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Ulrike Scheibler 20. Mai 2025

John von Neumann – einer der Väter der Informatik

Wenn es um die Persönlichkeiten der Informatik geht, kommt man an ihm nicht vorbei.  John von Neumann gilt als Genie, er befasste sich mit Mengenlehre, Quantenmechanik, Automaten und elektronischen Rechenmaschinen, aber auch mit neuronalen Netzen und er zählt unbestritten zu den Vätern der Informatik. 

Ein Wunderkind auf den Wegen der Mathematik

John von Neumann, 1903 in Ungarn geboren, entstammte einer angesehenen jüdischen Familie, die sicher auch keine Geldsorgen hatte, denn sein Vater war als Regierungsrat und Bankdirektor tätig. 

Schon als Sechsjähriger begeisterte der kleine János seine Eltern und Gäste des Hauses mit der Fähigkeit, achtstellige Zahlen im Kopf zu dividieren. Angeblich unterhielt er sich bereits in diesem Alter auf Altgriechisch, in der zweiten Klasse verbrachte er Zeit mit Differentialgleichungen und las in Geschichtsenzyklopädien. Seine Merkfähigkeit war ebenso phänomenal wie die Denkgeschwindigkeit – ein Blick auf eine beliebige Buchseite, beispielsweise im Telefonbuch, und kurz darauf gab er den Inhalt wortwörtlich wieder. Er war ein Wunderkind, welches das Glück hatte, entsprechend gefördert zu werden. 

Noch keine 18 Jahre alt, veröffentlichte er gemeinsam mit seinem Mathematiklehrer den ersten wissenschaftlichen Artikel zum Fachgebiet Mathematik.

Parallele Studienabschlüsse und jüngster Privatdozent

John von Neumann hätte bei seiner Begabung alles studieren können, sah jedoch im Chemiestudium einen guten Kompromiss hinsichtlich des Wunsches seiner Eltern – denn die Beschäftigung mit Mathematik galt für den Vater nicht als Grundlage eines Reichtum vermehrenden Lebensunterhaltes. Von Neumann pendelte zeitweise zwischen drei Universitäten – er begann in Berlin mit dem Studium der Chemie, wechselte etwas später nach Zürich, um sich neben der Chemie auch mit Mathematik zu beschäftigen. An der Budapester Universität besuchte er zeitgleich Mathematikvorlesungen, promovierte trotz der unregelmäßigen Präsenz 1926 zum Thema Mengenlehre und erhielt im selben Jahr sein Diplom in Zürich. 

An den Universitäten In Berlin und Hamburg wurde John von Neumann als (jüngster) Privatdozent eingestellt und bereits 1930 folgte er einer Einladung an die Princeton University in New Jersey, um dort Gastvorlesungen zu halten.

Gesellschaftliche Umbrüche und der Schritt in die Informatik

Zu Beginn der 1930er Jahre hatte sich die politische Landschaft in Europa bereits sehr verändert – der Antisemitismus flammte mehr und mehr auf, befeuert durch die Propaganda des erstarkenden Nationalsozialismus in Deutschland. Für John von Neumann bedeutete deshalb das Angebot einer Festanstellung an der Princeton University nicht nur ein höheres Gehalt, sondern auch Sicherheit. Und so entschied er sich 1933, dem Jahr der Machtergreifung der deutschen Faschisten, am neu gegründeten Institute for Advanced Study eine Professur anzunehmen. Einer seiner Kollegen war übrigens Albert Einstein. Vier Jahre später wurde John von Neumann US-amerikanischer Staatsbürger. 

Neben seiner Dozententätigkeit veröffentlichte er zahlreiche Artikel zur Thematik der Angewandten Mathematik. 1932 erschien sein für die weitere Entwicklung der Mathematik und mathematischen Physik bedeutsames Buch "Mathematische Grundlagen der Quantenmechanik". John von Neumanns Interessen konzentrierten sich ab Ende der 1930er Jahre immer intensiver auf Probleme der Rechentechnik und Automaten. Ausgehend von der Turing-Maschine, deren Erfinder am Institute for Advanced Study promovierte, entwickelte von Neumann Prinzipien für Rechner und stand in diesem Zusammenhang im Austausch mit den ENIAC-Erfindern. Gleichzeitig war er bei US-amerikanischen Regierungsberatern sehr gefragt – von Neumann wirkte engagiert an kriegsentscheidenden Entwicklungen mit.

John von Neumann als ein Vater der Informatik

Wer hat’s erfunden?

Der Von-Neumann-Rechner, auch als Von-Neumann-Architektur bekannt, wurde die Grundlage des heutigen Computers: Dieser besteht aus Rechen- und Steuerwerk, In- und Outputgeräten sowie einem gemeinsamen Speicherwerk für Programme und Daten, die binär codiert werden. Das ermöglicht die Änderung des Programms während eines laufenden Rechenvorgangs. Diese Prinzipien beschrieb John von Neumann erstmals 1945 in einem Diskussionsbericht, der unveröffentlicht zum Austausch mit den Erfindern des ENIACs bzw. dessen Nachfolgers EDVAC gedacht war.
 
