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Andreas Slogar 23. Januar 2024

AI-Office in zehn Schritten: Eine Bauanleitung

AI entwickelt sich zu einem omnipräsenten Lebensbestandteil, privat wie beruflich. Damit Unternehmen diese Technologie innovativ, produktiv und sicher nutzen können, müssen sie ein AI-Office etablieren. Die EU macht es vor.

Das AI-Office der EU entstand im Rahmen der Entwicklung des AI Acts und ist für die Ausarbeitung und Umsetzung von Strategien zur Förderung der Künstlichen Intelligenz in Europa verantwortlich. Es verfolgt das Ziel, die Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission in Bezug auf die Entwicklung von AI zu erleichtern und die Umsetzung der EU-AI-Strategie zu unterstützen. Darüber hinaus fungiert das AI-Office als zentraler Ansprechpartner für die Öffentlichkeit und die Industrie, um Fragen zur Entwicklung von AI in Europa zu beantworten.

Aus dieser Agenda und Intention des AI-Office der EU heraus ist es für Unternehmen nur naheliegend und konsequent, ein eigenes AI-Office als korrespondierendes Pendant aufzubauen. Warum der Aufbau und die Etablierung eines AI-Office in jedem Unternehmen relevant sind, welche Aufgaben und Verantwortungen es erfüllen muss, wie es in die Gesamtorganisation des Unternehmens eingebunden und sukzessive aufgebaut werden kann, beschreibt diese Bauanleitung.

Sollten Sie noch nicht mit den konkreten Inhalten und Vorgaben des AI Acts vertraut sein, empfehle ich Ihnen die Quellen, die am Ende des Artikels angegeben sind.

Relevanz für Unternehmen

Der AI Act stellt konkrete Anforderungen an alle Nutzer und jeden Hersteller von AI-Technologien, ganz gleich, welcher Kategorie die jeweilige AI-Variante zuzuordnen ist.

Neben den Vorgaben eines ethisch vertretbaren Einsatzes von AI oder den verschiedenen Dokumentationspflichten und Grundsätzen zum Risikomanagement und der Kritikalitätsprüfung sollten jeder Vorstand und jeder Geschäftsführer neben der gesellschaftlichen Verantwortung und der Verpflichtung der Belegschaft gegenüber auch ein persönliches Interesse daran haben, zeitnah ein AI-Office zu etablieren. Er oder sie wird nämlich persönlich für etwaige Schäden haftbar sein, die durch die fehlerhafte Nutzung oder Funktionsweise von AI entstehen. Dabei werden die Details der Haftungsfragen im Laufe der Zeit im Rahmen der Ausgestaltung des AI Acts in nationalem Recht festgelegt werden. Hier stellt sich allerdings nicht die Frage, ob Missbrauch oder Fehlfunktion von AI zu rechtlichen Konsequenzen führen, sondern nur wann und in welcher Höhe.

Der Umgang mit den negativen Auswirkungen von AI-Lösungen oder ihrer Anwendung ist analog zur Vorgehensweise bei der Zulassung von Medikamenten oder den Sicherheitsvorgaben beispielsweise für Flugzeuge zu verstehen. Nur nach einer strengen Sicherheitsprüfung können Arzneien oder Flugzeuge auf den Markt gebracht werden.

"Die Pharmaindustrie gibt etwa 97% ihrer Mittel aus, um ethische Bedenken und mögliche Konsequenzen ihres Handelns in den Griff zu bekommen. Die KI-Industrie, soweit man das ermitteln kann, zwei Prozent. Das ist doch eigentlich unglaublich.“ (Prof. Dr. Peter Kirchschläger, Podcast Sternstunde Philosophie)

Da AI nicht nur für Einzelpersonen, sondern für Personengruppen, ganze Regierungen und im Falle der EU für bestehende Demokratien hochgradig schädlich sein kann, ist diese qualitative Analogie ebenso nachvollziehbar wie notwendig.

Selbstverständlich geht es bei der Frage der Relevanz eines AI-Office nicht nur um regulatorische oder Haftungsfragen. Auch eine produktive, innovative, effiziente und effektive Entwicklung und Nutzung von AI-Technologie und AI-Anwendungen bzw. AI-Lösungen im Unternehmen sind höchst kritische Aspekte, die konsequent beachtet werden wollen.

Ein AI-Office muss daher die multidimensionalen Perspektiven des jungen und ausgesprochen dynamischen Themengebiets der AI insgesamt abdecken. Eine dezentrale Verantwortung für AI in den Geschäftsbereichen eines Unternehmens sollte wegen ihrer inhaltlichen und technologischen Vielschichtigkeit zumindest initial verworfen werden, sofern sich ein Unternehmen in der Phase des Kompetenzaufbaus befindet. Im Laufe der Bauanleitung wird schrittweise erläutert, warum die Zentralisierung von AI-Kompetenz und -Verantwortung in einem AI-Office in diesem Reifegrad vorzuziehen ist.

AI-Office: Bauplan in zehn Schritten

Wie ist in dieser Aufbauphase vorzugehen? Dazu werden wir auf die folgenden Fragen eingehen, die sich auf einzelne Ausbauschritte beziehen. Wir können sie jedoch im Rahmen der Limitierungen eines Fachartikels natürlich nicht abschließend behandeln.

Für eine bessere Übersichtlichkeit des Textes sind die Inhalte der einzelnen Fragestellungen bzw. Aufbauschritte in Listenform aufgeführt. So können Sie als Leser den Text leichter für den individuellen Bedarf nutzen und nötigenfalls ausbauen oder ergänzen.

1. Welches Vorwissen muss für den Aufbau eines AI-Office vorhanden sein?

Bevor ein Unternehmen AI entwickelt oder einsetzt und plant, ein AI-Office aufzubauen, ist es wichtig, über bestimmtes Vorwissen zu verfügen. Dazu gehören mindestens die folgenden Aspekte.

  1. Grundlegendes Verständnis von AI: Die Führungsebene, relevante Entscheidungsträger und Fachexperten müssen ein grundlegendes und konsistentes Verständnis davon haben, was AI ist, wie sie funktioniert und wie sie in verschiedenen Geschäftsbereichen und in diversen Anwendungsfällen, den sogenannten Use Cases, eingesetzt werden kann. Dazu gehört auch ein grundlegendes Verständnis der Risiken und potenziellen negativen Konsequenzen.
  2. Datenverständnis: Ein umfassendes Verständnis der vorhandenen Daten im Unternehmen ist entscheidend. Das umfasst Datenquellen, die Datenqualität, Datenflüsse, Kontexte von Daten und Geschäftsprozessen, Datenschutz und -sicherheit.
  3. IT-Infrastruktur und -Fähigkeiten: Ein solides Verständnis der Enterprise Architecture samt aktueller Geschäftsprozess-Struktur, IT-Infrastruktur, IT-Anwendungslandschaft und deren Funktionen und Fähigkeiten, die erforderlich sind, um AI-Technologien und -Lösungen zu implementieren, zu betreiben oder zu entwickeln, ist unerlässlich.
  4. Compliance und ethische Richtlinien: Es sollte ein Verständnis der rechtlichen und ethischen Aspekte im Zusammenhang mit der Entwicklung und Anwendung von AI vorhanden sein, um sicherzustellen, dass ihre Nutzung im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften und ethischen Standards steht.

