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Christian Solmecke 02. Juni 2015

Die Beschäftigung von Scheinselbständigen kommt Unternehmen teuer zu stehen

In einer hart umkämpften Marktwirtschaft versuchen Unternehmen jede Möglichkeit zu nutzen, um sich eigene Vorteile zu verschaffen. Hierdurch soll der eigene Profit gesteigert und die Konkurrenzfähigkeit gewährleistet werden. Oftmals bewegen sich die Unternehmen hierbei in einer rechtlichen Grauzone und versuchen mit Hilfe von juristischen Kniffen beispielsweise Zahlungsverpflichtungen so gering wie möglich zu halten.

Die Beschäftigung von Scheinselbständigen gehört zu diesen Kniffen. Werden die Unternehmen erwischt, drohen jedoch teure Zahlungen, denn bei nachträglich festgestellter Beschäftigung von Scheinselbständigen müssen Unternehmen die Sozialversicherungsbeiträge rückwirkend nachzahlen. Für den vermeintlich Selbständigen bedeutet das Ende der Scheinselbständigkeit, dass er in den Genuss aller Rechte kommt, die angestellten Mitarbeitern zustehen. Zu nennen ist hier der Kündigungsschutz, das Recht auf bezahlten Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Zudem hat der Mitarbeiter ein Recht auf Zahlung eines Nettogehalts in Höhe dessen, was er für seine vermeintlich selbständige Arbeit ausgezahlt bekam.

Der einzige Nachteil für den Scheinselbständigen besteht darin, dass bereits ausgestellte Rechnungen nun nicht mehr korrekt sind und die Umsatzsteuer noch berechnet werden muss. Eine nachträgliche Berichtigung ist jedoch grundsätzlich möglich. Schließlich gilt es das zuvor angemeldete Gewerbe beim zuständigen Amt wieder abzumelden.

Wann besteht eine Scheinselbständigkeit?

Eine Scheinselbständigkeit wird immer dann angenommen, wenn der Auftragnehmer im Tätigkeitsumfang und in der Art und Weise der Ausführung einem Arbeitnehmer gleicht. Das heißt konkret: Wer zu festen Uhrzeiten weisungsgebundene Arbeiten ausführt, gilt nicht als selbständiger Unternehmer, sondern als Arbeitnehmer. Je stärker der Auftragnehmer in den Arbeitsablauf des Unternehmens eingegliedert ist, desto mehr spricht dafür, eine Scheinselbständigkeit anzunehmen (Vgl. § 7 Absatz 1 SGB IV). Ein weiteres wichtiges Indiz für eine bestehende Selbständigkeit bietet das eigene Unternehmensrisiko. Ein solches Risiko liegt vor, wenn der Auftragnehmer eigene Räumlichkeiten hat, in denen er die aufgetragene Arbeit verrichtet und selbst bestimmt, wo, wann und in welchem Zeitraum er welche Aufgabe erledigt.

Folgende Kriterien deuten auf eine Scheinselbständigkeit hin:

  • Auftragnehmer hat keine eigenen Geschäftsräume (Stichwort: unternehmerisches Risiko)
  • Auftragnehmer trägt die Arbeitskleidung des Auftraggebers
  • Auftragnehmer arbeitet überwiegend nur für einen Auftraggeber
  • Auftragnehmer war vorher beim Auftraggeber beschäftigt
  • Auftragnehmer arbeitet weder im eigenen Namen, noch auf eigene Rechnung
  • Auftragnehmer hat die gleichen Aufgaben wie Festangestellte
  • Auftragnehmer hat keine eigene Visitenkarte
  • Auftragnehmer wird regelmäßig vom Auftraggeber kontrolliert

Letztlich bleibt es eine Einzelfallentscheidung, die nicht immer ganz eindeutig ist. Hilfe bei der Klarstellung bietet die Deutsche Rentenversicherung Bund [1]. Wer es bei Unsicherheiten darauf ankommen lässt, riskiert, dass am Schluss das Arbeitsgericht entscheiden muss, beispielsweise weil der Auftragnehmer seinen Kündigungsschutz einklagt.

Was sind die rechtlichen Konsequenzen einer Scheinselbständigkeit?

Arbeitgeber, die vermeintlich Selbständige beschäftigen, müssen mit teuren, rechtlichen Konsequenzen rechnen, denn sie handeln ganz klar rechtswidrig. Sie umgehen die gesetzlichen Regelungen, die Arbeitnehmern zustehen (Urlaubsanspruch, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall etc.). Als Konsequenz müssen alle Zahlungsverpflichtungen, die sie gegenüber einem festgestellten Mitarbeiter gehabt hätten, nachgeholt werden. Für bis zu vier Jahre muss der Auftraggeber die Beiträge zur Sozialversicherung nachzahlen. Auch die entsprechenden Lohnsteuerzahlungen können fällig werden. Ganz kritisch wird es, wenn dem Arbeitgeber Vorsatz nachgewiesen werden kann. In dem Fall sind Rückzahlungsforderungen für bis zu 30 Jahre denkbar.

Nachzahlung der Sozialversicherungsbeiträge und Freiheitsstrafen drohen

Hinzu kommt die Möglichkeit einer Strafbarkeit gem. §266a StGB wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt. Hier droht dem Arbeitgeber eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. In besonders schweren Fällen ist sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren denkbar. Nicht zu vergessen auch eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung gem. §370 StGB.

Im Fall des Betreibers einer Champignonzuchtanlage, der seine polnischen Saisonarbeiter dazu animierte, ein Gewerbe anzumelden, damit dieser günstige Werkverträge mit ihnen abschließen konnte, hat der BGH eine Strafbarkeit nach §266a StGB angenommen. Der Betreiber hatte nämlich die Saisonarbeiter nach wie vor in seinen Betrieb eingebunden und blieb weisungsbefugt (Beschluss vom 04.09.2013 - 1 StR 94/13).

Der Scheinselbständige muss hingegen beachten, dass die Angabe der Umsatzsteuer auf seinen Rechnungen unwirksam ist und somit der Vorsteuerabzug zurückgezahlt werden muss. Außerdem ist er automatisch ab dem Zeitpunkt der Feststellung der Scheinselbständigkeit nicht mehr Mitglied der Industrie- und Handelskammer.

Was Unternehmen bei der Beschäftigung von Selbständigen beachten sollten

Um nicht in die "Falle" Scheinselbständigkeit zu tappen, sollten Unternehmen darauf achten, dass der Auftragnehmer weiterhin eigenständig über seine Arbeitszeit und seinen Arbeitsort bestimmen kann. Je mehr erkennbare Trennungspunkte zwischen dem Auftragnehmer und dem Unternehmen bei der Ausführung der Arbeiten bestehen, desto besser. Hilfreich ist es dabei, wenn Auftraggeber und Auftragnehmer beispielsweise verschiedene Software für die Auftragsvergabe und die Rechnungsstellung nutzen. Außerdem sollte der Auftragnehmer weiterhin ein unternehmerisches Risiko tragen und neben diesem Auftrag noch weitere Aufträge von Kunden erhalten. Unternehmen sollten sich den Nachweis dieser weiteren Kunden regelmäßig zusichern. Im Vertrag sollte klar festgelegt sein, dass der Auftragnehmer keiner Weisungspflicht unterliegt. Bei Unsicherheiten können sich Unternehmen an die Deutsche Rentenversicherung Bund [1] wenden.

Autor

Christian Solmecke

Christian Solmecke ist Co-Autor des Buches "Recht im Social Web: Der umfassende Ratgeber für alle Fragen im Social Media Marketing"
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