Schneller als vielleicht gewünscht war jedoch "First draft of a report on the EDVAC" in wissenschaftlichen Kreisen verbreitet. Dass dadurch auch die Frage "Wer ist der Erfinder des modernen Rechners?" erneut diskutiert wurde, versteht sich von selbst und John von Neumann bleibt als alleiniger Entwickler umstritten. Schließlich beanspruchten auch John Presper Eckert und John William Mauchly, die Entwickler des Röhrencomputers ENIAC und dessen Nachfolgers EDVAC dies für sich. Unbestritten bleibt jedoch John von Neumanns wesentliche Beteiligung an der theoretischen und auch praktischen Entwicklung der ersten elektronischen Großrechner.

Im Dienste der Vernichtung

Wie bereits oben erwähnt, war von Neumann auch ein gefragter Entwickler für das US-amerikanische Militär. Er war involviert ins Atomforschungsprojekt Manhattan und arbeitete dort unter der Leitung von Robert Oppenheimer, beriet dabei zu Fragen der Ballistik und wählte die beiden Ziele der Abwürfe über Japan aus – Hiroshima und Nagasaki. Seine Berechnungen zur optimalen Detonationshöhe der Atombomben sorgten für die allgemein bekannten furchtbaren Folgen – Zerstörungen, tausende Tote und unermesslich großes menschliches Leid durch Verstrahlung.  

Auch nach dem Ende des II. Weltkrieges war von Neumann weiter als Berater des US-amerikanischen Militärs und damit im Dienste der Aufrüstung und Abschreckung tätig, u. a. 1951 bei der Entwicklung der Wasserstoffbombe und ab Mitte der 50er Jahre waren es die Interkontinentalraketen, deren Entwicklung er mit seinen Berechnungen möglich machte.

John von Neumann – hoch geschätzt, vielseitig und lebenslustig

Mit Faszination am Neuen und großer Leidenschaft legte er Wissenschaftlern dar, wie es mit Hilfe von mathematischen Berechnungen und hoher Genauigkeit gelingen kann, praktische Probleme zu lösen – sei es nun in der Hydrodynamik, der Statik oder der Wetterkunde. Am Institute for Advanced Study konnte er schließlich ab 1945 zusammen mit Herman Goldstine (aus der ENIAC-Gruppe) ein eigenes Computerprojekt umsetzen, die Entwicklung des IAS-Rechners MANIAC. Und so wurde dieser Computer auch der "Vater" der ersten rechnergestützten 24-Stunden-Wettervorhersage.

Die sogenannte mathematische "Spieltheorie" ist ebenso durch John von Neumann begründet worden. Heute gilt sie als Grundlage eines Teils der modernen Wirtschaftstheorie. 

Er begeisterte sich für schnelle Autos, allerdings war die Anzahl der Blechschäden hoch.

Kollegen schätzten von Neumann auch deshalb sehr, weil er sein Wissen und seine Konzeptionen großzügig weitergab. So machten auch die Berichte über die Idee und Entwicklung des IAS-Rechners schnell die Runde und in den USA und Großbritannien schuf man Computer nach seinem Vorbild (s. auch den noch folgenden Artikel "Eine Frau, ein Mann, ein Team"). John von Neumann war vielseitig interessiert und galt schon als Student als scharfsinnig. Beispielsweise hatte er für die in Vorlesungen aufgeworfenen Fachprobleme oft am Ende der Veranstaltung bereits eine Lösung gefunden. Da könnte sich der eine oder andere vielleicht fragen, ob der Mann eigentlich auch ein Privatleben hatte.

Ja, hatte er. Zwei Mal war er verheiratet. Außerdem begeisterte er sich für schnelle Autos, sein Fahrstil soll allerdings beängstigend gewesen sein und die Anzahl der verursachten Blechschäden hoch. Auf Partys war John von Neumann sehr willkommen, brachte er doch mit seinem oft doppeldeutigen Humor und dem Vortragen von Limericks die Gästeschar stets zum Lachen.

Ein Genie ohne Nobelpreis?

Von Neumanns Entwicklungen und seine Beiträge zur Forschung in den USA, besonders während der Zeit des II. Weltkrieges, hatten einen hohen Stellenwert – sowohl für staatliche Stellen als auch im universitären und industriellen Bereich. So stand er u. a. IBM ebenso wie Standard Oil als Berater zur Seite. Schaut man auf die Ehrungen, die John von Neumann von Seiten seiner zweiten Heimat erhielt, so mutet es an, als wäre er regelrecht überschüttet worden mit einer Reihe hoher Würdigungen. So wurden ihm beispielsweise 1947 die Presidential Medal for Merit und der Distinguished Civilian Service Award verliehen und Präsident Eisenhower überreichte von Neumann 1956 im Weißen Haus die Presidential Medal of Freedom. Der Albert Einstein Commemorative Award folgte kurz darauf. Nur die Verleihung des Nobelpreises fand für ihn nie statt, trotz seiner über 100 bedeutenden Beiträge für unterschiedlichste Wissenschaftsbereiche – und das hat sehr profane Gründe. Zum einen ist Mathematik nicht als nobelpreiswürdige Kategorie gelistet, zum anderen starb John von Neumann sehr früh – mit 53 Jahren – an Bauchspeicheldrüsen- und Knochenkrebs, wohl eine Folge der nuklearen Strahlung, der er bei Tests ausgesetzt war. Noch im Hospital, dem Tod bereits nahe, arbeitete er an einem Buch, um das Phänomen "Computer" in unserem Gehirn zu erschließen.

Was bleibt, auch ohne Nobelpreis, ist von Neumanns Name in Verbindung mit der Grundlagenentwicklung einer IT-Architektur, die heute jedem begegnet, der einer Tätigkeit mit Computern nachgeht.

Autorin
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