Dieses Mindest-Vorwissen kann auf verschiedene Weisen erworben werden.

  1. Schulungen und Fortbildungen: Unternehmen können Schulungen und Weiterbildungen für Mitarbeitende anbieten, um ihnen das erforderliche Wissen über AI zu vermitteln. Dabei ist darauf zu achten, kompetente und zuverlässige Quellen für Schulungsformate zu identifizieren. Denn der noch sehr junge Markt an Beratungs- und Schulungsleistungen befindet sich derzeit noch im Aufbau und nicht alle Angebote weisen den nötigen Reifegrad auf.
  2. Einstellung von Fachkräften: Unternehmen müssen Experten im Bereich AI einstellen, die über das notwendige Fach- und Technologiewissen verfügen, um das Unternehmen bei der Implementierung und Nutzung von AI unterstützen können. Diese Experten müssen in der Aufbauphase zusätzlich die Fähigkeit besitzen, ihr Wissen an die Belegschaft zu vermitteln. Hier sind vor allem die Personalabteilungen in den Unternehmen gefordert. Sie müssen die benötigten Fachexperten identifizieren und sicherstellen, dass diese nachweislich und tatsächlich das notwendige AI-Fachwissen besitzen.
  3. Externe Beratung und Dienstleister: Externe Berater und Dienstleister können dabei helfen, das erforderliche Wissen und die Fähigkeiten im Unternehmen aufzubauen und zu erweitern. Hier ist der Warnhinweis zu wiederholen, der schon zu Schulung und Fortbildung geäußert wurde.

Auch wenn die Entwicklungsfortschritte von AI-Technologien eine bisher unbekannte Geschwindigkeit aufweisen, sollte die Auseinandersetzung mit diesem multidimensionalen Themengebiet keinesfalls ohne eine solide Wissensgrundlage behandelt werden. Dabei geht es nicht darum, alle Mitarbeitenden und Führungskräfte zu AI-Experten auszubilden, aber sicher auch nicht darum, mit gefährlichem Halbwissen Kompetenz lediglich zu simulieren, nur um mitreden zu können.

2. Welche Aufgaben, Verantwortungen und Kompetenzen müssen vom AI-Office abgedeckt werden?

Das AI-Office muss diverse Aufgaben und Verantwortungen übernehmen, um im Unternehmen möglichst handlungsfähig und wirksam zu sein – speziell in der initialen Aufbauphase allgemeiner AI-Kompetenz.

  1. Strategieentwicklung: Entwicklung der AI-Strategien, die an die Unternehmensstrategie angebunden sind, die Unternehmensziele unterstützen und die AI-Implementierung fördern: Die AI-Strategien sind auch Grundlage der späteren Kommunikationsstrategie und der notwendigen Kommunikationsmaßnahmen zur Information und Orientierung der Mitarbeitenden, der Geschäftspartner, der Kunden und externen Stakeholder.
  2. Personal- und Ressourcenmanagement: Definition und Steuerung der benötigten Ressourcen für AI-Entwicklungs- und Einführungsvorhaben, Produktentwicklung und Prozessanpassungen, einschließlich der Budgetierung für IT-Technologie und -Infrastruktur sowie der notwendigen Personalkapazitäten und -kompetenzen.
  3. Technologische Evaluierung: Identifizierung und Auswahl von AI-Technologien, die für die Umsetzung der AI-Strategien und das sich hieraus ergebende Portfolio an Maßnahmen geeignet sind.
  4. Compliance und Ethik: Definition und Sicherstellung der Einhaltung ethischer Standards und gesetzlicher Anforderungen, denen die AI-Systeme und deren Anwendung oder Entwicklung entsprechen müssen: Dazu gehört die Ausgestaltung der Konsequenzen, auch in disziplinarischer Hinsicht, bei identifizierten Verstößen im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben speziell zum Arbeitsrecht.
  5. Interne Schulungen und Wissenstransfer: Organisation von Schulungen und Workshops, um das Verständnis und die Fähigkeiten der Mitarbeitenden im Umgang mit AI aufzubauen und kontinuierlich, auch über die Aufbauphase hinaus, den notwendigen Reifegrad zu entwickeln: Hierzu gehört auch die Zertifizierung einzelner Expertengruppen im Unternehmen, die besondere Verantwortungsbereiche übernehmen. Es ist darauf zu achten, dass die Entwicklungs- und Schulungsmaßnahmen gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Betriebsrat abzustimmen sind.
  6. Kommunikation und Berichterstattung: Kommunikation mit verschiedenen Abteilungen, Managementebenen und (externen) Stakeholdern sowie Berichterstattung über u. a. den Fortschritt und die Ergebnisse von AI-Initiativen, die Entwicklung des AI-Reifegrades in der Organisation insgesamt und der Mitarbeitenden oder die Einhaltung regulatorischer Vorgaben.
  7. Externe Kooperationsbeziehungen: Aufbau und Pflege von Beziehungen zu AI-Anbietern, Forschungsinstituten, dem AI-Office der EU und anderen Unternehmen, um von externem Know-how und Partnerschaften zu profitieren und die unternehmensrelevanten Entwicklungen unmittelbar identifizieren, bewerten und umsetzen zu können: Empfehlenswert ist hierzu auch ein externes und unabhängiges Beratungsgremium von AI-Experten und Universitäten, die als Sparringspartner der eigenen Arbeit im AI-Office dienen und vor potenzieller Betriebsblindheit oder "blinden Flecken" schützen.
  8. Risikomanagement: Identifikation und Bewertung potenzieller Risiken im Zusammenhang mit AI-Technologien und -Lösungen und deren Minderung oder Prävention entlang der Vorgaben des AI Acts der EU und den nationalen Rechtsanforderungen oder regulatorischen Vorgaben (z. B. der BAFin für das Banken- und Versicherungswesen).
  9. Innovationsförderung: Unterstützung einer Innovationskultur: Dadurch treibt das AI-Office die Entwicklung und Implementierung neuer AI-Anwendungen und Anwendungsfälle voran. Die zentrale Positionierung des AI-Office fördert durch die vernetzte Kooperation und Kommunikation mit allen Bereichen eines Unternehmens einen synergetischen Austausch von Ideen und Entwicklungen und stellt gleichzeitig die extern identifizierten technologischen und rechtlichen Neuerungen übergreifend zur Verfügung. 

