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Ulrike Scheibler 10. Juni 2025

John Warner Backus – der Mann, der Fortran entwickelte

John Warner Backus’ Biografie ist ein überaus geeignetes Exempel dafür, dass Fleiß in Schule und Ausbildung nicht immer das Sprungbrett in die Riege der Persönlichkeiten der Informatik sein müssen. Backus gab viele Jahre später unumwunden zu: "Ich habe nie gelernt. Ich hasste es zu lernen." [1] Und trotzdem ist aus ihm "etwas geworden".

Trotz Faulheit zum Master der Mathematik

John Warner Backus hatte das Glück, nach seiner Geburt 1924 in einer wohlhabenden bürgerlichen Familie aufzuwachsen. Seine Eltern schickten ihn standesgemäß auf ein hoch angesehenes Internat in Pottstown/ Pennsylvania. Und das nutzte Backus redlich aus – nicht um zu lernen, sondern um die Zeit einfach mit viel Spaß zu füllen. Der jährliche Abschluss wurde stets zur Katastrophe: "Das hatte die erfreuliche Folge, dass ich jedes Jahr zur Sommerschule in New Hampshire ging, wo ich den Sommer mit Segeln und Spaß verbrachte." [1]

Nachdem der Abschluss der Highschool doch gelang, probierte er sich aus, begann (auf Wunsch des Vaters) ein Chemiestudium, belegte im 2. Semester allerdings nur den Kurs "Musik" und feierte Partys – bis er von der University of  Virginia verwiesen wurde. Da er keine Lust auf die Auseinandersetzung mit seinem Vater hatte, verpflichtete er sich zur US-Army.  Das rettete ihm wahrscheinlich gleich in zweifacher Hinsicht das Leben, denn er wurde durch die Army zum Medizinstudium delegiert. So entging er am Ende des II. Weltkrieges dem Einsatz an der heiß umkämpften europäischen Westfront. Außerdem entdeckte man während des Studiums einen Tumor in seinem Kopf, der operativ entfernt werden konnte. Seitdem lief er mit einer Metallplatte im Kopf durch die Welt. Übrigens brach er auch das Studium der Medizin ab, das überaus umfangreiche Auswendigpauken war nichts für Backus. Er lernte daraufhin Radiotechniker - endlich etwas, worin er einen Sinn sah, denn er wünschte sich eine gute Musikanlage, die es damals noch nicht zu kaufen gab. Mit dieser Ausbildung begann auch sein Interesse für Mathematik, 1950 hatte er seinen Master in der Tasche und es verschlug ihn durch das Studium nach New York.

Alles begann mit dem SECC

Eigentlich war er nur auf der Suche nach einem Job, als er kurz vor Beendigung des Studiums das IBM Computer Center in der Madison Avenue besuchte. Als er das Gebäude wieder verließ, war er fest angestellt als Programmierer – hatte jedoch kaum Ahnung davon, was er da zu tun haben würde. Aber Backus war, wie man heute sagen würde, "angezockt" – durch den Selective Sequence Electronic Calculator, kurz SSEC. Dieser raumgroße elektromechanische Computer (ähnlich den Ausmaßen des ENIAC) begegnete ihm beim Betreten der IBM-Zentrale, auch Passanten konnten durch eine Glasfront das technische Wunder und dessen Arbeit bestaunen.  

Backus war fasziniert von der Maschine, die mathematische Operationen 250 Mal schneller ausführen konnte als der Mark I. Er stellte sich der Herausforderung und programmierte, doch schon bald musste er feststellen, dass er auch von dieser Tätigkeit nicht unbedingt erfüllt war und bekannte später: "Ein Großteil meiner Arbeit ist das Ergebnis meiner Faulheit. Ich mochte es nicht, Programme zu schreiben."  Und irgendwie ist seine Aussage auch nachvollziehbar, wenn man betrachtet, was Programmieren in den frühen 1950er Jahren bedeutete. 

Die enormen Kosten gaben den Ausschlag für sein Ansinnen, etwas zu erfinden, was das Ganze einfacher machte.

"Programmieren war nur etwas für Experten. Programmierer mussten mühsam Reihen von Nullen und Einsen in präziser Reihenfolge schreiben. Die Kosten für Programmierer waren in der Regel mindestens so hoch wie die Kosten für die Computer, und Programmierer verbrachten bis zur Hälfte ihrer Zeit mit der Fehlersuche." [3] Backus sprach sogar von einem "Nahkampf mit der Maschine" [3] und die Maschine war des öfteren die Gewinner.

Doch dabei beließ er es nicht, Probleme waren für ihn da, um sie zu lösen, auch wenn das bedeutete, auf der Suche nach Lösungswegen zu scheitern. Die enormen Kosten und die überaus komplexe Vorgehensweise beim Programmieren gaben den Ausschlag für sein Ansinnen, etwas zu erfinden, was das Ganze einfacher machte.

