit Handzeichen abgestimmt, ob diese Dimension als relevanter Teil der Teamresilienz aufgenommen wird. Wenn die Abstimmung nicht einstimmig ist, werden so lange zu jeder Dimension die Argumente ausgetauscht, bis das gesamte Team ein gemeinsames Verständnis davon hat und die Abstimmung einstimmig dafür oder dagegen ausfällt. Diese Diskussion ist der erste Schritt auf dem Weg zur Teamresilienz. Wird keine Einstimmigkeit erzielt, wird man sich immer nur über Einzelresilienzen unterhalten.
  • Wenn die sieben Dimensionen durchdiskutiert wurden, besteht noch die Möglichkeit zu fragen:
    • Was wären Faktoren, die hier nicht aufgeführt wurden, die uns aber auch widerstandsfähiger machen würden?

Phase 3: Generate Insights

Resilienz Poker
Der Resilienz Poker ist eine Abwandlung des Scrum- oder Planning-Poker [6]. In der klassischen Form wird diese Schätzmethode verwendet, um den ungefähren Zeitaufwand einer bestimmten Projektarbeit abschätzen zu können. Alle Meinungen im Team werden dadurch gleichermaßen berücksichtigt. Jedes Gruppenmitglied beteiligt sich aktiv an der Schätzung und bringt seine Perspektive ein.
  • Benötige Materialien
    Am besten nimmt man Pokerkarten mit T-Shirt-Size Werten (XS, S, M, L, XL, XXL), weil damit nicht fälschlicherweise ein relatives Skalenniveau angenommen wird. Man kann aber auch Planning- oder Scrum-Poker-Karten verwenden und den Zahlenwerten die Bedeutung der T-Shirt-Sizes geben (1=XS, 2=S, 3=M, 5=L, 8=XL, 13=XXL).
  • Ablauf
    Nun wird über jeden einzelnen Resilienzfaktor diskutiert, wie stark oder schwach dieser Faktor im gesamten Team ausgeprägt ist. Wenn genug Argumente ausgetauscht wurden, schätzen alle Teilnehmer den ihrer Meinung nach passenden Wert, indem sie die Karte mit dem entsprechenden Wert verdeckt auf den Tisch legen. Im Anschluss werden die Karten aufgedeckt und verglichen. Stimmen sie nicht überein, begründen die Spieler mit der niedrigsten und höchsten Karte ihre Einschätzungen. Danach gibt es weitere Schätz- und Diskussions-Runden bis ein Konsens über die Bewertung gefunden wird. Achtung! Es gibt bei dieser Schätzung keine Mittelwertbildung. Das gesamte Team muss einen Konsens über den Wert jedes einzelnen Faktors finden.
    Die Diskussionen über die einzelnen Resilienzfaktoren sind das wichtigste am Resilienz Poker, denn hierbei kommen die unterschiedlichen Sichtweisen auf das Projekt, den Projektalltag und das Team hoch und können besprochen werden. Die Teammitglieder erfahren die unterschiedlichen Perspektiven ihrer Kollegen und die Konsensfindung erfordert, sich darauf einzulassen. In diesen Diskussionen kann der komplette Teamalltag aufgearbeitet werden.
  • Ergebnis
    Das Resultat der Pokerrunde ist eine priorisierte Liste mit den zuvor festgelegten Resilienzfaktoren. Nach dem wichtigen ersten Schritt der Einigung auf die teaminternen Resilienzfaktoren ist diese Diskussion der zweite wichtige Schritt im Resilienztraining des Teams. Nur wenn es gelingt, sich auf eine gemeinsame Sichtweise zu einigen, sind weitere Schritte zur Teamresilienz sinnvoll und zielführend. Wird an diesem Punkt keine gemeinsame Basis entwickelt, ist das ein Hinweis auf grundlegendere Baustellen in der Teamarbeit, die angegangen werden sollten.
Resilienzradar
Mit dem Resilienzradar kann das Team für sich visualisieren, wie sehr die im Resilienz-Poker gefundenen Faktoren im Projektalltag aktuell ausgeprägt sind.
  • Ablauf
    Die im Resilienz-Poker ermittelten einstimmigen Werte jedes Resilienzfaktors werden in ein Radarchart eingetragen: Jeder Faktor erhält eine eigene Achse, die mit T-Shirt-Sizes unterteilt wird. Der gefundene Wert des Faktors wird auf seiner Achse eingetragen und die Werte mit einer Linie verbunden (s. Abb.). Je kleiner die entstehende Fläche, desto weniger ausgeprägt sind die Resilienzfaktoren.
  • Diskussion
    Wie schaut der Radarchart genau aus, welche Faktoren sind stark, welche weniger stark ausgeprägt? Wie können wir die auf dem Radarchart entstandene Fläche vergrößern?