Diese Verantwortungsbereiche gewährleisten eine umfassende Verwaltung und Leitung aller Aktivitäten im Zusammenhang mit AI im gesamten Unternehmen und schließen externe Kooperations- und Ansprechpartner wie auch Anspruchsgruppen mit ein. Um den hier aufgeführten und initial besonders relevanten Verantwortungsbereichen gerecht werden zu können, muss das AI-Office im Rahmen der Governance des Unternehmens mit der entsprechenden Entscheidungsautorität ausgestattet sein.

Die sich durchsetzende Omnipräsenz von AI-Technologien und die höchstwahrscheinlich weiterhin exponentielle Dynamik der bevorstehenden Entwicklungen können in der zu erwartenden Kritikalität nicht überschätzt werden. Daher darf das AI-Office nicht das Schicksal eines CIO oder CDO erleiden und als Kostenfaktor oder Imagemaßnahme verstanden werden. Auch wenn AI auf den ersten Blick überwiegend als rein technologisches Themengebiet eingeordnet wird, so dehnen sich ihre Auswirkungen auf alle Unternehmensbereiche aus. Daher muss AI interdisziplinär verstanden und in diesem Charakter unternehmensweit fachlich und technologisch gesteuert werden.

3. Welche personelle Ausstattung benötigt das AI-Office?

Unter der personellen Ausstattung des AI-Office ist weniger die Anzahl der eingesetzten Experten und Führungskräfte zu verstehen. Es geht vielmehr um die fachlichen Kompetenzen, die die Mitarbeitenden im AI-Office mitbringen oder aufbauen müssen, um den vorgenannten Verantwortungsbereichen entsprechen zu können.

Wenn Sie bisher nicht wussten, warum ein Philosoph oder ein Soziologe für Ihr Unternehmen eine Bereicherung darstellt, werden Sie es im Kontext der AI erkennen.

Die personelle Ausstattung eines AI-Office kann dabei je nach den spezifischen Bedürfnissen und Zielen eines Unternehmens und den Gegebenheiten der jeweiligen Branche variieren. Dennoch gibt es einige Schlüsselpositionen und -profile, die typischerweise in einem AI-Office anzutreffen sind:

  1. CAIO (Chief AI Officer): Diese Person, Rolle oder Funktion leitet das AI-Office und ist für die strategische Ausrichtung, Entwicklung und Implementierung von AI-Initiativen, Projekten, Produkten, Use Cases etc. im Unternehmen verantwortlich. Der CAIO muss hinsichtlich der Berichtslinie in einem hierarchischen Organisationsmodell an den CEO berichten oder besser noch direkt integraler Bestandteil des Top-Managements im Unternehmen sein. Da in hierarchischen Unternehmensstrukturen überwiegend die Position einer Funktion über ihren Einfluss im Gesamtgefüge eine elementare Rolle spielt, muss sichergestellt werden, dass die vorgenannten Fehlentwicklungen von CIO und CDO nicht wiederholt werden. Ist die Unternehmensorganisation kybernetisch strukturiert und von autonomer und kooperierender Selbstorganisation geprägt, stellt sich diese Problematik nicht.
  2. AI-Forscher und Datenwissenschaftler: Experten für maschinelles Lernen, AI-Algorithmen und Datenanalyse, die neue Modelle (z. B. LLMs) und Technologien entwickeln oder am Markt identifizieren und bewerten, um Unternehmensdaten zu analysieren und nutzbare Erkenntnisse zu gewinnen, stellen ein weiteres Kernelement des AI-Office dar. Diese Funktionen sind ausschlaggebend für den Fortschritt und die Nutzbarmachung von AI-Technologien in ebenso innovativer wie anwendungssicherer Form. Experten auf diesen Wissensgebieten am Arbeitsmarkt zu identifizieren und für ein Unternehmen zu gewinnen, ist nach wie vor ein rares Gut. Diese Tatsache ist ein weiterer Grund dafür, warum ein AI-Office diese Kompetenzen und Talente für das gesamte Unternehmen initial an zentraler Stelle bündeln und bereitstellen sollte. 
  3. Ethikexperten für AI: Diese Fachleute entwickeln, formulieren und überwachen die ethischen Aspekte des AI-Einsatzes im Unternehmen und helfen bei der Gestaltung von Richtlinien und Standards für einen verantwortungsbewussten AI-Einsatz. Sie unterstützen zusätzlich den Aufbau des notwendigen Verständnisses und Bewusstseins unter den Mitarbeitenden zu Fragestellungen der AI-Ethik, um deren Anwendungssicherheit zu fördern. Ethikexperten sollten idealerweise einen geistes- oder sozialwissenschaftlichen Hintergrund mitbringen und technikaffin sein. Wenn Sie bisher nicht wussten, warum ein Philosoph oder ein Soziologe für Ihr Unternehmen eine Bereicherung darstellt, werden Sie es im Kontext der AI erkennen.
  4. IT-Sicherheitsspezialisten: Experten für Cybersicherheit gewährleisten, dass AI-Systeme und -Daten vor potenziellen Bedrohungen und Datenschutzverletzungen geschützt sind. Diese Kompetenz ist deswegen relevant, weil z. B. die Software-Entwicklung vermehrt durch den Einsatz von LLM-basierten Codes einen Produktivitätsschub erlebt. Dieser positive Aspekt bringt allerdings enorme Sicherheitsrisiken mit sich. Mehrere Studien haben ergeben, dass ca. 40 Prozent des im Internet verfügbaren Sourcecodes, mit dem LLMs für den Einsatz in der Software-Entwicklung trainiert werden, vulnerabel sind – ein gefundenes Fressen für Cyberhacker, die ihrerseits spezifisch trainierte LLMs nutzen, um AI-gestützte Angriffe auf IT-Infrastrukturen durchzuführen [1].
  5. AI-Product Owner oder Projektmanager: Je nach Vorgehensmodell, also agil oder klassisch, werden im AI-Office Rollen benötigt, die mit dem nötigen AI-Sachverstand verschiedene AI-Initiativen im Unternehmen analysieren, die Realisierung koordinieren, Ressourcen und Mitarbeitenden-Kapazitäten planen und steuern sowie Umsetzungsergebnisse kontinuierlich überwachen.
  6. AI-Anwendungsentwickler: Dabei handelt es sich um Software-Entwickler, die AI-Modelle entwickeln und in nutzbare Anwendungen und Systeme integrieren können, um die Ziele der Unternehmensstrategie und AI-Strategien zu unterstützen.
  7. Kommunikationsexperten: Diese Fachleute sind dafür verantwortlich, die Ergebnisse und den Nutzen von AI-Initiativen unternehmensintern und extern effektiv zu kommunizieren. Diese Funktion ist gerade in der initialen Aufbauphase des AI-Office und der Auseinandersetzung mit AI-Technologie ein kritischer Faktor, um einen engen und umfassenden Dialog zwischen den AI-Experten, dem Senior-Management, allen Mitarbeitenden und externen Stakeholdern sicherzustellen. Die Kommunikationsexperten erstellen eine Kommunikationsstrategie und entwickeln Kommunikationsmaßnahmen und -formate, um alle Betroffenen und Beteiligten im Unternehmen über die Auswirkungen und Chancen der AI-Nutzung zu informieren und zu orientieren. So kann z. B. einer potenziellen Verunsicherung oder gar der Angst vor einem Stellenverlust durch den AI-Einsatz unter den Mitarbeitenden aktiv begegnet werden.

