Über unsMediaKontaktImpressum
Jan Kunkel & Christof Schulze 05. Mai 2015

Freifunker - Teilen von Ressourcen

Wir befinden uns im Jahre 2015 n. Chr. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt... naja, so ähnlich jedenfalls: Das Netz gerät zunehmend in die Hände kommerzieller Unternehmen, die Netzneutralität wird in Frage gestellt, Überwachung und Big Data tun ihr Übriges.

Doch es gibt Menschen, deren Vision es ist, ein Netzwerk aufzubauen, das dezentral organisiert ist und dadurch ausfallsicher und frei von Zensur. Ein Netz, das jedem Nutzer zur Verfügung steht, denn in einer Informationsgesellschaft ist der ungehinderte Zugang zu Informationen von zentraler Bedeutung. Freifunk steht für freie Kommunikation in digitalen Datennetzen. Freifunknetze sind öffentlich zugänglich, nicht kommerziell, im Besitz der Gemeinschaft und unzensiert. Informatik Aktuell sprach mit Freifunkern aus Frankfurt.

Informatik Aktuell: Was muss man sich denn unter Freifunk vorstellen?

Christof Schulze: Wir bauen unter dem Titel Freifunk ein vermaschtes WLAN-Netzwerk, dass sich weitgehend selbst organisiert und möglichst ohne zentrale Strukturen auskommt. Dabei steht das Teilen von Ressourcen mit anderen Menschen im Vordergrund. Ressourcen können sein: Bandbreite ins Internet und lokale Dienste, die jeder selbst einrichten kann. Das dabei entstehende Netzwerk ist sowohl für Nutzer ohne Registrierung, als auch für die Erweiterung offen. Als Nutzer kann man sich mit dem WLAN verbinden und ohne Registrierung sofort den Dienst nutzen. Jeder kann innerhalb von Minuten unsere spezielle Firmware auf einem Router installieren und dann das Freifunk-Netz mit Hilfe des Routers genau dort erweitern wo es benötigt wird. Auf diese Weise wird das Freifunk-Netz in Frankfurt an bereits über 100 Hotspots angeboten. Eine zentrale Koordination ist dabei nicht erforderlich. Daneben ist Freifunk auch ein Bildungsprojekt. Bei der Beschäftigung mit einem so komplexen Thema wird einiges Wissen zum Thema Netzwerke, Linux aber auch im Bereich der klassischen Projektarbeit aufgebaut und weitergegeben.

Informatik Aktuell: Wie seid Ihr selbst denn zum Freifunk gekommen?

Christoph Schulze: Zugang zu Informationen ist heute sehr wichtig und das kann nur funktionieren, wenn ein Netzzugang – zu welcher Art Netz auch immer – vorhanden ist. Idealerweise sollte dieses Netz noch frei sein von Zensur und kommerziellen Interessen. Ein Weg, bei dem das erreicht werden kann ist es, das Netz in die Hand einer großen Gemeinschaft zu legen. Freifunk baut genau so ein Netz. Die Möglichkeiten, die sich daraus für unsere Gesellschaft ergeben sind spannend, aber ich habe den Zugang über die Technikschiene und Beschäftigung mit WLAN-Technologie gefunden und wollte mein Basiswissen zu dem Thema erweitern und zunächst nur etwas basteln.

Jan Kunkel: Mein Weg zum Freifunk führte über das Umschalten vom Konsumieren zum Partizipieren und selber Machen. Die Freifunk-Software ist zum Beispiel Open Source, also quelloffen und unter einer freien Lizenz verfügbar. Damit ist es möglich, alles so anzupassen, dass es die lokalen Gegebenheiten unterstützt. Diese Unterstützung unterliegt bei Freifunk keinem kommerziellen Interesse und das Netz bleibt in der Hand der Bürger. Als Freifunker ist man nicht einfach Konsument, sondern kann selbstbestimmt teilnehmen und helfen.

Bei Treffen mit anderen Freifunkern ist für mich das Spannendste, wie die Idee von Freifunk von Gruppen in ganz Europa umgesetzt wird. Die Motivation, ein Freifunk-Netz aufzubauen, kann dabei in verschiedenen Orten unterschiedlich sein.