Phase 4: Decide What to Do

Jetzt geht es daran, zu entscheiden, welche Maßnahmen ergriffen werden sollen. Das Ziel ist, klare und konkrete Vereinbarungen über sinnvolle und realistische Schritte zu treffen, die im nächsten Sprint umgesetzt werden können.
  • Diskussion
    • Was bringt unsere Teamresilienz am wahrscheinlichsten weiter?
    • Für welche unserer Resilienzdimensionen wollen wir im kommenden Sprint Maßnahmen in Angriff nehmen?
    Das Team sollte sich auf insgesamt 1-3 Maßnahmen einigen. Diese können alle eine einzelne oder auch mehrere Dimensionen betreffen. Zumindest eine Maßnahme sollte gemeinsam beschlossen werden, um erste Erfahrungen mit dem Resilienztraining aufzubauen.
    • Was wären Maßnahmen bzw. Moves [7], die uns dabei unterstützen könnten, die ermittelten Resilienzfaktoren zu trainieren? Ideen oder Inspirationen zu möglichen Moves finden sich in [8, 9, 10, 12].
    • Was lässt sich schnell, was lässt sich einfach umsetzen (Quick Wins)? Was braucht mehr Zeit?
  • Entscheidungen
    Am Ende dieser Phase sollte das Team gemeinsam entschieden haben:
    • Welche Moves sollen angegangen werden?
    • Wer macht mit?
    • Wie sollen sie dokumentiert werden?
    • Was sollte bis zur nächsten Retro erreicht werden?

Phase 5: Closing the Retrospective

Resilienz-Retros sind erfahrungsgemäß ein sehr intensiver Gruppenprozess. Daher genügt es meist, die Retro mit einer einfachen ROTI-Befragung (ROTI = Return on Time invested) abzurunden.
  • Beispiel einer ROTI:
    • 5 Kreise auf einem Flipchart übereinander malen
    • von oben nach unten mit 5 - 1 beschriften
    • die Teilnehmer beim Verlassen des Besprechungsraumes bitten, in den entsprechenden Kreis ein Kreuz machen, je nach dem wie gut die Zeit in der Retro nach ihrem persönlichen Gefühl investiert war
    • 5 bedeutet „Sehr gut“, 1 bedeutet „sehr schlecht“.
In Folgeretros können die ROTI-Durchschnitte der einzelnen Retros einfach nur miteinander verglichen oder in ein Diagramm eingetragen werden. Wenn das gesamte Team ernsthaft resilienter werden möchte, sollte die Begeisterung für dieses Thema und damit auch der ROTI-Wert über die Retros hinweg steigen oder sich auf hohem Niveau einpendeln.

Ideen für weitere Resilienz-Retros

Um die Resilienz-Retros auf Dauer spannend zu halten und den Spaß an der Auseinandersetzung mit dem Thema mit der Zeit noch zu steigern, sollte die eben vorgestellte Beispiel-Retro immer wieder variiert und an die Bedürfnisse und Vorlieben des Teams angepasst werden. Im folgenden Abschnitt haben wir für jede Retro-Phase ein paar Variationsmöglichkeiten aufgelistet, die zum experimentieren einladen sollen.

Phase 1: Setting the Stage

Eine Möglichkeit könnte sein, andere Studien zu Teamresilienz und damit andere Resilienzfaktoren vorzustellen, um die Sicht auf Resilienz zu erweitern und neue Ideen und Perspektiven für die teameigene Resilienz zu bekommen (s. [2] [3] [4]). Mittlerweile gibt es auch einige gute Bücher zum Thema Resilienz, die auch viele neue Impulse liefern können (z. B. [14] [15]).

Phase 2: Gathering Data

Durch die Diskussionen in der ersten Retro wurde die Wahrnehmung der Teammitglieder für Resilienz und einzelne Resilienzfaktoren geschärft. Erfahrungsgemäß werden diese Faktoren daraufhin in deutlich mehr Situationen beobachtet. Nicht-resilientes Verhalten fällt dadurch viel stärker auf als vorher. Die Teamresilienzfaktoren an möglichst konkreten Beispielen durchzusprechen, ist eine gute Basis, um zu diskutieren, ob die bisherigen Faktoren für das Team die richtigen sind und welche anderen einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Resilienzwahrnehmung leisten könnten.