Die personelle Ausstattung ist nicht in jedem Unternehmen gleich, und die Anforderungen können je nach Branche, Größe des Unternehmens und spezifischer Zielsetzung variieren. Ein gut ausgestattetes AI-Office sollte jedoch über eine ausgewogene und konsistente Mischung von Fachleuten verfügen, um die Herausforderungen im Zusammenhang mit AI-Implementierung, Ethik, Innovation und Datenschutz zu bewältigen.

4. Aus welchen Organisationselementen muss die Ablauforganisation eines AI-Office bestehen?

Ein AI-Office sollte aus verschiedenen Organisationselementen, d. h. Teams oder Abteilungen bestehen, die unterschiedliche Aspekte des Einsatzes von AI im Unternehmen abdecken und mit den vorgenannten Kompetenzen korrespondieren. Die wesentlichen Teams oder Abteilungen, die Teil des AI-Office sind und die vorgenannte personelle Ausstattung thematisch strukturieren, sind hier zusammengestellt.

  1. AI-Research & -Development: Dieses Team konzentriert sich auf die Forschung und Entwicklung von AI-Modellen, Algorithmen und neuen Technologien bzw. deren Identifikation und auf die Auswahl geeigneter Hersteller. Es arbeitet an der Innovation und Weiterentwicklung von AI-Anwendungen und bereitet den Boden für die Integration in die Unternehmens-IT.
  2. Datenmanagement und -analyse: Für die Verwaltung und Analyse der Unternehmensdaten ist dieses Team die kompetente Anlaufstelle. Es bereitet die Daten für AI-Anwendungen auf und sorgt für deren Qualität. Außerdem entwickelt es die nötigen Datenmodelle und unterstützt die Datenexperten in den Fachbereichen und der IT darin, korrespondierende Entwicklungen der Datenhaltungssysteme und eine konsistente Datenpflege zu etablieren.
  3. IT und Infrastruktur: Das AI-Infrastruktur-Team verantwortet die technische Infrastruktur, die für den Betrieb von AI-Systemen erforderlich ist. Das beinhaltet beispielsweise die Cloud-Infrastruktur, Netzwerke und Sicherheitsmaßnahmen, aber auch die unternehmensinterne IT-Architektur und IT-Legacy sowie deren Nutzung für AI-Lösungen.
  4. Ethik, Recht und Compliance: Damit alle AI-Anwendungen den rechtlichen und regulatorischen Anforderungen entsprechen, benötigen Unternehmen ein explizites Kompetenzteam im AI-Office. Es befasst sich mit Datenschutz, Ethik- und Compliance-Fragen im Zusammenhang mit AI und stellt sicher, dass die AI-Governance den aktuellen Vorgaben entspricht, im operativen Alltag der Mitarbeitenden anwendbar ist und eingehalten wird. Das Team achtet darauf, kein überregulierendes AI-Bürokratiemonster entstehen zu lassen, sondern die Balance zwischen regulatorischer Notwendigkeit und Praktikabilität herzustellen.
  5. AI-Produktmanagement und Geschäftsentwicklung: Dieses Team arbeitet daran, AI-Lösungen und Use Cases zu identifizieren, die den geschäftlichen Anforderungen des Unternehmens entsprechen. Es entwickelt Taktiken für den Einsatz von AI im Unternehmen, die mit den AI-Strategien korrespondieren. Die AI-Product-Owner sind die federführende Rolle und Anlaufstelle für die Anforderungen der Geschäftsbereiche des Unternehmens an AI-Lösungen und -Produkte.
  6. AI-Anwendungsteam: Es ist verantwortlich für die Einführung und die Anwendung von AI-Lösungen und Use Cases in den verschiedenen Geschäftsbereichen des Unternehmens, sei es Marketing, Kundenservice, Produktion oder Vertrieb. Es stellt das Team der AI-Experten mit operativer Anwendungskompetenz dar. Diese unterstützen die Mitarbeitenden der Fachbereiche und stellen im Rahmen der Zusammenarbeit mit ihnen den sukzessiven Know-how-Transfer sicher (Learning by doing).
  7. Community of Excellence (CoE): Für den grundsätzlichen und kontinuierlichen Kompetenzaufbau im gesamten Unternehmen ist das Team zuständig, das eine sogenannte CoE aufbaut und betreibt. Es konzentriert sich auf die Schulung und Weiterbildung von Mitarbeitenden im Unternehmen, um das Verständnis für AI unter den Betroffenen, Beteiligten und Führungskräften zu verbessern und die erforderlichen Fähigkeiten zu entwickeln. Da sich die technologische und regulatorische Entwicklung von AI in den Anfängen befindet, ist die Community of Excellence als ein permanentes Element des AI-Office zu verstehen. Die Schulungsmaßnahmen müssen immer wieder angepasst und aktualisiert werden. Die CoE AI ist damit die treibende Kraft für die Entwicklung und Messung des Reifegrades der gesamten Organisation hinsichtlich der notwendigen AI-Kompetenzen.
  8. Community of Practice (CoP): Eine Community of Practice bietet einen interdisziplinären Rahmen zur kontinuierlichen und iterativen Entwicklung und Etablierung von AI-Governance und dem AI-Steuerungsmodell (AI-Framework) eines Unternehmens. Durch einen regelmäßigen Austausch, die Identifizierung von Best Practices und gemeinsamer Analyse fachlicher und technischer Notwendigkeiten und Herausforderungen werden Richtlinien und Standards für die AI-Nutzung erarbeitet und definiert. In Pilotprojekten werden diese validiert und die Pilotierungsergebnisse integriert, um den Reifegrad von Richtlinien der Governance und Elementen des Steuerungsmodells konsistent und operativ anwendbar zu gestalten. Diese Grundlagen fließen über die CoE in Schulungsprogramme und Kommunikationsmaßnahmen.
  9. AI-Red-Team: Analog zu den Red und Blue Teams im Umfeld der Cybersecurity ist ein Red Team im AI-Office aufzubauen. Dieses AI-Red-Team führt autonom und kontinuierlich kontrollierte Attacken auf die AI-Lösungen im Unternehmen durch. Damit wird sichergestellt, dass potenzielle Schwachstellen, Sicherheitslücken oder Fehler, beispielsweise in den von den LLMs genutzten Daten, identifiziert und korrigiert werden. Die Besetzung des AI-Red-Teams sollte interdisziplinär sein und regelmäßig umgestellt werden, damit alle Mitarbeitenden des AI-Office, aber auch kooperierender Geschäftseinheiten ihre AI-Kompetenzen weiterentwickeln und potenzielle Betriebsblindheit vermeiden können.