An der Karte aus Frankfurt lässt sich zum Beispiel spannend verfolgen, wie neue Knoten hinzukommen und sich die einzelnen Stadtteile beteiligen. 

Informatik Aktuell: Welche Voraussetzungen sollte man denn mitbringen, um Freifunker zu werden?

Christof Schulze: In erster Linie benötigt man Interesse an der Materie. Wer dazu noch eine Macher-Mentalität mitbringt, ist bei Freifunk bestens aufgehoben. Erforderliches Wissen kann man sich mit diesen beiden Voraussetzungen gut aneignen. Abseits von Technikwissen ist gute Kommunikation notwendig, damit Freifunk funktionieren kann. Es ist viel Aufklärungsarbeit zu leisten, dafür sind Flyer und Webseiten hilfreich. Wenn ich die Frankfurter Freifunk-Community betrachte, dann sehe ich Menschen, die

  • Router betreiben,
  • Flyer erstellen und Werbung machen,
  • auf Straßenfesten Öffentlichkeitsarbeit leisten,
  • mit Parteien und Verbänden sprechen und Aufklärungsarbeit leisten,
  • Freifunk-Infrastruktur im Rechenzentrum aufbauen und warten,
  • Webseiten gestalten,
  • Flashparties organisieren,
  • Software für die Router weiterentwickeln,
  • Freifunk-Projekte steuern oder
  • auf Dächer steigen wollen, um Richtfunkstrecken einzurichten.

Es gibt nicht das eine Profil, dass man zwingend benötigt, um sich bei Freifunk zu engagieren. Jeder kann etwas beitragen.

Informatik Aktuell: Gibt es besondere Hardware, die erforderlich ist? Wie binde ich die ein?

Jan Kunkel: So besonders ist unsere Hardware gar nicht. Wir haben uns mit der Firmware für die Router auf wenige Hersteller (z. B. TP-Link) beschränkt, weil die Unterschiede zwischen den Routern enorm sind. Die Wahl ist auf den Hersteller gefallen, weil die Treiberunterstützung in OpenWRT für diese Geräte recht gut ist. Geräte für einen kleinen Einsatzbereich (TP-Link WR841N) sind bereits für unter 20 EUR erhältlich. Für größere Einrichtungen nutzen wir TP-Link WDR3600 und für Outdoor-Spezialanwendungen nutzen wir Ubiquiti-Hardware oder TP-Link CPE210. Wir haben uns einen kleinen Vorrat angelegt, sodass wir Geräte zum Selbstkostenpreis weitergeben können, freuen uns aber natürlich auch über Spenden, um unsere Infrastruktur weiter betreiben zu können.

Informatik Aktuell: Wie macht man sich denn da am besten selbst schlau?

Christof Schulze: Ein sehr guter Startpunkt ist die Webseite [1]. Dort gewinnt man einen Überblick über Ziele und Stand des Projekts Freifunk in Deutschland. Über dieses Portal vernetzen sich auch die über 100 Freifunk-Communities. Auch die Frankfurter Community ist hier aufgeführt und man findet den Absprung die Frankfurter Seiten [2]. Im IRC sind wir auf Freenode im Kanal #Freifunk vertreten, es gibt ein Freifunk-Forum und monatlich per mumble [3] direkte Gespräche im communityübergreifenden Vernetzungsmumble.

Daneben hat jede Community eigene Mailinglisten und veranstaltet meist Stammtische, Flashparties oder Freifunkertreffen. Diese Informationen sind auf [4] aufgelistet. Wenn man die Struktur des Netzes besser verstehen möchte, dann sollte man sich die Wiki-Seiten der Community KBU (Köln, Bonn und Umgebung) [5] genauer ansehen. Möchte man sich mit der Firmware selbst auseinandersetzen, dann ist [6] ein guter Anlaufpunkt.

Informatik Aktuell: Welche rechtlichen Punkte gibt es denn zu bedenken? Und wie kann man sich da absichern?