Phase 3: Generate Insights

  • Auf der Basis der neuen Erfahrungen können die Teamresilienzfaktoren mit einer neuen Runde Resilienz-Poker im Team neu bewertet werden.  
  • Dem schließt sich ein weiterer Resilienzradar an. Hier bietet sich ein Vergleich mit dem letzten Resilienzradar an. Wo hat sich die Fläche verändert?
  • Ein weiterer Schritt in einer Folgeretro könnte auch sein, eine "Definition von Resilience" – in Anlehnung an die "Definition of Done" aus Scrum – mit dem Team zu erstellen, zu dokumentieren und immer wieder zu ergänzen und zu überarbeiten

Phase 4: Decide What to Do

  • In jeder Retro sollten neue Resilienz-Moves beschlossen werden um den Spaß und das Training auf Dauer aufrecht zu erhalten. Möchte das Team mit den bisherigen Moves weiterarbeiten, sollten diese zumindest variiert oder weiterentwickelt werden.
  • Beispiele und Anregungen zu Moves finden sich hier: [1] [7] [8] [9] [10] [12].  
  • Entscheidet das Team beispielsweise, dass es wichtig ist, in einer ehrlichen Analyse die tieferen Gründe für die aktuelle Projektsituation und den spezifischen Zustand des Teams zu erkennen, könnte beispielsweise ein Move wie das Impediment Bingo [12] hilfreich sein.

Phase 5: Closing the Retrospective

Die Literatur zu Retrospektiven ist mittlerweile sehr vielfältig. Gute Ideen für das Closing finden sich beispielsweise im "Retromat" [11].

Fazit

Teamresilienz ermöglicht dem Team, Belastungen nicht nur gut zu überstehen, sondern gestärkt daraus hervorzugehen. Was Teamresilienz konkret für ein Team bedeutet, kann es nur selbst und im Konsens herausfinden. Bekannte Resilienzfaktoren können dafür zwar als Ansatzpunkt dienen, entscheidend aber sind die Faktoren, an die das Team glaubt. Diese Faktoren zu ermitteln bedeutet, sich in einem intensiven Teamprozess mit den Belastungen des Teams, der Art, wie damit umgegangen wird und den möglichen Maßnahmen auseinanderzusetzen und gemeinsam zu entscheiden, welche Moves eine substantielle Verbesserung bringen können. Alleine diese Auseinandersetzung unterstützt die Zusammenarbeit und Synchronisation im Team. Als Fundament für gemeinsame Resilienz-Moves ist sie unentbehrlich.

Quellen

[1] Informatik Aktuell: W. Brandhuber und S. Kainzbauer: Teamresilienz – das eigentliche Fundament agiler Entwicklung
[2] K. Connor, J. Davidson, 2003: Development of a new Resilience Scale: The Connor-Davidson resilience scale (CD-RISC). Depression and Anxiety 18, 76-82.
[3] K. Reivich, A. Shatté, 2003: The Resilience Factor. Broadway Books, USA
[4] K. K. Leppert, 2008: Die Resilienzskala (RS) - Überprüfung der Langform RS-25 und einer Kurzform RS-13. Klinische Diagnostik und Evaluation.
[5] Retrospektiven
[6] Wikipedia: Planning Poker
[7] Informatik Aktuell: M. Rehberg: Agile Moves in der Praxis
[8] Informatik Aktuell: W. Brandhuber: Agile Moves: Selbstorganisation trainieren durch Augenhöhe
[9] Informatik Aktuell: W. Brandhuber: Agile Moves: Agilität trainieren
[10] Agile Moves Trainingskarten auf Github
[11] Retromat
[12] Impediment Bingo
[13] Informatik Aktuell: J. Andresen: Retrospektiven im Projektmanagement
[14] D. Mourlane, 2015: Resilienz: Die unentdeckte Fähigkeit der wirklich Erfolgreichen
[15] C. Berndt, 2013: Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft

Autoren

Silke Kainzbauer

Silke Kainzbauer arbeitet seit über 20 Jahren im Bereich Veränderungsmanagement als Beraterin in großen Transformationsprojekten. Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist die agile Organisationsentwicklung.
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Dr. Wolfgang Brandhuber

Dr. Wolfgang Brandhuber ist seit über 14 Jahren als Berater vor allem im agilen Umfeld tätig. Neben der Leitung mehrerer agiler Projekte war er Scrum-Entwickler, Product Owner, Scrum Master und Chief Scrum Master in verschiedenen…
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