Die genaue organisatorische Konfiguration des AI-Office kann je nach Unternehmensgröße, Branche und spezifischen Anforderungen variieren. Eine enge Zusammenarbeit und Koordination zwischen diesen Teams sind entscheidend, um AI sicher, innovativ und produktiv im Unternehmen einzusetzen. Wenn Sie nach einem Design suchen, das ein maximal funktions- und leistungsfähiges Organisationsmodell des AI-Office ermöglicht, dann sollten Sie den nächsten Abschnitt lesen.

5. Wie muss das Organisationsmodell des AI-Office designt sein?

Um die Handlungs-, Lern- und Anpassungsfähigkeit des AI-Office zu maximieren, sollte ein Organisationsmodell aufgebaut werden, das dem Design von AI-Technologien entspricht. Es ist weithin unbekannt, dass AI-Technologien jedweder Couleur in ihrem Design aus den Erkenntnissen und Modellen der Kybernetik entstanden sind [2].

Wenn Sie ChatGPT fragen: "In welcher Form hat die Kybernetik die Entwicklung von AI beeinflusst?", bekommen Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit die folgende Antwort: "Die Kybernetik hat die Entwicklung von Artifizieller Intelligenz (AI) maßgeblich beeinflusst, indem sie den theoretischen Rahmen für die Entwicklung von komplexen Systemen geschaffen hat. Die kybernetischen Prinzipien, die sich mit der Steuerung, Regelung und Informationsverarbeitung von Systemen befassen, haben das Verständnis dafür erweitert, wie Systeme (einschließlich künstlicher Systeme) Informationen verarbeiten, reagieren und lernen können. Dies hat die Grundlage für Algorithmen und Modelle in der AI gelegt, die auf Feedback-Schleifen, Selbstregulierung, Mustererkennung und Lernprozessen basieren. Die Kybernetik lieferte also die theoretischen Grundlagen, welche die Entwicklung von AI-Anwendungen erst ermöglichten." [3]
 
Diese Prinzipien, die ChatGPT selbst referenzieren kann, sind aber nicht nur dafür geeignet, selbstlernende stochastische Papageien (aka AI) zu entwickeln, sondern allgemein in der Lage, uns einen Zugang zum Design lern- und veränderungsfähiger Organisationsstrukturen für komplexe Systeme zu ermöglichen. Dass ein Unternehmen ein komplexes System ist, dessen Verhalten von Unvorhersehbarkeit und Dynamik geprägt ist, ist unbestreitbar.

Um ein derartiges Design für das Organisationsmodell des AI-Office zu entwerfen und einzuführen, machen wir uns das Viable System Model (VSM) zunutze [4]. Beer hat mit dem VSM eine Designsprache entwickelt, mit der ein Unternehmen über nur sechs elementare Bausteine ein Netzwerk autonomer Teams oder Abteilungen etablieren kann, die hochgradig innovativ, effizient, effektiv, produktiv und anpassungsfähig miteinander kooperieren. Die folgende Übersicht erklärt die sechs Bausteine in einer Kurzfassung.

Mit den vorgenannten elementaren Rollen oder Bausteinen – Stafford Beer nennt sie etwas abstrakter Sub-Systeme – können die Organisationsmodelle aller Teams im AI-Office und ihre vernetzt-autonome Kooperation konfiguriert werden. Abb. 3 stellt eine Blaupause für das Design des AI-Office dar, das das VSM nutzt. Sie kann als Orientierungshilfe verwendet werden.

Die besten Beweise dafür, wie erfolgreich Innovations-, Anpassungs- und Lernfähigkeit ausgeprägt sein können, sind die Unternehmen Haier Ltd., W. L. Gore & Associates Ltd. oder Handelsbanken. Jedes einzelne dieser Unternehmen ist in seiner Branche führend und für seine Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität bekannt. Sie alle eint, dass sie konsequent kybernetisch aufgebaut sind und vorgehen.

6. In welchen Ausbaustufen sollte das AI-Office designt und etabliert werden?

Das AI-Office sollte idealerweise in mehreren Ausbaustufen ausgestaltet und etabliert werden, beginnend mit einer grundlegenden Struktur und schrittweisen Erweiterungen. In der ersten Stufe wird die bereits erwähnte Community of Practice als interdisziplinäres Designoffice gegründet. Sie fungiert als provisorisches AI-Office und als zentrale Anlaufstelle für alle initialen Fragen im Unternehmen zum Thema AI. In der CoP werden die grundlegenden AI-Strategien entwickelt, das Vorgehensmodell und die Aufbauplanung für die AI-Governance und das Steuerungsmodell ausgestaltet. In dieser initialen Ausbaustufe werden die fachlichen Anforderungen der Geschäftsbereiche zentral analysiert und priorisiert, in Use Cases überführt und nach ihrer jeweiligen Kritikalität entsprechend den Vorgaben des AI Acts kategorisiert.

In der zweiten Ausbaustufe des AI-Office werden die benötigte personelle und kapazitative Ausstattung hergestellt und neben der übergreifenden Verantwortungsübernahme auch die operative Bereitstellung von AI-basierten Leistungen etabliert. Die CoP bleibt weiterhin als Kooperationselement zwischen AI-Office und dem gesamten Unternehmen bestehen. Sie stellt sicher, dass Governance und Steuerungsmodell weiterhin konsistent und kontinuierlich entwickelt und angepasst werden. Der Zeitpunkt des Wechsels von CoP zu AI-Office ist vom Reifegrad der Governance, dem Steuerungsmodell und dem Kenntnisstand der betroffenen und beteiligten Mitarbeitenden abhängig.