Durchstarten bei IBM (International Business Machines Corporation)

Nachdem sich Backus drei Jahre lang an der aufwändigen Programmiererei abgearbeitet hatte, erhielt er ein Budget und die Erlaubnis, sich ein Team zusammenzustellen, um die Idee der einfacheren Programmierung zu testen. Die dafür veröffentlichten Stellenanzeigen hatten einen außergewöhnlichem Text und sprechen die "Sprache" von John Backus: "Wer gerne Schach spielt oder Rätsel löst, wird diese Arbeit spannend finden." [3] Und so ist es kaum verwunderlich, dass sich Backus letztlich für ein bemerkenswert bunt gemixtes Team entschied. In Zusammenarbeit mit einem Schachgenie, einem Kristallographen, einem Kryptographen und einem Forscher vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) sowie einer einzigen Frau wollte er einen Code erstellen, der das Programmieren schneller, billiger und für einen größeren Benutzerkreis durchführbar machen sollte. Schon 1954 wurde er Leiter der Programmierforschung bei IBM. Sein Führungsstil war eher unkonventionell und offen – Im Team gab es ständig Auseinandersetzungen und Diskussionen, die von IBM jährlich geforderten Leistungsbeurteilungen ignorierte Backus als Teamleiter einfach. Nachtarbeit war keine Seltenheit, denn nur dann gab es die Möglichkeit, Code zu testen – am ersten Computer mit Hochgeschwindigkeits-Magnetkernspeicher, der damals in Massenproduktion hergestellt wurde, der IBM 704. Beobachter im Unternehmen fanden das Projekt zwar gut, jedoch nicht umsetzbar.

Backus, der Widerstände und auch Niederlagen im Leben als Herausforderung sah, arbeitete mit seinem Team unbeirrt weiter. "Wir hatten das Gefühl, dass wir es ihnen unbedingt zeigen wollten", erinnerte er sich und 1957 stellte er eine neue Programmiersprache vor.

FORTRAN (Formula-Translation)

"Demokratisierung der Computerprogrammierung" [3]

Nachgelesen auf der Internetpräsenz von IBM, findet man dort ganz gut vorstellbar, was Backus mit seinem Team auf die Beine gestellt hat. Mit Fortran entwickelte sich der erste Computersprachenstandard, der die "Tür zur modernen Computertechnik" öffnete. Endlich war die Computernutzung u. a. auch für Wissenschaftler, Mathematiker und Ingenieure möglich, ohne dass erst ein Programmierer die Problematik in Maschinencode übersetzen musste. Die revolutionäre Neuerung bestand darin, dass ein Fortran-Programm mittels Compiler auf jedem System laufen konnte (und kann). Bisher waren Maschinensprachenprogramme stets nur für einen Computer entwickelt worden – also ein sehr aufwändiges und unflexibles System für die Arbeit an verschiedenen Computersystemen.

Eine Erfolgsgeschichte – bis heute

Die IBM-Historie verweist auf den auch international bemerkenswerten Erfolg von Fortran. Ab Mitte der 1960er Jahre wurde Fortran als erster nationaler Computerstandard in den meisten großen Rechenzentren der USA und Teilen Europas eingesetzt. Und auch in der heutigen Zeit hat Fortran Bestand und wird beispielsweise genutzt für Wettervorhersagen mit Dopplerradar, atmosphärische und ozeanische Studien sowie für die Simulation von Nanopartikeln und DNA.

John Warner Backus – vom faulen Schüler zum hochdotierten Computerpionier

"Sein Vermächtnis war nicht nur, dass er als Pionier die Programmierung beschleunigte und zugänglicher machte, sondern auch, dass er ein Forscher war, der sich furchtlos dem Prozess von Versuch und Irrtum verschrieben hatte." [2]

Bevor Backus zu IBM kam, konnten sich seine Lehrer, Dozenten und ebenso seine Eltern sicher kaum vorstellen, dass er die Computerwelt "aufmischen" würde. Bei IBM fand Backus jedoch endlich genügend Möglichkeiten, seine besondere Befähigung zur Problemlösung unter Beweis zu stellen. Nach der Entwicklung von Fortran schuf er weitere entscheidende Beiträge für die Welt der Programmierung – 1959 die als Backus-Naur-Form (BNF) bekannte mathematische Notation zur Beschreibung der Struktur von Programmiersprache und später FP, eine funktionale Programmiersprache mit mathematischem Ansatz für die Programmierung. Dabei blieb er IBM bis 1991 treu und wurde IBM Fellow an den Forschungseinrichtungen in Yorktown Heights/ New York und San Jose/ Kalifornien.

Obwohl die Würdigungen seiner Leistungen zahlreich sind, sollen nur einige Beispiele  genannt werden, denn auch Backus ist trotz seiner Erfolge stets bescheiden aufgetreten. Präsident Ford persönlich überreichte ihm 1976 im Weißen Haus die National Medal of Science. Ein Jahr später folgte die Verleihung  des ACM Turing Award der Association for Computing Machinery. Und auch der Asteroid 6830 Johnbackus erinnert an seine Verdienste.

John Warner Backus starb 2007.

Quellen
  1. MacTutor: John Warner Backus
  2. IBM: John Backus
  3. IBM: Fortran

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