Jan Kunkel: Relevant ist für Routerbetreiber hauptsächlich das Thema Störerhaftung. Wenn in Deutschland ein Internetanschluss dafür genutzt wird, um eine Straftat zu begehen, ist der Inhaber des Anschlusses als Störer auf Unterlassung haftbar. Weil man auf dieser Basis nur sehr schwer ein freies Netz aufbauen kann, nutzen wir VPN-Technologie um Betreiber von Routern zu schützen. Hier ist die Politik gefragt, unter Berücksichtigung aller Interessengruppen andere Rahmenbedingungen zu schaffen, die mehr Teilhabe und eine Demokratisierung der Netzinfrastruktur ermöglichen. Sehr erfreulich ist, dass Missbrauch in
der Tat in Freifunk Frankfurt nur als theoretisches Risiko diskutiert wird, was darauf schließen lässt, dass die Nutzung des Netzes durchaus verantwortungsbewusst stattfindet.

Informatik Aktuell: Wie finden Interessierte denn Kontakt zu einer lokalen Freifunk-Gruppe?

Christof Schulze: Über die Community-Webseite [7] und die dort angegebenen Kontaktmöglichkeiten. Unsere Webseite ist unter [8] erreichbar, wo wir Zeit und Ort der nächsten Treffen veröffentlichen.

Informatik Aktuell: Was ist Eure Vision? Wie wird Freifunk in zehn Jahren aussehen?

Jan Kunkel: Unsere Vision ist es, ein Netzwerk aufzubauen, das dezentral organisiert ist und dadurch ausfallsicher und frei von Zensur ist und das jedem Nutzer zur Verfügung steht, denn in einer Informationsgesellschaft ist der ungehinderte Zugang zu Informationen von zentraler Bedeutung. Ob das in Frankfurt ähnlich gut gelingen kann wie in Berlin, Paderborn oder Bremen, hängt auch von den Rahmenbedingungen ab, die durch die Politik auf Bundesebene, aber vor allem auch auch regionaler Ebene geschaffen werden.

Daneben ist die Freifunk-Community gefragt, Lösungen für inhaltliche oder technische Fragestellungen zu finden. Die Zusammenarbeit zwischen den Communities funktioniert bereits jetzt sehr gut. Große WLAN-Netze sind bereits gut nutzbar, bieten aber nach wie vor Potenzial für Verbesserungen. In der Freifunk-Community werden sehr unterschiedliche Ansätze verfolgt um diese umzusetzen.

Vielleicht haben wir uns in 10 Jahren auf eine Technologie festgelegt. Es würde mich freuen, wenn in 10 Jahren ein freies Netz wie Freifunk in Frankfurt selbstverständlich ist. Der aktuelle Trend des Teilens von Ressourcen wie beim Couchsurfing, Carsharing, Mitfahrgelegenheiten, Haus-Tausch und nun auch WLAN, spricht dafür, dass es vielleicht so kommen könnte.

Informatik Aktuell: Ganz herzlichen Dank euch beiden für das Gespräch.

Die Fragen stellte Andrea Held.

Freie Netze werden von immer mehr Menschen in Eigenregie aufgebaut und gewartet: Jede/r stellt seinen WLAN-Router für den Datentransfer der anderen zur Verfügung. So entsteht eine freie Infrastruktur. In den nächsten Monaten gibt es wieder viele Gelegenheiten, Communities und Freifunker/innen aus Deutschland und der Welt zu treffen. Weitere Informationen gibt es auf den Seiten von freifunk.net.

Quellen

[1] Freifunker
[2] Freifunk Frankfurt
[3] communityübergreifendes Vernetzungsmumble
[4] Freifunker-Communities
[5] Wiki der Freifunker KBU
[6] Firmware Freifunker
[7] Community-Webseite
[8] Freifunk Frankfurt

Im Interview

Christof Schulze

Christof Schulze ist in verschiedenen Projekten im Open Source-Umfeld tätig. Seit 2014 ist er Vorsitzender des Vereins Freifunk Frankfurt e.V. und betreut dessen Server-Infrastruktur.
>> Weiterlesen

Jan Kunkel

Jan Kunkel betreibt Infrastrukturen im Internet und berät Organisationen und Vereine in IT Fragen. Seit 2014 ist er im Vorstand des Vereins Freifunk Frankfurt e. V. tätig.
>> Weiterlesen
Das könnte Sie auch interessieren
Kommentare (0)

Neuen Kommentar schreiben