Der Reifegrad von Kenntnissen und Anwendungssicherheit bezüglich AI im gesamten Unternehmen entscheidet ebenfalls darüber, ob und zu welchem Zeitpunkt die zentralisierte Verantwortung von AI-Kompetenzen im AI-Office in eine dezentrale Anwendung von AI-Lösungen in die Geschäftsbereiche wechselt. Die Vorteile eines zentralen AI-Offices liegen darin, dass es sowohl die Ausgestaltung und Einhaltung der AI-Governance als auch die Entwicklung des Steuerungsmodells und die Erbringung von AI-Leistungen abdeckt. Das wiederum kann aber einen mittelfristigen Nachteil aufweisen: Wie jede zentralisierte Kompetenz in einem Unternehmen kann sie sich zum Flaschenhals für das Unternehmen entwickeln, wenn die Leistungsanforderungen der Fachbereiche die Leistungsfähigkeit der zentralen Instanz übertreffen. Stellt sich im Laufe eines evolutionären Aufbaus von AI-Kompetenzen heraus, dass Fachbereiche eine autonome Nutzung von AI-Lösungen benötigen, sollte das AI-Office die operativen Aspekte von AI an die Fachbereiche übertragen, um skalieren zu können. Auf dieser Stufe fokussiert sich das AI-Office auf die Themen der AI-Strategieentwicklung, der Anpassung der Governance und der Entwicklung des Steuerungsmodells. 

Als Orientierungshilfe kann die Kooperation zwischen dem AI-Office und der restlichen Organisation an das Three-Lines-of-Defense-Modell (3LoD-Modell) der Finanzindustrie angelehnt werden.

  • 1st Line of Defense: Die operativen Geschäfts- oder Fachbereiche im Unternehmen wenden die AI für ihre individuellen Zwecke auf der Grundlage analysierter und geprüfter Use Cases autonom an und halten die Vorgaben der AI-Governance verbindlich ein. 
  • 2nd Line of Defense: Das AI-Office ist Sparringspartner, Berater und Controller der Fachbereiche, um diese bei der korrekten und produktiven Anwendung von AI zu unterstützen und Fehlentwicklungen unmittelbar zu erkennen und zu korrigieren.
  • 3rd Line of Defense: Die Revisionsabteilung bzw. die unternehmensweite Stabsstelle für die Governance der Gesamtorganisation beobachtet als neutrale Instanz das Zusammenspiel zwischen 1st und 2nd Line und prüft die widerspruchsfreie und ethisch wie gesetzlich konforme Nutzung und Entwicklung von AI-Lösungen. 

7. Welche Kosten müssen im ersten Jahr des Aufbaus eingeplant werden?

Die Investitionskosten für den Aufbau von AI und dem AI-Office in einem Unternehmen können stark variieren. Sie hängen von mehreren Faktoren ab, wie der Größe des Unternehmens, der Art der AI-Anwendungen, der vorhandenen Infrastruktur und den spezifischen Zielen des Unternehmens. Dennoch gibt es eine Reihe grundsätzlicher Faktoren, die im ersten Jahr der Budgetierung und Investitionsplanung des AI-Office berücksichtigt werden müssen.

  1. AI-Software und Tools: Die Anschaffung von AI-Software, Plattformen, LLMs oder sonstigen Tools kann eine beträchtliche Investition darstellen. Sie umfasst möglicherweise Lizenzen für AI-Plattformen, Entwicklungsumgebungen, Analysetools, die Anbindung an externe Daten-Provider und mehr.
  2. Hardware und Infrastruktur: Je nach Bedarf können spezielle Hardware-Ressourcen erforderlich sein, z. B. leistungsstarke Server mit speziellen Prozessoren (GPUs) für das Training von AI-Modellen. Auch die Modernisierung der IT-Infrastruktur verursacht Kosten.
  3. Datenbeschaffung und -bereinigung: Die Beschaffung von Daten sowie deren Bereinigung und Aufbereitung für AI-Anwendungen ist zeitaufwändig und kostspielig. Falls externe Datenquellen genutzt werden, können auch hier Lizenzgebühren oder Nutzungskosten anfallen.
  4. Schulung und Fachkräfte: Schulungen für bestehende Mitarbeitende und die Einstellung von Fachkräften im Bereich AI sind gerade zu Beginn ein wesentlicher Kostenfaktor. Das Training des AI-Office-Teams für die Entwicklung und Verwaltung von AI-Systemen erfordert ebenfalls Zeit und Ressourcen.
  5. Externe Dienstleistungen und Beratung: Unternehmen können externe Berater oder Dienstleister beauftragen, um bei der Planung, Implementierung und Integration von AI zu unterstützen. Bei der Einbindung dieser Dienstleistungen ist darauf zu achten, dass einerseits die fachliche Qualifikation und Erfahrung den eigenen Anforderungen entsprechen und andererseits von Anfang an ein Know-how-Transfer sichergestellt wird, um eine mögliche Abhängigkeit von Beratern auszuschließen.
  6. Kontinuierliche Wartung und Aktualisierung: Neben den Anfangsinvestitionen sind laufende Kosten für Wartung, Aktualisierung und die Betriebsführung von AI-Lösungen und (Cloud-)Infrastruktur sowie für die Skalierung von AI-Systemen zu berücksichtigen.

Die genauen Kosten unterscheiden sich je nach den spezifischen Anforderungen und dem Umfang des AI-Einsatzes. Eine detaillierte Analyse der Bedürfnisse des Unternehmens und ein iterativer und inkrementeller Finanzplan sind entscheidend, um die Kosten im ersten Jahr für den Aufbau von AI angemessen zu planen und an die tatsächliche Kostenentwicklung anzupassen. Wichtig ist, dass das AI-Office eine autonome Budgetierung und Investitionssteuerung durchführen kann, die mit der Geschäftsleitung vereinbart ist und mit den Zielen von Unternehmens- und AI-Strategien korrespondiert. Für eine transparente, adaptive und wirkungsorientierte Steuerung der Investitionen sollte das AI-Office mit dem Einsatz von Objectives & Key Results vertraut sein und dieses Modell operativ anwenden.

8. Aus welchen Bestandteilen muss das Steuerungsmodell des AI-Office bestehen?

Die bisher behandelten Inhalte, Grundlagen und Ausprägungen sind wirkungslos, wenn das AI-Office kein explizites Steuerungsmodell (AI-Framework) definiert, etabliert und anwendet, um seine eigene Arbeit und die Anwendung von AI-Lösungen im Unternehmen zu strukturieren. Ein effektives Steuerungsmodell für AI im Unternehmen sollte mindestens aus den folgenden Bestandteilen bestehen:

  1. Strategie und Ziele: Eine klare AI-Strategie, die mit den übergeordneten Unternehmenszielen harmoniert, ist Ausgangsbasis, Dreh- und Angelpunkt der AI-Nutzung und Entwicklung insgesamt. Sie definiert, wie AI eingesetzt wird, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen oder Geschäftsprozesse zu verbessern und dabei regulatorische und ethische Rahmenbedingungen einzuhalten.
  2. Governance und Richtlinien: Ethische Leitlinien und unternehmensweit verbindliche Governance-Strukturen stellen sicher, dass AI-Anwendungen rechtskonform, ethisch und transparent eingesetzt werden. Diese Richtlinien sollten Datenschutz, Fairness, Transparenz und Verantwortlichkeit umfassen und Quelle für individuelle Vereinbarungen mit den Geschäftsbereichen im Unternehmen sein. Die Ableitung individueller, bereichspezifischer AI-Governance stellt sicher, dass ihre Anwendbarkeit im jeweiligen fachlichen Kontext operativ möglich ist und die Einhaltung nachvollzogen und dokumentiert werden kann.
  3. Allokation von Ressourcen und Mitarbeitenden: Ressourcen wie Budget und Technologie sowie Kapazitäten von Mitarbeitenden für die Umsetzung von AI-Lösungen sollten klar zugewiesen werden. Das umfasst auch die Identifizierung von Kooperationspartnern oder externen Kapazitäten und Ressourcen.
  4. Risikomanagement: Dabei handelt es sich um einen Prozess zur Identifizierung und Bewertung potenzieller Risiken im Zusammenhang mit AI-Lösungen sowie Maßnahmen zur Risikominderung und -kontrolle. Das Risikomanagement und das hierzu verwendete Modell müssen im Einklang mit den Vorgaben des AI Acts und den nationalen Vorgaben stehen und mit dem etablierten Risikomanagement der Geschäftsbereiche des Unternehmens harmonisiert sein.
  5. Compliance und Recht: AI-Lösungen müssen den rechtlichen und regulatorischen Anforderungen entsprechen. Das umfasst Datenschutzbestimmungen, branchenspezifische Vorschriften und geistiges Eigentum. Eine Definition und die kontinuierliche Entwicklung bezüglich dieser Themen sind mit den entsprechenden Stabsstellen im Unternehmen, wie beispielsweise der Revision, dem Datenschutzbeauftragten, der Rechtsabteilung, dem Betriebsrat etc. abzustimmen und zu vereinbaren. So werden Redundanzen oder Widersprüche vermieden bzw. aufgelöst.
  6. Leistungsmessung und Evaluierung: OKRs, KPIs und Metriken müssen implementiert werden, um die Wirkung der AI-Nutzung messen, dokumentieren und aktiv steuern zu können. Das ermöglicht die laufende Bewertung z. B. des Leistungsniveaus in den Geschäftsbereichen, des Reifegrades der Organisation insgesamt und identifizierter Anpassungsbedarfe.
  7. Lean-Change-Management: Es sollte ein Vorgehensmodell zur kontinuierlichen Umsetzung organisatorischer Veränderungen etabliert werden. Dabei sollten die Schulung von Mitarbeitenden und der damit ausgelöste Kulturwandel im Unternehmen berücksichtigt werden, um die Akzeptanz und Integration von AI zu fördern.
  8. Sicherheit und Datenschutz: Sensible Daten müssen geschützt, Sicherheitsmaßnahmen und kontinuierliche Überwachung implementiert werden, um potenzielle Sicherheitsrisiken zu minimieren und im Zusammenhang mit der vorgenannten AI-Governance den rechtlichen Verpflichtungen entsprechen zu können.

Ein erfolgreiches AI-Steuerungsmodell muss flexibel genug sein, um auf neue Entwicklungen und Erkenntnisse in der AI sowie auf sich ändernde geschäftliche Anforderungen reagieren zu können. Es sollte außerdem, wie schon in vorhergehenden Kontexten betont, eine klare Verbindung zu den übergeordneten Unternehmenszielen haben. Es sollte AI nahtlos in die bestehenden Geschäftsprozesse integrieren und ein Eigenleben der AI-Nutzung, eine "Schatten-AI", unterbinden.

Die in den letzten zwanzig Jahren durchgeführten Bemühungen zum Aufbau agiler, d. h. anpassungsfähiger Organisationsstrukturen werden sich an ihrer tatsächlichen Veränderungsfähigkeit messen lassen müssen, wenn es darum geht, das AI-Steuerungsmodell einzuführen und anzuwenden.

9. Welche Unternehmensbereiche müssen in das Steuerungsmodell des AI-Office als Kooperationspartner eingebunden werden?

Die Entwicklung und Steuerung von AI in einem Unternehmen erfordert die interdisziplinäre Einbindung unterschiedlicher Geschäftsbereiche und Stabsstellen, um sicherzustellen, dass alle relevanten Aspekte berücksichtigt werden und lückenlos und widerspruchsfrei kooperieren und einander ergänzen. Die initial relevantesten Geschäftsbereiche und Stabsstellen sind:

  1. CIO/CDO: Die Bereiche der klassischen Unternehmens-IT und der Digitalisierung von Geschäftsmodell und -prozessen spielen eine zentrale Rolle bei der Implementierung und Verwaltung von AI-Systemen. Sie müssen die technische Expertise besitzen oder aufbauen, um die erforderliche Infrastruktur bereitzustellen und zu pflegen, sofern das nicht unmittelbar durch das AI-Office erfolgen soll oder kann. Ist eine Kooperation zwischen AI-Office, CIO und CDO nötig, stellt das AI-Office die Anforderungen aus der AI-Perspektive an seine internen Kooperationspartner und vereinbart spezifische SLAs oder OLAs für ein dokumentiertes und transparentes Zusammenspiel. Das ist auch aus Sicht des AI Acts notwendig, da die gesamte Architektur der Unternehmens-IT, die für die Entwicklung oder Nutzung von AI-Lösungen eingesetzt wird, einer lückenlosen Dokumentationspflicht unterliegt. Daher muss gewährleistet sein, dass insbesondere diese drei Kooperationspartner eine revisionssichere Vorgehensweise vereinbaren und etablieren. Jede Form von "Zuständigkeits-Ping-Pong" muss aus regulatorischer Sicht und aus Sicht des Risikomanagements kategorisch ausgeschlossen werden.
  2. Datenschutz und Recht: Die Stabsstellen und Fachleute für Datenschutz und rechtliche Angelegenheiten sind entscheidend, um sicherzustellen, dass AI-Lösungen den Datenschutzbestimmungen (DSGVO) und rechtlichen Anforderungen entsprechen. Dabei ist festzulegen und zu beschreiben, was im Rahmen des operativen Vorgehens der Mitarbeitenden zu beachten ist, damit diese nicht aus Unkenntnis oder Unsicherheit einen Regelverstoß begehen.
  3. Compliance/Revision: Die Compliance-Abteilung überwacht allgemein die Einhaltung von Vorschriften und Standards (s. 3rd Line of Defense). Sie spielt eine wichtige Rolle, um sicherzustellen, dass die AI-Lösungen den regulatorischen Anforderungen entsprechen. Dabei fungiert das AI-Office als die Partei, die die regulatorischen und ethischen Vorgaben im Kontext des Unternehmens definiert. Die Compliance-Abteilung prüft als unabhängige Instanz die Einhaltung dieser Vorgaben im Unternehmen. Über diese Aufteilung der Zuständigkeiten können Ziel- und Interessenkonflikte ausgeschlossen werden. Sie prüft u.a. gegenüber den Anforderungen des AI Acts den notwendigen Reifegrad.
  4. Research & Development: In Unternehmen sind spezifische Geschäftsbereiche, die sich auf Innovationen und Forschung sowie Entwicklung spezialisiert haben, weit verbreitet. In Kooperation mit dem AI-Office verbinden diese allgemeinen R&D-Teams ihre Vorgehensweise und Initiativen, um je nach Bedarfsanalyse und strategischer Ausrichtung die Produktentwicklung des Unternehmens um die Möglichkeiten der AI zu erweitern und zu ergänzen.
  5. Finanzen und Budget: Die Finanzabteilung und das Controlling sind für die Budgetierung und Ressourcenallokation des Unternehmens insgesamt verantwortlich. In Kooperation mit dem AI-Office wird vereinbart, welcher Investitionsbedarf auf der AI-Seite den Investitionsmöglichkeiten des Unternehmens insgesamt gegenübersteht. Was finanziell möglich ist und was investitionsseitig benötigt wird, stellt ein konstruktives Spannungsfeld dar, das zwischen dem Finanzbereich und dem AI-Office ausgehandelt werden muss. Dabei ist es für beide Seiten hilfreich, sich auf eine rollierende, also iterative Budgetierung zu verständigen, in der Möglichkeiten und Notwendigkeiten quartalsweise analysiert und vereinbart werden. Für die Dynamik der Entwicklung von AI-Technologien ist eine Budgetierung auf Jahresbasis unrealistisch und nicht praktikabel.
  6. Personal und HR: HR kann bei der Rekrutierung von Fachkräften mit AI-Kompetenzen helfen und Schulungen für bestehende Mitarbeitende bereitstellen, um den Einsatz von AI zu fördern und das bestehende Karrieremodell des Unternehmens an die Möglichkeiten und Notwendigkeiten der AI anzupassen. So wird sichergestellt, dass die Mitarbeitenden eine klare Orientierung über die beruflichen Entwicklungsperspektiven im Unternehmen erhalten und sich ihren Talenten und Neigungen sowie den Erfordernissen ihres Fachgebiets entsprechend weiterentwickeln können. Das Zusammenspiel zwischen AI-Office und der Personalabteilung ist im Rahmen der Entwicklung von Fachkarrieren ausgesprochen relevant, um einem Verlust von Fachkräften durch eine potenzielle Verunsicherung und der Angst vor einem Arbeitsplatzverlust durch die Einführung von AI entgegenzuwirken. Bedauerlicherweise sind HR-Bereiche in Unternehmen selten in der Lage, von Vertragsmanagement abgesehen, als Business Partner die Geschäftsbereiche in anspruchsvolleren Personalfragen zu beraten. Das Themengebiet AI könnte daher als Chance genutzt werden, um das Image von Personalbereichen zu verbessern.
  7. Strategie und Geschäftsentwicklung: Damit Unternehmensstrategie und AI-Strategien nahtlos ineinander übergehen und sich gegenseitig fördern, müssen die Unternehmensentwickler mit den AI-Strategen im AI-Office regelmäßig, idealerweise quartalsweise, die strategischen Ausrichtungen mit den erreichten Ergebnissen vergleichen und nötigenfalls das Vorgehen anpassen.
  8. Marketing und Kundenbeziehung: Diese Abteilungen setzen AI ein, um personalisierte Kundenerlebnisse zu schaffen, Marketingstrategien zu optimieren, Markttrends und Wettbewerbsentwicklungen zu analysieren und zukünftige Kundenbedürfnisse zu prognostizieren.

Die enge Zusammenarbeit der hier aufgeführten Geschäftsbereiche mit dem AI-Office ist entscheidend, um sicherzustellen, dass die Implementierung und Nutzung von AI effektiv und reibungslos verläuft und die Unternehmensziele unterstützt. Die Zusammenstellung der Geschäftsbereiche erhebt, wie der gesamte Artikel, keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dennoch wird sichtbar, in welcher Form die verschiedensten Themengebiete und Verantwortungsbereiche miteinander verbunden und ergänzt werden können, um eine konstruktive Integration von AI im gesamten Unternehmensgefüge zu erreichen.

10. Was ist zu beachten, nachdem das AI-Office etabliert ist?

Der hier ausgeführte Bauplan für das Design und die Etablierung eines AI-Office orientiert sich am bisher erreichten Reifegrad der regulatorischen Vorgaben und Rahmenbedingungen bezüglich AI und dem erreichten Wissensstand unter Experten und Anwendern. Aus dieser Perspektive ist dieser Bauplan eine erste Hilfe für einen strukturierten Einstieg in das vielschichtige und höchst dynamische Themengebiet. Aus dieser Tatsache ergibt sich folgende Notwendigkeit: Die Ausgestaltung und Ausstattung des internen AI-Office müssen durch eine kontinuierliche Rückkopplung mit dem AI-Office der EU, den Experten des AI Advisory Boards eines Unternehmens und den internen Kooperationspartnern und Stakeholdern regelmäßig und kritisch geprüft und weiterentwickelt werden.

Das kybernetische Design des AI-Office, das hier in seinen Grundzügen skizziert wurde, ist auf diese kontinuierliche Adaption ausgelegt und erlaubt es, der evolvierenden Entwicklung der AI zu entsprechen. Darüber ist es Unternehmen möglich, das Gesetz der erforderlichen Vielfalt zu erfüllen, das von Ross Ashby definiert wurde [6]. Er erklärt darin, dass die Fähigkeiten eines Unternehmens, also eines komplexen Systems, der Komplexität seiner Umwelt entsprechen müssen, um diese nutzen zu können und in ihr seine Existenz zu sichern. Da sich sowohl das Themenumfeld der AI wie natürlich auch die gesamte Umwelt eines Unternehmens permanent verändern, sind Führungskräfte und Fachexperten in Unternehmen im Vorteil, wenn sie es schaffen, sich von linearen Denkmodellen zu trennen und nichtlineare Modelle aus der Systemtheorie anzuwenden.

Autor
Andreas Slogar

Andreas Slogar

Andreas Slogar war in 24 Ländern, den USA, Europa, dem Mittleren Osten und Afrika tätig und hat u. a. als CIO umfassende Erfahrung in strategischer und operativer Managementarbeit aufgebaut.
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